Montag, Juli 03, 2023

Literarische Fischstäbchen

Ein wenig Beifang von der letzten Lesebühne zum Thema "Fisch" zur freundlichen Kenntnisnahme seitens der lesenden Bevölkerung: 

 

Fischgerichte 1:

Verstöße gegen das Oö. Fischereigesetz betreffend die Zuweisung von Fischereirechten, die Arten der Fischwässer, die Eintragung in das öffentliche Fischereibuch, fischereiwirtschaftliche Maßnahmen wie Bewirtschaftung, Besatz, Aussetzen von nicht heimischen Wassertieren und die Fischereiordnungen werden straf- oder zivilrechtlich geahndet.

Fischgerichte 2:

Forelle Müllerin, Forelle Bäckerin, Forelle Postlerin, Forelle Zerspanungstechnikerin, Forelle Hort- und Freizeitpädagogin, Forelle Bundespräsidentin.

Letzteres geht so: Einen Fliegenfischer auftreiben, sexuell binden und bitten, seinen Fang möglichst schmackhaft zuzubereiten. Dazu passen Petersilerdapferl und ein Sauvignon Blanc.

 ***

Frage an die Generation Schneeflocke in Wokistan (mit lieben Grüßen): Captain Iglo – geht der überhaupt noch? Und was will er? Ein alter weißer Mann allein mit lauter unbegleiteten Minderjährigen auf einem Schiff mit unbekannter Mission – eine Werbung, die uns die Enkerl einmal nicht mehr glauben werden. 

Ich könnte eine Meuterei beschreiben, eine Abenteuergeschichte, in der sich die Waisen gegen den Tyrannen auflehnen, ihn kielholen, weil er sie zur Kinderarbeit im Schiffsbauch zwingt, oder ihn auf einer einsamen Insel aussetzen, wo er sich in jahrelanger Arbeit eine tropische Kopie seiner Heimat erbaut, also einen Bungalow mit Carport und gemauertem Grill. Oder die Kinder betäuben den bärtigen Schinder mit Liquid Ecstasy, färben ihm den Bart schwarz, setzen ihn in einem Schlauchboot vor Lampedusa aus und rufen Frontex an, die versenken ihn dann vor der Festung Europa. Wenn's ambivalenter in der Figurenzeichnung sein darf, zwingen die armen Kinder Captain Iglo irgendwie, sich als deutscher Side-Kick vom gemeinen Grissemann allwöchentlich sekkieren zu lassen.

Übrigens sagt man nicht mehr Iglo, sondern Inuit.




Mittwoch, Mai 24, 2023

Ländliche Phänomenologie des Totenbildes

Unlängst hat einer meiner Ersatzväter eine Geschichte erzählt: Seinem Großvater seien innerhalb weniger Jahre der Reihe nach die Ehefrauen verstorben. In seiner Trauer habe er sich eine Fotomontage anfertigen lassen, die ihn zusammen mit den drei Gattinnen selig zeigt. Darunter die Namen mit den drei charakteristischen Ergänzungen. "Die ewig Fromme", "die ewig Tüchtige" sowie "die ewig Fröhliche". Nach der fröhlichen Frau verließ ihn der Mut, noch einmal zu heiraten, er blieb die letzten 18 Lebensjahre allein. 

 Mitteilung an die Erbinnengemeinschaft in der Verlassenschaftssache Meindl Dominika: Bitte auf keinen Fall dieses Porträt für die Parte nehmen, ihr Verrückten!

Die Nachbarn meiner Großeltern baten Anfang der 1950er, sich deren Erstgeborenen für das Totenbild des eigenen Sohnes ausborgen zu dürfen, der in den Strom gegriffen hatte. Er war erst vier, und die Eltern hatten ihn nie fotografiert. 

Die Großeltern eines Freundes zogen eines Werktags das Feiertagsgewand an, kämmten sich sorgfältiger als sonst und fuhren mit dem Postbus nach Schärding, um sich beim Fotografen für die eigenen Parten porträtieren zu lassen. 

Mit dem Bild, das unsere Mutter für ihre Parte vorbereitet hatte, waren wir nicht sehr glücklich, sie sah darauf zu streng aus. Wir hätten viel lieber jenes genommen, in dem sie freudestrahlend den Welpen an sich drückt, den wir soeben ins Haus geholt haben, aber wir wagten nicht, ihr den Wunsch abzuschlagen.

Sonntag, April 30, 2023

Besitz belastet, brennt aber gut. Wie man sich selbst zum Orakeltier wird

Lebenskrimskrams im April 2023

1.4.

Mit den einzigen beiden Malaiinnen von Wels im Restaurant „Singapur“ – eine Stimmigkeit, die einem die Halluzination anbietet, sein Leben ordnen zu können.

2.4.

Zum Glück ist das Wetter zu schlecht für eine Skitour, sonst wäre ich diese Woche mit der ZEIT nicht fertig geworden (ich brauche dringend Hilfe!).

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In samsing kämpfe ich beim Bouldern mit seit Monaten nicht neu geschraubten Probleme („mir ist fad, drum fehlt die Motivation“), in Wahrheit herrscht Flut in den Jahresgezeiten der Leibesfülle (Gravitation, Geisel der Menschheit = Gewichtstsunami).

3.4.

In einer Stunde einen Förderantrag für das „Welterste pataphysische Kolloquium in Linz“ zusammenklabüsert. Walter Stadler habe ich noch angerufen, ob es ihm eh recht sei, das im DH5 abzuhalten, Raphi Edelbauer noch nicht, hoffentlich vergesse ich nicht (mir ist alles zuzutrauen). Es wird wohl nicht glücken, denn dieses Mal war ich beim Selbstboykott wirklich gründlich – ein paar Minuten vor Abgabeschluss habe ich das Ding irgendwie hochgeladen. Aber wenn das Trigger-Wort „Digitalisierung“ in der Projektbeschreibung steht, könnte es trotzdem klappen (ich hab' jetzt schon wieder vergessen, was ich hektisch hineingetippt habe).

4.4.

Das Haus flüstert mir den ganzen Tag Umräumvorschläge ins Innenohr, und allmählich erhebt auch der Garten immer stärker seine Einladungen zur Prokrastination. Wenigstens deprimiert er mich nicht mehr durch åfarbene Nicht-Vegetation. (Ich muss mir das für die zweite Lebenshälfte endlich merken, dass vom März pflanzlich noch überhaupt nichts erwartet werden kann). Am Nachmittag gebe ich dem Drängen nach und schneide draußen irgendetwas ab. Ein Kontrast zu meinem schlecht gemanagten Haupthaar. Aber die fast siebzigjährige Nachbarin kommt vorbei und fragt mich, zu welchem Friseur ich gehe, sie wolle auch so viel Volumen haben.

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Der Hund wälzt sich im Donaudreck wie ein Huhn mit Veitstanz. 

5.4.

Die Kohlmeisen besichtigen meine alten Vogelhäuser wie verwöhnte Schwaben eine Bude am Prenzlauer Berg.

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Meine ungünstige Meinung über Rennradfahrer verhärtet sich.

6.4.

Soll ich mein berufliches Fortkommen weiterhin boykottieren, indem ich Bürozimmer tausche? Stillstand garantiert für weitere drei Wochen.

7.4.

Träume, inspiriert vom aktuellen, erbärmlichen Quartalsumsatz: Buttinger vermittelt mich an meine neue Arbeitsstelle im noch nicht gentrifizierten Norden Wiens, bei einem Anlagevermögensberater namens „Reich & Wohlhabend“. Es ist kein edles Geschäftslokal, hat aber höchste Ansprüche an das subalterne Personal. Ich muss eine anachronistische Dienstmädchenuniform anziehen und werde laufend zu Sauberkeit und Pünktlichkeit angehalten, ohne dass mir jemand sagen würde, was eigentlich mein Tätigkeitsfeld von täglich 8 bis 17 Uhr sei. Dafür muss ich mich schnellstmöglich im Gedärm des mehrere hundert Meter schmal nach hinten führenden Gebäudes orientieren lernen. Es ist alles sehr vollgerümpelt. Nach Dienstschluss zeigen mir die Kolleginnen die wahre Attraktion des Jobs – sie haben eine eigene U-Bahn, den „Gipsy Train“. Wir sitzen auf einem offenen Wagen und rasen durchs Dunkel. Zuerst gefällt mir das noch, aber die Fahrt geht lang, viel zu lang, sie endet erst an einem stillgelegten Bahnhof im Süden, schon mitten in der burgenländischen Pampa. Die Kolleginnen sehen mein Entsetzen, sie sagen, natürlich müsse ich hier herziehen, damit ich den Vorteil auch ausnützen könne, dann verschwinden sie im Ruderalwald. Da erst fällt mir ein, dass niemand über mein Gehalt gesprochen hat.

Gnädiges Erwachen. Ich will weiter recht tüchtig sein in meinem schlechtbezahlten Home-Office-Paradies!

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Die jungen Nachbarburschen, die sich für die Sportvereins-Haussammlung die Jovialität der Väter angezogen haben wie zu große Fußballleiberl.

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Der Kampf gegen den Giersch ist verloren, bevor er begonnen hat.

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Es gibt wirklich ein Instrument namens „Kernspaltflöte“, und es stammt auch aus dem Osten.

9.4.

Altern bedeutet, dass man das gesamte Osterwochenende überfressen ist, obwohl man nur noch ein Drittel des früher Üblichen geschafft hat. (Man verträgt aber mehr Alkohol, peinlich).

10.4.

Immer sehr viel zu kurz auf dem Plateau des Toten Gebirges, aber diese zwei Stunden wie heute etwa, die strahlen für dreißig Jahre. Die Strahlungsmetapher passt vielleicht wegen des Tschernobyl-Fallouts hier oben doppelt gut.


11.4.

Mitten im Alltagsvollzug wundert man sich, wie schnell es dann gegangen ist, dass wir uns auf einmal mit den Kindern unterhalten, als wären sie alte Freunde – es ist nur noch interessanter, weil sie so enthusiastisch sind. N. hat heute die zeitgenössische Erscheinung männlicher Midlife-Crisis so trefflich kommentiert, als sei sie die 44-Jährige von uns beiden, und nicht exakt halb so alt wie ich. Sie und E. haben sogar glaubhaft widersprochen, als wir ihnen einzureden versuchten, sie gar nicht nach unserem Vorbild erziehen gewollt zu haben. 

 

12.4.

Das Aufschlagen der herrenlos gewordenen Dinge bei der Sammlung für den Flohmarkt der Pfarre Vogelweide: arme Leute, die das Gewand der Mütter und die Bücher der Väter nicht in den Container werfen können (ich rede über mich).

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Meine Spatzen stehen dank der sauteuren Biohirse gut im Futter. Vergangene Woche ein Stiglitz auf dem bemoosten, allen Erntebemühungen entwachsenen Kirschbaum. Auch diese kleine Schönheit strahlt noch nach.

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Coala und ich lasten es unserem Kindheitsenglisch an, dass wir den Text von „Blue“ nie verstanden haben, also googeln wir ihn und sind erstaunt, wie maximal simpel er ist, er besteht ausschließlich aus „Dabadi dabadi“. Was man uns alles andrehen hat können. 

 

13.4.

Zu Gast bei einer Veranstaltung zum Thema Medien. Fritz Hausjell berichtet lange und besorgniserregend über die heimische Misere. Die Luft brummt vor lauter Bemühen der pensionierten Journalisten im Publikum, schweigend zu warten, bis der „Frage“teil beginnt. Einem namhaften Herausgeber wird das Wort erteilt, er beginnt mit dem Gruß des Ko-Referenten: „Ich will kein Ko-Referat halten!“ Nach länglichen Ausführungen („Österreich ist wie ein gut geführter Kommunismus!“) leitet er den Schlussappell mit einer Kunstpause ein, dann sagt er „meine Herren!“ Von mehrere Seiten ertönt ein „...und Damen“, was ihn zu einem Sekundär-Ko-Referat veranlasst. „Wissen Sie, warum meine Redaktion nicht gendert? Ich habe ihnen erklärt, dass sie zehn bis fünfzehn Prozent mehr Platz brauchen, wenn sie schreiben 'Männer und Männinnen', haha, oder, ich weiß nicht, 'Wassergläser und Wassergläserinnen'.“ Der ORF sei da ganz schlimm, denn was sei denn mit den Ministern, wenn die nur die Ministerinnen ansprechen? Die Luft um mich herum brummt vor Bemühen, nichts zu sagen, aber es bricht dann doch die Bitte aus mir heraus, bittebitte das Thema zu wechseln. Schade, dass ich mir diesen Unfug ewig merken werde und nicht Hausjells Vorschläge für eine Reform der Presseförderung.

Dann meldet sich eine Dame mit dem Hinweis zu Wort, dass der Redebeitrag der Frauen bislang zu kurz gekommen sei. Sodann hebt sie mit einer Suada gegen den „Erziehungsjournalismus“ an, eine mit viel Mühe kaschierte Querdenkerei voller Buzzwords der diskursgestählten Verschwörer*innen: „Damit wird die Gesellschaft gespalten! Andersdenkende bei den Themen Klima, Corona, Ukraine werden nicht gehört!“ Hier brummt keine Luft, niemand hat Lust, zu widersprechen, bis auf eine andere Dame, die es – durchaus realistisch – bald wieder sein lässt, weil deutlich wird, wie sich die mit allen trübenden Wassern gewaschene, sehr eskalationsfreudig wirkende Antipädagogin an den Widerworten auflädt. 


14.4.

Es gibt eine Krankheit namens „Birnenverfall“. (Schlecht für den Birnenbinnenmarkt)

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Diffèrance: Ski vs. Schi

15.4.

Sehr lustige Lesebühne! Sehr lustiger Gast! Xaver Schumacher analysiert die „Libretti“ der gängigsten Ski-Hits. (An „Blue“ bisse aber sogar er sich die psychoanalytischen Zähne aus, wegen zu dumm). Eine Nachlese gäb's hier im Lesebühnenblog.


16.4.

Es bricht eine Zeit rasant galoppierender Verdummung an, ich kippe aus der Gegenwart wie eine ältere Frau, die nicht weiß, wie man mit dem Handy Bilder verschickt. Heute musste ich bei der Registrierung in der Boulderbar ein Profilbild aufnehmen, und ich habe wirklich zur Seite geblickt. Hoffentlich liest das hier nie jemand. Irgendwann hab ich doch einmal Philosophie studiert und erklären können, was die „diffèrance“ bedeuten will!

Auch der Spalt im window meiner sportlichen opportunities wird immer schmaler: alles unter 6a zu leicht, alles über 6a+ zu schwer. 

 Auch beim Selfiemachen manifestiert sich der altersbedingte Kompetenzverlust


18.4.

Ein Radiokolleg über die Sprachpolizei: Der „Allgemeine Deutsche Sprachverein“ war den Nazis zu unmodern, weswegen er sich 1943 auflöste. 1997 wurde der „Verein Deutsche Sprache“ gegründet, es ist ein wenig so wie NsDAP und FPÖ.

***

Beim Lesen von Pollacks „Kontaminierte Landschaften“: Vielleicht ist im Gegensatz dazu die Betrachtung der „Wildnis“ so erholsam, weil sie kaum vom Eingriff gezeichnet ist, was natürlich an keinem Ort insbesondere in Österreich mehr tatsächlich der Fall ist. Kondensstreifen und Steinmänner im Toten Gebirge, Tote in den Dolinen, Nazi-Größen, die sich auf der Wildensee-Alm verstecken...

Das Lesen über die menschliche Mordlust macht es mir derzeit übrigens auch unmöglich, gegen die Ameisen im Büro vorzugehen. Hoffentlich kann ich das zumindest einmal literarisch verwerten.

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Starker Regen und starkes Umräumen im Haus. Gibt es eine Droge, die ähnlich wirkt wie das Umstellen von Möbeln (bei mir zumindest)? Die Energie brauche ich auch, um die Furcht vor Gottesstrafen zu ertragen, wenn ich das große Kruzifix abhänge oder Pilgerweg-Bücher zum Pfarrflohmarkt bringe. Am meisten Kraft brauche ich, mir nicht die traurigen Augen der toten Eltern angesichts meines Umgangs mit ihren Schätzen vorzustellen. Immerhin hat das abgenommene Kreuz seine Form auf der von der Sonne gebleichten Holzwand hinterlassen. In hoc signo non vinces. Am Abend fährt mir der Schmerz ins Kreuz, ganz nach katholischem Brauch. 


19.4.

Immer wollte ich einen Hund besitzen, den ich in Liebe auf Menschen hetzen kann, die mir lieb sind – und wirklich stürmt Fini auf Martin Pollack hin, sobald ich „Fass!“ rufe. Wir tun so, als hätten wir einander grade erst gesehen. Es wachse schon alles in seinem Garten, ich prüfe meine zehn Lieblingsgemüse ab, er sagt zu jedem „ja freilich“ oder „das wuchert heuer“ oder „ernte ich schon“. Ich erglühe vor Neid, versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen. 

 
Im Schl8hof finden wir beide zuerst, dass die guten Menschen zu optimistisch bestuhlt haben, aber das Volk wird unseren Zweckpessimismus enttäuschen. Es ist eine Gnade, dass ich hier ganz nach Sympathie walten darf. Für brillante, aber zwidere Autoren müsste man mir das Honorar auch erhöhen. Zum Glück muss ich auch keine kritische Distanz zu Tanja Maljartschuk erzwingen, die mich vollends für sich einnimmt, als sie darüber nachdenkt, dass die Emanzipation der Frauen irgendwann auch das Kriegsunwesen betreffen müsste; derzeit könne man sich Saddam Hussein in Stöckelschuhen oder Hitler mit Busen noch nicht vorstellen, „aber auch sie werden einmal die Welt zerstören dürfen.“

Den russophilen „Friedens“-Aktivisten widmet sie einen Text über das vordergründige Idyll am Bauernhof, in dem sie als Kind lernte, dass jedem Tier die Zeit seines Todes ermessen werde: die Schweine im Herbst, jeden zweiten Sonntag ein Huhn, die Lämmer zu Ostern. Eine solcherart strukturierte Gewalt sei also der Frieden.

Martin und Tanja gehen hoffentlich weiterhin achtsam mit ihren Worten um, weil ich ihnen jedes einzelne bedingungslos glaube. 

 

20.4.

Ob ich jemals etwas lieber machen werde, als zu essen? Manchmal ahne ich etwas. Beim Büroeinräumen wird mir der Hunger lästig, während ich beim Schreiben dauernd in meinen Magen hineinhöre, ob es nicht schon Zeit wäre und ich einen guten Vorwand für eine Pause finde.

Entgegen eigener Überzeugung bin ich nicht ungeschickt, ich muss nur immer daran denken, mich nicht schnell zu bewegen. Adieu, geliebte Dackeltasse! Aber besser du als irgendein Bleikristall-Erbe, das ich in noch härteren Zeiten einmal auf willhaben verklopfen kann.

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Ohne jede Absicht antworte ich auf die Smalltalk-Frage nach Kinder-Lieblingsessen „Eiernockerl“, das Unterbewusstsein ist ein Hund (gelogen war's nicht).

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Abends dem Buttinger geschergt, dass der Hund ab jetzt die gesamte Zeit alleine im Garten sein will, er empört sich: „Dafür wird sie nicht bezahlt!!!!“

21.4.

Aktuelles Leiden an Mozarts Klarinettenkonzerten (in ihrer Einspielung als Ohrwurm).

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Man wird sich selbst zum Orakeltier. Ohne den Grund genau zu kennen, schreibt man jahrelang über das Ausmisten (am meisten, bevor die echte, mühsame Arbeit überhaupt beginnt). Dann über Prokrastination (darüber ist alles gesagt, trotzdem). Allmählich kommt die „Inspiration“ aus aktuell Geschehendem, konkret aus den Ameisen, die ich vergrämen soll.

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Gestankskombinat“ (Max Goldt, „Gattin aus Holzabfällen“, wieder sehr gelacht)

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Nach den „Frauenstimmen“ im Strandgut versoffen, nur mit eisernster Disziplin gelöst und nach Wels gefahren, um mich dort auf der Couch zu versaufen (es ist Freitag, ihr Apostel).

22.4.

Auf dem Weg zum Bruderkogel erzählt mir Linsi eine heitere Tiergeschichte: Die Katze hat eine Maus gebracht, die sich als scheintot erweist und nach ihrer Wiederauferstehung flugs im Haus verloren geht (vielleicht ein Wunder?). Die Mieze fühlt sich indoor nicht mehr zuständig. Wochen nach der möglichen Himmelsfahrt hebt er – ganz anderes suchend – den Polster der Couch und findet darunter die flachgesessene Maus, nun wirklich tot. Keiner will es gewesen sein, der sich auf den Willi gesetzt hat. 

Bei der nächsten Skitour befestigen wir alle unsere Tracking-Devices an der Hündin und geben nachher auf Komoot mit unseren 2342 Höhenmetern ohne nennenswerten Puls an. Bei der Abfahrt jagt uns Fini wie scheintote Mäuse.

Gute Bettschwere nach nur zwei Bieren.

23.4.

Mein Büro ist so schön geworden, dass ich es nicht mit Erwerbsarbeit besudeln möchte. Hoffentlich hemmt es meine Prokrastinationshyperaktivität, dass ich jetzt im obersten Stockwerk sitze (Nachtrag Mai: kaum).

24.4.

Bei der Einkommenssteuererklärung absichtlich weniger absetzen als möglich, damit ich dem Finanzamt gegenüber nicht als das völlige Ei gegenüberstehe, das ich bin. Wahrscheinlich schreibe ich das schon seit 2009 in jedes meiner Notizbücher und vergesse es wieder, damit ich seelisch-wirtschaftlich übers Jahr komme. Wann verwandelt sich meine Furcht vor der Besachwalterung in Einsicht? Wahrscheinlich so lange nicht, wie ich mir einreden kann, dass von meinem Steuergeld wenigstens keine FPÖ-Parteienförderung bezahlt werden kann.

25.4.

Im stockenden Morgenverkehr (Klimakleber an der Ausfahrt Wiener Straße) angesichts meines Ärgers über die Wartezeit der intensive Gedanke, dass uns allen nicht mehr zu helfen ist.

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Sehr guter Fund im Internet: Es sind nicht die Oppussums, die sich tot stellen, es sind die Menschen, die so tun, als würden sie leben. 

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Kiste 11, 12 und 13 zum Pfarrflohmarkt chauffiert (die Federn ächzen). Im Haus fehlt nichts, alle Regale sind noch voll, dafür mein Herz voll Gram, wenn ich an die Eltern denke, wie sie mir vom Himmel aus dabei zusehen, wie ich „Kulturwanderungen in Südtirol“ hinaustrage, oder „Die stolzen Städte der Toskana“. Wenigstens sind die Schachteln, die ich mir beim Interspar erbettelt habe, für Biobananen.

26.4.

Ich bin im Besitz einer CD (Best of Mozart + Schubert), „gewidmet von den Betriebswirten und Wirtschaftsinformatiker der Johannes Kepler Universität Linz ihren Gästen“. Sie steht jetzt neben der LP des Chores.

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Am Vormittag gehören sämtliche DM-Filialen ausschließlich den Frauen, die Lagerhäuser den Männern. Ich störe mit meinem queeren Einkaufsverhalten (Hautcrème und Heckenschere) die göttliche Ordnung.

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In der Nacht träumte mir, dass mich die OÖN zu Nadja Kayali als Israel-Korrespondentin schicken, die mir beibringen soll (ganz nebenbei), wie man sich pelzdicke falsche Wimpern aufklebt (warum nicht den Gebrauch von Kajal, war meinem Unterbewusstsein der Witz zu seicht?). Dann werden mir bionische Elemente in den Leib operiert, woraufhin ich recht gut fliegen kann (eine Kooperation mit dem AEC, um sich die Kosten für die Flugtickets zu sparen?)

27.4.

Ich werde für Radio Oberösterreich interviewt, das dauert ca. sieben Minuten, den Rest verplaudern wir. Sieben Minuten länger und ich hätte Katharina Maurer vorgeschlagen, dass wir am hellichten Tag miteinander auf ein Bier gehen.

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Es ist übrigens ein im Verkehrsgeschehen nicht vorgesehener Irrsinn, das Viertel zwischen RLB, Designcenter und ORF zu Fuß betreten zu wollen.

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Rudi-Klein-Vernissage im MKH, mit dem großartigen Titel „Der Künstler ist zu müde für Erläuterungen“ – er ist aber freundlich anwesend und trägt Kapitänsstreifen am Sakko. Sehr langer Abschiedsapplaus für Günter Mayer (jetzt werden die Pensionisten immer jünger). Am schönsten die Reihe „Geschenke der Straße“, Porträts aus Zeug, das dort herumlag.

28.4.

Mit leichtem Kater entlassen in eine kurze Sturmfreiheit, in der ich ganz meinen Neurosen leben darf.

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Das Problem an der Figur der Präsidentin ist, dass sie nach den Gesetzen des guten Humors nach oben schlagen muss, aber da ist niemand mehr, denn it's lonely on the top

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Die evolutionäre Liebe zwischen Mensch und Hund ist tief, aber wenn ich aufs Klo gehe, legt sich Fini auf meinen angewärmten Sofaplatz und lässt sich auch mit den gelinden Mitteln mütterlicher passiver Aggression ("Rutscht a bissi, Puppi? Bitte?") nicht mehr vertreiben. Wärme ich eben die andere Soff, man hat ja geerbt und kann den Verteilungskämpfen des Spätkapitalismus aus dem Weg gehen. 

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ALLE sind auf der Leipziger Buchmesse, nur ich sortiere die Bücher im Haus, irgendwer muss das ja auch machen.

29.4.

Der angehende Pathologe in der Kletterhalle erzählt aus dem Blauen heraus schüchtern Chinesenwitze („Hing am Hang“).

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Lyrik von jenseits des Nachbarzauns, nicht ganz aus dem Blauen heraus: „Die Ehe ist ein Übel / ein bittersüßes Joch / sie ist wie eine Zwiebel / man weint und isst sie doch“. G. sagt stolz, das könne er, weckte man in nachts um drei in mit drei Promille, auch noch tadellos aufsagen.

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Kiesel in Flusskolken „schnattern“. (Quelle?)

30.4.

Diese urtümliche Kinderfreude, Sachen in Flammen aufgehen zu lassen (noch stärker als jene, Haustiere mit dem Gartenschlauch anzuspritzen, und die ist STARK). Das ist mir den versengten Flieder wert. 

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Man könnte das Land für den Rest unser aller Leben in einen Lockdown sperren, ich hätte trotzdem genug für alle zu lesen daheim, für alle Gesellschaftsschichten. Top-Auswahl: „Das Liebesleben der Tiere“, „Topf-Gucken mit Karl Moik“, „Schatzkästlein der Jungfräulichkeit“.

Mein selbstgebastelter Lockdown in diesen Tagen gelingt mir hervorragend, denn dieses Mal habe ich sogar ein Haustier, mit dem ich Zwiesprache halte, um nicht das Gefühl zu haben, komisch zu werden (was allerdings demonstrandum war). 

Komische Wesen sehen dich an

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Die Philosophiebücher stehen jetzt zumindest so, dass ich sehen kann, was ich wissen sollte. Aber mehr als dass Marx nicht mit Geld umgehen konnte und Derrida verstört über seine Beschneidung war, habe ich mir in Wahrheit nicht gemerkt. Vielleicht kontaminiert man sich ja über die reine Anschauung der Buchrücken mit den gelehrten Inhalten.

Samstag, April 15, 2023

Wissenskrimskrams rund um das Skifahren

Weil ich bei der letzten Lesebühne mein Füllhorn der "guten Einfälle" nicht vollständig leeren konnte, gieße ich Folgendes hier ins Ideen-Retensionsbecken. 

Was am Après Ski am schwersten zu ertragen ist: die Frage, in welche scheiß Richtung der Accent gehört, verdammt, ich hab in Französisch maturiert, werde ich dement?!

Après Ski in Oberösterreich verhält sich zu Après Ski in Tirol wie ein Jungschardiskoabend im Pfarrheim zu einer Sex Positive Party im Berliner Berghain.

Integration ist nur dann gelungene Assimilation, wenn die Ausländer auch diese völlig irrationale Enttäuschung empfinden, wenn der Gesamtweltcup an die Schweiz geht. Wer sich grämt, dass irgendwelche Deutschen(!) oder SCHOTTEN(!!!) ein Hahnenkammrennen gewinnen, muss sofort eingebürgert werden, mit Mann und Maus. 

Fortgeschrittene Österreicher (ich gendere da nicht, Frauen sind nicht solche Gefühlswesen) können sich dann durch ambitionierten Wahnsinn auszeichnen, also befürworten, dass man Berggipfel im Pitztal wegsprengt oder das Warscheneck untertunnelt (um zwei einzelne winzige Skigebiete zu zwei gemeinsamen winzigen Skigebieten zu verbinden). Geisteskrank bleibt es, den eigenen Garten so aufzuschütten, dass man einen Weltcupslalom austragen könnte, aber in einer Skisportnation is the sky the limit bei blöden Ideen.

Das Patriarchat mag das Gebirge barrierefrei machen, aber nicht für behinderte Menschen, sondern für ÖSV-Funktionäre, Investoren und vertrottelte Landespolitiker.

Üpberhaupt: Peter Schröcksnadel, der Elon Musk der Alpen. (Igitt)

Im Übrigen kommen mir die Pläne zur Rettung der nicht mehr konkurrenzfähigen Lulu-Skigebiete so vor, als hätte ich sie im akuten PMS schnell für die Lesebühne zusammenklabüsert: Ich: Akne wegkärchen, über den Fußweg rasende Rennradfahrer vom Sattel brocken, die FPÖ und die Schwerkraft am liebsten einfach durch Anzünden aus der Welt schaffen. Ski-Wirtschaft: Riesenplateaurestaurant Frauenkar, Zehnkilometerlift über das Naturschutzgebiet, Tunnel durchs Warscheneck, you name it. Der Unterschied zwischen Frauen und dem Schröcksnadel: Am nächsten Tag haben wir unsere sieben Zwetschgen wieder beinand und lachen über unsere tolldreisten Schasideen. 

Um die Sinnlosigkeit der gesamten menschlichen Existenz zu beweisen, ist es immer eine gute Übung, sich vorzustellen, Aliens ein bestimmtes Phänomen zu beschreiben: Ja, also, Skifahren, das ist, wenn sich die Leute mit sehr mühsam auf einen Berg geschraubten, waghalsig energieintensiven Liftsystemen nach oben teleportieren lassen. Sie tragen teure und rasch wechselnden Moden unterworfene Schutzkleidung in extrovertierten Farben. Die Füße werden in L-förmigen Hartplastik-Devices inhaftiert, das verursacht in 85 Prozent der Fälle erhebliche Schmerzen. Die sogenannten „Skischuhe“ werden per One-Click an scharfkantige Vorrichtungen befestigt. Deren Fläche entspricht dem Quadratmeterpreis eines Lofts in Midtown Manhattan (das stimmt wirklich, ist wissenschaftlich erforscht!). Auf diesen Latten rutschen die Menschen nun den Berg hinunter. Damit sie sich nicht an der ortsüblichen Vegetation totfahren, wird diese schneisenförmig mit Stumpf und Stiel entfernt. Um die Gleitfähigkeit zu gewährleisten, wird darauf nicht nur die klimatologisch gegebene Menge gesammelter Eiskristalle verwendet, sondern mittels eigens konstruierter Wasserwurf-Maschinen vermehrt und auf den Hängen mit personal- und energieintensivem Fuhrpark fixiert. Die Menschen rutschen darauf gemäß den Gesetzen der allgemeinen Gravitation nach unten und empfinden dabei ein sehr teuer erkauftes Vergnügen, das von den Jungen mit großer Disziplin erlernt werden muss. Den Rutschenden ist dabei immer zu kalt oder zu warm. Ziel der Übung ist es, unten wieder in das Teleportationssystem zu steigen und von vorne zu beginnen, ganz ähnlich dem Sisyphosmythos, den man dann dem Alien bei der Gelegenheit auch gleich erklären kann.

Après Ski besteht im Wesen darin, sich durch intensiven Alkoholgebrauch bei dröhnender Gesellschaftsmusik für die erlittenen Strapazen schadlos zu halten, was freilich die Leiden nur verlängert. 

Ein sehr liebes Bild aus der frühen Jugend der Autorin, um die Laune bis zum Schluss des Textes zu heben.

Hätte ich wirklich Macht, ließe ich im viel zu langen Bergwinter aus dem störenden Schnee grüne Bänder herausfräsen und mit Antischneekanonen begrünen, damit ich jederzeit meine lieben Wanderungen machen kann, inkl. beheizten Raststeinen. Analog dazu den Gleinkersee erwärmen, damit man auch zwischen September und Juli darin baden kann – sehr wichtig für den Tourismusstandort OÖ! Vielleicht hier überall den Skitourismus auflassen mangels Wettbewerbsfähigkeit, und überhaupt mit der Abwärme der Voest die Landschaft in einen ewigen Frühling versetzen.  

Wenn das mit den „durchwachsenen Medaillenbilanzen“ im ÖSV so weitergeht, vielleicht eine neue Sportart andenken, an der sich der fragile Nationalstolz hochranken kann. Beheizte Hallen für Aquarellmalerei oder Jammern? Oder katholische Transzendentaltheologie, Schnitzel-Fress-Contests oder Femizid. Oh wait, da sind wir eh schon Spitzenreiter in der EU.

Zieleinlauf des Textes:  

Vielleicht sitzt da draußen jemand vor den Überwachungskameras, oder im Jenseits, und kommentiert mein Leben wie die Schmähkanonen (haha) Hans Knauß und Armin Assinger die Streif. „Optimale Schmähverhältnisse, es lieg heite guns an der Minkchi selbst.“ „A Spätstarterin mit vü Verletzungspech, gelingt ihr des Comeback oder des Come at all?“ „Keine große Technikerin, aber vül Herz.“ „Do hot's liegn lossn.“ „Riskante Linie!“ „De Passage hod passt, wos geht am Schlusshaung nu?“

Humorpotenzial erörtern, wenn Knauß und Assinger Literaturkritik im Skistil machten. Dem ORF vorschlagen.

Sonntag, März 12, 2023

Neue Haushaltstipps zwecks Weltrettung + "Lyrik"

Oft sind es ganz kuriose Sachen, die super helfen und damit nebenbei den Kapitalismus ruinieren, indem man nicht mehr für alles überteuerte Spezialprodukte kaufen muss!

  • Laubbläser aus drei alten, zusammengegafferten Föns

  • Besonders Drucker sind sehr sensibel und reagieren trotzig, wenn man sie anschreit

  • Uran mit der flotten Lotte spalten, Kernenergie im Tupperware auffangen und für später einfrieren. Tiefkühlgerät auf -17°, spart Energie

  • Das Leib-Seele-Problem mit dem Hinweis auf eine offene Dialektik lösen. Wenn das nicht hilft, preiswerten Haushaltsessig in die Vorwaschlade und nur ganz untertourig schleudern.

  • Ein eigenes kleines Kohlekraftwerk auf dem Balkon oder im Garten, um selbst elektrischen Strom zu produzieren. Klappt zwei Fliegen mit einer Klatsche: Umwelt geschont und Putin eins ausgewischt.

  • Briefkastenfirma: Entweder Post-Aktien kaufen. Oder Schrumpfmaschine erfinden und kleine Leute im eigenen Postkasten arbeiten lassen, z.B. im Mikrochips-Bereich.

  • Hormonhaushalt – selbstgebastelte Befriedigung: Es muss nicht immer der alte Vibrator mit rußigem Dieselmotor sein. Auch einmal die andere, patscherte Hand nehmen, dann fühlt es sich ungewohnt und spannend an, vielleicht wie früher in den Anfangszeiten.


Ein Gedicht zum Tag der Haushaltsgeräte

Einfach mal Danke sagen! Und sich bei Gelegenheit fragen, warum Frauen trotz der vielen technischen Helferleins immer noch die ganze fucking Carework machen muss.

Wir wären nicht gewaschen und meistens nicht gefönt

Die Strümpfe hätten Flecken und schmutzig wär das Hömt

Wir äßen Fischdosen mit Honig und rohe Kost mit Zimt

wenn ihr nicht dafür sorgtet, dass alles gart und glimmt.

Und sind wir dir, oh Haushaltsgerät, auch manchmal eine Last -

was wärst du ohne Menschen? Seid froh, dass du uns hast!


Dienstag, Februar 28, 2023

Buchhaltung der Liebe, Orgien der Unwahrscheinlichkeit und ein Leben in Vorleistung

Lebenskrimskrams im Februar 2023

1.2.

Kleiner Wutanfall auf dem Weg in die Plus-City. Schon klar, diese Konsumarchitektur soll eine Verweilfalle sein, aber muss schon der Zugang so eine Zumutung sein? Es ist leichter, durchs Latschendickicht im Sengsengebirge zu finden. Sehr wahrscheinlich bin ich dumm geworden und noch wahrscheinlicher hasse ich Shoppingmalls einfach immer noch. Immerhin kann ich feststellen, dass ich in Sachen „Fashion“ weiterhin sehr leicht den Planeten retten kann, exakt kein einziges Ding löst Habenswünsche in mir aus. Schön aber die mosttrinkenden Boomer unter einer Stiege, auf einer billigen Bierbank neben einem Bauernstand.

***

Vernissage der von mir auch stark gemochten Herren Decker und Lehner in Wels. Vor lauter Schmeicheln und Schnattern ganz vergessen, wirklich die Kunst anzuschauen. Dafür wohlwollende Betrachtung eines stadtbekannten Büffettouristen (alle kennen ihn, ich nicht, weil es bei Literaturveranstaltungen nichts abzustauben gibt). Ich empfinde große Verbundenheit dabei, wie er Grissini knuspert und etliche davon in den ausgebeulten Sakkotaschen verschwinden lässt. Nachdem er fertig geweidet hat, nehme ich meinen Sessel und setze mich direkt zum Büffet, um in schamloser Gier und Bequemlichkeit die Grissini zu erledigen.

2.2.

Erleichterung, dass heute zu Maria Lichtmess Herr und Hund bei mir bleiben wollen, es hätte mir wehgetan, sie am Glanglmarkt verkaufen zu müssen.

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Es bleibt weiter ausgeschlossen, nach einem vertändelten Arbeitsvormittag noch ins Schreiben zu kommen.

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Ein brauner Labrador hinkt in den Hüften schon so stark, als sei sein Pelz ein Kostüm, in dem zwei Affen als Hund gehen.

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Zwei alte Pampersschachteln voll uralten Spielzeugs aus dem Dachboden sortiert, fast jedes Ding verlangte nach Entschlossenheit, obwohl schon viel Bröselndes und Müffelndes darunter war. Weiterhin unmöglich zu entsorgen: Stofftiere. Ob ich der Mensch werden möchte, der sie wegschmeißen kann? Ich habe ja schon Angst, dass die in die Schachteln gestopften Puppen mich in meinen Träumen anklagend heimsuchen, dabei hab ich nie damit gespielt und BIN IHNEN NICHTS SCHULDIG!!!! Und die heutzutage sehr prekären ethnischen Puppen (First Nation + African african) habe ich sowieso behalten, was sich so unkorrekt anfühlt, wie sie zu entsorgen (ethnischer Müll, als Ergänzung zum ethischen Müll).

Ich schleppe schwer zur Mülltonne, aber nach Wiedereinräumen des Dachbodens scheint kein Fitzelchen Materie zu fehlen. Im Keller stehen noch gezählte neun Riesenkisten voller Playmobil. Wenn es die Industrie nicht als wertvollen Rohstoff wiedereinfordert, kann ich darauf hoffen, in meiner Demenz so chronologisch zu regredieren, dass ich zuerst damit spiele, dann mit dem Duplo usw. Man kann mich dann mit den ersten sieben Stofftieren kremieren.

 

3.2.

Intensives Träumen von der Unfähigkeit, eine vierstellige Ziffernreihe korrekt in die Tastatur zu tippen – ennervierend, aber immerhin eine Entwicklung: Ich muss kein Wahlscheibentelefon mehr bedienen.

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Seit Tagen eine Witterung, die um Klimawandel betteln lässt, hoffentlich stachelt das die Boomer nicht noch mehr zum Heizpilzkauf und Golf-auf-den-Malediven-Flug an. Beim Hundsäußerln grüßen wir einander derzeit wie Harley-Fahrer, wegen Tapferkeit.


4.2.

Buttinger freut sich über Blumen und Champagner, mehr aber noch über das Liebesfest-Album. „Du bist wirklich die Buchhalterin unserer Liebe!“

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Ein Nachmittag, an dem ich mich dauernd erinnern muss, dass nichts zu tun ist.

5.2.

Der Wurst-vom-Hund-Ball ist wie ein Erntedankfest meiner mit Sorgfalt und Zuwendung in Linz verbrachten Dekade. Schöne Menschen loben mich für Dinge, an die ich mich gar nicht erinnern kann, ein junger Mann im Paillettenkleid seiner Freundin erzählt mir, dass er ihr täglich Kaffee in der „Tasse des Erfolges“ serviere, die er bei der Tombola des Grauens gewonnen habe. Eine fremde Frau lobt die „Dialektik“ im Fußkranken-Buch. N.T. und rühren einander beim Abgesang auf unsere Väter, wir werden ganz sentimental bei den ähnlichen Erzählungen über zahllose Fahrten ins Altstoffsammelzentrum. Buttinger nimmt am Fest teil wie ein geduldiger First Husband, erst nach dem Loblied auf weibliche Masturbation möchte er allmählich heim. Wir sind gar nicht schlimm betrunken, stellt die Stiefmutti fest, und so bald schon zurück (2 Uhr). Der Hund habe sich nicht von der Haustür wegbewegt.

7.2.

Ein Numerus-Clausus-Flüchtling mit Teenie Weenie Beanie an der Rezeption der Boulderhalle. Alle sind jetzt hier und topfit. O. freut sich: „Bist du eine faule Frau geworden?“ „Ja, eine alte, faule Frau.“ „He, ich hab nur faul gesagt!“ „Das ist um nichts besser.“ „Ja, stimmt!“ Er winkt freundlich und geht heim (wahrscheinlich nach sieben Stunden Training).

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Erneut eine Orgie der Unwahrscheinlichkeit – ich schaue „2012“ als guilty pleasure, so wie man Erdnussflips in sich hineinschaufelt. So viel Fantasie bei der Zerstörung amerikanischer Infrastruktur, dass man das einem Deutschen finanziert? Der russische Präsident ist der erste Humanist. Und man kann aus ein paar Tierpaaren die Fauna rekonfigurieren, wie von einer Sicherungskopie. Aber hier logische Fehler notieren, das ist so bescheuert wie eine Nährwertanalyse machen, nachdem man das ganze Sackerl Flips gefressen hat.

8.2.

Der Hund bekommt jetzt laufend Insta-Model-Anfragen als „pet ambassador“. Verhindere ich die ihr zustehende Karriere, so wie damals jene Coalas, als wir 1998 im Central Park als Synchronstimmen für A- und B-Hörnchen beinahe gecastet worden wären und ich nur Nein gesagt habe, weil der cheesy Herr unsere Beine sehen wollte?

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Früher habe ich vor dem Schreiben den „Mann ohne Eigenschaften“ gelesen, heute El Hotzo. „Schlimmste an Selfcare, dass man sich selbst drum kümmern muss“.

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Die guten Menschen von Waschaecht lächeln heiter, weil sie es schon gewöhnt sind, dass ich bei den ersten bin, die mit dem Essen anfangen und immer die Letzte bin, die damit aufhört. „Loss d'Salodschissl steh, des issd d'Dominika nu zaum.“ Es ist ein Segen des Alters, sich mit Menschen zu umgeben, bei denen man sich nicht mehr sehr verstellen muss. Ich geniere mich immer weniger und lasse mir die Reste des Strudels einpacken.

9.2.

Der Hund wälzt sich kläffend im Bisgurrenloch an der Donau, vier andere springen um sie herum und beißen ironisch neben ihr in die Luft. Ich würde zahlen für diesen Anblick. (Actually zahle ich für diesen Anblick; Fressnapf hat 2022 11% mehr Umsatz gemacht).

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Es hat Vorteile, dass ich die ÖVP schroffstmöglich ablehne, so spare ich mir Zeit, weil ich die Falter-Artikel über Wahlkampfkostenüberschreitung gar nicht mehr zu Ende lesen muss.

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Gibt's eigentlich einen republikanischen Pornostar namens Clit Eastwood? Ich trau mich nicht googeln, wegen der Algorithmen.

10.2.

Wenn ich es diesen Februar nicht schaffe, alles abzuarbeiten, bin ich wirklich eine Versagerin.

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Belangsendung auf ORF3: „In unserem Hotel darf die Frau noch ganz Frau sein: Detoxing, Meyer-Kur, Hormon-Yoga...“ Vielleicht mag ich wirklich lieber gar keine Frau sein; als Mann muss man keine Selfcare machen und hat viel mehr Zeit für irgendwelchen Unfug.

11.2.

Bei der Skitour auf den Hohen Nock erzählt einer, dessen Namen ich aus Diskretion unterschlage, so viel empörend Lustiges aus seinem gemeindenahen Arbeitsumfeld, dass sich meine Produktivitätsselbstzweifel spontan verflüchtigen. Bei Gelegenheit das Buch über „Fake Work“ und Bullshit-Jobs lesen. So sieht Selfcare in der Verwaltung aus (ich könnte es aber auch Selbstreferenzialität nennen). Die fortwährenden Umstrukturierungen in praktisch jeder Abteilung erinnern mich stark an mein zwanghaftes, prokrastinationales Neusortieren von Zeug, das ich dann beim nächsten Mal wegen Überordnung nicht finde. Andererseits träume ich davon, von praxisorientierten Lakaien umgeben zu sein, die meine Gedankengänge evaluieren und „auf den Weg bringen“.

Schöne Tour in rustikal benannter Landschaft mit etwas rassiger Abfahrt: Im Budergraben geht’s scheiße zum Fahren, erst ab dem Teufelsloch geht’s wieder. #haha

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Sämtliche Aktivitäten dieser Woche stopfe ich in einen Tag, denn es ist auch Schl8hofball. Ich frage den Buttinger, ob er einen Kummerbund hat. „Nur einen lilanen.“ „Trägt der Bond James so einen überhaupt?“ „Wenn er leischen geht, schon.“ Es ist dann wieder extrem schön, und auch heuer bin ich fast am fadesten kostümiert (obwohl ich schon scheißgut aussehe als Agentin im Dienste ihrer Majestät, dem Matriarchat). Wer hätte das früher gedacht, als ich manchmal die einzige Verkleidete war! Auch ein Grund, warum ich Wels nicht so leicht aufgebe. Ausgewählte Kostümstatistik: 2 Boris Johnsons, sieben Queens (eine crossgegenderte mit einer Herde ungezogener Corgis + Hofschranzen), mehrere Teesackerl, zero Margret Thatchers (fast schon wieder schade, es braucht immer einen Bösewicht). Isabella M. bringt mich mit ihrem professionellen Zugang zum Moderieren kurz aus dem Konzept, ich gestehe, dass ich das immer so im Drunken-Kung-Fu-Harald-Juhnke-Stil mache, aber sie hat recht. (und eine Teekanne auf dem Kopf).

12.2.

Bald werde ich nicht mehr darauf hoffen, in den Taschen von Papas alten Sachen Geld zu finden (Update 1.6.: Heute ein mehrfach gewaschenes Gackisacki gefunden).

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Ob ich einmal in ein Alter komme, in dem ich nicht lange und herzhaft darüber lachen kann, dass sich der Buttinger irrtümlich das Haupt mit dem Hundeshampoo gewaschen hat? Selig sind die Armen im Geiste.

13.2.

Nachdem ich endlich das väterliche Auto verkauft habe, stellt sich sofort das Gefühl ein, das Wochenpensum schon am Dienstag erledigt zu haben.

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Seit Tagen mindere Vexation mit Beethoven-Ohrwürmern, es wird allmählich plaghaft. #privilegierteprobleme

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Heute der Stadt Linz einen Förderantrag gestellt. „Wie fördern Sie die Gleichstellung der Geschlechter?“ „Propagierung des Matriarchats“. Leider ist mir erst nach Abschicken der Zettel eingefallen, dass wir mit Gleichstellung da nicht zum Ziel kommen.

 

14.2.

Im Leben geht man dauerhaft in Vorleistung.

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Nach Wochen deprimierendster Witterung trotzdem zu faul, um ein paar Meter hinauf in die Sonne zu fahren, ich tu' so, als sei's wegen der Klimarettung.

15.2.

Hole ich das Maximum aus der Tatsache heraus, dass ich jetzt IMMER sturmfrei habe?

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Erwachsen sein ist, Zeug mit dem eigenen Taschengeld zahlen, das man eigentlich nicht essen mag, aber es ist halt gesund. Und für das Taschengeld Sachen machen, die man nicht will, aber es wird halt bezahlt und dann kauft man sich Endiviensalat und Laufschuhe und Selfcareprodukte von Tschibo. Heute im Supermarkt einen Pensionisten mit einem einzigen Champignongpackerl bei der Kassa vorgelassen und ernsthaft erwartet, dass er meinen sorgfältig nach Nährwert und Herkunft zusammenkuratierten Einkauf lobt, aber von den Boomern kann man nichts verlangen!

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Beim Naturwissenschafts-Mansplaining schon so erfolgreich auf Durchzug geschaltet, dass die „Science Busters“ zur Meditations-App geworden sind.

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Vortäuschen, das El-Hotzo- und Max-Goldt-Lesen zur Arbeit gehören. „Pilze: Die einen kosten tausende € und müssen von einem trainierten Schwein gesucht werden, während die anderen gratis in der Ecke deiner Dusche wachsen.“ „Debatte über die Unschnitzbarkeit der körperlichen Liebe“.

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Seit ich beim Hundsäußerln so viel Smalltalk mache, mag ich nicht mehr so viele Emails schreiben. „This could have been a dogwalk!“

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Ab jetzt nenne ich mich „Vollwaise“, das lässt mich wesentlich jünger klingen.

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Die Zeitanzeige der Waschmaschine hat im Lauf ihrer vielen verlässlichen Miele-Dienstjahre ein eigenes Kontinuum entwickelt, das nichts mehr mit den handelsüblichen 60 Sekunden pro Minute zu tun hat. Schade, dass ich bei der Naturwissenschaft nicht mehr zuhören kann, vielleicht hat sich hier wegen der vielen Rotationen eine eigene Quantensingularität gebildet, die ich wegen meiner Ignoranz der Welt vorenthalte.

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Freude schöner Götterfunken“ heißt eigentlich „Freunde, nicht diese Töne!“, was sich schon wesentlich pampiger (und realistischer) anhört.

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Déja vu“ ist die nächste Orgie der Unglaubwürdigkeit, aber dank Denzel Washingten gelingt die suspension of disbelieve. Hoffentlich geht der echte Herr Washington mit seiner super power verantwortungsbewusst um, denn wir alle würden ihm jeden Scheiß abnehmen, und dann kracht's im Weltgefüge wie im Logik-Gerüst dieses törichten Filmes.

16.2.

Beim Tierarzt plötzlich der starke Wunsch nach einem Kälbchen, zufällig hat er ein dabei. Es ist ein seiner schwarzweißen Flauschigkeit eine liebe Ergänzung zum Hund, muss jedoch täglich 30 Liter Milch trinken. Ich habe aber nur Orangensaft und Capuccino im Haus. Kurz vor dem Erwachen denke ich in untypischer Sorglosigkeit, dass ich es schließlich auch hingekriegt habe, den Hund durchzubringen, nur das mit den 30 Tetrapacks Müll wird meinen Fußabdruck erheblich vergrößern. Offenbar bin ich bei der traumhaften Bewältigung meiner Realität schon im November 2021 angelangt. Das sind gute Nachrichten, denn seither ist mir persönlich nichts mehr Schlimmes passiert.

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Der Hund führt das Leben, das ich selbst als Kind gerne gehabt hätte: Am Morgen nicht in die Schule müssen, wenn man die Mutter bis 16 Uhr weitgehend in Ruhe lässt. 

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Vom Output her gehe ich immer weiter in Richtung Privatgelehrte.

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Es könnte mein Social Media Hit werden, wenn ich tägliche Not-To-Do-Listen poste, um den Mitmenschen Oasen in der Hektomatikwelt anzubieten. Heute nicht: Einkommenssteuererklären, Kriegerklären, Frauen was ungefragt erklären, Minzsauce machen, Soletti selbst backen, Yak rasieren, Teilzeitarbeiterinnen schlechter bezahlen (bzw. überhaupt ÖVP sein), Lakritze essen.

17.2.

ORF-Meldung des Tages: „Krebs löste unkontrollierbaren irischen Akzent aus“. Das ist nicht lustig, aber sehr lustig. Das Phänomen nennt sich „Foreign Accent Syndrome“.

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Eine fremde, nette Frau erzählt von einem bekannten Hund, der von seinen Inhabern in die Schule geschickt worden war. Nach der ersten Stunde sagte der Trainer, es tue ihm leid, aber „Ihna Hund is soooo dumm!“ Jetzt ist die Hauptaufgabe des Tieres, das Neugeborene abzuschlecken.

18.2.

Es ist mittlerweile bekannt, dass ich nicht angeben mag, aber das war gestern schon eine sehr, sehr tadellose Lesebühne, auch wenn uns die hervorragende Elif Duygu die Show gestohlen hat. Sie möchte übrigens den Mädchennamen ihrer Mutter annehmen, aber der unterscheidet sich vom aktuellen nur durch einen unwichtigen Vokal. 

Das herrlich klagende Nein der „glücklichen“ Gewinnerin des gesammelten Ouevres der Landesmusikschulen des Landes Oberösterreich 2005 (32534 CDs im Schuber). So hört sich die Tombola des Grauens an.

Die Leute lachen bei meinen alten, leicht aufgemotzten Texten nur an den Stellen, die ich aufgemotzt habe. Das will mich in Sachen „Faulheit lohnt sich nicht immer“ was lehren.

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Weil die artists heute present sind, in die Galerie, und schon wieder ist es mit den Herren Decker und Lehner eine solche Schnatterfreude, dass ich fast vergesse, ihr Kunstwollen zu rezipieren.

Es ist überhaupt ein Vormittag, der die Sonnenseite von Wels und des Kapitalismus zeigt. Nun habe ich wieder Hosen und Leiberl, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Bei Socken hat jede Disziplin ausgelassen, ich besitze jetzt welche mit Hühnern, Ringeln und Oktopussis.

Im Extrazimmer verlangt eine sehr junge Dame dringlich, in das Hundefell zu greifen, der junge, sehr hübsche Vater fragt höflich, ob sich das ermöglichen ließe. „Natürlich“, sage ich dienstbar, „Fini, Fini!“ Der Mann schaut verwundert, woher ich wisse, wie seine Tochter hieße? Wir freuen uns über unsere schönen Wesen und ihre schönen Namen. Nur einmal, erzählt er, habe ihn einer gefragt, ob das von „Adolphine“ komme.

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Aus vielen Gründen wird Barbi Marković niemals einen Nachfahren Klaus Barbies ehelichen. Es gäbe sehr viel Klügeres über „Suzaro“ zu sagen, aber es ist Wochenende.

19.2.

Diese Freude, den ganzen Tag nicht außer Haus zu gehen, keinen BH anzuziehen, niemanden zu treffen und keinen Sport zu machen, ist das wie bei den Erfrierenden, die sich ein bisschen hinlegen oder eh so gut, wie es sich anfühlt? Mittags tief geschlafen und den Polster eingespeichelt (eventuell diesen allzu bekenntnisfreudigen Satz wieder streichen).

20.2.

Kepler Salon. An der armen, von den Faschisten verbotenen und vergessenen Autorin Hedda Wagner interessiert mich am lebhaftesten, dass sie in ihrem inneren Exil (die Mutter aller Lockdowns) Amseln gezähmt habe. Falls mich das nächste Mal jemand fragt, warum aus meiner germanistischen Karriere nichts geworden ist.

21.2.

Einen zweiten Hund aus dem Auto gesaugt, weswegen ich mir einbilde, dass es jetzt gleich wieder viel besser fährt.


22.2.

Auf dem Gipfel des Hochrettelsteins über die Planneralm mit unironischer Sehnsucht hinüber ins Tote Gebirge geschaut. Dank meiner mangelnden Fitness standen wir wenigstens länger auf den Ski, als ich mit dem Auto hergefahren bin.

23.2.

An diesen Tagen im Jahr muss man sich am stärksten zusammenreißen, die Luft ist schon so vielversprechend, und die Vegetation noch so erschütternd gackbraun.

Schon wieder vergessen, dass der Februar auch heuer nur 28 Tage hat, weswegen sich meine Märzpläne verschärfen und weswegen ich 3,5 Stunden mit dem Hund spaziere und das Auto wasche.

Beim Äußerln große Sympathie zu einer Frau, die mir nach einer Weile gesteht, sie sei ein wenig unglücklich, weil sie heute noch einen Termin habe, zwar Kino, aber trotzdem. Sie dürfe sich unter der Woche einfach nichts mehr ausmachen, sonst könne sie sich von der Arbeit nicht ausreichend erholen. 

Eine andere Spaziergängerin hat ihren „Staffie“ nach ihrer Lieblingssubstanz genannt (diagnostiziert die Drogenärztin meiner Wahl): „Benzo“. Es ist mir überhaupt unerklärlich unterhaltsam, die täglichen Hundenamen aufzuschreiben (siehe oben, „selig die Armen“). Heute: Merlin, Moritz, Gucci, Lia, Nepomuk, Mellow.

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Belletristik, in denen junge Wirtschaftstreibende im Ernst „superspannend“ zu ihren Omas sagen, lese ich nur gegen Bezahlung fertig.

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Irre, dass man orgiastisch unglaubwürdige „Day after Tomorrow“ und das hervorragend weirde „White Noise“ mit demselben Hirn anschauen kann.

24.2.

Norbert Trawöger hat mich im Traum als Hilfskraft für ein seltsames Donaukreuzschifffahrtsunternehmen angeheuert, wo ich Reisende mit einem schwindlichen Schlauchboot vom Ufer zur Ottensheimer Fähre bringe. Dazwischen zerboselt mir ein neonfarbener Stiglitz eine exotische Frucht, die ich als Lohn von den Touris erhalten habe.

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Vielleicht das unterhaltsamste Bild dieses Februars: Ein älteres Ehepaar geht nebeneinander auf der Agentie daher, nur an ihren synchron vor der Brust pfötelnden Händen ist zu erkennen, dass sie „joggen“.

25.2.

Der Mann, den ich im Sommer großmächtig gepartnert habe, schenkt mir 1 Hose + 2 Scheibenwischer, „denn Geschenke erhalten, die Freundschaft, Meindl!“

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Das Wort „Obfrau“ klingt aus gutem Grund so ähnlich wie „Opfer“ (Onomatopoesie).

26.2.

Dauerndes Gefühl der Faulheit, während ich am Wochenende zu einer Kulturversammlung gehe und „Dschomba“ lese. Die Macht der Ahnen ist sehr stark in mir. Wenn's mir lustig ist, kann's keine Arbeit sein.

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Doofster Satz im für Kreisky-Fans enttäuschenden „Tatort“: „Weißt, ich trauer' grad wie Sau!“

27.2.

Es ist mir unmöglich, Anleitungen zu befolgen (Nudelkochen, Arbeitswelt, Ikea-Kästen). Renitenz oder ADHS?

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Neben Altstoffsammelzentrum und Fundleichenwohnungsnachschau habe ich jetzt einen neuen Traum-Ferienjob: Maremmenschutzhundausbildnerin im Kanton Uri. Man muss ab und zu Luftballone zerplatzen lassen, um die Welpen schussfest zu machen, und ihnen ein Streichelschlusskommando beibringen, damit sie die Schafe nicht vernachlässigen.

28.2.

René M. hat einem Porr-Mitarbeiter gegen drei Bier seine neonfarbene Arbeitskluft abgetauscht, weil der Name auf Schwedisch „Porno“ bedeutet und er seiner Frau mit Reizwäsche eine Freude machen will.

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Keine berufliche Errungenschaft kann mich so zufrieden machen wie das Umstellen der Soffen.

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Nach der Buchpräsentation von „Dschomba“ kommt eine ältere Frau zu mir und fragt mich, ob sie mich kritisieren dürfe, sie habe nämlich Germanistik studiert und ich sagte dauernd „aber dazu kommen wir später“, da werde das Publikum ganz ungeduldig! Ich muss mir Karin Peschka in vielerlei Hinsicht zum Vorbild nehmen, die auf die Beschwerde eines Kollegen, man wisse nun wirklich ausreichend Bescheid über die Handlung, aber was sei mit dem Formalen, mit der Sprache? höflich, aber extra dry erwidert, sie habe sich dazu ganz wenig überlegt, so klug sei sie nicht. Das war gelogen, aber gut.

Weil ich auch Germanistik studiert habe, sage ich, dass Zumwirtengehen mit Regina Pintar und Karin Peschka eine sehr große Freude ist.