Freitag, August 02, 2019

Das Phantom der operanten Konditionierung

Eine halbe Stunde brauche ich, um jenen Grad der Konzentration zu erreichen, in dem ich es aushalte, das Dokument "Roman" zu öffnen und angesichts der 249.420 potenziell fehlerhaften Zeichen an einer random Stelle mit dem Weiterschreiben (= 18. Umschreiben) zu beginnen. In Minute 32 habe ich die erste fahle Passage gefunden und einen Plan entwickelt, wie daraus etwas zu machen sei, für das ich mich nicht völlig geniere, da fällt mir ein, wie gut es ist, dass wir zuhause kein Festnetztelefon mehr haben, das mich genau jetzt durch ein Klingeln, das nicht mir gilt, aber nur von mir in diesem Moment gestoppt werden kann, da irgendein Mitmensch ein Anliegen haben könnte, das dank einer medizinischen Intervention meines ex-erziehungsberechtigten Mitbewohners, der gerade ohnehin nicht anwesend ist, sonst würde es nicht mehr klingeln, einer alle erleichternden Linderung zugeführt werden könnte, aber wahrscheinlich wäre wieder nur ein aggressiver Telefonkeiler der schon siebenmal folgenlos von mir mit dem Tod bedrohten Firma San Lorenzo dran, der mich mit einem 1000 Kilogramm schweren italienischen Akzent, den billige Drehbuchautoren mafiös anlegen würden, fragen würde, warum „hiere in Leitenwege, Austria“ niemand mehr die Anrufe der Olivenölmafia entgegennehme, „e!?“ und ob wir nicht doch wieder eine Kiste voll überteuerter Antipasti bestellen wollen, andernfalls seien wir „sere bese Mensche!“; oder es ist eine entfernte Verwandtschaft, die mich ohne Namensnennung fragt "Goi, du kennst mi ned!", die aber dem obgenannten und als abwesend gemeldeten Vorfahren ansatzlos ein persönliches Leiden übermitteln lässt, das recht intime Einblicke in die mir bis dato unbekannte Verwandtschaft im 17. Grad bietet.
Aber es gibt kein Festnetztelefon mehr, das mich jetzt in diesem kostbaren Moment der Möglichkeit, den Scheißroman endlich fertig zuschreiben, berauben könnte, nur noch diesen Erinnerungsphantomschmerz daran und das Blog, in das ich diese Feststellung gleich hineinschreiben muss, um das Klischee der Autorin mit Schreibblockade ironisch zu erfüllen, wie finden Sie übrigens den Titel, hat er eh irgendwas mit dem Inhalt zu tun? Ein paar Sätze muss ich auch noch herschreiben, damit der Eintrag die 2500-Zeichen erreicht, dank derer ich das hier der LiterarMechana als „Kunst“ melden darf. Vielleicht fällt mir noch ein besserer ein. Nun aber habe ich das Bedürfnis nach Mittagessen, und später zahlt sich auch nichts mehr aus, morgen unternehme ich einen neuen Anlauf, außer es ist schön gemeldet, dann gehe ich auf einen Berg. Guten Tag!

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