Freitag, Juli 02, 2021

Wortplankton im Drecksmeer des Kapitalismus. Phantomereignisse im Mai


   Kurz nach dem Nahtoderlebnis, wir lassen uns - ganz daseinsbejahend - nichts ankennen.

3.5.2021

Ein Spatz hat das Wochenende im Lampenschirm verbracht und man hat mir Hausschlapfen in grünglänzender Barschform geschenkt, quasi die Schaumkrone auf dem gekippten Weltmeeren des kapitalistischen Warenozeans. Mehr war noch nicht los, aber wir haben ja Zeit.

Bei Gelegenheit sagen: „Ich bin unterrumpelt.“ ZB wenn man ungeküsst vom Date heimkommt. Vielleicht zu gewollt: „Flaubert-Gewehr“.

Jetzt erst fällt mir ein, dass ich beim Klettern im Höllental fast von einem Stein erschlagen worden wäre, aber wegen des Fast ist im engeren Sinne eben nichts passiert. Das wiederum passt gut zum Namen der Reihe: Phantomereignisse.

4.5.

Jemand erzählt, er habe im Lockdown Derrick binge-gewatcht. Verrückt!

5.5.

Das virtuelle Dasein ist eine falsche Öffentlichkeit, die zehrt, nicht nährt: Fünf Minuten ins Leere hineingelesen und gleich erschöpft. Es war übrigens Lyrik, mit der ich sowieso fremdle (ist sicher nur eine Phase). Mit welchen Folgen? Hier meine Poesie. Aus dem Zyklus „Standortverdichtung“

Ab und an, einmal mehr

Kommt auf Augenhöhe ein

Maßnahmenpaket daher

Auf den Weg gebracht ein

Digitalisierungsschub im Endeffekt.

Alternativlos enkelfit sein:

was für ein Leuchtturmprojekt!

 

 
Symboldbild "Beine der geimpften Nachkriegsgeneration, entspannte Gen X, scheintotes Pandemieopfer"

Zum Glück sind die Boomer nun fast alle geimpft und ich bin nicht mehr allein mit meiner unangemessenen Zuversicht und meinem unsolidarischen Wohlbefinden.

Im Zug heim von Wien. Welches geheime Leben führen die Menschen, die in St. Pölten ein- und in Amstetten aussteigen?

7.5.

Lesebühnendreh im Einfamilienghetto. Die Nachbarskinder suchen ängstlich das Weite, als ich mit Frack und Schärpe segnend auf sie zugehe. Monet verwandelt Urin in Apfelsaft und Buttinger gewinnt Energie aus einem Solarzylinder. Meine geliebten zwei Deppen! 

8.5.

Eine junge Wanderin ist auf dem Parkplatz von meiner Eigenrührung über die Skitour in die Dietlhölle so mitgerissen, dass sie mir einen Psalm in die Hand drückt.

9.5.

Fellatio Rom

Nicht lesen, sondern grasen: Die Neuronen sind die Barten eines Blauwals, mit denen man Krill aus dem Buchstabenmeer seiht.

10.5.

Die Generation X wird von den präpotenten Boomern und der verwöhnten Gen Y und der woken Gen Z total gesandwitcht, aber nicht mit Liebe.

Ein Leben, in dem man ungefähr so viel Beischlaf wie Bergtouren bekommt, darf man nicht bemäkeln. 

12.5.

Der nächtliche Sturm verwandelt das Baumhaus in ein Schiff, es knarrt in den Wanten wie ein Seelenverkäufer.

Wenn ich rechtzeitig die richtige Mülltonne auf die Straße stelle, überkommt mich die Halluzination, mein Leben im Griff zu haben.

Itchy Strachy hat laut Falter ein „Eigenurinamulett“ am Hals und am Hoden eine eiförmige Messingschale getragen. Seine beratende Energetikerin ist in Wahrheit fix Satirikerin.

13.5.

„Dicht“ von Stefanie Sargnagel nüchtern bei dichtem Regen gebinge-lesen. Eine Hommage an das Dosenbier, noch viel mehr an den Menschen in all seiner Grindigkeit und Güte. Was für ein schönes, extrem unzynisches Buch!

16.5.

Ob ich für vier oder vierzig Tage packe, ist völlig egal. Ich stopfe so viel ins Auto, wie es fasst.

„Hatten wir früher auch schon so viel Giersch oder ist das mein persönliches Versagen?“

„Haha, nein, deine Mutter hat sich bis zum Schluss gefragt, was sie früher besiegt, den Erdholler, oder den Krebs.“

17.5.

In der Nationalpark-Waldeinsamkeit. Ein kleines Wunder, dass hier am Ende der Welt eine Hütte steht, zu der ein Schlüssel passt, den liebe Menschen mir gegeben haben. Nach drei Stunden ohne Empfang muss ich schon in den Kalender schauen, welcher Tag heute ist.

18.5.

Weil ich in der Küche alles ordentlich weggeräumt habe, kackt mir die nachthyperaktive Maus aus Protest aufs Schneidbrett, wie zuhause die Spatzen ins leere Futterhaus.

Ein Mauswiesel schaut mir beim Zähneputzen zu, ich sage „Hö!“, das ist mein einziges gesprochenes Wort in diesen drei Tagen.

Mir fehlt in der Natur die innere Körperspannung zum Romanschreiben.

19.5.

Im Schl8hof bekomme ich das erste frisch gezapfte Bier seit Oktober, und ich bezahle dafür, obwohl man mich einlüde, weil ich mich doch sehr freue. Mercedes Spannnagel liest, es ist sehr lustig („Wiener Ranzbezirk“). Sie erzählt später von ihren vier Geschwistern, einer heißt „Aeneas“. Tina Keller sagt verträumt „Der erste Lockdown war der schönste“.

20.5.

Ich gebe dem Firmling auf den Lebensweg mit, dass Ärztekinder das Letzte sind.

21.5.

Keine Sekunde verstummt das wütende Zetern der brütenden Kohlmeisen, während ich stundenlang Giersch ausrupfe, damit er ihnen nicht das Gras überwuchert. Man sollte der Gescheitere sein, aber ein bisschen kränkt man sich halt doch über den groben Undank.

24.5.

Ich bin ein wenig von mir selbst enttäuscht, dass mich die aufgekratzten Kleinkinder in der Kletterhalle hauptsächlich nerven, weil sie „Liam“ und „Jayden“ heißen. Apropos: Auwiesen hat wieder offen. Ab jetzt kann ich wieder jederzeit ein schlechtes Gewissen haben, dass ich nicht trainieren gehe.

„Ist das zu teuer oder will ich das erben?“ Henrik Szanto lamentiert treffend über die Suche nach Geschenken für alternde Eltern.

25.5.

Mein Konsumverhalten gleicht sich rasant jenem alternder Eltern an: Zahnpanoramaröntgen, Rasenmäherreparatur, Ford Kombi.

Im spanischen Santa Colona bemerkten ein Vater und sein Sohn beim Spielen einen seltsamen Geruch, der aus einem dort vor dem Kino werbenden Stegosaurus drang. Die Feuerwehr fand darin einen kopfüber in einem der Beine steckenden Leichnam. Die Welt trachtet dir auf so vielfältige Weise nach dem Leben.

26.5.

Das Antidepressivum Fluoxetin für Tiere heißt „Reconcile“ und hilft ihm bei der Versöhnung mit den Menschen, die es zur Schlachtbank führen.

Der Falter muss widerrufen, dass Strache ein Eigenurinamulett getragen habe. #österreich

Mir wird von einem Paar mit dem beredten Doppelnamen „Holzknecht-Holzhacker“ berichtet.

Wenn ich in einem der vielen Zoom-Meetings aufmerksam den Sprechenden zusehen soll, wird mir erst bewusst, was ich in insgesamt 17 Jahren Frontalunterricht passiv geleistet habe. Früher habe ich mir zum Zeitvertreib Löcher ins Ohr gestochen, heute reicht es mir, die Krawallspatzen auf dem Fensterbrett auszuspechteln. #progress

„Deine Abneigung gegen den Kirschlorbeer ist das Äußerste an Kritik, das du an deinem lieben Vater zustande bringst“, sagt der Buttinger zum Glück zu recht.

27.5.

Eine Kollegin schenkt mir einen großen Moment beruflichen Scheiterns. Vor Jahren habe sie für einen Wurstwettbewerb einen Marketingtext schreiben müssen, der sie sehr viel Kraft kostete und dann wegen dreier Beistrichfehler vom Fleischer abgelehnt wurde.

Khutulu, die Tochter Dschinghis Khans, soll ihre Brautwerber über Jahre erfolgreich beim entscheidenden Wrestling-Kampf besiegt haben. Wenn man sich das wie beim WWF ausmalt, hat man historische Kurzweil. 

28.5.

„Entweder – Oder“ sollte man als sehr junger Mensch lesen, sonst empfindet man es leicht als Sudern auf hohem Niveau. Andererseits: „Ein vollkommener Menschen zu sein, ist das Höchste. Nun habe ich Hühneraugen bekommen, das hilft doch immerhin schon etwas.“

„Die Zeit der Konzepte ist vorbei, jetzt braucht es Rahmenbedingungen/Planungssicherheit/Maßnahmenpakete/Steuerungsgruppen/Schulterschlüsse!“ #klimawandel