Mittwoch, Mai 24, 2023

Ländliche Phänomenologie des Totenbildes

Unlängst hat einer meiner Ersatzväter eine Geschichte erzählt: Seinem Großvater seien innerhalb weniger Jahre der Reihe nach die Ehefrauen verstorben. In seiner Trauer habe er sich eine Fotomontage anfertigen lassen, die ihn zusammen mit den drei Gattinnen selig zeigt. Darunter die Namen mit den drei charakteristischen Ergänzungen. "Die ewig Fromme", "die ewig Tüchtige" sowie "die ewig Fröhliche". Nach der fröhlichen Frau verließ ihn der Mut, noch einmal zu heiraten, er blieb die letzten 18 Lebensjahre allein. 

Die Nachbarn meiner Großeltern baten Anfang der 1950er, sich deren Erstgeborenen für das Totenbild des eigenen Sohnes ausborgen zu dürfen, der in den Strom gegriffen hatte. Er war erst vier, und die Eltern hatten ihn nie fotografiert. 

Die Großeltern eines Freundes zogen eines Werktags das Feiertagsgewand an, kämmten sich sorgfältiger als sonst und fuhren mit dem Postbus nach Schärding, um sich beim Fotografen für die eigenen Parten porträtieren zu lassen. 

Mit dem Bild, das unsere Mutter für ihre Parte vorbereitet hatte, waren wir nicht sehr glücklich, sie sah darauf zu streng aus. Wir hätten viel lieber jenes genommen, in dem sie freudestrahlend den Welpen an sich drückt, den wir soeben ins Haus geholt haben, aber wir wagten nicht, ihr den Wunsch abzuschlagen.

Samstag, April 15, 2023

Wissenskrimskrams rund um das Skifahren

Weil ich bei der letzten Lesebühne mein Füllhorn der "guten Einfälle" nicht vollständig leeren konnte, gieße ich Folgendes hier ins Ideen-Retensionsbecken. 

Was am Après Ski am schwersten zu ertragen ist: die Frage, in welche scheiß Richtung der Accent gehört, verdammt, ich hab in Französisch maturiert, werde ich dement?!

Après Ski in Oberösterreich verhält sich zu Après Ski in Tirol wie ein Jungschardiskoabend im Pfarrheim zu einer Sex Positive Party im Berliner Berghain.

Integration ist nur dann gelungene Assimilation, wenn die Ausländer auch diese völlig irrationale Enttäuschung empfinden, wenn der Gesamtweltcup an die Schweiz geht. Wer sich grämt, dass irgendwelche Deutschen(!) oder SCHOTTEN(!!!) ein Hahnenkammrennen gewinnen, muss sofort eingebürgert werden, mit Mann und Maus. 

Fortgeschrittene Österreicher (ich gendere da nicht, Frauen sind nicht solche Gefühlswesen) können sich dann durch ambitionierten Wahnsinn auszeichnen, also befürworten, dass man Berggipfel im Pitztal wegsprengt oder das Warscheneck untertunnelt (um zwei einzelne winzige Skigebiete zu zwei gemeinsamen winzigen Skigebieten zu verbinden). Geisteskrank bleibt es, den eigenen Garten so aufzuschütten, dass man einen Weltcupslalom austragen könnte, aber in einer Skisportnation is the sky the limit bei blöden Ideen.

Das Patriarchat mag das Gebirge barrierefrei machen, aber nicht für behinderte Menschen, sondern für ÖSV-Funktionäre, Investoren und vertrottelte Landespolitiker.

Üpberhaupt: Peter Schröcksnadel, der Elon Musk der Alpen. (Igitt)

Im Übrigen kommen mir die Pläne zur Rettung der nicht mehr konkurrenzfähigen Lulu-Skigebiete so vor, als hätte ich sie im akuten PMS schnell für die Lesebühne zusammenklabüsert: Ich: Akne wegkärchen, über den Fußweg rasende Rennradfahrer vom Sattel brocken, die FPÖ und die Schwerkraft am liebsten einfach durch Anzünden aus der Welt schaffen. Ski-Wirtschaft: Riesenplateaurestaurant Frauenkar, Zehnkilometerlift über das Naturschutzgebiet, Tunnel durchs Warscheneck, you name it. Der Unterschied zwischen Frauen und dem Schröcksnadel: Am nächsten Tag haben wir unsere sieben Zwetschgen wieder beinand und lachen über unsere tolldreisten Schasideen. 

Um die Sinnlosigkeit der gesamten menschlichen Existenz zu beweisen, ist es immer eine gute Übung, sich vorzustellen, Aliens ein bestimmtes Phänomen zu beschreiben: Ja, also, Skifahren, das ist, wenn sich die Leute mit sehr mühsam auf einen Berg geschraubten, waghalsig energieintensiven Liftsystemen nach oben teleportieren lassen. Sie tragen teure und rasch wechselnden Moden unterworfene Schutzkleidung in extrovertierten Farben. Die Füße werden in L-förmigen Hartplastik-Devices inhaftiert, das verursacht in 85 Prozent der Fälle erhebliche Schmerzen. Die sogenannten „Skischuhe“ werden per One-Click an scharfkantige Vorrichtungen befestigt. Deren Fläche entspricht dem Quadratmeterpreis eines Lofts in Midtown Manhattan (das stimmt wirklich, ist wissenschaftlich erforscht!). Auf diesen Latten rutschen die Menschen nun den Berg hinunter. Damit sie sich nicht an der ortsüblichen Vegetation totfahren, wird diese schneisenförmig mit Stumpf und Stiel entfernt. Um die Gleitfähigkeit zu gewährleisten, wird darauf nicht nur die klimatologisch gegebene Menge gesammelter Eiskristalle verwendet, sondern mittels eigens konstruierter Wasserwurf-Maschinen vermehrt und auf den Hängen mit personal- und energieintensivem Fuhrpark fixiert. Die Menschen rutschen darauf gemäß den Gesetzen der allgemeinen Gravitation nach unten und empfinden dabei ein sehr teuer erkauftes Vergnügen, das von den Jungen mit großer Disziplin erlernt werden muss. Den Rutschenden ist dabei immer zu kalt oder zu warm. Ziel der Übung ist es, unten wieder in das Teleportationssystem zu steigen und von vorne zu beginnen, ganz ähnlich dem Sisyphosmythos, den man dann dem Alien bei der Gelegenheit auch gleich erklären kann.

Après Ski besteht im Wesen darin, sich durch intensiven Alkoholgebrauch bei dröhnender Gesellschaftsmusik für die erlittenen Strapazen schadlos zu halten, was freilich die Leiden nur verlängert. 

Ein sehr liebes Bild aus der frühen Jugend der Autorin, um die Laune bis zum Schluss des Textes zu heben.

Hätte ich wirklich Macht, ließe ich im viel zu langen Bergwinter aus dem störenden Schnee grüne Bänder herausfräsen und mit Antischneekanonen begrünen, damit ich jederzeit meine lieben Wanderungen machen kann, inkl. beheizten Raststeinen. Analog dazu den Gleinkersee erwärmen, damit man auch zwischen September und Juli darin baden kann – sehr wichtig für den Tourismusstandort OÖ! Vielleicht hier überall den Skitourismus auflassen mangels Wettbewerbsfähigkeit, und überhaupt mit der Abwärme der Voest die Landschaft in einen ewigen Frühling versetzen.  

Wenn das mit den „durchwachsenen Medaillenbilanzen“ im ÖSV so weitergeht, vielleicht eine neue Sportart andenken, an der sich der fragile Nationalstolz hochranken kann. Beheizte Hallen für Aquarellmalerei oder Jammern? Oder katholische Transzendentaltheologie, Schnitzel-Fress-Contests oder Femizid. Oh wait, da sind wir eh schon Spitzenreiter in der EU.

Zieleinlauf des Textes:  

Vielleicht sitzt da draußen jemand vor den Überwachungskameras, oder im Jenseits, und kommentiert mein Leben wie die Schmähkanonen (haha) Hans Knauß und Armin Assinger die Streif. „Optimale Schmähverhältnisse, es lieg heite guns an der Minkchi selbst.“ „A Spätstarterin mit vü Verletzungspech, gelingt ihr des Comeback oder des Come at all?“ „Keine große Technikerin, aber vül Herz.“ „Do hot's liegn lossn.“ „Riskante Linie!“ „De Passage hod passt, wos geht am Schlusshaung nu?“

Humorpotenzial erörtern, wenn Knauß und Assinger Literaturkritik im Skistil machten. Dem ORF vorschlagen.

Sonntag, März 12, 2023

Neue Haushaltstipps zwecks Weltrettung + "Lyrik"

Oft sind es ganz kuriose Sachen, die super helfen und damit nebenbei den Kapitalismus ruinieren, indem man nicht mehr für alles überteuerte Spezialprodukte kaufen muss!

  • Laubbläser aus drei alten, zusammengegafferten Föns

  • Besonders Drucker sind sehr sensibel und reagieren trotzig, wenn man sie anschreit

  • Uran mit der flotten Lotte spalten, Kernenergie im Tupperware auffangen und für später einfrieren. Tiefkühlgerät auf -17°, spart Energie

  • Das Leib-Seele-Problem mit dem Hinweis auf eine offene Dialektik lösen. Wenn das nicht hilft, preiswerten Haushaltsessig in die Vorwaschlade und nur ganz untertourig schleudern.

  • Ein eigenes kleines Kohlekraftwerk auf dem Balkon oder im Garten, um selbst elektrischen Strom zu produzieren. Klappt zwei Fliegen mit einer Klatsche: Umwelt geschont und Putin eins ausgewischt.

  • Briefkastenfirma: Entweder Post-Aktien kaufen. Oder Schrumpfmaschine erfinden und kleine Leute im eigenen Postkasten arbeiten lassen, z.B. im Mikrochips-Bereich.

  • Hormonhaushalt – selbstgebastelte Befriedigung: Es muss nicht immer der alte Vibrator mit rußigem Dieselmotor sein. Auch einmal die andere, patscherte Hand nehmen, dann fühlt es sich ungewohnt und spannend an, vielleicht wie früher in den Anfangszeiten.


Ein Gedicht zum Tag der Haushaltsgeräte

Einfach mal Danke sagen! Und sich bei Gelegenheit fragen, warum Frauen trotz der vielen technischen Helferleins immer noch die ganze fucking Carework machen muss.

Wir wären nicht gewaschen und meistens nicht gefönt

Die Strümpfe hätten Flecken und schmutzig wär das Hömt

Wir äßen Fischdosen mit Honig und rohe Kost mit Zimt

wenn ihr nicht dafür sorgtet, dass alles gart und glimmt.

Und sind wir dir, oh Haushaltsgerät, auch manchmal eine Last -

was wärst du ohne Menschen? Seid froh, dass du uns hast!


Donnerstag, Februar 02, 2023

Sechs Fäuste für die Freiheit. Biene Maja bekommt einen Busen

Symbolbild "Biene" (ich hab kein besseres gefunden)

Küniglberg, 2026. Aufgrund krisenhafter Entwicklungen und genereller Verblödung stellt die FPÖ den Kanzler, und es ist natürlich Kickl. Die „Entpolitisierung“ des Lügenfunks ORF war gleich nach der Wiedereinführung der berittenen Polizei sowie der Gender-Vereinheitlichung (alles ist mit dem generischen Maskulin zu bezeichnen) die dritte Amtshandlung, er heißt nun „Österreichischer Rechts Funk“. Der Bonaparte für Arme betritt nun den ORF-Sitzungsraum, in dem das neue Serien-Entwicklungsteam – Herr Harald, Herr Budimir, Herr Alexander auf den kleinen Kanzler wartet.

Kickl: Na, meine Herren, welche schönen Ideen haben Sie für mich vorbereitet?

Harald: Die Moderatorinnen zeigen ein bissi mehr Haut und sagen eher wieder nur Wetter, Tiere und Kultur an.

Kickl: Ja, gut, aber tun Sie mir die Tierberichterstattung nicht unterschätzen!

Alexander: Die ganzen amerikanischen Vorabendsendungen canceln wir...

Kickl: Obacht, Sprache!

Alexander: ...kündigen wir.

Kickl: Kanzler Kultur statt Cancel Culture, verstehen Sie? Er lacht ergiebig über den Kalauer, die Herren geben ihr Bestes.

Budimir: Dem Wegscheider gemma die Prime Time, pardon: Hauptsendezeit, und es schaut generell gut aus, dass wir ServusTV freundlich übernehmen.

Kickl: Bitte nach diesem Vorbild wirklich auf sehr viel Positives und Schönes aus der heimischen Landschaft achten, ich hab keine Freud mit diesen ganzen Kalaharis und Araberwüsten.

Harald: Was wir uns besonders angeschaut haben, ist der ganze Bildungssektor.

Kickl: Genau, bei der Jugend schon früh ansetzen mit unseren Inhalten!

Alexander: Wir haben ein wenig nachgelesen. Wer uns als klassischer Autor sehr taugt, ist der Waldemar Bonsels.

Kickl: Kenn' ich natürlich, nicht nur wegen der Biene Maja! Sehr gut! Der hat auch für Erwachsene viel geschrieben. Das hätte man in den linksversifften Zeiten gar nicht sagen können, ohne Nazikeule, aber das ist heute noch lesenswert!

Harald: Wobei ich trotzdem dazu rate, dass wir über die Feldposthefte und den Reichsschrifttumskammer nicht direkt was machen.

Kickl: Ah! Da hat noch wer die bolschewistische Schere im Kopf!

Budimir: Herr Bundeskanzler, die Kinder können ja mit der Politik noch gar nichts anfangen, da geht man über das Narrative rein, über die lieben Geschichten.

Alexander: Genau, und deswegen präsentieren wir Ihnen heute unseren Pitch...

Harald: Vorschlag!

Budimir: Idee!

Alexander: … für eine zeitgemäße und kindgerechte Neufassung der Biene Maja! Erstens ist sie jetzt noch schlanker, zweitens hat sie einen Busen.

Harald: Der faule Willi darf schon bleiben, aber wir wollen diese Figur als warnendes Beispiel etablieren, dass man es bei der Faulheit leicht übertreiben kann und die Grenze zum asozialen Subjekt schnell erreicht ist.

Kickl: Feinsinnig!

Budimir: Die verschiedenen Sorten Insekten lassen sich recht schön auf das Menschenreich umlegen. Da gibt es Mann und Frau, und verschiedene Völker. Wahrscheinlich gibt es in Echt tüchtigere Bienenstöcke und solche, die eher schmarotzen.

Kickl: Da ist die Biologie gefordert!

Alexander: Ganz besonders klar können wir das bei den ganz anderen Ethnien zeigen, dass etwa die Wespen eher so Erd- und Höhlenwesen sind, mit einer gewissen naturgegeben Niedertracht.

Harald: Am ärgsten die Hornissen! Die Biene Maja lässt sich mit ihnen ein, und muss dann erkennen, dass diese Raubtiere an der völligen Umvolkung der friedliebenden, fleißigen Bienen arbeiten!

Budimir: Da bauen wir von Sendung zu Sendung die Spannung auf, eh nur ganz kindtauglich, und dann könnte am Ende der Mensch hegend eingreifen und die Hornissen aus dem Bestand entnehmen.

Kickl: Meine Herren! Sofort umsetzen!!!!!

Da aber reißen sich die drei Autoren die Masken vom Gesicht. Es sind – und wir freuen uns alle von Herzen! – die von den Toten auferstandenen Jahresgespenster in meinem Lesebühnen-Oeuvre 2023: Harald Juhnke, Bud Spencer und Peter Alexander. Sie sind gekommen, um uns zu erlösen. Dementsprechend holt jetzt Spencer zu einer klassischen Stereowatsche aus, die Kickl mit der Wucht der Gerechtigkeit trifft. Harald Juhnke stellt den hereineilenden Personenschützern mit der Lässigkeit des Drunken-Kung-Fu-Mönch-Stils ein Bein nach dem anderen. Peter Alexander verwandelt den Kampfplatz durch perfekt getimten Fünfzigerjahre-Slapstick in ein turbulentes Komödienspektakel. Nach vollendetem Gefecht haken sich die drei Herren fröhlich unter und machen sich auf, das Land aus den Fängen der Freiheitsfaschisten zu befreien.

Dienstag, Januar 31, 2023

Gleitende Schasäugigkeit, billige Geschlechtsumwandlungen und Lovely Pissing

Lebenskrimskrams im Jänner 2023

1.1.

Ob sich mir 2023, während meines 45. Erdumlaufs um die Sonne, noch versteckte Talente entbergen? Hoffentlich nicht peinliche Begabungen wie Paintball, Laubbläserverkauf oder Monstertruckfahren.

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Es gibt ein kunstgeschichtliches Topos namens „Josefszweifel“, also der grübelnde Blick des Nährvaters, wie das mit Marias Schwangerschaft zugegangen sein mag.

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Wednesday“ ist eh lieb, und wir haben Zeit zum Nepflixen (ich nenne das jetzt so), aber ich hege leichte Josefszweifel, wie ich zu den Belangen amerikanischer Teenies komme (die interessieren sich ja auch nicht dafür, wie es Mittvierzigerinnen in Mitteleuropa geht), dazu kommt eine sich verstärkende Schmollmundallergie.

 2.1.

Bei der heutigen Wanderungen versuche ich, meine liebe Begleiterin zu einem etwas schlechterem Menschen zu machen, zu ihren eigenen Gunsten. Wir jausnen frischgemachten Erdäpfelkäse und selbstgebackenen Schkokuchen (die liebe Begleiterin) sowie Wurstsalat und eine angebissene Marzipansau (ich). Ich sollte ihr nicht alle ihre Selbstverpflichtungsneurosen ausreden, sie teilt großzügig mit mir.

Neujahrsvorsatz: Das Patriarchat zu Fall zu bringen, indem ich Frauen in meiner Umgebung das schlechte Gewissen ausrede, wenn sie der undankbaren Verwandtschaft keinen Kuchen, oder wenn sie ihre Kinder, um die sie sich den ganzen Tag gekümmert haben, mit „Geh damit zum Papa“ anschnauzen.

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Die zerböllerte Landschaft rund um menschliche Ansiedelungen erzählt davon, dass in der Bevölkerung noch sehr viel Unvernunft und Geld herrschen.

3.1.

Zu Weihnachten mindestens drei Sorten Seife geschenkt bekommen. Nachdenklich geworden.

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Der Künstler, der mich 2023 am maßgeblichsten beeinflussen wird, ist El Hotzo.

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Noch bevor der Körper den ersten Schritt tanzt, schreit der Geist „Um Himmels willen, was hast du vor?!“

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C. besitzt eine Balsamico-Crème mit Glitzer(!), die keinen Deut zum Nährwert beiträgt. Sie sagt, sie sei ein Opfer der gemeinen Einfälle der Nahrungsmittelindustrie, aber glücklich dabei.


4.1.

Eigentlich wollte ich am Vormittag ins Büro, bin ich aber ins Bügelzimmer, um Knöpfe anzunähen und Wollsocken zu stopfen. Der Geist folgt der Mutter auf ihren Pfaden. Es ist falsch, fühlt sich aber so viel besser an als SVA-Rechnungen zu zahlen und Newsletter zu schreiben. Diese Zufriedenheit, die aus der Pflege von Dingen erwächst.

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Die japanische Regierung will Frauen mit der „Verfügbarkeit geeigneter Männer“ aus den verstopften Ballungszentren ins Hinterland locken. Dazu gibt’s eine Million Yen für jedes Kind.


5.1.

Meine rechte Schläfe ist deutlich weißer als die linke. Man wird im Alter immer asymmetrischer.

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Ein Selfie wieder gelöscht, weil ich darauf ausgesehen habe wie eine blasse Kopie meines Vaters.

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Der schmale Gefühlsgrat zwischen „Wow, ein bisschen Wohlstand!“ und „Hilfe, ich bin Ende des Jahres obdachlos“. Wer hat, der hat auch Verlustangst. Grüße gehen raus an Janis Joplin.

6.1.

Auf Ö1 wird über Ella Fitzgerald gesprochen, die offenbar die Hauptvertreterin aller Ambivertierten war: 51 Wochen im Jahr unterwegs und trotzdem einsam. Ich für meinen Teil bin verhinderte Person öffentlichen Interesses und verhinderte Eigenbrötlerin.

7.1.

Beim Meindl-Meeting nähen wir ein Plauderpatchwork aus sehr, sehr Ernstem (Tod der Eltern), Ernstem (wir wollen alle nicht mehr arbeiten, nur noch fleißig sein) und höchst Profanem (wann kommt die Gleitsichtbrille?). Dann kommt ein Gameboy daher, Coala und ich kippen total rein. Ein Symbolbild der Generation X entsteht: sich die Brille ins Haar schieben müssen, damit man die Tetris-Steine dersieht. 

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Derweil der Enkel (6) in Wels: „Ich kann so lange spazieren, wie ich will!“

8.1.

Endlich wieder unbekannte Steige im Sengsengebirge begangen, dabei wieder neue entdeckt. Es liegt praktisch kein Schnee, die Gämsen hocken verwirrt in den aperen Latschen, Schneerosen und Erika blühen im Irrglauben, es sei Ende März. 

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Viel billige Hollywood-Suspension wird daraus gewonnen, dass Frauen nicht laufen können, ohne dass der Held sie an der Hand hinter sich herzieht. Auch mit dem Lenken von Fluchtfahrzeugen kann man sie nicht behelligen.


9.1.

Barbara Ungepflegt widerspricht ihrem Künstlerinnennamen in Person vehement. Mir ist noch keine besser duftende Gästin in den Kepler Salon geladen worden. Während meiner Einleitung beginnt sie, sich mit einer Nagelschere die Karos aus dem Pullover zu schneiden. Seit ich weiß, dass man mit der schriftlich und wissenschaftlich begleiteten Liebesanbahnung mit Richard Lugner eine Dissertation vorlegen kann, fühle ich mich für die Akademik neu entflammt. Im „Kompendium der Lücken“ hat Ungepflegt die Annullierung ihrer Ehe mit dem schönsten Straßenbahnfahrer Wiens dokumentiert. Die Übung gelang, seither ist sie aber mit einem katholischen Eheverbot belegt und trägt einen sehr schönen, selbst gestalteten „Eheverbot“-Ehering.

Lugner esse übrigens am liebsten Austern mit Ketchup, was ich nicht glaube und doch für nicht ausgeschlossen halte. Ungepflegt geht davon aus, dass er nur noch am Leben ist, weil Kameras ihn im inneren Gefüge zusammenhalten. Er lebt in einer von ihm geplanten und gebauten Villa, die eigentlich der Bonze Wlaschek in Auftrag gegeben hatte, die ihm dann aber zu schiach war.

Löcher sind das Fett in der Wurst.“ (Gut, dass ich notiert habe, dass der Satz von mir ist, ich hätte ihn jetzt, vier Monate später, in meiner Ego-Schwäche Barbara Ungepflegt zugesprochen).

Nach der Veranstaltung schenkt mir Barbara I. die Schilderung einer Irish-Wolfshound-Stampede hin zu einer Katze, die dann von zwölf Riesenhunden umzingelt und zärtlich eingespeichelt wurde.

 

10.1.

Ein Tag voll manischer Admin-Scheiße bei gleichzeitiger Grundmüdigkeit.

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Die Mäuse haben 17 Kilo Nüsse aus dem Holzschuppen gefladert, ich übertreibe nicht. 

 

11.10.

Meet N' Greet des „Freunde des Schl8hofs“-Faschingsprinzenpaares Hader und Meindl. Ich habe mir den Frack schon zuhause angezogen und begrüße den leger gekleideten Herrn Kabarett-Star mit „He, hat der das Memo wegen der Panier nicht bekommen?“

Die Ablichtung ist sehr schnell erledigt, der Hund stiehlt uns beiden die Show. „Man soll Hunde ja nur streicheln, wenn sie es wollen“, sagt der Hader und schaut fragend auf Fini, die sich fast schon winselnd an seine Waden schmiegt. Endlich beugt er sich zu ihr herab, „ok, die Hunde, die mich beißen, sind noch kleiner.“ Er erzählt von Otto Lechners Pinscher, der das Gegenteil eines Blindenhundes sei, weil er als Landpomeranze in der Stadt Panik bekomme und seinen Herrn in alle Richtungen zerre. Außerdem könne er nicht allein bleiben, also durfte er mit auf die Bühne. Zufrieden legte er seinen Kopf auf Lechners Fuß, es störte ihn nicht, dass der beim Akkordeonspielen laufend den Takt klopfte, der Hundekopf hob und senkte sich rhythmisch mit. So einen Hund wie die Fini nähme er, sagt Hader, und zum Glück bittet er mich nicht tatsächlich darum, weil es unhöflich wäre, seinem Idol einen Wunsch abzuschlagen.

Dann sage ich aus einer Laune heraus, dass man grad in meiner peer group jedes Gespräch mit dem Thema „Gleitsichtbrille“ kapern kann, woraufhin wir eine halbe Stunde lang über Kurz-, Weit- und Schassichtigkeit sprechen.


12.1.

Ich bin die soccer mum meiner selbst.

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Auf einer geerbten CD finde ich ein bizarres Duett von Pavarotti und Sinatra – ein so kitschiges „My Way“ hat die Welt noch nicht gehört, und die Welt hat schon 325349594856 kitschige „My Ways“ gehört. „Nessun dorma“ besitze ich übrigens in siebenerlei Ausführung.

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In der Kletterhalle drei Nerds in Funktionsleiberl, zwei davon mit hochgewachsenen, sehr weichen Leibern und langgewachsenem, sehr weichem Haar, es wird nicht ganz klar, ob sie ein Paar sind. Alle drei bewegen sich in burschenhafter Abruptheit. Sie sind sehr lieb und feuern einander wertschätzend an: „Jetzt hosd di ned gaunz committed!“ Sie reden in so viel Jungeleuteenglisch miteinander, dass ich zuerst glaube, der Kurzhaarige sei ein Mechatronik-Student aus dem Ausland. Das Auftreten des Trios möchte ich mit „Linzer It-Queerness“ labeln.

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Arno Geiger hat ein autobiographisches Buch über sein früheres Altpapierstierln geschrieben. Er habe damit aufgehört, weil die Leute nichts Gescheites mehr wegschmeißen, weder Bücher noch Briefe (was hätte ich ihm alles aus diesem Haus schenken können!), sondern nur noch Weinkartons und Verpackungen. Er sagt, die Leute müssen jetzt dauernd besoffen sein und Elektrogeräte bestellen. 

 

13.1.

Sehr arge Spenden für die Tombola des Grauens, die extreme Gefühle bei Vertreterinnen der Generation X auslösen werden

Mit der magic superpower einer unmittelbaren Deadline auf den letzten Drücker „Herrenlose Fliegen“, „Die Verwandlung (eines armen Käfers in einen Menschen namens Ferdinand Wegscheider)“ und ein ORF-Biene-Maja-Dramolett hingefetzt. René Monets Mash-Up von „Biene Maja“ und „Baby Blue“ aus der Sicht einer burnoutgefährdeten Drohne – eine unwahrscheinliche Begegnung von Karel Gott, Wolfgang Ambros und Bob Dylan – wird mich noch Jahrhunderte begeistern. Bei Buttingers Sektenlied „Sympathie für den Teufel“ reißen ihm die Saiten der Reihe nach, sodass er es heldenhaft a capella zu Ende brachte. Peter Waldeck ist sehr lieb, ein sympathischer Humor-Nerd. Und der Dichter der Salzgurke, das kann ihm niemand mehr streitig machen.

 

Zur Lesebühnen-Nachlese gangert es hier, wenn ihr denn gar nicht genug von kriegen könnt: Borkenkäfer im Windwurf unserer Seelen.

13.1.

Beim Hundsäußerln eine hauptberufliche Hypnotiseurin getroffen und gleich ihrem Charme erlegen.

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Subjektives Zeitparadoxon im Restaurant „Singapur“, meinem Happy Place. Wir wollten nur gschwind was essen, da ist es schon zwei Stunden später. 

 

16.1.

Was bisher geschah: Mein sehr alter Führerschein wurde gestohlen, in der Polizeiwachstube kommt auf, dass mich die Bezirkshauptmannschaft seit 1996 für einen Herrn hält. Teil des Schadens ist auch, dass ich den skurrilen Lappen nun nicht mehr zur Volksbelustigung herzeigen kann.

Heute also Geschlechtsumwandlung auf der BH Linz-Land. Kurz vor den Wechseljahren werde ich nun auch für die Behörden zur Frau. Wahrscheinlich reduziert mir gerade irgendwo ein Beamter die Pension, just because. „Ist Ihnen am Führerschein nicht aufgefallen, dass sie da ein Mann sind?“ Ich erkläre der etwas jüngeren Frau am Schalter, wie das damals war mit den Schreibmaschinen und den nachträglichen Korrekturen, zuerst ironisch, dann merke ich, dass sie wirklich keine Ahnung von den altertümlichen Amtsverrichtungen in meiner Jugend hat. „Eija“, unterbricht sie mich mit Blick in den Computer, „jetzt habe ich sie gefunden. Sie sind wirklich ein Herr Dominik.“ Das Schmerzvollste an der Umgenderung ist, dass mein Passbild aus dem Jahr 2017 zu alt ist; zwar sehe ich darauf scheiße aus, bin aber noch sehr braunhaarig. Auf dem neuen, das ich per Schnellschuss im Kellerautomaten machen muss, sehe ich etwas weniger scheiße, aber ganz grau aus. Aus Vernunft verzichte ich auf das Upgrade auf den A-Schein für alle Klassen, weil ich ohne Panik gar kein motorisiertes Fahrzeug mehr besteigen kann. Ich verschweige meine Laseraugen, weil es umständlich ist, die angeborene Schasäugigkeit offiziell loszuwerden.

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Zum Mittagessen etwas, das nicht mehr ganz einwandfrei riecht, aber der Hunger ist groß und es geht alles gut. Das darf nie jemand über mich erfahren.

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Jetzt bin ich ein Mensch geworden, der sein Auto an einem Nachmittag in der Stadt an drei verschiedenen Stellen parkt. Das darf nie jemand über mich erfahren. Mit L. zwei Stunden Schimpfe auf die allgemeinen und individuellen Verhältnisse. Ich muss aber massiv übertreiben, um etwas beitragen zu können.

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Ein Yorkshire-Terrier schreit Fini an wie eine der goats that sound like humans.

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Extrem wachsende Unverträglichkeit gegenüber Tierleid und Männergewalt in der Kunst (im Allgemeinen ohnehin). Vergangenes Wochenende hätte ich die immer wieder laut streitenden Nachbarn im Welser Obergeschoss beinah vermöbelt, um Frieden zu schaffen. Das ist doch auch keine Lösung!

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Die Inkommensurablen“ knarrt vor lauter Recherchewissen wie die Wanten eines überladenen Frachters. Ich fresse es trotzdem mit Vergnügen. 

 

17.1.

Weihnachtsdeko abgenommen und nach Jorge-Luis-Borges-Kriterien sortiert: Äpfel, Rochen, Alkoholbehang, Froschkönige und Tiere, die zu den drei Heiligen Königen gehören.

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Ö1-Radiokolleg über „Endlinge“ und den fehlgeleiteten Schutz „charismatischer Mega-Fauna“ (Tiger etc.)

 

18.1.

Fiston erzählt von seinen ersten Jahren in Österreich, als er gemäß dem Glauben der Luba an großer Todesfurcht litt – also zu sterben, ohne zuhause beerdigt werden zu können. Mittlerweile hat ihn seine Zweitheimat entspannt. „Ich habe keine Angst mehr, in Graz begraben zu werden.“ 

19.1.

Attnang-Puchheim, Burschen im Zug: „Schau her, i zag da, wiasd deine Monter weiblicher mochn kaunst.“

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Der Vorteil von Schlupflidern ist, dass man nicht mehr so viel Lidschatten braucht.

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Mein Künstlername, wäre ich italienische Schlagersängerin: Domenica Aperto

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Innsbruck. Am Ende der Salurner Straße ragt die Nordkette so absurd jäh in den Himmel, dass man im Dämmer das Licht der Bergstation für einen großen Stern hält.

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So schnell stellt sich ein Urlaubsgefühl ein, danke Pandemie! Wenn man am Nachmittag im grauen Öd-Wels einsteigt, ist man beim Umsteigen in Salzburg und in Innsbruck ganz geflasht vom Trubel der touristisch verwertbaren Städte.

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Der junge Mann an der Bar, einer der 32345 bouldernden und snowboardenden Nummerus-Clausus-Flüchtlinge aus Franken, erklärt mir, dass das Logo auf dem Montagu-Sticker einer berühmten Hip-Hop-Crew nachempfunden sei, und rührt auch keine Miene, als ich zurück-splaine, dass ich den Wu Tang Clan sehr viel gehorcht habe damals in den 1990ern, als es noch kein Bouldern und Granola gegeben hat. 

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Sehr viel Schönes trägt sich zu an diesem Lesebühnenabend mit den Frau Hermanns 5000 Katerstrophen, ich bin sehr verliebt in alle Beteiligten. Zum Beispiel in Katrons anrührende Kunstreihe „Tote Tannen – grüne Wiesen im Sonnenschein“, zu der sie sich von ChatGPT den Vernissagen-Schas-Text hat schreiben lassen. Eine Textsorte, die man wirklich getrost und vollständig der AI überlassen kann („Die toten Tannen als Symbol für den Tod“).

Beim Heimgehen beschließen wir, unseren schwarzen Landesregierungen umfangreiche Fördermittel für den weltersten „Kongress für Performanzliteratur“ aus den feisten, neoliberalen Hüften zu leiern. Wir sind ein wenig betrunken. 

20.1.

Ein entgleister, führungsloser, brennender Güterzug lädt zum Schimpf über die Deutsche Bahn, was zum Wortwitz „bahnal“ lädt. Auf Schleichwegen zockelt der ICE durch das alte Österreich voller Klausen, Klammen und Skigebieten. Zunehmende Dehydrierung, weil ich zu faul und geizig bin, um das Zug-Rest zu suchen. Es hat endlich geschneit, immerhin wird landschaftlich viel geboten.

Nach einer logistischen Orgie fahre ich mit dem Buttinger weiter ins Gesäuse. Dort erzählt G., dass sie jetzt, in ihrem 53. Lebensjahr erkannt habe, dass sie genug von Fortbildungen habe, sie wolle jetzt auch einmal Urlaub machen und faul sein! Ich murmle in ehrlicher Betroffenheit, dass ich seit Jahrzehnten auf den Drang warte, nicht immer nur Urlaub machen und auch einmal an mir selbst arbeiten zu wollen. 

 

21.1.

Hüfthoher Pulverschnee ohne Grundlage, die Tour eine reine Fleißaufgabe, um dem scheiß Körper zu zeigen, wer der Herr ist.

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R.s Zirbengeist schmeckt fast so erschütternd wie meine eigene Kreation (eine Geisterbahnfahrt in den Gaumen), leider fragt er auch noch, ob er mir eh geschmeckt hat, und er war so schlecht, dass ich daran scheitere, zu schwindeln.

Es wird mich nicht stören, wenn mir die Germanistik der Zukunft eine homoerotische Beziehung mit dieser Frau andichtet.

23.1.

Die Störung der Totenruhe umfasst in Deutschland das Delikt, an einem Grab „beschimpflichen Unfzug zu verüben“.  

 

24.1.

„Wenn man mehr als einen Termin am Tag hat, stirbt man.“ El Hotzo

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Man darf jetzt Grillen essen (Hauptsache, sie verbieten das Grillen nicht, das ist der programmierte Bürgerkrieg). 

 

25.1.

Ereignisarme Tage, reich an befriedigend sinnlosen Ordnungstätigkeiten zwecks Kontrast zur sehr unangenehmen Weltlage da draußen. Also Haydn-CDs durchhören + Verpartnerungsgratulationskarten einkleben, um keiner Apokalypsenpanik anheim zu fallen. 

 
Der sehr lustige Tagebucheintrag, den René unserer Vermählung zu Ehren verfasst hat. Lieblingswitz ist der mit den Liptauern, weil ich echt kein Humorsnob bin.

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Ein mir recht gut bekannter Mann ist mit Frack, Gehstock, Zylinder und Birkenstockschlapfen auf einen Maskenball gegangen, die dazugehörende, mir noch besser bekannte Gattin erzählt, er sei ihr durch die Outfit-End-Abnahme geschlüpft, weil die Sehschlitze ihrer Paillettenmaske zu schmal gewesen seien. Auch derlei lenkt mich vom Weltuntergang sehr schön ab, bitte erzählt mir alle mehr solche Sachen! 

 

27.1.

Bei Gelegenheit „Null Island“ aufsuchen – ein Ort, den es nur dank der Ganglien der Menschheit gibt. Es ist der Schnittpunkt von Äquator und Nullmeridian im Golf von Guinea. Aus irgendwelchen Nerd-Gründen landen dort alle „virtuellen“ Ortsangaben, man kann auch Joggingrunden hinschummeln und derlei Unfug.

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Aus leichter Nachlässigkeit müssen wir den Hund zur Auschwitz-Befreiungsgedenkveranstaltung in den Minoriten mitnehmen, die im Übrigen so schön ist, dass ich wirklich nervös werde, ob sich das Tier ganz unauffällig und angemessen beträgt. Das wilde Spiel ihrer Ohren verrät, dass sie bei zeitgenössischen Kompositionen in innere Panik gerät. An ihrer statt entgleist nach der Darbietung der der Buttinger ein wenig, als er den jungen Sängerinnen einzureden versucht, dass Wagner und Bruckner Nazis gewesen seien. Sie lächeln höflich, einer sagt, er habe gar nicht mitbekommen, dass ein Hund zugegen gewesen sei. „Zwoamoi hot's a weng quietscht“, sagt der Buttinger, der junge Mann beginnt sich höflich zu rechtfertigen, bis der Irrtum aufkommt - „der Hund hat gequietscht, nicht ihr!“ Der liebe Stefan Petermann ist extra aus Weimar angereist, weil sein Text „Töne aus Stein“ vertont worden ist, aber wir unterhalten uns darüber, dass ich gar nicht so viel zum Skitourengehen komme heuer etc. Es ist ein wärmender Gedanke, dass Klügere in der Ferne Anteil an meinem Dasein nehmen.

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A. hat den Fuß ihres Sohnes wegen beiderseitiger Unaufmerksamkeit mit dem Hinterreifen überrollt und ist in innerer Panik (ganz ohne zeitgenössische Musik) auch noch darauf stehen geblieben. Das ist nur lustig, weil der Ausgang ein glimpflicher war. Off topic: Wir sollten den „Glimpf“ in den zeitgenössischen Sprachgebrauch übernehmen, als „Glimpf und Schande“ oder „verglimpfen“ (hieße das „jemanden schönreden“?)

 

28.1.

Sehr schöne Stunden im Black Horse, wie immer. Der liebe R. feiert seinen 70er und baut meine Familien-Gratulation gleich in seine Ansprache ein: „Dominika hod grod gsogt, 70! So oid wiad ned amoi a Sau!“ 

L. berichtet später von ihrem Versuch, als Vorsitzende einer Kinderbetreuungsorganisation in Kontakt mit dem jungen Volk da draußen zu treten. Nach wenigen Minuten wird sie von einem 8-Jährigen von der Hüpfburg herab dermaßen derbe beschimpft, dass sie mit sich ringt, ihm keine zu reißen. Der ganze Tisch spricht ihr Respekt für ihre Disziplin aus, ich hätte dem jungen Prinzi fix was mitgegeben fürs spätere Leben, also innere Panik vor älteren Frauen.

Zwecks Kontrast erzählt I. vom Urlaub ins drollige Cornwall, wo die Menschen ALLES mit „lovely“ labeln, was die Reisenden zunehmend amüsierte. Höhepunkt dann am Pissoir, als ein einheimischer Ludelkollege „lovely!“ seufzte. I. hat nachzufragen vergessen, ob der damit die Urinerlösung oder sein Organ meinte. Ich entlaste die Runde mit der Schilderung, wie mich der Tierärztinnengatte für meine Mutter gehalten hatte, und I. sagt, dass ihn beim Begräbnis einer Tante sehr viele Steyerlinge für den eigenen Vater gehalten haben.


29.1.

Ab jetzt einfach keine jähen Bewegungen mehr. Bei den Dreharbeiten für ein zivilgesellschaftliches Video bin ich unter dem nachvollziehbaren Gelächter der Kinder vom eigenen Thron gestürzt. 

Als ich ein Foto ins Facebook stelle, auf dem ich in wiederhergestellter Machtentfaltung auf dem Thron sitze, kommentiert drei Hundertstelsekunden später ein älterer weißer Mann darunter, dass „man“ an meiner Sitzhaltung noch arbeiten könne. Auch hier musste ich an mich halten, um nicht handanlegende Panikeinflößung anzudrohen. 

 

30.1.

Ich bin nur deswegen selbständig, weil ich extrem leistungsbereit bin und nicht arbeiten kann, wenn mir jemand während des Schreibens erzählt, was er am Wochenende alles gemacht hat, und wenn ich in Meetings muss, in denen es um das Generieren von Learnings geht, und man danach 14 Minuten berät, wo man Mittagessen geht.

Andererseits fehlt mir der Drang zum Oeuvre, ich will es JETZT schön haben im Leben, danach ist es mir wurscht, was die Leute von mir halten oder lesen.

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Hoffentlich kann ich das Alter noch weit hinauszögern, in dem ich Jüngeren automatisch und ausführlich erzähle, was ich früher nicht Supernes gemacht habe, bevor es alle anderen dann auch gemacht haben, und wie schwer das alles war, das kann man sich heute gar nimmer vorstellen! Lieber zahnlos, schasäugig und faltig wie ein Shar-Pei als diese Kunstveteranenmonologe. „So was Schönes wie Nirvana wird ja heutzutage nicht mehr gemacht!“

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„Wenco – alles aus einer Hand!“ Man muss nicht viel Englisch können, um darüber zumindest kindlich zu lächeln.


31.1.

Warum hat ausgerechnet der Jänner 31 Tage?!

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Die sehr liebe Frau an der Spar-Kasse gibt mir 25 Prozent auf den Champagner, weil ich 23 Sekunden geduldig gewartet habe, bis sie die Flasche im Depot gefunden hat. Sie hat es mir bestimmt angesehen, dass ich über meine Verhältnisse einkaufe. Das darf der Buttinger nicht lesen, ihm gegenüber habe ich geprahlt, dass mir für seinen Geburtstag nichts zu teuer sei.

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DallE ist ein pfiffiger Zeitvertreib. Wenn man Anstößiges wie „Nazi“ oder „Putin“ abgebildet wünscht, erscheinen Kätzchen und Corgis, die bedauernd auf die politeness policy hinweisen. Bei der Anfrage „A happy and proud Romy Schneider as empress Sisi builds a carport in a beautiful landscape like Hallstatt in the style of the 1950ies“ spuckt die KI eine Dirndlfrau mit dem von sinnloser Fröhlichkeit entstellten Antlitz Thomas Brezinas aus.