Dienstag, April 02, 2024

Danke an: Multivitaminsäfte, liberale Gatten, das Nettsein. Und Danke für nichts, André Heller!

Ich weiß, dass die Welt existiert, weiß aber nicht, ob ich existiere." Robert Walser

Foto: Dieter Decker


Was ich alles für die Welt-Lesebühne schreiben wollte:

Der Karfreitag ist der Tiefpunkt der Passionsgeschichte, er bereitet die Erlösung durch das große Opfer vor. Deswegen ein kurzer Gedanke an den Multivitaminsaft, der sich selbstlos der Verarbeitung der nicht übermäßig beliebten Passionsfrucht annimmt. Aus „Mein schöner Garten“: „Die Jesuiten, die die Frucht nach Europa importierten, meinten, in der Blüte das Leiden Christi zu erkennen: Die Kronblätter erinnerten sie an die Dornenkrone, die fünf Staubblätter seine Wunden. Die drei Griffelnarben sollten Jesus und seine beiden Leidensgenossen am Kreuz darstellen.“ Man isst das an sich schmackhafte Fruchtfleisch samt lästiger Kerne, was sich als Metapher für Religion eignet oder auch nicht. Der Multivitaminsaft jedenfalls besteht aus passiertem Obst, der Smoothie anvant la lettre, und das kann man einfach einmal lobend erwähnt haben. 


Weltreligion

Übrigens gäbe es keine einzige Glaubensgemeinschaft, wären alle Menschen so wie ich (das stelle ich einmal wertfrei in den Raum). Erstens sitze ich nicht gern still und höre einem AWM beim Mansplainen zu, deswegen möchte ich mir alle Stunden Gottesdienst für die Pension anrechnen lassen. 2.: Wäre Pontius Pilatus eine meiner Präinkarnationen, hätte ich dem geifernden Volk gesagt, es solle sich nicht so aufpudeln, der Jesus sei ok, bissi sendungsbewusst, der fällt halt manchmal ins Predigen, aber er ist persönlich ein ganz ein Netter, und sein Vater, der Tischler Sepp, hat meinem Vater damals einen super Bauernkasten gemacht, der steht jetzt noch tadellos da. So, jetzt geht’s heim und trinkt's ein Bier, der Jesus auch, keine Fisimatenten, sonst werd ich steirisch! Ob diese Geschichte eine Metapher für Multivitaminsaft ist, müsst ihr entscheiden, ich will das Nettsein und Nichtaufpudeln einfach einmal lobend erwähnt haben. 

 

Die Welt ist mehr als genug (OÖ-Übersetzung „D'Wöd is in d'Haut eini gmua“)

Der weltlangweiligste Agentsriller: Pierce Brosnan bekommt den Auftrag, die Milliardärstochter Sophie Marceau zu beschützen, die eine Ölpipeline durch Aserbaidschan baut. In langen Diskussionen und mit GV kann Brosnan sie zum Verzicht auf fossile Brennstoffe überreden, Marceau dreht den Ölhahn, was für die Umwelt gut ist, für den Feminismus ein Rückschritt, weil es eh so wenige Frauen in den MINT-Fächern gibt. Marceau dreht La Boum 3, züchtet Sulmtaler Hühner und wird zur Ikone der Decarbonisierung, nicht einmal die affigen Rennräder der Hobbytriathleten dürfen noch aus Carbon sein, nur noch Durchfalltabletten. Pierce Brosnan wird Leiter der Gourmetleiter des Hitzinger Spars und redet dort der Wilheringer Bevölkerung an der Feinkostbudel das Fleischessen aus. Beim Zeltfest der Freiwilligen Feuerwehr „Sommer Sonne Edramsberg“ verliebt er sich in eine regional erfolgreiche Schriftstellerin, es gibt GV unter dem Firmament des Zentralraums. Der Gatte kommt ihr auf die Schliche und schimpft sehr, aber dann sagt er, ok, es ist immerhin Pierce Brosnan. Ob das ein gutes Ende für einen Agentensriller ist, müsst ihr entscheiden, ich will die österliche Großherzigkeit des Gatten einfach einmal lobend erwähnt haben.


Die Welt ist nicht genug

André Heller, Zaubermogul des Staunens, will sein Alterswerk mit einem gigantischen Generalkunstwerk aller Sparten krönen. „Austria, Austria“ soll es heißen, die magische Supershow im weltgrößten Zirkuszelt. Artisten, Tiere, Attraktionen – er will damit nach China reisen und Brücken bauen, Brücken zwischen den Kulturen! Abfahrt, Slalom, Super-G rast künstliche Mausefallen herunter, Tiroler Grauvieh springt – ein Wunder alpiner Dressur! – durch brennende Zirbenholzreifen, Alfons Haider und Silvia Schneider moderieren, aus der DNA Anton Bruckners wird ein ganzes Orchester geklont, bissi spooky, aber man muss groß denken, meine Freunde, große Gedanken machen große Werke!

Dann deckt das OLW-Correctiv auf, dass André Heller nicht nur ganz Österreich spiegelverkehrt, aber in Originalgröße rund um das raubkopierte Hallstatt nahe Hongkong erbauen hat lassen, gleichsam als gefälschten Rahmen, um 800.000 €. Das sei doch nur ein Scherz gewesen, verteidigt sich der in einen Shitstorm geratene Künstler, der das Staunen nicht verlernt hat, Geistesmenschen denken eben groß und bauen Brücken, denn man darf das Staunen nicht vergessen! Aber dann kommt auf, dass er einem aserbaidschanischen Öloligarchen gleich ganz Österreich verklopft hat, und das ist dann wirklich zu viel, denn der will es abtragen und Stein für Stein im Gewerbegebiet von Baku aufstellen, mitten drin die vom Brosnan Pierce mühsam verhinderte Pipeline.

Die Bundespräsidentin sagt „Jetzt reicht's, Heller, ich mag von dir nichts mehr hören! Er wird zum neuen künstlerischen Leiter der KTM-Motohall und muss gemeinsam mit Dietmar Kerschbaumer künftig die Klos im Strandgut putzen, als Ehrenamt! Ob das die gerechte Strafe für ein Leben voller nervtötender Dampfplauderei ist, müsst ihr entscheiden, es ist ja sehr schön im Strandgut, und die Klos immer tipptopp, ich will nur die beherzte Durchgriffsfreude des Staatsoberhauptes einfach einmal lobend erwähnt haben.

Mittwoch, Februar 14, 2024

Die gute alte Zeit. Unvollständige Liste aller Zumutungen, die es im Mesozoikum noch nicht gab

Im Gedenken an das Erdmittelalter (Dino-Perchtenlauf durch Linz, 12.2.2024)

Eine Liste for the Wind of Change + kleine Gedankenreise zur Erholung von den clusterfucking Polykrisen der Gegenwart + eine sehr ungeordnete Auflistung aller Dinge, die das Erdmittelalter zu meinem Sehnsuchtsort machen, weil folgende Zumutungen noch nicht erfunden waren:

  • Pest und Kreuzzüge (ERDmittelalter, nicht Rittermittelalter!)
  • Kreuzweh, Winkfleisch, Fieberblasen, PMS, scharfe Messer wegen der Fingerkuppen, Cellulite (die Haut der Dinos zu dick), Krebs (gut für Fans der Royals)
  • Rollsplit im Schuhprofil → Eingangsbereich, wo es dann schiach knirscht, wenn man draufsteigt bzw. High Heels, in denen sich kein Rollsplit verfängt, aber dieses Schuhwerk zieht Menschen an, die sagen, damit hat man einfach einen schöneren Hintern, man muss halt damit laufen können, aber es ist ja das individuelle Recht, dass die Mädels anziehen, was sie wollen, das ist bitte auch Feminismus!
  • Mandarinen (no offense, aber imho wird winters zu viel Aufhebens drum gemacht)
  • Existenzielle Krisen angesichts der Nichtigkeit der Existenz
  • String Tangas und String Theorie (man hasst, was man nicht begreift)
  • Die Deutsche Bahn (billiger Punkt)
  • Schusswaffen (unangenehme Dynamisierung in fiktionalen Narrativen, vgl. Tolstoi und Lethal Weapon 1 bis 456)
  • Tennis (sorry, ich find's überbewertet) und die Autotune-Tyrannei in der Popmusik (vgl. Cher „Do You Believe in Love“)
  • Drogenmissbrauch, VR-Brillen und Tesla Trucks
  • Inflation und neoliberale High Performance Mindset Mentalcoaches
  • das Warenüberangebot, dabei ist eh alles nur ein Klumpert, im Mesozoikum gab's eine große Auswahl an Dinos, aber darüber will ich mich nicht beschweren, so sind wenigstens die kleinen Buben mit Auswendiglernen der Saurii beschäftigt
  • Taschentücher, deren Flankerl die ganze Trommel voll dunkler Wäsche versauen
  • Bauernproteste wegen Pestizidreduktion und Dieselsubventionskürzung
  • Kein Donald Trump, Herbert Kickl, Benjamin Netanyahu, Viktor Orban, Schärdinand, Ferdinand Wegscheider, Stalin, Putin und Putinversteher, HP Doskozil (die Reihung ist ein wenig ungeordnet, was die Argheit betrifft), Richard Lugner, Hitler, der Welser Nachbar Glück vom ersten Stock, der mich immer so deppert anschaut, Felix Baumgartner, der Rennradfahrer, der mir einmal „du depperte Sau!“ nachgerufen hat, weil ich ihn bat, nicht gar so schnell auf der schmalen Fahrbahn für alle zu rasen, Dieter Bohlen, Idi Amin, Elon Musk und jetzt neu im Ranking Heinz Sichrovsky wegen seiner törichten ZiB-2-Ausführungen gegen das Gendern
  • Mikroplastik, Dauerwelle, Cancel Culture (keine Ahnung, ob Dinos einander wegen jeweils dummer Ansichten bzw. Frisuren von den jeweiligen Veranstaltungen wieder ausgeladen haben, eher nicht)
  • Dass man für 30 FreundInnen 34 verschiedene Kommunikationsapps braucht
  • Australien, Büros und Spaltbodenverbotskritiker
  • Anhaftender Plastikverschluss bei den Milchpackerln (lästig beim Kaffeerichten)
  • Die Hamas und die rechtsextreme Siedlungspolitik und Antisemitismus und Postkolonialismus auf dem falschen Pfad und Rassismus, Bomben und Raketen

Im Mesozoikum gab's keinen Himmel, keine Hölle, keine Nationen, nichts, wofür es sich zu töten lohnt, and no religion, too, imagine all the people, livin' life as mice, Imagine no

  • possessions
  • I wonder if you can
  • No need for greed or hunger
  • A brotherhood of little mice Imagine all the creatures – Sharing pangea

Ein paar Punkte, die immerhin eindeutig für das Anthropozän sprechen: 

  • Lustige Plastikmasken 
  • Domestifikation des Wolfes
  • Bequeme Ohrensessel
  • Dynastisierung von familialen Strukturen, sodass man weiß, wer die Geschwister sind
  • Bibliotheken
     

Montag, Januar 22, 2024

Wir können euch die Freiheit nehmen, aber nicht das Leben (sagen die woken Eliten zur schweigenden Mehrheit der Normalen)

Auch diese Lebewesen möchten am Freitag freihaben, müssen sich aber u.a. diesen Text anhören, weil sie in einer Diktatur leben.

Hier ein "sehr guter" Textbeitrag für die Lesebühne "Hilfe, Diktatur!" am 12. Jänner 2024

Vorbemerkung für alle, die zwischen den Jahren Besseres zu tun hatten, als ausgeblichene US-Blockbuster aus den 1990ern zu schauen: „Braveheart“ erzählt die Geschichte von William Wallace (Gibson), einem schottischen Freiheitskämpfer gegen die britische Despotie. Es geht schlecht für den Mann, aber gut für die Freiheit aus! Meine Kurzkritik: Hier kämpfen Männer darum, im kalten Schlamm leben zu dürfen. Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Andreas Kollross hatte (so wie die Autorin) offensichtlich auch nichts Besseres zu tun als besoffen fernzuschauen. Was nicht verwerflicher ist als Nasenbohren, man soll dabei nur die Finger von den „sozialen Medien“ lassen und nicht davon fantasieren, das ius primae noctis (=Frauenvergewaltigung) wieder einzuführen. Denn so kann es passieren, dass Herbert Kickl ein Drehbuch für eine zeitgenössische Adaption des Films in Auftrag gibt, und ich es schreiben muss, weil so ein Haus heizt sich nicht von alleine, aber es sind eh nur zwei Seiten, also bringen wir es hinter uns. 

Kurz nach der Jahrtausenwende wird der Westrand Osteuropas von einer gigantischen Völkerwanderung getroffen. Scharen von Erd- und Höhlenmenschen überfluten das Land zwischen Neusiedler- und Bodensee, das seit urdenklichen Zeiten von den Clans der edlen Alpenvölker zur Blüte gebracht. Die stolzen und freien Menschen werden aber nicht nur von fremdgläubigen Horden bedroht, denen hätten sie dank urwüchsiger Kraft leicht vor den Toren Wiens Einhalt geboten, sondern hinterrücks von den eigenen Clanführern! Sie bilden in den effeminierten Städten einen abgehobenen Machtklüngel, ein westliches Mega-(ich hab MEGA gesagt!!!)Konglomerat, das die Umvolkung der eigenen Bevölkerung plant.  

Willibald Wallner ist Sohn eines hart arbeitenden Kleinunternehmers (Jagdzubehör und Ölkessel), der sich als Vizebezirksobmann im Zweifrontenkrieg gegen die vaterlandsvergessenen Globalisten und die sarazenische Menschenflut opfert. Willibald muss dabei zusehen, wie er aufgerieben wird, der Vater fällt der Trunksucht anheim und sieht sich zur Flucht gezwungen, weil ihn die Vertreter der Propaganda-Journaille aus dem Amt zwingen, nur wegen einer andersdenkenden Zeile in einem alten Liederbuch. Wallner sen. ward nie mehr gesehen, ab und zu berichtete ein Kreuzschifffahrer, ihn in einer Strandbar in Phuket gesehen zu haben, aber das blieben Gerüchte.  

Willibald Wallner trauert, aber er will nichts anderes, als ein gutes Leben, berufliche Erfüllung, ein schönes Heim, eine liebe Frau und Kinder, die es einmal besser haben sollen als er, der sich nach den langen Ausbildungstagen in der Freiheitlichen Akademie nächtens noch stundenlang selbst online weiterbildet. Wallner kehrt in sein Heimatdorf Trumau heim, wo die Jugendliebe Herta treu auf ihn gewartet hat. Ihre Eltern sind gegen die Liaison, weil sie ÖVP-Wähler und für den Impfzwang sind, aber die jungen Leute lassen ihrer Romanze in der herrlichen Landschaft der Thermenregion freien Lauf. [Hier Sexszenen einbauen bei Bedarf!] Bis zu dem Tag, an dem der zynische SP-Bürgermeister in einer kalten Nacht besoffen twittert, er wünsche sich die Wiedereinführung des ius primae noctis, dass er also alle jungen Bräute in ihrer Hochzeitsnacht entjungfern dürfe. 

Da platzt dem heißblütigen Willi der Kragen! Er spricht auf Telegram eine Fatwah gegen den roten Despoten aus, wie ein Mann strömen die Aufrechten aus ihren Häusern, mit Traktoren und PickUps blockieren sie die A3 beim Knoten Ebreichsdorf und die E59 bei Tribuswinkel. Mit der Wucht des Unrechts schlägt das System zurück. In der Untersuchungshaft wird Willi gefoltert. Die Kost ist vegan, aber Willis Wille bleibt ungebrochen, er wird trotz Avocado-Bowls und Kichererbsenaufläufen nach Rezepten des Sadisten Ottolenghi (Israeli!!) nicht schwach. [Hier raffen wir die Handlung, ist ja nur ein Draft!] 

Es kommt landesweit zu Bauernaufständen gegen den oktroyierten Ethnopluralismus, aber vor allem gegen die woke Elite da oben. Willi wird zum heroischen Anführer im Kampf gegen ideologische Missgeburten, queere Genderdiktaturen und unordentliche Beschäftigungspolitiken. Er trotzt der wortbrüchigen Landeshauptvogtin Wiedergutmachungspensionen für die in der Coronazeit tyrannisierte schweigende Mehrheit ab (45% des Landesbudgets). Willi führt die Revolte auch tapfer weiter, als ihm gekaufte „Wissenschaftler“ unterstellen, dank der Traktorblockaden werde unabsichtlich mehr CO2 eingespart, als die Grünen in Jahren in der Regierung geschafft haben. Willi schreibt sich in den sozialen Netzwerken die Finger blutig, „auch die Hamas hat es verdient, ihre Argumente vorbringen zu können!“, er wirft Hundekot in die Briefkästen feministischer Hackerspaces in ehemaligen Branntweinstuben, er schenkt seiner Gattin sieben Söhne. 

Es kommt, wie es kommen muss in einer Diktatur – nur durch Verrat wird das Unrechtsregime Wallners habhaft (Anzeige der Nachbarin, Wiederbetätigung, bloß wegen ein paar geteilter Memes in der Elternvereins-Telegram-Gruppe). Willi wird verhaftet und einem Tribunal vorgeworfen. Nach Verkündigung des Schandurteils (6 Monate bedingt) erhebt sich der stolze Märtyrer und brüllt aus voller Kehle: 

MeinungsFREIIIIIIIIHEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 

Wer jetzt nicht weint, ist links!

Donnerstag, November 23, 2023

Autofiktionale Selbstausschreibung

  Verloren ist, wer seine Haut zu Markte tragen muss

SIE BRINGEN MIT: Erwartet wird hoher Idealismus im Bereich der Alpenpflege, die eine qualifizierte Unflexibilität verlangt, zwecks Abwehr von sozialen und beruflichen Anfragen bei Bergwetter. Hier ist Bereitschaft zur Mehrleistung bei entsprechender Überstundennichtabgeltung gefragt, denn die Bewanderung des Toten Gebirges ist in der Hauptsaison eine Halbtagsstelle (und der hat 24 Stunden).

Altenpflegekompetenz ist Grundvoraussetzung: Professor Klaus Buttinger ist durch steten Zuspruch zu loben und mindestens einmal pro Kalenderwoche in Bereich Sexarbeit zu betreuen.

Bei entsprechender Witterung wird erwartet, sämtliche Ruheplätze im Garten mit entsprechender Lektüre einer Amortisierung nahezubringen. Die binnen Wochenfrist zu erbringende Leseleistung bei ZEIT und Falter ist Teil der beruflichen Anforderung. Zu Arbeitsbeginn sind die OÖN zu überfliegen und per teaminterner Blattkritik zu bearbeiten. Am Nachmittag und vor dem Dienstende (=Bewusstseinsende) ist Zeit für Belletristik zu erübrigen.

Tägliche Tierpflege, mindestens vier Stunden. Der Hund muss täglich zwischen 8 und 24 Stunden per Bereitschaftsdienst auf sein Verlangen hin gestreichelt werden. Entsprechende Qualifikations-Zertifikate sind vorzulegen. Tägliche Anbringung von Bio-Meisenknödeln an den drei internen Abgabestellen. Spanische Wegschnecken- und Holzbock-Vergrämungsmaßnahmen von März bis Oktober.

Zahlung: Zehnmal jährlich Tombolaspenden, Einmalzahlung in Form eines verfallenden Einfamilienhauses und Jahres“gehalt“ im untersten fünfstelligen Bereich (kalte Progression und Einkommenssteuer werden nicht schlagend).

Deutsch verhandlungssicher (Dienstort ist unter anderem Wels), Französisch in ausreichenden Spurenelementen, um diese affektierte Sprache satirisch anwenden zu können. Bullshit-Englisch (um learnings zu generieren)

ABC-Abwehr und Sportklettern auf gutem Hobbyniveau

 


Mittwoch, November 01, 2023

Gute Bandnamen, alpines Wehleid (Loser) und sexistisches Tierwohl

Lebenskrimskrams im Oktober 2023

1.10.

Beängstigend gutes Wetter. Ein ausnehmend ereignisarmer Tag mit erwähnenswerten und kostbaren Anflügen von Langeweile, weil ich das Handy gestern beim Wirten liegen habe lassen.

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Guter Zufall, dass sich just in der entsprechenden eigenen jugendlichen Ausdifferenzierungsphase auch die Popmusik so schön zerspragelt hat. Andererseits permanenter Verdacht, die eigenen Lebensstadien mit der „Entwicklung der Gesellschaft“ zu verwechseln.

2.10.

Flucht vor der Admin-Scheiße auf die Straße zum Heckenschneiden, damit mich die Nachbarn fälschlich für meine Emsigkeit loben, die ja in Wahrheit nur Prokrastination ist.

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Alpinmoralische Selbstbefriedigung in einer Servus-Sendung: „Wir hätten selbstverständlich auf den Gipfel des K2 verzichtet, um den armen Träger zu retten, alle! Schuld war die ehrgeizige Norwegerin!“

3.10.

D. importiert per 20-Stunden-Flug eine gar nicht so kleine Packung „Minced Fruit Pie“ aus Australien, der die Sinnlosigkeit dieser lieb gemeinten Geste durch seine Trocken- und Fadheit extrem verdeutlicht.

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H., die von fast hollywoodesk liebenswürdiger Schüchternheit ist: „Also ich trinke schon alleine, ich hab' mir Likör angesetzt, da trink' ich am Abend ein paar Stamperl, dann geht’s wieder.“

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Gutes Wort, schlechter Sachverhalt: Allmählichkeitsschäden

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Die Karlich-Show lässt nicht locker. Dieses Mal soll ich zum Thema „Pink Stinks – Sollen Mädchen nicht mehr rosa tragen dürfen?“ eingeladen werden, was ich nicht nur mangels Kindern ablehne. (Nachtrag: Beim Gespräch im Milieu über diese Anfragen stellt sich heraus, dass die armen Talkshow-Caster die ganze Poetry-Slam + Kabarett-Nachwuchsszene mit den absurdesten Anfragen abgrasen).

5.10.

Wieder ein Tag für die Galerie! Mit L. auf die Kirtagsmauer. Die Gämsen sind irritierend distanzlos. Die dicken Böcke haben sie schon ins Tal vergrämt, oben im Kar warten die Bad-Ass-Bitches darauf, dass Fini einen Schritt zu viel wagt. Angeblich haben sie gerade alle eine Augenentzündung. 

Der Abstieg ist doppelt so leicht zu ertragen, wenn man sich dabei den Mund mit Bier-Expertise wässrig redet. Es ist auch eigentümlich interessant, wie L. seine Ziegen am Ende ihrer Lebenserwartung in Wurstform bringt.

6.10.

Buttinger hat die Frauenneurose des Mitleids mit der armen Wohnung, wenn er sie für drei Tage verlässt.

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Eine Nachbarin nähert sich dem Hund, um ihre Liebe anzunehmen, ich sage danke, nicht jeder wolle das. Sie, empört: „Waun ma de (=Hunde) ned mog, wen daun?!“

Wie höflich auch der junge, sehr langbeinige Mann, der im Gegensatz zu mir im bummvollen Zug ordnungsgemäß einen Sitzplatz reserviert hat, dem Hund seinen Fußraum überlässt. Er wirkt berückt und streichelt ihr siebenmal mit dem Zeigefinger über den Scheitel, weil ich ihm zum Dank für seine Großzügigkeit vorschwindle, dass sie bei Unruhe Schutz bei Männern suche. Später lese ich beim Nüchtern, dass er die Menschen super finde. Ich kann ihm nicht widersprechen.

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Pataphysisches Gedankenfeuerwerk. Am Ende landen wir beim Planen unseres Symposiums bei einer Raubkopie der katholischen Kirche, beim Arsenal ihrer Symbole und Zaubersprüche.

Verloren steht Leopold Federmaier vor dem Jelinek. Später, im Anzengruber, drehe ich mich kurz zu den beiden Männern in meinem Rücken um, weil ich mich für das enge Sitzen etwas entschuldigen möchte – da sitzt der Glavinic und nickt ganz mild und freundlich. Walter S. hat uns völlig zu Recht prophezeit, dass Coala und ich die Jüngsten sein werden, weswegen wir von den anwesenden Männern auch mit sehr viel Wohlwollen und Versonnenheit betrachtet werden.

8.10.

Aus der Goldt'schen Reihe „Guter Bandname!“

Ich: „Kassengift“!

Hasi: „Ostsuppenwürfel verursachen Krebs“, gab's wirklich!

Heidi: „Brot & Spüli“

Ich: „1000 zahme Spatzen“

Hasi: Das ist mir als Bird-Nerd zu unspezifisch.

9.10.

Es ist viel zu warm für die Jahreszeit, aber die schrumpfenden Tage reichen für eine kleine Kältepanik. Jedes Jahr die Frage, wie man durch den Winter kommen kann – und kaum auszuhalten die Dokus über den K2 oder Tibetdurchquerungen. Ich darf derlei künftig nur noch zwischen Juni und Ende August schauen. Höhenbergsteigen ist endgültig vom Tisch (also auch das ab 3000 Metern). Ob die Frierangst einmal abnimmt? Wenn die elf Jahre mit kachektischer Therme in Linz in Vergessenheit geraten? Wenigstens ist mein Keller wieder ok, sodass ich mit trockenen Socken Vaters Pestizidspritzausrüstung entsorgen kann.

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Buntspechte im Kirschbaum.

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In der Kletterhalle der unvermittelte Ausbruch der mir bis dato noch nicht bekannten, sehr sympathischen Mutter eines Zweieinhalbjährigen, dass man alles über Schwangerschaftsstreifen und Wehen lesen könne, aber nichts darüber, dass man die Kinder oft einfach wo runterschmeißen will!!!!!! Ich sage ihr, dass sie sich nach der erfolgreichen und endgültigen Nichttötung nach Vergrämung der Kinder aus dem Haushalt mit einem Hund belohnen dürfe.

10.10.

Meine rechte Hüfte verknöchert und verledert jetzt leider, so wie die Reblaus „Nodilitäten“ an den Wurzeln des von ihr befallenen Weinstocks bildet („Vom Leben der Natur“).

11.10.

Ein durch und durch geglückter Tag (durch Eigenantrieb im Toten Gebirge) wird mir gewürzt durch die Bemerkung der Ischlerhüttenwirtin, dass ein Paar mein Kommen schon angekündigt habe, „da steigt noch eine junge Frau mit Hund ab.“ Ich lüpfe die Kappe, um das frisch geschorene graue Haar zu zeigen, alle lachen freundlich. 

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Erstsichtung eines Kleibers an der Futterstation, ein Diversitätserfolg. Dann aber wieder die üblichen Spatzen. Ob es wenigstens immer dieselben sind, die aus Dankbarkeit zu mir kommen?

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Gestern am Ende der Buchpräsentation (Thema „Prokrastination“: „Für Autisten endet jetzt der gemütliche Teil dieses Abends.“ Der Verdacht, dass nicht primär ich, sondern der Hund gebucht wird, ist eine verschmerzbare narzisstische Kränkung.

12.10.

Es scheint keine dumme Strategie zu sein, mich entweder als sympathische Privat-Loserin zu verkaufen oder als sympathische Staatstyrannin.

13.10.

Apropos verschmerzbare narzisstische Kränkung: In der Nacht musste ich mit Fini zu einer Zweitimpfung. Die Schlange vor der Tierarztvilla ist lang, aber der neue junge Veterinär kommt heraus, sein Auge ruht in Wohlgefallen auf mir. „Magst du lieber Fisolen oder Knödel?“ Ich bin schon verliebt und lasse alles liegen und stehen. Der Hund kommt ab hier nicht mehr vor. Obwohl auf einmal die Schwestern mit dabei sind, obwohl ich auch im Traum meinen güldenen Ring trage, obwohl mich der neue Haberer jetzt nicht auf Tiefkühlknödel einlädt, sondern ins „Essig“, für das ich dramatisch underdressed bin, ist es recht schön.

Hunde träumen laut einer Harvard-Studie sehr viel von ihren Besitzern.

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Man wünschte, dass über frauenmordende Männer so intensiv diskutiert würde wie über Kampfhunde.

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Ein neuer vorletzter Sommertag. Es ist geil und spooky zugleich.#klimawandel

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Dingnerdige Befriedigung, wenn ein Bleistift klein- und ein Notizbuch vollgeschrieben ist.

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Im Zug nach Wien. Ein älterer Mann telefoniert mit einem love interest, er bemüht sich, Hochdeutsch zu sprechen. „Ich rauche nicht, trinke nur ganz wenig, ich wär der ideale Mann für dich! Aber du bist zu weit weg … Kuscheln? Ja, das wäre schön! Das machen wir einmal, wenn ich in deiner Nähe bin! … Du redest so viel! So viel! Wie ein Fließband!“ („Fleißband“ übrigens auch schön.)

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Heute ein Drehbuch für ein Mash-Up von „Und ewig singen die Wälder“ mit „Das Schweigen der Lämmer“ => „Leise singen dieBorkenkäfer“ (könnt ihr lesen, gratis, weil ich zu dumm fürs Geldverlangen bin!) Dann „Fredermink, die Dichtermaus“ für die Lesebühne.

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Im Standard stand, dass eine sächsisch sprechende Frau vom Reisebüro nach Bordeaux statt nach Porto geschickt worden sei.

14.10.

Auch wir müssen von irgendwas lesen!“ Guter Versprecher bei der GAV-GV

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Mieze Medusa erzählt vom Gallneukirchner Perchtenlauf, bei dem sie von den Teufeln erwischt und schon fast gehaut worden sei, bis sie bemerkten, dass sie da ein Mädchen in der Reißn haben. Sie ließen von ihr ab, Mieze war so wütend über diesen Genderscheiß, dass sie ihnen beinah nachgerannt wäre.

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Der Verlag hat den Entwurf des Covers geschickt, ich erkläre mich zur Zuversicht bereit. Markus und Doris betrachten mich wie ihr etwas störrisches, dummes Kind, das sich nun zusammennimmt. <3

15.10.

Ein Zellhaufen dummer Sinnlichkeit!“ Schacherreiter, Lesung im Flößerhaus

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Erst heute bemerke ich den Zettel an der Windschutzscheibe, eine kleingewurschtelte Verständigung der Polizei, jemand habe „eventuell meinen PKW beschädigt“. Es wäre auch mit viel Missgunst gegen diese Ehrlichkeit kein Schaden auszumachen. Im Grunde war nur die angegebene Stelle halbwegs intakt, alles andere rundherum zerstoßen. Dieses Auto ist wohl überhaupt in europäischem Letztbesitz.

16.10.

Beginn einer „Urlaubswoche“, an deren Ende ich mich schon wieder auf den Stress im Sitzen freue. Die Holzbretter an der Fassade des Hauses saufen die Farbe wie wir das Bier am Abend. Buttinger ist im Bauherrenmodus, möchte von mir aber nicht nur bedient, sondern gegnüber der neugierig schauenden Nachbarschaft auch „Tschinäuller“ genannt werden. Er steht im Entenjagdsteppjackerl auf der Leiter und schimpft durchgehend.

17.10.

Kindische Erheiterung über einen Satz im ZEIT-Artikel über Polen: „Im Wohnzimmer der Gackowskis ist alles in Brauntönen gehalten.“

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Ich beschimpfe die Gemeinde-, Landtags- und Nationalratsabgeordneten, weil sie beim Zoom-Call allesamt Sakkos tragen. (Beim Tippen glaube ich ein halbes Jahr später, dass ich schon wieder blöd geträumt habe).

18.10.

Friedhofscafé Sierning. Die Leute hängen an Laura Freudenthalers Lippen, als würden sie dafür bezahlt, nicht wir. Shakeh bedankt sich später bei mir für meine „subtile Erheiterung“.

19.10.

Todesangst gibt’s nicht nur im Klettergarten, sondern auch billig zuhause auf der ganz ausgefahrenen Leiter beim Bretterstreichen. Erfrischend.

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Bei Gelegenheit in mich gehen, warum alles immer gleich so ein Scheiß Projekt werden muss! (Aktueller Anlass: Sakko zur Reinigung bringen. Nachtrag: Hab's dann einfach in die Waschmaschine gegeben, es war wurscht).

20.10.

Muskelkater im Rücken wegen der gestrigen Furcht. Die Fenster sind frisch gestrichen, aber die Vogerl sind wegen der Renovierung der Gaststube beleidigt und bleiben aus.

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Ich krieg gleich einen SCHREIBKRAMPF!!!!!

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Doppelt so viel bei der Lesebühne geschnattert, um René zu ersetzen. Dem Publikum erklärt, dass wir lieber offiziell sagen, er habe Durchfall, als zuzugeben, dass wir ihn wegen des neuen lean managements ins Home-Office zurückgeschickt hätten. In der Tat hat er sich heute entbehrlich gemacht, weil ich nun „Leck mich im Arsch“ selbst vom Handy abspielen kann – er wurde durch Natürliche Intelligenz ersetzt.

Es ist eine schmerzliche Wahrheit, dass eine Seite Text statt drei auch reicht.

Isabella Scholda möchte auch einmal unkompliziert sein und im Restaurant vortäuschen, kein Salz zu vertragen. Buttingers herzhaftes Lachen bei „Du bist und bleibst eine faule Maus“ mit der Stimme unseres Bundeskanzlers.

Irrste Freude an diesem Abend: Jemand freut sich aufrichtig über die 54 selbstgebrannten CDs mit dem „Mann ohne Eigenschaften“! 

Mehr dazu hier drüben im Lesebühnenblog!  

21.10.

Wenn man Vegetarierin ist, obwohl man Fleisch mag, dann ist das moralisch so hochwertig wie Matriarchin sein, obwohl man Männer mag. Es hat beides viel mit Tierwohl zu tun.

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Etwas unerfreuliches Gespräch mit einem jüngeren Mann, etwa über Rammstein. „Wir waren alle nicht dabei, da kann man sich kein Urteil bilden!“ „Wir sind bei den allerwenigsten Sachen dabei.“

Als DJ behandeln dich die Frauen auch als Objekt.“

Bei uns in der Firma gehen alle Väter in Karenz. Zwei Monate.“

Die sich aufregen, sind meistens gar nicht sooo gute Künstlerinnen.“

Irgendwann reißt mir die Geduld. „Grundgütiger, kann ich bitte meinen Burger essen?!“

22.10.

Beim Wandern die ganze Zeit den Stoderkamm im Blick und eigentlich immer lieber drüben sein zu wollen, obwohl es von hier, von der Bärenalm, ja viel schöner aussieht. Hannibal Lecter: Man beginnt zu begehren, was man täglich sieht. 3 Gämsen, 3. Schneehühner, ein Feuersalamander.

23.10.

Zur bestandenen Matura schenke ich dem Alemannen meines Vertrauens meine mittelhochdeutsche Grammatik, weil man die Kinder ja auch in ihrer Muttersprache gut alphabetisieren muss. Dazu auch neuhochdeutsche, wegen der Zukunft. Hoffentlich schafft er den Sprung über die Sprachverschiebung, Evolution kann manchmal ja auch flott gehen! (Vielleicht gelingt es mir durch das Buchverschenken, meinem Unterbewusstsein zu vermitteln, dass ich mein Germanistikstudium wirklich geschafft habe und keine Unterlagen mehr brauche, um es zu wiederholen, wenn der Betrug auffliegt.)

Wie unendlich teuer ein Hund geworden ist! Die Anwesenden beim Umtrunk vergleichen die Anschaffungskosten ihrer Rassetiere, der Golden Doodle ist mit 2400,- der dickste Brummer. Im Vergleich dazu ist Fini quasi der Dacia zum Mercedes.

24.10.

Im Traum eine Skitour, die von Paris aus startet. Mitten drin bemerke ich, dass ich sowohl Ski als auch Schuhe (Schi und Skuhe) vergessen habe. Coala und Silvia gehen alleine voraus. Der Abstieg ist mehr als mühsam. Hinauf nehme ich die Seilbahn, wo ich Birgit und Simone treffe. Da dreht sich unsere Sitzbank ganz gefährlich auf den Kopf. Ich beschwere mich nach der knapp überstandenen Gefahr beim Liftwart, der steckt mir zum Ausgleich drei Freikarten in die Hand, es sind Essensmarkerl für den letzten Schl8hofball. Es ist zu spät für den Aufstieg geworden. Coala und Silvia sind schon wieder zurück, voller Stolz auf ihre Tour.

***

Eine Sequenz der 6. Brucknersymphonie klingt wie die Titelmelodie der Lindenstraße, aber ich trau' mich nicht, jemanden zu fragen, ob das stimmt.

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Ich prokrastiniere wie Hölle, weil ich zu Mittag die Ergänzungen für den Roman versprochen habe und der Garten eingewintert gehört. Als ich endlich Barbara G.s Anmerkungen eingearbeitet habe, hat's gerade einmal 1,5 Stunden gedauert. Es ist schwer, den Text jetzt so stehen zu lassen, nachdem ich seit zehn Jahren daran herumgebessert habe. Zehn Jahre fokussierte Unkonzentriertheit.

***

Was wir lesen“ im Stifterhaus: Ich habe Erich Wimmer versprochen, dieses Mal wirklich pünktlich zu sein, verratsche mich dann aber mit Regina Pintar in ihrem Büro so gründlich über die Höhen und Tiefen des Hundehaltungslebens, dass ich erst wieder in den letzten Minuten auftauche. Die Vorbereitung zu den paar Minuten über „Der lebende Berg“ erledige ich dann während der Einleitung, weil ich der schlechte Mensch bin, der ich bin.

Was ist dieses Innere des Berges?“

Grotten, Olme und Zwerge?“

25.10.

Tierparadies Schabenreith, Facebook: „Beim Hundetraining setzen wir auf die drei K's: KUSCHELN, KUCHEN, KASTRATION“.

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Zappen – das TikTok der Generation X

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Nach viel zu langer Zeit werden Birgit und ich wiedervereint. Wenn man sich so lange nicht sieht, kriegt immer eine von uns zu mindestens zwei nachgetragenen Gelegenheiten Geschenke.

26.10.

Wir zeigen Birgit das gute Wels. Wir reden ihr ein, dass die Wirtin vom „Singapur“ dank ihres eidetischen Personengedächtnisses für die CIA oder China spioniert. Im Black Horse erklären wir ihr, dass man hier grundsätzlich je nach Wunsch mit „die junge Dame/der junge Herr“ angesprochen wird, der Wirt selbst wird am besten mit „fescher Bursch“ adressiert.

Zuhause schnattern wir noch so lange, dass es auch ein wenig gut ist, wenn wir wieder getrennt werden, aber nur wegen Schlafmangels.

27.10.

Es hebt jetzt wieder die Zeit an, in der ich abends sehr viel vor dem Fernseher einschlafe wie eine proletarische Pensionistin. Ich sollte das nicht ausplaudern.

28.10.

Ereignisarmut + vorwinterliches Overeating. Nichts entspannt mich besser als die Lektüre übermenschlich anstrengender und todesgefährlicher Bergsteigebücher (konkret: Hansjörg Auer), während ich darauf achten muss, rechtzeitig aufs Klo zu gehen und in der Couch-Suhle nicht wundzuliegen. Maximale Unbequemlichkeit anderer => ultimative Gemütlichkeit in mir. Die alpin-moralinsauren Passagen („Bohrhaken als Symbol unserer sicherheitsfixierten Zeit“ schreibt etwa der Mann, der in einer Lawine umkam) muss man halt als dazugehörendes Jammerbrauchtum zwecks Steigerung der Autorsheldigkeit schnell überlesen.

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Es gibt ein eigenes Wort für Masturbation in weinerlichem Zustand („Gratrunka“) - überraschend nicht im Finnischen, sondern in Schweden.

29.10.

Zwei Ischlerinnen auf dem Gipfel des Gamskogels. „Peinlich, dass mir do de Berg ned kennan. Songma hoid, mia san aus Wean.“ „Is des do drüm da Loser?“ „I woaß ned.“ Ich mische mich bestätigend ein. „Na, dass de Auslända se bessa auskenna ois mia!“

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Eine Sekunde lang überlegt, ob ich das von Birgit erhaltene neue „Holy Slowly“-Leiberl mit dem segnenden Faultierpriester drauf bügeln soll.

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Diese extrem rare stolze Zufriedenheit, wenn im Postfach unter den Mails leerer Raum sichtbar wird. Das an einem Sonntag festzustellen ist aber auch nicht im Sinn meines öffentlich verbreiteten Selbstbildes.

31.10.

Geselligkeit unter befreundeten Männern. Es ist angenehm, weil man leicht erkennt, dass es sich hier um die dunkelblau-schlammfarbene Version dessen handelt, was Frauen so machen, wenn sie unter sich sind, halt mit mehr heimlich angespannten Bizeptis, eine Oktav tiefer, mit Bier und seltsamen Mixgetränken statt Prosecco und Cupcakes. In den Gesprächen ist zu hören, dass sie so streng mit ihren Körpern sind wie wir Frauen es zu unseligen Ally-MacBeal-Zeiten hätten sein sollen. „I hob voi den Dad Bod!“ „I hob seitm Somma wieda 5 Kilo zuagnumma!“ Andererseits: Dass die Herren jetzt auch an ihren Problemzonen herumleiden und ungnädig an ihren Speckrollen zuppeln, ist auch nicht Sinn der Emanzipation. 

Mittwoch, Oktober 25, 2023

Leise singen die Borkenkäfer

Weil ich aus bodenloser Verpeiltheit seit MONATEN hier nichts mehr gepostet habe, ist es eh gleich schon wurscht, wenn ich dann recht antusche mit der Beachtung meines Kunstwollens von der Wiener schule für dichtung. Weil: Na, ist das was? 

Symbolbild "Borkenkäfer"

Der sehr stark von mir geschätzte Peter Waldeck lud zu Folgendem: 

"der wilhelmsschrei aus deinem mund – wenn autofiktion & horror zusammentreffen! / schule für dichtung

experimentelle online-übung über die gelungene fusion von alltagsbeschreibungen mit horrorsituationen mit autor peter waldeck

Es geht um das verfassen merkwürdiger texte (kurzprosa), die autofiktion mit klassischen horrorszenarien vermischen. introspektion trifft splatterorgie: lade deine alltagsbeobachtungen mit einer explosion von b-movie-klischees auf.

bonuspunkte gibt’s für: borkenkäfer-perspektive, traurige grundstimmung, hochliterarische sprache für niedrigsten splatter!"


Und das schrieb ich ihm (synchron verlesen am 20.10. sowohl im Schauspielhaus Wien als auch im Strandgut Linz)

Leise singen die Borkenkäfer. Drehbuch

Doug Burndale, Abkömmling norwegischer Einwanderer, die durch harte Waldarbeit im Forst nördlich von Baltimore zu Wohlstand gelangt und zu hartherzigen Menschen geworden waren, ist durch harte Arbeit als Psychiater zu wissenschaftlicher Anerkennung gekommen und zu einem kannibalistischen Serienkiller geworden.

Auf tritt die angehende FBI-Agentin Therese Bark-Beetle, die von ihren skrupellosen Ausbildnern auf den im Hochsicherheitsgefängnis sitzenden Burndale angesetzt wird, um herauszufinden, was da in den Wäldern nördlich von Baltimore sein Unwesen treibt. Holzfäller werden tot aufgefunden, hunderttausende Morgen Fichten vertrocknen. Burndale ist sofort von der hochbegabten jungen Kriminalbeamtin fasziniert. Schnell findet er Bark-Beetles wunden Punkt – sie entstammt einer Sippe derber Holzknechte, die seit dem Waldsterben in vollgemüllten Mobile Homes saufen.

Hier Handlung einfügen, in der sie durch den Wald hetzt, Schusswechsel etc. Dann die Schlüsselszene, wie der Psychopath hemmungslos in Bark-Beetles Seele wühlt. „Was war mit den Fichten, Agent?“ „Sie waren... von Borkenkäfern ganz zerfressen...“ „Und was haben sie gemacht, Therese? Sagen Sie es mir!“

Sie haben leise gesungen, Dr. Burndale!“

Review Peter Waldeck:

Perfekt! Dieser Text erfüllt nun wirklich alle Träume dieses Kurses. Er bedient sich unbekümmert einer großen Vorlage, bleibt dabei immer angenehm schlampig und faul („hier Handlung einfügen“) und erzählt so auf einer Meta-Ebene viel Autofiktionales über den Arbeitseifer des Erzählenden. Nebenbei räumt der Text mit den Borkenkäfern alle Extrapunkte mühelos ab.


Und trotz allem Ready-Gemachten jagt mir das Schlussbild der singenden Käfer einen eiskalten Schauer über den Rücken. Seit Tagen muss ich daran denken, und es kommt mir vor, als könnte ich in meiner alten Villa, in der es an Holzvertäfelungen nicht mangelt, das feine Gewinsel an vielen Stellen hören. Wenn ich nächtens aus dem Fenster blicke, sehe ich unter dem Kirschenbaum eine dunkle Borkenkäfer-Gestalt stehen. Schwer zu sagen, ob es sich um einen Menschen in einem Borkenkäfer-Kostüm handelt oder um einen Borkenkäfer in Menschengröße. Nachsehen mag ich nicht, ich habe Angst vor einer Falle. Die Tür fällt hinter mir ins Schloss, und die Borkenkäfer übernehmen mein Zuhause, genau wie es dem irischen Naturdichter Butler Keegan im Jahr 1917 passiert ist.

Sonntag, Oktober 01, 2023

Nachts sehe ich aus wie Keanu Reeves, Michael Jackson hat die Grottenbahn geklont und sonst noch was

Lebenskrimskrams im September 2023

Vorbemerkung (für diese Krimskramssammlung und alle anderen): Die besten Sachen muss ich leider aus Diskretion verschweigen, aber das ist ja global so. 

Welser Romantik

1.9.

15 Jahre Buttinger und Meindl! Ich wünsche mir insgeheim, dass heute dazu jemand „tüchtig!“ sagt.

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Anna Weidenholzer schreibt wegen der gemeinsamen Jubiläumslesung (für mich, Gipfelpunkt der Egozentrik): „Für dich verkleide ich mich als jegliches Tier!“ Etwas Schöneres hat mir noch niemand geschrieben.

2.9.

„Es war schön mit euch im Unterholz!“ sage ich den beiden lieben Menschen, die mit mir auf nicht mehr vorhandenen Steigen vom Hochsengs gestolpert sind.

3.9.

Im Traum sprach vorige Nacht der Top-Athlet Jakob Schubert die unhöfliche Wahrheit aus, dass ich für das olympische Kletterteam zu dick sei. Ich gräme mich sehr, auch wenn ich nicht widersprechen kann. In dieser Nacht verhält sich der Austrofred unmotiviert beim Vereinbaren eines gemeinsamen Auftritts („Des mochma si daun nächsts Joa irgendwaun aus“).

4.9.

Nüchtern lesen zahlt sich eigentlich immer aus, aber diese Kolumne ist ziemlich sicher die beste, nicht zufällig geht es um Stifter. Angeblich steht vor der Mittelschule in Aigen-Schlägl eine Installation des fetten Stifters inmitten seiner unzähligen Opfer (Hendln und Krügerl). Eine gute Gelegenheit, innerlich vor mir selbst anzugeben, den „Nachsommer“ schon absurde zweimal gelesen zu haben. Während des Schreibens bin ich mir jetzt aber nicht mehr so sicher, ob das für mich spricht. 

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Sobald ich die Fressnapf-Filiale betrete, schicke ich den Hund in den Kassakobel, wo sie so lange Rabatt aus den freigiebigen Händen des Personals hereinfrisst, bis ich die sündteure Rechnung für ihr sensibles Superinsekteneiweißfood begleiche (die Bankomatkarte knarzt dabei immer vor Last).

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Einmal noch so beeindruckt werden durch irgendeine fiktionale Hervorbringung wie damals bei „Star Wars“.

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Coala hat im Laufe ihrer (für uns Schwestern aus der Art schlagenden) Bürokarriere eine sehr taugliche Taxonomie entwickelt, etwa die Spezies „Kakerlake“ (überlebt alle Umstrukturierungen, Leitungswechsel, Kündigungswellen, obwohl keiner herausgefunden hat, welche Aufgabe sie im Ökosystem erfüllen). Von ihr selbst erfunden: der Zahngoldwieger (gesteigerte Form des bürokratischen Mitläufertums).

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Einen Augenarzttermin ausgemacht. Jetzt bin ich in dem Alter, wo ich die Beteiligten kenne und sie mich: „Magst du im November kommen? Da musst du nicht mehr bergsteigen.“

5.9.

Alle verkleidet auf der Durchreise“. Sibylle Berg, „Danke für das Leben“ (arges und arg gutes Buch)

 
Eifersüchtig auf einen Welpen: Hier muss eine gewisse "Dame" noch sehr an ihrem Betragen arbeiten.

6.9.

In der Nacht wuchs mir ein Vollbart, den ich sofort erschrocken abzurasieren begann, bevor ich erkannte, wie ähnlich ich damit Keanu Reeves sah, und mich daran erfreute.

7.9.

Der minutenlange Todeskampf der Fliege, das ist zu viel beim Frühstück. Mit eleganten Beinschlägen leidet sie auf dem Rücken liegend dahin, ab und zu erhebt sie sich brummend und stürzt dann wieder in ihr Elend, das ich ihr durch diese hochgiftigen Fensterkleber bereitet habe. Mit einem Taschentuch verwandle ich die anrührende Szene in etwas Grausliches und -sames. 

 
Hier erfährt Steyr, dass ich mich mit Kunst nicht auskenne, aber weiß, was mir gefällt: das Kunstwollen von Dieter Decker und Christine Spatt

8.9.

So sind nun die dunklen Jahre zwischen 33 und 45 vorbei.

Heuer bin ich immerhin so weise, den virtuellen Aufmerksamkeitsbekundungen von vornherein nicht live zu willfahren, stattdessen rufe ich proaktiv Birgit an, um mir von ihr gratulieren zu lassen.

Der Tag beweist mir objektiv, dass die Welt sehr lieb zu mir und der Geburtstag Zahltag meines an sich sehr anstrengenden Nettigkeitsdienstes an der Gesellschaft ist (jährliche Gewinnausschüttung). In der Sparte „Geschenke“ geht’s altersgemäß in Richtung Alkohol und Geschirrtuch, dazu ein transparentes Vogelhaus, damit ich auch wirklich ALLES sehe beim Spechteln.

Sehr große Freude beim Freudenfest, es drängt sich auf, einen Feiervorwand für 2024 zu suchen. (Bus- und Betttag? Nachtrag April 2024: Es ist die Buchpräsentation geworden). 

Praktisch alle verlieben sich von der ersten Sekunde weg in Monets Ordnungshymne „Du ramst nie zaum“, zu Recht. Alle gestehen, sich mit einem Schlamphans den Haushalt zu teilen. Wie übrigens auch der Nüchtern, der in der aktuellen Kolumne vom „gottlosen Durcheinander“ in Geschirrspüler und Waschmaschine erzählt, wenn seine Gattin dran war.

Kurz vor dem Heimgehen beginnt ein anwesender, nicht geladener „Künstler“ selbstbewusst von seinem zerlegten Klavier zu erzählen, stundenlang.

9.9.

W8-Klausur am Grünauer Stoßbach: Es ist zu schön, als dass sich das wie Arbeit anfühlen könnte, die Menschen zu lieb, das Essen zu gut. Nur der Hund leidet unter einer Angststörung (drei Ziegen) und zieht es vor, an diesem sehr großen Sommertag im Frühherbst im heißen Auto zu ersticken. Ich muss es im Sonnengang umparken.

Karin L: „Am Sonntag nochm unlimited geht’s ned, do is imma Probesterben.“

10.9.

Ein weiterer großer Sommertag, dieses Mal an der Traun. Ich wüsste nichts zu verbessern.

11.9.

Erwachsensein heute wieder extra dry: 450 € für den Geschirrspüler (den ich mit anankastischer Akribie einräume, aber das elektrische Personal dankt es mir schlecht).

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Beim Brainstorming für den „Transit“-Ersatztitel bin ich im Internet in der Kurve abgegöllt: Es gibt in den USA siamesische Zwillinge, die sich einen Körper teilen (so weit logisch). Die jungen Frauen unterrichten Mathematik, bekommen aber nur ein Gehalt, weil sie nur eine Stelle besetzen können. Das muss der große Traum der Arbeitgeberschaft sein: zwei Hirne fürs halbe Geld.

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Hunde-Trainerinnen sind die neuen Yoga-Lehrerinnen.

12.9.

Eine halbe Stunde Erdäpfel geklaubt => Muskelkater. 1700 Höhenmeter weglos über Geröll auf den Kleinen Priel => nicht noch mehr Muskelkater. Die Mühlviertler Ahnen schütteln in ihren Gräbern ihre toten Köpfe.

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Bin schon gespannt, wie oft ich noch ins Tote Gebirge gehe und mit neuen Tourenideen zurückkomme. Derzeit mein schönstes Problem.

13.9.

Wahrscheinlich sind fehleranfällige Handytastaturen ein stärkerer linguistischer Wandlungstreiber als irgendwelche Migrationsbewegungen oder historischen Verwerfungen. In fünf Jahren darf man „Kriese“ schreiben. (Nachtrag: Yasmos und Miezes Buch heißt „Die Krise schreibt man nicht mit langem „I“, auch wenn sie riesengroß ist“).

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Setz in der ZEIT, über Glitches: Angeblich fliegen Schmetterlinge einen unerklärlichen Knick über den Lake Superior, weil sie immer noch kollektiv einen Gletscher eingespeichert haben.

14.9.

Dank Coalas Vogelhausgabe lenkt mich jetzt noch mehr von der Arbeit ab. Die aktuelle Statistik: 1 Blaumeise, 1 Spatz, 1 Kohlmeise – + ein gesanglich mir seltsamer Vogel. Leider gibt es keine Möglichkeit, ihn an seinem Lied zu erkennen, mangels meiner akustischer Zurechnungsfähigkeit.

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Es kommen zwei Filme zu Kurz ins Kino, es hätte imho schon gar keiner gereicht. Das ist ja wie zwei Dokus über Karies, einer von Zuckerlobby-Kritikern und einer von der Zahnarztkammer.

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Du bist am Ende in der transzendentalen Obdachlosigkeit der postparentalen existenziellen Subjektivität angekommen, stell' ich mal als leichtfüßige These in den Diskursraum“, schreibt der Decker, als ich ihm gestehe, dass ich mir unlängst neurotisch vorgestellt habe, wie die Eltern von den Toten auferstehen und entsetzt durch das neu dekorierte Haus taumeln.

Apropos: Der Keller ist feucht und bietet mir deutlich an, mein eigenes Zeug auch rauszuschmeißen, etwa die 57 Philosophie-Manuskript-Ordner, die ich auch dann nie wieder läse, wenn sie nicht miachteln würden, weil ich schon zu dumm bin. Eventuell auf Champignonzucht umsteigen. 

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Godzilla“ nebenbei laufen zu lassen ist wie sich ein Hörspiel von György Ligeti anzuhören.

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Krakelige Sprühbuchstaben laden zum Nachdenken ein, wie man gutes Graffiti überhaupt hinkriegen kann. Kurz darauf ruft Dani an, um mich zu fragen, ob ich zum Spray-Workshop im Mural Harbour mitkommen wolle. Derlei kleine, an sich nicht mitteilenswerte Zufälle passieren mir derzeit so oft, dass ich überlege, ein klein wenig paranoid zu werden, aber ganz milde nur.

15.9.

Neue Worte aus dem Pferdehaltungsmilieu (weil ich „Denkende Tiere“ von Karl Krall vorbereite):

  • einkennig“: Äquivalent zum Fremdeln von Menschenkindern – das Pferd lässt sich nur vom Hauptbezugsbetreuer befragen.

  • Stallmut: Das Pferd wird aus Unterforderung frech. Ungefähr die Bedeutung des Mühlviertlerischen „gimpig“, wenn das Pferd zu viel Hafer bekommen und zu viel Energie hat.

  • Reizsam: Negative Abwandlung von „empfindsam“, erfordert Scheuklappen.

Freilich habe ich gerade PMS, andererseits erfüllt mich das Wissen, wie grausam die Geschichte der Nutztierzurichtung ist, wieder einmal mit edith-klingerhaftem (=heiligem) Zorn über meine eigene Spezies.

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Das habe ich wohl an anderer Stelle schon als Business-Idee notiert, passiert ist noch nichts: OK-Tropfen entwickeln (eine positive Abwandlung der KO-Tropfen), die man einem Menschen in den Drink träufelt, mit dem man sein love interest in eine lange, einvernehmliche Beziehung locken möchte. Entwickelt das, ihr dummen Start-Ups!

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Schulgefühle“ am Ende der Ferien, auch in Träumen von wieder nicht geschafften Maths-Maturae.

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Im Linzer Zoo habe ich eine Stunde Zeit totzuschlagen. Ohne Kind komme ich mir nur milde wie ein Fremdkörper vor, wäre ich ein Mann in meinem Alter, stellte ich mich selbst unter Pädophilie-Verdacht. Abgesehen davon ist es sehr schön hier. Nur beim Zebra-Gehege reißt es mich, weil dort Donald Trump aus dem Stall winkt. Bin ich den qujOchÖs also jetzt schon auf den Leim gegangen – er ist natürlich Teil der „Überschätzte Intelligenz“-Veranstaltung. Etliche der Tiere hier leben übrigens im Matriarchat, etwa die Erdmännchen. Zendron: „Warum heißen sie dann Männchen?“ 

Fips taumelt in einem Gehege den Hügel herab, er steckt in einem riesigen, aufblasbaren Kakadu-Ballon, zitiert Žižek, tanzt zu einem schrecklichen Kinderlied und wird mit Futter beworfen. Wenn das kein qujOchÖ-Moment ist, hat es dieses Kollektiv nie gegeben. Ich bekomme vor Sentimentalität ein bisschen nasse Augerl.

Die gemeinsam mit den Zwergeseln vor den Augen der Öffentlichkeit (und den zugedrückten Augen der Tierpfleger) geknusperten Karotten sind das schönste Detail meines heurigen Arbeitsjahres. Biggi, Jolly und Faema stehlen mir erwartungsgemäß die Show, ich bin extrem zufrieden. Am liebsten würde ich nur Stücke vom Gemüse beißen und sie abwechselnd verteilen, aber ich habe Sorge, sonst kein Honorar zu bekommen. Also lese ich ein wenig, während Jolly Biggi laut wiehernd bespringt – auch das Publikum wiehert vor Vergnügen. 

Foto: Elias Dietrich

Nach dem Kunst-Happening erklärt mir Bruno (8), was Kunst ist: „Wenn ich ein Krixikraxi-Bild mache und wer sagt, das ist schiach, dann sage ich, das findest du schiach, aber ich hab die Idee gehabt und das halt so gemacht!“ Ich nicke anerkennend und frage mich, warum er in der dritten VS schon mehr weiß als ich nach 11 Tagen Kunstgeschichte.

16.9.

Meine Vogelnarretei eskaliert weiter – es gibt jetzt eine Haltestange am Fensterbrett.

17.9.

Große Pracht im Wassertal – in einem Monat wird’s hier noch schöner. Seit vier Jahren eskaliert auch meine Narretei fürs Stodertal. Viele Quadratkilometer allein für mich und den Hund. Nur ein Gleitschirmflieger übersegelt uns beim Rasten auf der Nickeralm, Fini knurrt. Leider hat mir das Suunto-Tracking das Handy ausgesoffen, deswegen empfinde ich angesichts von vier verbleibenden Prozent Akku eindeutig Mulmigkeit, und natürlich habe ich exakt an diesem Tag meine Powerbank vergessen. Aber ich weiß insgeheim, dass ich hier oben immer ein Gefühl der Ausgesetztheit habe, es ist heute nur konkret begründet. Die Konsequenz kann nur sein, noch öfter heraufzukommen.

Es wird sich herausstellen, dass ich heute unverdient zwei Alpenbraunellen gesehen haben werde, die mir Hasi stark neidet.

18.9.

Dem Buttinger träumte es, er müsse auf ganz kleinen Griffen an der Fassade auf mein Dach klettern, wo ich einen Dach-Gastgarten habe, in dem unter anderem meine Eltern sitzen.

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Prosopoïe: Einem Tier wird eine menschliche Stimme gegeben (es wird quasi gemaschekt). Bei Gelegenheit über das uncanny valley und Anthropomorphismus nachdenken.

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Gefleckte Schnarrschnecke

19.9.

Und jetzt gehst du schon wieder nicht mit zum Wirten!?“, sagt der Kaindlstorfer im Stifterhaus. Er findet auch, dass mein Roman-Titel („Die Doppelgängerinnen“) noch nicht passt („Naa, des flutscht ned"). Ich versuche mir keine Sorgen zu machen, meine Einfallslosigkeit über Wochen ist aber schön langsam etwas ungewohnt.

20.9.

Goldene letzte Sommertage, wahrscheinlich Nummer 127 bis 130. Trotzdem das belastende Gefühl, mein Leben mit Arbeit Ehrenamt zu verscheißen. Leben heißt, in Vorleistung zu gehen. Immerhin lege ich mich nach dem Mittagessen jetzt immer sieben Minuten hin, rufe den Hund dazu herbei und ruhe, so lange der Hund eine Ruhe gibt (ca. drei Minuten), dann verliege ich den Rest, so lange ich eine Ruhe gebe und bis mir etwas „Wichtiges“ einfällt.

21.9.

Mit dem Zahnarzt mache ich fast schon länger Smalltalk, als er sich dann meinen Zähnen widmet (und er ist sorgfältig).

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I. ist ganz geknickt. „Da!“, sagt sie, und zeigt auf die zwei Paar Turnschuhe, die sie hat kaufen müssen, weil ihr das Kreuz so weh tut. „68 Jahre bin ich auf Absätzen gegangen. Jetzt habe ich mir auch noch eine HOSE kaufen müssen!!!!“ Ich umarme sie zu Trost und beruhige sie, sie werde sich schon nicht in mich verwandeln.

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Der Hund wird für eine halbe Stunde Teil einer bunten Labradorherde.<3

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Eine Benefizlesung mit Schriftsteller:innen für Geflüchtete – schön, aber mir wär's eigentlich lieber, wenn Industriellenvertreter Zaubertricks zeigten oder gleich Geldbündel unter Applaus in Boxen pfriemeln.

22.9.

Läse ich keine Zeitung, hätte ich kein Internet und keinen Fernseher, müsste ich die größte Zuversicht empfinden, so angenehm lebt es sich hier in meinem derzeitigen Dasein. Zwei Buntspechte krakeelen im alten Kirschbaum, der Hund freut sich jeden Morgen, mich zu sehen, und es ist so leise in der Siedlung, als würde ich dafür bezahlen.

Die kurzen und immer kürzer werdenden Tage sind nicht Folge von Physik, Stress und Himmelstektonik, sondern Symptom des guten Lebens. #sommerschlussmelancholie

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Und nun scheint das nächste Problem gelöst – beim Hundsäußerln kommt mir die Idee, das Kreisky-Oeuvre nach Titeln zu sichten. Prompt springt mich „Selbe Stand, anderer Planet“ freundlich an. Gleich schreib ich dem Wenzel, der mit den Herren im Rabenhof probt und alle instantan fragen kann, ob die Leihgabe recht ist. Sie freuen sich. Wehe, der Verlag zickt! (Nachtrag: Tut er nicht). 

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In diesem Hochgefühl fahre ich zur Lesebühne. Berni Wagner hat einfach kein unfunny bone in seinem langen Leib! Darum weiß ich jetzt nicht, ob mir „Selbstobstimierung“ selbst eingefallen ist, oder ob ich einfach verzaubert zugehört habe. Hier gäb's eine Nachlese im OLW-Blog.

24.9.

Selten hat mich im Fernsehen eine Persönlichkeit so eingenommen wie Peteris Vasks. Was für eine großmütige Begeisterung der Mensch angesichts von Wald, Regen, Menschen und Tönen verschenkt! Sein Oeuvre in Ruhe nachzuhören gehört auf eine To-Do-List, nicht „Einkommenssteuer“ oder „Winterreifen bestellen“.

25.9.

Im Geiste bin ich das ganze Wochenende schon so erschöpfend durchgegangen, dass mir die entlastende Halluzination zuteil wird, eh schon alles erledigt zu haben.

29.9.

Michael Jackson hatte angeblich die Raubkopie der Grottenbahn im Neverland stehen. Vor seinem Linz-Konzert hatte man ihm exklusiv das Original gezeigt. Er sei verzaubert Runde um Runde mit dem Drachen im Kreis gefahren, und wollte gleich nach dem Aussteigen alles kaufen, was ihm zu seinem Erstaunen nicht gewährt wurde, weswegen er den Kreis des Zwergenreichs nachbauen ließ. 

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Dani erzählt mir sehr, sehr arge Geschichten über die menschliche Kollegenschaft, die sie als Fundleichenbeschauerin besser kennt als ich. Leider oder zum Glück darf ich davon nichts ins Internet schreiben, aber fragt mich bei nächster Gelegenheit.  

28.9.

Ein sehr großer, bleibender Tag: nur ein Steinadler, aber kein einziger Mensch weit und breit. Die überraschende Geduld der Beine – wie weit sie tragen. Vom Pyhrnpass bis zum Fuß des Hochmölblings.

30.9.

Spray-Spaß im Hafen. Wir malen das Antinazi-Fensterkreuz und AUTO an die Wand. Die 70-Jährigen Damen erkennen den Witz nicht, eine sagt: „Gegenständlich kann ich nicht!“