Sonntag, April 30, 2023

Besitz belastet, brennt aber gut. Wie man sich selbst zum Orakeltier wird

Lebenskrimskrams im April 2023

1.4.

Mit den einzigen beiden Malaiinnen von Wels im Restaurant „Singapur“ – eine Stimmigkeit, die einem die Halluzination anbietet, sein Leben ordnen zu können.

2.4.

Zum Glück ist das Wetter zu schlecht für eine Skitour, sonst wäre ich diese Woche mit der ZEIT nicht fertig geworden (ich brauche dringend Hilfe!).

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In samsing kämpfe ich beim Bouldern mit seit Monaten nicht neu geschraubten Probleme („mir ist fad, drum fehlt die Motivation“), in Wahrheit herrscht Flut in den Jahresgezeiten der Leibesfülle (Gravitation, Geisel der Menschheit = Gewichtstsunami).

3.4.

In einer Stunde einen Förderantrag für das „Welterste pataphysische Kolloquium in Linz“ zusammenklabüsert. Walter Stadler habe ich noch angerufen, ob es ihm eh recht sei, das im DH5 abzuhalten, Raphi Edelbauer noch nicht, hoffentlich vergesse ich nicht (mir ist alles zuzutrauen). Es wird wohl nicht glücken, denn dieses Mal war ich beim Selbstboykott wirklich gründlich – ein paar Minuten vor Abgabeschluss habe ich das Ding irgendwie hochgeladen. Aber wenn das Trigger-Wort „Digitalisierung“ in der Projektbeschreibung steht, könnte es trotzdem klappen (ich hab' jetzt schon wieder vergessen, was ich hektisch hineingetippt habe).

4.4.

Das Haus flüstert mir den ganzen Tag Umräumvorschläge ins Innenohr, und allmählich erhebt auch der Garten immer stärker seine Einladungen zur Prokrastination. Wenigstens deprimiert er mich nicht mehr durch åfarbene Nicht-Vegetation. (Ich muss mir das für die zweite Lebenshälfte endlich merken, dass vom März pflanzlich noch überhaupt nichts erwartet werden kann). Am Nachmittag gebe ich dem Drängen nach und schneide draußen irgendetwas ab. Ein Kontrast zu meinem schlecht gemanagten Haupthaar. Aber die fast siebzigjährige Nachbarin kommt vorbei und fragt mich, zu welchem Friseur ich gehe, sie wolle auch so viel Volumen haben.

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Der Hund wälzt sich im Donaudreck wie ein Huhn mit Veitstanz. 

5.4.

Die Kohlmeisen besichtigen meine alten Vogelhäuser wie verwöhnte Schwaben eine Bude am Prenzlauer Berg.

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Meine ungünstige Meinung über Rennradfahrer verhärtet sich.

6.4.

Soll ich mein berufliches Fortkommen weiterhin boykottieren, indem ich Bürozimmer tausche? Stillstand garantiert für weitere drei Wochen.

7.4.

Träume, inspiriert vom aktuellen, erbärmlichen Quartalsumsatz: Buttinger vermittelt mich an meine neue Arbeitsstelle im noch nicht gentrifizierten Norden Wiens, bei einem Anlagevermögensberater namens „Reich & Wohlhabend“. Es ist kein edles Geschäftslokal, hat aber höchste Ansprüche an das subalterne Personal. Ich muss eine anachronistische Dienstmädchenuniform anziehen und werde laufend zu Sauberkeit und Pünktlichkeit angehalten, ohne dass mir jemand sagen würde, was eigentlich mein Tätigkeitsfeld von täglich 8 bis 17 Uhr sei. Dafür muss ich mich schnellstmöglich im Gedärm des mehrere hundert Meter schmal nach hinten führenden Gebäudes orientieren lernen. Es ist alles sehr vollgerümpelt. Nach Dienstschluss zeigen mir die Kolleginnen die wahre Attraktion des Jobs – sie haben eine eigene U-Bahn, den „Gipsy Train“. Wir sitzen auf einem offenen Wagen und rasen durchs Dunkel. Zuerst gefällt mir das noch, aber die Fahrt geht lang, viel zu lang, sie endet erst an einem stillgelegten Bahnhof im Süden, schon mitten in der burgenländischen Pampa. Die Kolleginnen sehen mein Entsetzen, sie sagen, natürlich müsse ich hier herziehen, damit ich den Vorteil auch ausnützen könne, dann verschwinden sie im Ruderalwald. Da erst fällt mir ein, dass niemand über mein Gehalt gesprochen hat.

Gnädiges Erwachen. Ich will weiter recht tüchtig sein in meinem schlechtbezahlten Home-Office-Paradies!

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Die jungen Nachbarburschen, die sich für die Sportvereins-Haussammlung die Jovialität der Väter angezogen haben wie zu große Fußballleiberl.

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Der Kampf gegen den Giersch ist verloren, bevor er begonnen hat.

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Es gibt wirklich ein Instrument namens „Kernspaltflöte“, und es stammt auch aus dem Osten.

9.4.

Altern bedeutet, dass man das gesamte Osterwochenende überfressen ist, obwohl man nur noch ein Drittel des früher Üblichen geschafft hat. (Man verträgt aber mehr Alkohol, peinlich).

10.4.

Immer sehr viel zu kurz auf dem Plateau des Toten Gebirges, aber diese zwei Stunden wie heute etwa, die strahlen für dreißig Jahre. Die Strahlungsmetapher passt vielleicht wegen des Tschernobyl-Fallouts hier oben doppelt gut.


11.4.

Mitten im Alltagsvollzug wundert man sich, wie schnell es dann gegangen ist, dass wir uns auf einmal mit den Kindern unterhalten, als wären sie alte Freunde – es ist nur noch interessanter, weil sie so enthusiastisch sind. N. hat heute die zeitgenössische Erscheinung männlicher Midlife-Crisis so trefflich kommentiert, als sei sie die 44-Jährige von uns beiden, und nicht exakt halb so alt wie ich. Sie und E. haben sogar glaubhaft widersprochen, als wir ihnen einzureden versuchten, sie gar nicht nach unserem Vorbild erziehen gewollt zu haben. 

 

12.4.

Das Aufschlagen der herrenlos gewordenen Dinge bei der Sammlung für den Flohmarkt der Pfarre Vogelweide: arme Leute, die das Gewand der Mütter und die Bücher der Väter nicht in den Container werfen können (ich rede über mich).

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Meine Spatzen stehen dank der sauteuren Biohirse gut im Futter. Vergangene Woche ein Stiglitz auf dem bemoosten, allen Erntebemühungen entwachsenen Kirschbaum. Auch diese kleine Schönheit strahlt noch nach.

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Coala und ich lasten es unserem Kindheitsenglisch an, dass wir den Text von „Blue“ nie verstanden haben, also googeln wir ihn und sind erstaunt, wie maximal simpel er ist, er besteht ausschließlich aus „Dabadi dabadi“. Was man uns alles andrehen hat können. 

 

13.4.

Zu Gast bei einer Veranstaltung zum Thema Medien. Fritz Hausjell berichtet lange und besorgniserregend über die heimische Misere. Die Luft brummt vor lauter Bemühen der pensionierten Journalisten im Publikum, schweigend zu warten, bis der „Frage“teil beginnt. Einem namhaften Herausgeber wird das Wort erteilt, er beginnt mit dem Gruß des Ko-Referenten: „Ich will kein Ko-Referat halten!“ Nach länglichen Ausführungen („Österreich ist wie ein gut geführter Kommunismus!“) leitet er den Schlussappell mit einer Kunstpause ein, dann sagt er „meine Herren!“ Von mehrere Seiten ertönt ein „...und Damen“, was ihn zu einem Sekundär-Ko-Referat veranlasst. „Wissen Sie, warum meine Redaktion nicht gendert? Ich habe ihnen erklärt, dass sie zehn bis fünfzehn Prozent mehr Platz brauchen, wenn sie schreiben 'Männer und Männinnen', haha, oder, ich weiß nicht, 'Wassergläser und Wassergläserinnen'.“ Der ORF sei da ganz schlimm, denn was sei denn mit den Ministern, wenn die nur die Ministerinnen ansprechen? Die Luft um mich herum brummt vor Bemühen, nichts zu sagen, aber es bricht dann doch die Bitte aus mir heraus, bittebitte das Thema zu wechseln. Schade, dass ich mir diesen Unfug ewig merken werde und nicht Hausjells Vorschläge für eine Reform der Presseförderung.

Dann meldet sich eine Dame mit dem Hinweis zu Wort, dass der Redebeitrag der Frauen bislang zu kurz gekommen sei. Sodann hebt sie mit einer Suada gegen den „Erziehungsjournalismus“ an, eine mit viel Mühe kaschierte Querdenkerei voller Buzzwords der diskursgestählten Verschwörer*innen: „Damit wird die Gesellschaft gespalten! Andersdenkende bei den Themen Klima, Corona, Ukraine werden nicht gehört!“ Hier brummt keine Luft, niemand hat Lust, zu widersprechen, bis auf eine andere Dame, die es – durchaus realistisch – bald wieder sein lässt, weil deutlich wird, wie sich die mit allen trübenden Wassern gewaschene, sehr eskalationsfreudig wirkende Antipädagogin an den Widerworten auflädt. 


14.4.

Es gibt eine Krankheit namens „Birnenverfall“. (Schlecht für den Birnenbinnenmarkt)

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Diffèrance: Ski vs. Schi

15.4.

Sehr lustige Lesebühne! Sehr lustiger Gast! Xaver Schumacher analysiert die „Libretti“ der gängigsten Ski-Hits. (An „Blue“ bisse aber sogar er sich die psychoanalytischen Zähne aus, wegen zu dumm). Eine Nachlese gäb's hier im Lesebühnenblog.


16.4.

Es bricht eine Zeit rasant galoppierender Verdummung an, ich kippe aus der Gegenwart wie eine ältere Frau, die nicht weiß, wie man mit dem Handy Bilder verschickt. Heute musste ich bei der Registrierung in der Boulderbar ein Profilbild aufnehmen, und ich habe wirklich zur Seite geblickt. Hoffentlich liest das hier nie jemand. Irgendwann hab ich doch einmal Philosophie studiert und erklären können, was die „diffèrance“ bedeuten will!

Auch der Spalt im window meiner sportlichen opportunities wird immer schmaler: alles unter 6a zu leicht, alles über 6a+ zu schwer. 

 Auch beim Selfiemachen manifestiert sich der altersbedingte Kompetenzverlust


18.4.

Ein Radiokolleg über die Sprachpolizei: Der „Allgemeine Deutsche Sprachverein“ war den Nazis zu unmodern, weswegen er sich 1943 auflöste. 1997 wurde der „Verein Deutsche Sprache“ gegründet, es ist ein wenig so wie NsDAP und FPÖ.

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Beim Lesen von Pollacks „Kontaminierte Landschaften“: Vielleicht ist im Gegensatz dazu die Betrachtung der „Wildnis“ so erholsam, weil sie kaum vom Eingriff gezeichnet ist, was natürlich an keinem Ort insbesondere in Österreich mehr tatsächlich der Fall ist. Kondensstreifen und Steinmänner im Toten Gebirge, Tote in den Dolinen, Nazi-Größen, die sich auf der Wildensee-Alm verstecken...

Das Lesen über die menschliche Mordlust macht es mir derzeit übrigens auch unmöglich, gegen die Ameisen im Büro vorzugehen. Hoffentlich kann ich das zumindest einmal literarisch verwerten.

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Starker Regen und starkes Umräumen im Haus. Gibt es eine Droge, die ähnlich wirkt wie das Umstellen von Möbeln (bei mir zumindest)? Die Energie brauche ich auch, um die Furcht vor Gottesstrafen zu ertragen, wenn ich das große Kruzifix abhänge oder Pilgerweg-Bücher zum Pfarrflohmarkt bringe. Am meisten Kraft brauche ich, mir nicht die traurigen Augen der toten Eltern angesichts meines Umgangs mit ihren Schätzen vorzustellen. Immerhin hat das abgenommene Kreuz seine Form auf der von der Sonne gebleichten Holzwand hinterlassen. In hoc signo non vinces. Am Abend fährt mir der Schmerz ins Kreuz, ganz nach katholischem Brauch. 


19.4.

Immer wollte ich einen Hund besitzen, den ich in Liebe auf Menschen hetzen kann, die mir lieb sind – und wirklich stürmt Fini auf Martin Pollack hin, sobald ich „Fass!“ rufe. Wir tun so, als hätten wir einander grade erst gesehen. Es wachse schon alles in seinem Garten, ich prüfe meine zehn Lieblingsgemüse ab, er sagt zu jedem „ja freilich“ oder „das wuchert heuer“ oder „ernte ich schon“. Ich erglühe vor Neid, versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen. 

 
Im Schl8hof finden wir beide zuerst, dass die guten Menschen zu optimistisch bestuhlt haben, aber das Volk wird unseren Zweckpessimismus enttäuschen. Es ist eine Gnade, dass ich hier ganz nach Sympathie walten darf. Für brillante, aber zwidere Autoren müsste man mir das Honorar auch erhöhen. Zum Glück muss ich auch keine kritische Distanz zu Tanja Maljartschuk erzwingen, die mich vollends für sich einnimmt, als sie darüber nachdenkt, dass die Emanzipation der Frauen irgendwann auch das Kriegsunwesen betreffen müsste; derzeit könne man sich Saddam Hussein in Stöckelschuhen oder Hitler mit Busen noch nicht vorstellen, „aber auch sie werden einmal die Welt zerstören dürfen.“

Den russophilen „Friedens“-Aktivisten widmet sie einen Text über das vordergründige Idyll am Bauernhof, in dem sie als Kind lernte, dass jedem Tier die Zeit seines Todes ermessen werde: die Schweine im Herbst, jeden zweiten Sonntag ein Huhn, die Lämmer zu Ostern. Eine solcherart strukturierte Gewalt sei also der Frieden.

Martin und Tanja gehen hoffentlich weiterhin achtsam mit ihren Worten um, weil ich ihnen jedes einzelne bedingungslos glaube. 

 

20.4.

Ob ich jemals etwas lieber machen werde, als zu essen? Manchmal ahne ich etwas. Beim Büroeinräumen wird mir der Hunger lästig, während ich beim Schreiben dauernd in meinen Magen hineinhöre, ob es nicht schon Zeit wäre und ich einen guten Vorwand für eine Pause finde.

Entgegen eigener Überzeugung bin ich nicht ungeschickt, ich muss nur immer daran denken, mich nicht schnell zu bewegen. Adieu, geliebte Dackeltasse! Aber besser du als irgendein Bleikristall-Erbe, das ich in noch härteren Zeiten einmal auf willhaben verklopfen kann.

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Ohne jede Absicht antworte ich auf die Smalltalk-Frage nach Kinder-Lieblingsessen „Eiernockerl“, das Unterbewusstsein ist ein Hund (gelogen war's nicht).

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Abends dem Buttinger geschergt, dass der Hund ab jetzt die gesamte Zeit alleine im Garten sein will, er empört sich: „Dafür wird sie nicht bezahlt!!!!“

21.4.

Aktuelles Leiden an Mozarts Klarinettenkonzerten (in ihrer Einspielung als Ohrwurm).

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Man wird sich selbst zum Orakeltier. Ohne den Grund genau zu kennen, schreibt man jahrelang über das Ausmisten (am meisten, bevor die echte, mühsame Arbeit überhaupt beginnt). Dann über Prokrastination (darüber ist alles gesagt, trotzdem). Allmählich kommt die „Inspiration“ aus aktuell Geschehendem, konkret aus den Ameisen, die ich vergrämen soll.

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Gestankskombinat“ (Max Goldt, „Gattin aus Holzabfällen“, wieder sehr gelacht)

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Nach den „Frauenstimmen“ im Strandgut versoffen, nur mit eisernster Disziplin gelöst und nach Wels gefahren, um mich dort auf der Couch zu versaufen (es ist Freitag, ihr Apostel).

22.4.

Auf dem Weg zum Bruderkogel erzählt mir Linsi eine heitere Tiergeschichte: Die Katze hat eine Maus gebracht, die sich als scheintot erweist und nach ihrer Wiederauferstehung flugs im Haus verloren geht (vielleicht ein Wunder?). Die Mieze fühlt sich indoor nicht mehr zuständig. Wochen nach der möglichen Himmelsfahrt hebt er – ganz anderes suchend – den Polster der Couch und findet darunter die flachgesessene Maus, nun wirklich tot. Keiner will es gewesen sein, der sich auf den Willi gesetzt hat. 

Bei der nächsten Skitour befestigen wir alle unsere Tracking-Devices an der Hündin und geben nachher auf Komoot mit unseren 2342 Höhenmetern ohne nennenswerten Puls an. Bei der Abfahrt jagt uns Fini wie scheintote Mäuse.

Gute Bettschwere nach nur zwei Bieren.

23.4.

Mein Büro ist so schön geworden, dass ich es nicht mit Erwerbsarbeit besudeln möchte. Hoffentlich hemmt es meine Prokrastinationshyperaktivität, dass ich jetzt im obersten Stockwerk sitze (Nachtrag Mai: kaum).

24.4.

Bei der Einkommenssteuererklärung absichtlich weniger absetzen als möglich, damit ich dem Finanzamt gegenüber nicht als das völlige Ei gegenüberstehe, das ich bin. Wahrscheinlich schreibe ich das schon seit 2009 in jedes meiner Notizbücher und vergesse es wieder, damit ich seelisch-wirtschaftlich übers Jahr komme. Wann verwandelt sich meine Furcht vor der Besachwalterung in Einsicht? Wahrscheinlich so lange nicht, wie ich mir einreden kann, dass von meinem Steuergeld wenigstens keine FPÖ-Parteienförderung bezahlt werden kann.

25.4.

Im stockenden Morgenverkehr (Klimakleber an der Ausfahrt Wiener Straße) angesichts meines Ärgers über die Wartezeit der intensive Gedanke, dass uns allen nicht mehr zu helfen ist.

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Sehr guter Fund im Internet: Es sind nicht die Oppussums, die sich tot stellen, es sind die Menschen, die so tun, als würden sie leben. 

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Kiste 11, 12 und 13 zum Pfarrflohmarkt chauffiert (die Federn ächzen). Im Haus fehlt nichts, alle Regale sind noch voll, dafür mein Herz voll Gram, wenn ich an die Eltern denke, wie sie mir vom Himmel aus dabei zusehen, wie ich „Kulturwanderungen in Südtirol“ hinaustrage, oder „Die stolzen Städte der Toskana“. Wenigstens sind die Schachteln, die ich mir beim Interspar erbettelt habe, für Biobananen.

26.4.

Ich bin im Besitz einer CD (Best of Mozart + Schubert), „gewidmet von den Betriebswirten und Wirtschaftsinformatiker der Johannes Kepler Universität Linz ihren Gästen“. Sie steht jetzt neben der LP des Chores.

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Am Vormittag gehören sämtliche DM-Filialen ausschließlich den Frauen, die Lagerhäuser den Männern. Ich störe mit meinem queeren Einkaufsverhalten (Hautcrème und Heckenschere) die göttliche Ordnung.

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In der Nacht träumte mir, dass mich die OÖN zu Nadja Kayali als Israel-Korrespondentin schicken, die mir beibringen soll (ganz nebenbei), wie man sich pelzdicke falsche Wimpern aufklebt (warum nicht den Gebrauch von Kajal, war meinem Unterbewusstsein der Witz zu seicht?). Dann werden mir bionische Elemente in den Leib operiert, woraufhin ich recht gut fliegen kann (eine Kooperation mit dem AEC, um sich die Kosten für die Flugtickets zu sparen?)

27.4.

Ich werde für Radio Oberösterreich interviewt, das dauert ca. sieben Minuten, den Rest verplaudern wir. Sieben Minuten länger und ich hätte Katharina Maurer vorgeschlagen, dass wir am hellichten Tag miteinander auf ein Bier gehen.

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Es ist übrigens ein im Verkehrsgeschehen nicht vorgesehener Irrsinn, das Viertel zwischen RLB, Designcenter und ORF zu Fuß betreten zu wollen.

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Rudi-Klein-Vernissage im MKH, mit dem großartigen Titel „Der Künstler ist zu müde für Erläuterungen“ – er ist aber freundlich anwesend und trägt Kapitänsstreifen am Sakko. Sehr langer Abschiedsapplaus für Günter Mayer (jetzt werden die Pensionisten immer jünger). Am schönsten die Reihe „Geschenke der Straße“, Porträts aus Zeug, das dort herumlag.

28.4.

Mit leichtem Kater entlassen in eine kurze Sturmfreiheit, in der ich ganz meinen Neurosen leben darf.

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Das Problem an der Figur der Präsidentin ist, dass sie nach den Gesetzen des guten Humors nach oben schlagen muss, aber da ist niemand mehr, denn it's lonely on the top

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Die evolutionäre Liebe zwischen Mensch und Hund ist tief, aber wenn ich aufs Klo gehe, legt sich Fini auf meinen angewärmten Sofaplatz und lässt sich auch mit den gelinden Mitteln mütterlicher passiver Aggression ("Rutscht a bissi, Puppi? Bitte?") nicht mehr vertreiben. Wärme ich eben die andere Soff, man hat ja geerbt und kann den Verteilungskämpfen des Spätkapitalismus aus dem Weg gehen. 

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ALLE sind auf der Leipziger Buchmesse, nur ich sortiere die Bücher im Haus, irgendwer muss das ja auch machen.

29.4.

Der angehende Pathologe in der Kletterhalle erzählt aus dem Blauen heraus schüchtern Chinesenwitze („Hing am Hang“).

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Lyrik von jenseits des Nachbarzauns, nicht ganz aus dem Blauen heraus: „Die Ehe ist ein Übel / ein bittersüßes Joch / sie ist wie eine Zwiebel / man weint und isst sie doch“. G. sagt stolz, das könne er, weckte man in nachts um drei in mit drei Promille, auch noch tadellos aufsagen.

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Kiesel in Flusskolken „schnattern“. (Quelle?)

30.4.

Diese urtümliche Kinderfreude, Sachen in Flammen aufgehen zu lassen (noch stärker als jene, Haustiere mit dem Gartenschlauch anzuspritzen, und die ist STARK). Das ist mir den versengten Flieder wert. 

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Man könnte das Land für den Rest unser aller Leben in einen Lockdown sperren, ich hätte trotzdem genug für alle zu lesen daheim, für alle Gesellschaftsschichten. Top-Auswahl: „Das Liebesleben der Tiere“, „Topf-Gucken mit Karl Moik“, „Schatzkästlein der Jungfräulichkeit“.

Mein selbstgebastelter Lockdown in diesen Tagen gelingt mir hervorragend, denn dieses Mal habe ich sogar ein Haustier, mit dem ich Zwiesprache halte, um nicht das Gefühl zu haben, komisch zu werden (was allerdings demonstrandum war). 

Komische Wesen sehen dich an

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Die Philosophiebücher stehen jetzt zumindest so, dass ich sehen kann, was ich wissen sollte. Aber mehr als dass Marx nicht mit Geld umgehen konnte und Derrida verstört über seine Beschneidung war, habe ich mir in Wahrheit nicht gemerkt. Vielleicht kontaminiert man sich ja über die reine Anschauung der Buchrücken mit den gelehrten Inhalten.

Samstag, April 15, 2023

Wissenskrimskrams rund um das Skifahren

Weil ich bei der letzten Lesebühne mein Füllhorn der "guten Einfälle" nicht vollständig leeren konnte, gieße ich Folgendes hier ins Ideen-Retensionsbecken. 

Was am Après Ski am schwersten zu ertragen ist: die Frage, in welche scheiß Richtung der Accent gehört, verdammt, ich hab in Französisch maturiert, werde ich dement?!

Après Ski in Oberösterreich verhält sich zu Après Ski in Tirol wie ein Jungschardiskoabend im Pfarrheim zu einer Sex Positive Party im Berliner Berghain.

Integration ist nur dann gelungene Assimilation, wenn die Ausländer auch diese völlig irrationale Enttäuschung empfinden, wenn der Gesamtweltcup an die Schweiz geht. Wer sich grämt, dass irgendwelche Deutschen(!) oder SCHOTTEN(!!!) ein Hahnenkammrennen gewinnen, muss sofort eingebürgert werden, mit Mann und Maus. 

Fortgeschrittene Österreicher (ich gendere da nicht, Frauen sind nicht solche Gefühlswesen) können sich dann durch ambitionierten Wahnsinn auszeichnen, also befürworten, dass man Berggipfel im Pitztal wegsprengt oder das Warscheneck untertunnelt (um zwei einzelne winzige Skigebiete zu zwei gemeinsamen winzigen Skigebieten zu verbinden). Geisteskrank bleibt es, den eigenen Garten so aufzuschütten, dass man einen Weltcupslalom austragen könnte, aber in einer Skisportnation is the sky the limit bei blöden Ideen.

Das Patriarchat mag das Gebirge barrierefrei machen, aber nicht für behinderte Menschen, sondern für ÖSV-Funktionäre, Investoren und vertrottelte Landespolitiker.

Üpberhaupt: Peter Schröcksnadel, der Elon Musk der Alpen. (Igitt)

Im Übrigen kommen mir die Pläne zur Rettung der nicht mehr konkurrenzfähigen Lulu-Skigebiete so vor, als hätte ich sie im akuten PMS schnell für die Lesebühne zusammenklabüsert: Ich: Akne wegkärchen, über den Fußweg rasende Rennradfahrer vom Sattel brocken, die FPÖ und die Schwerkraft am liebsten einfach durch Anzünden aus der Welt schaffen. Ski-Wirtschaft: Riesenplateaurestaurant Frauenkar, Zehnkilometerlift über das Naturschutzgebiet, Tunnel durchs Warscheneck, you name it. Der Unterschied zwischen Frauen und dem Schröcksnadel: Am nächsten Tag haben wir unsere sieben Zwetschgen wieder beinand und lachen über unsere tolldreisten Schasideen. 

Um die Sinnlosigkeit der gesamten menschlichen Existenz zu beweisen, ist es immer eine gute Übung, sich vorzustellen, Aliens ein bestimmtes Phänomen zu beschreiben: Ja, also, Skifahren, das ist, wenn sich die Leute mit sehr mühsam auf einen Berg geschraubten, waghalsig energieintensiven Liftsystemen nach oben teleportieren lassen. Sie tragen teure und rasch wechselnden Moden unterworfene Schutzkleidung in extrovertierten Farben. Die Füße werden in L-förmigen Hartplastik-Devices inhaftiert, das verursacht in 85 Prozent der Fälle erhebliche Schmerzen. Die sogenannten „Skischuhe“ werden per One-Click an scharfkantige Vorrichtungen befestigt. Deren Fläche entspricht dem Quadratmeterpreis eines Lofts in Midtown Manhattan (das stimmt wirklich, ist wissenschaftlich erforscht!). Auf diesen Latten rutschen die Menschen nun den Berg hinunter. Damit sie sich nicht an der ortsüblichen Vegetation totfahren, wird diese schneisenförmig mit Stumpf und Stiel entfernt. Um die Gleitfähigkeit zu gewährleisten, wird darauf nicht nur die klimatologisch gegebene Menge gesammelter Eiskristalle verwendet, sondern mittels eigens konstruierter Wasserwurf-Maschinen vermehrt und auf den Hängen mit personal- und energieintensivem Fuhrpark fixiert. Die Menschen rutschen darauf gemäß den Gesetzen der allgemeinen Gravitation nach unten und empfinden dabei ein sehr teuer erkauftes Vergnügen, das von den Jungen mit großer Disziplin erlernt werden muss. Den Rutschenden ist dabei immer zu kalt oder zu warm. Ziel der Übung ist es, unten wieder in das Teleportationssystem zu steigen und von vorne zu beginnen, ganz ähnlich dem Sisyphosmythos, den man dann dem Alien bei der Gelegenheit auch gleich erklären kann.

Après Ski besteht im Wesen darin, sich durch intensiven Alkoholgebrauch bei dröhnender Gesellschaftsmusik für die erlittenen Strapazen schadlos zu halten, was freilich die Leiden nur verlängert. 

Ein sehr liebes Bild aus der frühen Jugend der Autorin, um die Laune bis zum Schluss des Textes zu heben.

Hätte ich wirklich Macht, ließe ich im viel zu langen Bergwinter aus dem störenden Schnee grüne Bänder herausfräsen und mit Antischneekanonen begrünen, damit ich jederzeit meine lieben Wanderungen machen kann, inkl. beheizten Raststeinen. Analog dazu den Gleinkersee erwärmen, damit man auch zwischen September und Juli darin baden kann – sehr wichtig für den Tourismusstandort OÖ! Vielleicht hier überall den Skitourismus auflassen mangels Wettbewerbsfähigkeit, und überhaupt mit der Abwärme der Voest die Landschaft in einen ewigen Frühling versetzen.  

Wenn das mit den „durchwachsenen Medaillenbilanzen“ im ÖSV so weitergeht, vielleicht eine neue Sportart andenken, an der sich der fragile Nationalstolz hochranken kann. Beheizte Hallen für Aquarellmalerei oder Jammern? Oder katholische Transzendentaltheologie, Schnitzel-Fress-Contests oder Femizid. Oh wait, da sind wir eh schon Spitzenreiter in der EU.

Zieleinlauf des Textes:  

Vielleicht sitzt da draußen jemand vor den Überwachungskameras, oder im Jenseits, und kommentiert mein Leben wie die Schmähkanonen (haha) Hans Knauß und Armin Assinger die Streif. „Optimale Schmähverhältnisse, es lieg heite guns an der Minkchi selbst.“ „A Spätstarterin mit vü Verletzungspech, gelingt ihr des Comeback oder des Come at all?“ „Keine große Technikerin, aber vül Herz.“ „Do hot's liegn lossn.“ „Riskante Linie!“ „De Passage hod passt, wos geht am Schlusshaung nu?“

Humorpotenzial erörtern, wenn Knauß und Assinger Literaturkritik im Skistil machten. Dem ORF vorschlagen.