Montag, Juni 10, 2024

Komparatistische Lektüren: Alf und "Die Verwandlung"

Undurchdacht wegen Faulheit, Stress und Alters-ADHS (= das Hirn in der Freilaufzone rennen lassen, weil man zu faul zum Spazieren ist)

Apropos Hirn – meines muss ja leider einmal derfäulen. Drei Jahrzehnte habe ich es vollgestopft mit Humanismus und Bildungsbürgerkram, jetzt entlasse ich es in die Freilaufzone der seichten Populärunterhaltung. 

Neulich bin ich beim Zappen (das TikTok der Generation X) ganz hinten im Sendergekröse (TLC, BibelTV, phönix, disneyTV) bei einer Folge von „Alf“ hängen geblieben. Diese Figur brauche ich hier nicht erklären, das Literaturpublikum ist eh schon mit uns in der Midlife Crisis. Als ich den tolldreisten Gebarungen des Außerirdischen zusah (dessen Pelz im Lauf der 102 Folgen btw. immer speckiger wird), kam mir die Erkenntnis, dass die AutorInnen der Serie eine amerikanisch-lebensbejahende Umkehrung von Kafkas Verwandlung geschaffen hatten: Eine langweilig in den Suburbs von LA (das Prag der 1990er Jahre) dahinlebende Familie mit Vater, Mutter, Sohn und Tochter wird durch das Auftreten einer Mensch-Tier-Chimäre aus dem Gleichgewicht gebracht. Erhebliche Energie muss aufgewendet werden, damit von der mysteriösen Heimsuchung nichts nach außen dringt (Kafka: Amt und Vorkriegsgesellschaft; Alf: die Nachbarn Raquel und Trevor Ochmonek). Die amerikanische Sublimation ist lehrreich: Im Gegensatz zum Borkenkäfer Gregor Samsa, der in fast schon neoliberaler Verblendung daran festhält, in sein Bureau zurückkehren zu können, findet Gordon Shumway sein Glück im Home Office, von wo aus er u.a. mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten telefoniert (seine Freude am Telefonieren ist andererseits extrem old school). Alf muss lediglich seine bestialische Natur im Zaum halten, indem er sich von den Sitten seines Heimatplaneten Melmac lossagt und sich der irdischen Leitkultur des Hauskatzennichtfressens anintegriert, mit Kater Lucky also einen prekären kalten Frieden hält und stattdessen Brians Hausaufgabe anzündet.

Das war mein Beitrag zum Kafka-Jahr 2024, in dem wir des 100. Todestages unseres großen Autors gedenken, möge ihm die Erde leicht sein. Bruckner ein ander Mal.

Montag, April 29, 2024

Schadensmeldungen. Höhere Gewalt

[Ein Text für die jüngste Lesebühne, leider aus autobiographischer Inspiration entwachsen. Mit Gruß an die Mutter - wo auch immer sie gerade ist -, die einst beruflich Schadensfälle verschriftlicht hat

An die Wiener Städtische, Absender Kulturzentrum Hof, Kurzbezeichnung des Schadens „Meteoriteneinschlag“, Datum 8.2.2024

Im Zuge der Diskurstanz-Interpretation des mesozoischen interstellaren Großereignisses (KT-Impakt nahe der Halbinsel Yucatan vor 66 Millionen Jahren) kam es an besagtem Abend im Rahmen eines Gastspiels der Original Linzer Worte zum Schadensfall. Mag.a. Dominika Meindl kollidierte im Zuge ihrer Darstellung eines dem dritten Massenaussterbens anheim fallenden Nicht-Vogel-Dinosauriers aufgrund zu schmaler Sehschlitze in ihrer Godzillamaske zunächst mit Dr. Martin Fritz auf seiner elliptischen Bahn als personifizierter Asteroid, kurz vor dem Einschlag in Prof. Klaus Buttinger ("Mutter Erde" personifizierend), wodurch das mobile Leuchtmittel sowie ein von innen beleuchtbarer Globus leicht beschädigt wurden. Mag.a Meindl kam in Folge ihrer Ausweichbewegung zu Fall, was aufgrund des aufblasbaren Tyrannosaurus Rex, den sie als vorgetäuschtes Jungtier in ihren Armen hielt, verstärkt wurde. Der kaum gebremste Sturz riss die sich auf der Bühne befindliche Beamer-Leinwand mit, und aus unsererseits nicht mehr eruierbaren Gründen sodann auch unseren Bühnenbambus samt Mink-Vase. Gerundete Schadenssumme: 25 € Frackhosenreinigung wegen aufgewirbelter Feinsedimente + 34.000 € Ruf- und Kreditschädigung, da der Eindruck entstand, Mag.a Meindl wäre patschert.


Apropos Godzilla: The United States of America meldet an die Everest Re Group:

Aufgrund von Befall durch einen Ankylosaurus aka Godzilla sind folgende Schäden an der US-Amerikanischen Infrastruktur entstanden:

  • Zwei Fischerboote
  • Zerstörungen an einem New Yorker Fischmarkt
  • Evakuierung New Yorks
  • Erhebliche Schäden an der MS Navy Mississippi beim Versuch, Godzilla mit einem toxischen Wal zu vergiften
  • Zerstörung von 13 Prozent Manhattans
  • Sanierung Madison Square Park (Nestablage des Ankylosaurus)
  • Drahtaufhängung der Brooklyn Bridge bei der letalen Vergrämung des Problemsauriers
  • Ruf- und Kreditschädigung aufgrund einer aus dem obgenannten Schadensfall folgenden Verfilmung von Seiten Ing. Roland Emmerich.


An die Wiener Städtische, Präsidentschaftskanzlei Schönering, 21.4.2024:

Sehr geehrte Damen und Herren, da beim Versuch der letalen Vergrämung von Jungtieren der Spezies Ankylosaurus seitens von Mag. Roland Emmerich mindestens ein Exemplar übersehen wurde, konnte dieses aus New York entweichen und sich seinerseits zwecks Brutablage in der Liegenschaft Leitenweg 7 in 4073 Wilhering einnisten. Durch die bei der Bebrütung der Eier entstehende Wärme schmolz laut Gutachter Ing. Franz Gsengsbratl der Permafrostboden, der sich als geologische Singularität zwischen Günz- und Mindel-Eiszeit unter besagter Liegenschaft gebildet hatte. Wasser konnte austreten und hat diesen Schaden verursacht: S. Bildbeilage. [Wir sehen feuchte Mappen mit Studienunterlagen zum Thema „Singularität und Alterität. Ethik und Politik der Dekonstruktion unter besonderer Berücksichtigung autobiographischen Schreibens“ Abb. 2. Wir sehen ein Foto von der Tombola des Grauens Abb. 3 ein Post-It auf einer Schachtel mit Playmobil, versehen mit der Notiz „Das münkelt!“]


Der Schaden schreibt an die Haus-Versicherung:

Gestern Abend hat sich ein Fundament gebildet, drauf ein Keller!!!! Wie gibt’s denn sowas? Und heute Morgen steht schon das Untergeschoß! Bitte um rasche Rückmeldung, bevor ich ein Einfamilienhaus werde!


Schadensfall in etwas größerer Dimension, in Dialogform:

Frau Welt hat sehnsüchtig auf den Kammerjäger Luzi Fehringer gewartet.

Welt: Gut, dass Sie kommen! Sie sind überall!

Fehringer: Jetzt beruhigen's Ihna, wir mochn des scho. Waun hod denn des augfaungt?

Grod erst, vor 1,5 Millionen Jahren!

Daun kaun's ned so schlimm sei, des is jo nix. Zaagns mas amoi, daun schauma, wos hod.

Frau Welt bläst sich die Wolken aus der Atmosphäre und zeigt ihre Oberfläche. Fehringer zischt durch die Zähne.

Oajeh, des is schlecht.

Was!?

Se ham Menschn, und wia's ausschaut fost üwaroi!

Ja wie gibt’s denn sowas!!!!! Ich hab immer auf Hygiene geachtet!

Des geht oft schnöö, waun ma das üwasiacht, dass am de ausm Wossa oposchn.

Na hallo! Dawei hab ich so aufpasst! Immer alle vorgeschriebenen Wartungsarbeiten gemacht! Asteroideneinschläge, Eiszeit, Vulkanausbrüche! Wie vom Chef empfohlen!

Jo, da Chef is do a weng im Wiglwogl, er mog de Gfrasta irgendwie. Owa in der Menge, da miassma wos tuan.

Gehn's bittscheen!

Foigendes: I drah jetzt amoi d'Heizung auf, und daun schauma, ob's weniga werdn. Und i bring eana a Packl mit Nützlinge, es straans aus üwa Ihna, des hüft, dass ma den Bestaund dezimiert.

Ja, gut. Was is denn da genau drin?

Des is a Mischung, aus SUVs, Webergrille und Drohnen, oiso männliche Oarbeitstiere. Waun's von de zvüüü gibt, woin olle an die Mocht, und daun bringan sa se gegnseitig um.

Na hallo, was ist denn das für eine unnedige Spezies! Und das auf mir!

Gnä Frau, ois is fia wos guad, aa waun mia des ned oiwei glei seng.

Dienstag, April 02, 2024

Danke an: Multivitaminsäfte, liberale Gatten, das Nettsein. Und Danke für nichts, André Heller!

"Ich weiß, dass die Welt existiert, weiß aber nicht, ob ich existiere." Robert Walser

Foto: Dieter Decker


Was ich alles für die Welt-Lesebühne schreiben wollte:

Der Karfreitag ist der Tiefpunkt der Passionsgeschichte, er bereitet die Erlösung durch das große Opfer vor. Deswegen ein kurzer Gedanke an den Multivitaminsaft, der sich selbstlos der Verarbeitung der nicht übermäßig beliebten Passionsfrucht annimmt. Aus „Mein schöner Garten“: „Die Jesuiten, die die Frucht nach Europa importierten, meinten, in der Blüte das Leiden Christi zu erkennen: Die Kronblätter erinnerten sie an die Dornenkrone, die fünf Staubblätter seine Wunden. Die drei Griffelnarben sollten Jesus und seine beiden Leidensgenossen am Kreuz darstellen.“ Man isst das an sich schmackhafte Fruchtfleisch samt lästiger Kerne, was sich als Metapher für Religion eignet oder auch nicht. Der Multivitaminsaft jedenfalls besteht aus passiertem Obst, der Smoothie anvant la lettre, und das kann man einfach einmal lobend erwähnt haben. 


Weltreligion

Übrigens gäbe es keine einzige Glaubensgemeinschaft, wären alle Menschen so wie ich (das stelle ich einmal wertfrei in den Raum). Erstens sitze ich nicht gern still und höre einem AWM beim Mansplainen zu, deswegen möchte ich mir alle Stunden Gottesdienst für die Pension anrechnen lassen. 2.: Wäre Pontius Pilatus eine meiner Präinkarnationen, hätte ich dem geifernden Volk gesagt, es solle sich nicht so aufpudeln, der Jesus sei ok, bissi sendungsbewusst, der fällt halt manchmal ins Predigen, aber er ist persönlich ein ganz ein Netter, und sein Vater, der Tischler Sepp, hat meinem Vater damals einen super Bauernkasten gemacht, der steht jetzt noch tadellos da. So, jetzt geht’s heim und trinkt's ein Bier, der Jesus auch, keine Fisimatenten, sonst werd ich steirisch! Ob diese Geschichte eine Metapher für Multivitaminsaft ist, müsst ihr entscheiden, ich will das Nettsein und Nichtaufpudeln einfach einmal lobend erwähnt haben. 

 

Die Welt ist mehr als genug (OÖ-Übersetzung „D'Wöd is in d'Haut eini gmua“)

Der weltlangweiligste Agentsriller: Pierce Brosnan bekommt den Auftrag, die Milliardärstochter Sophie Marceau zu beschützen, die eine Ölpipeline durch Aserbaidschan baut. In langen Diskussionen und mit GV kann Brosnan sie zum Verzicht auf fossile Brennstoffe überreden, Marceau dreht den Ölhahn zu, was für die Umwelt gut ist, für den Feminismus ein Rückschritt, weil es eh so wenige Frauen in den MINT-Fächern gibt. Marceau dreht La Boum 3, züchtet Sulmtaler Hühner und wird zur Ikone der Decarbonisierung, nicht einmal die affigen Rennräder der Hobbytriathleten dürfen noch aus Carbon sein, nur noch Durchfalltabletten. Pierce Brosnan wird Leiter der Gourmetleiter des Hitzinger Spars und redet dort der Wilheringer Bevölkerung an der Feinkostbudel das Fleischessen aus. Beim Zeltfest der Freiwilligen Feuerwehr „Sommer Sonne Edramsberg“ verliebt er sich in eine regional erfolgreiche Schriftstellerin, es gibt GV unter dem Firmament des Zentralraums. Der Gatte kommt ihr auf die Schliche und schimpft sehr, aber dann sagt er, ok, es ist immerhin Pierce Brosnan. Ob das ein gutes Ende für einen Agentensriller ist, müsst ihr entscheiden, ich will die österliche Großherzigkeit des Gatten einfach einmal lobend erwähnt haben.


Die Welt ist nicht genug

André Heller, Zaubermogul des Staunens, will sein Alterswerk mit einem gigantischen Generalkunstwerk aller Sparten krönen. „Austria, Austria“ soll es heißen, die magische Supershow im weltgrößten Zirkuszelt. Artisten, Tiere, Attraktionen – er will damit nach China reisen und Brücken bauen, Brücken zwischen den Kulturen! Abfahrt, Slalom, Super-G rast künstliche Mausefallen herunter, Tiroler Grauvieh springt – ein Wunder alpiner Dressur! – durch brennende Zirbenholzreifen, Alfons Haider und Silvia Schneider moderieren, aus der DNA Anton Bruckners wird ein ganzes Orchester geklont, bissi spooky, aber man muss groß denken, meine Freunde, große Gedanken machen große Werke!

Dann deckt das OLW-Correctiv auf, dass André Heller nicht nur ganz Österreich spiegelverkehrt, aber in Originalgröße rund um das raubkopierte Hallstatt nahe Hongkong erbauen hat lassen, gleichsam als gefälschten Rahmen, um 800.000 €. Das sei doch nur ein Scherz gewesen, verteidigt sich der in einen Shitstorm geratende Künstler, der das Staunen nicht verlernt hat, Geistesmenschen denken eben groß und bauen Brücken, denn man darf das Staunen nicht vergessen! Aber dann kommt auf, dass er einem aserbaidschanischen Öloligarchen gleich ganz Österreich verklopft hat, und das ist dann wirklich zu viel, denn der will es abtragen und Stein für Stein im Gewerbegebiet von Baku aufstellen, mitten drin die vom Brosnan Pierce mühsam verhinderte Pipeline.

Die Bundespräsidentin sagt „Jetzt reicht's, Heller, ich mag von dir nichts mehr hören! Er wird zum neuen künstlerischen Leiter der KTM-Motohall und muss gemeinsam mit Dietmar Kerschbaumer künftig die Klos im Kulturverein Strandgut putzen, als Ehrenamt! Ob das die gerechte Strafe für ein Leben voller nervtötender Dampfplauderei ist, müsst ihr entscheiden, es ist ja sehr schön im Strandgut, und die Klos immer tipptopp, ich will nur die beherzte Durchgriffsfreude unseres Staatsoberhauptes einfach einmal lobend erwähnt haben.

Mittwoch, Februar 14, 2024

Die gute alte Zeit. Unvollständige Liste aller Zumutungen, die es im Mesozoikum noch nicht gab

Im Gedenken an das Erdmittelalter (Dino-Perchtenlauf durch Linz, 12.2.2024)

Eine Liste for the Wind of Change + kleine Gedankenreise zur Erholung von den clusterfucking Polykrisen der Gegenwart + eine sehr ungeordnete Auflistung aller Dinge, die das Erdmittelalter zu meinem Sehnsuchtsort machen, weil folgende Zumutungen noch nicht erfunden waren:

  • Pest und Kreuzzüge (ERDmittelalter, nicht Rittermittelalter!)
  • Kreuzweh, Winkfleisch, Fieberblasen, PMS, scharfe Messer wegen der Fingerkuppen, Cellulite (die Haut der Dinos zu dick), Krebs (gut für Fans der Royals)
  • Rollsplit im Schuhprofil → Eingangsbereich, wo es dann schiach knirscht, wenn man draufsteigt bzw. High Heels, in denen sich kein Rollsplit verfängt, aber dieses Schuhwerk zieht Menschen an, die sagen, damit hat man einfach einen schöneren Hintern, man muss halt damit laufen können, aber es ist ja das individuelle Recht, dass die Mädels anziehen, was sie wollen, das ist bitte auch Feminismus!
  • Mandarinen (no offense, aber imho wird winters zu viel Aufhebens drum gemacht)
  • Existenzielle Krisen angesichts der Nichtigkeit der Existenz
  • String Tangas und String Theorie (man hasst, was man nicht begreift)
  • Die Deutsche Bahn (billiger Punkt)
  • Schusswaffen (unangenehme Dynamisierung in fiktionalen Narrativen, vgl. Tolstoi und Lethal Weapon 1 bis 456)
  • Tennis (sorry, ich find's überbewertet) und die Autotune-Tyrannei in der Popmusik (vgl. Cher „Do You Believe in Love“)
  • Drogenmissbrauch, VR-Brillen und Tesla Trucks
  • Inflation und neoliberale High Performance Mindset Mentalcoaches
  • das Warenüberangebot, dabei ist eh alles nur ein Klumpert, im Mesozoikum gab's eine große Auswahl an Dinos, aber darüber will ich mich nicht beschweren, so sind wenigstens die kleinen Buben mit Auswendiglernen der Saurii beschäftigt
  • Taschentücher, deren Flankerl die ganze Trommel voll dunkler Wäsche versauen
  • Bauernproteste wegen Pestizidreduktion und Dieselsubventionskürzung
  • Kein Donald Trump, Herbert Kickl, Benjamin Netanyahu, Viktor Orban, Schärdinand, Ferdinand Wegscheider, Stalin, Putin und Putinversteher, HP Doskozil (die Reihung ist ein wenig ungeordnet, was die Argheit betrifft), Richard Lugner, Hitler, der Welser Nachbar Glück vom ersten Stock, der mich immer so deppert anschaut, Felix Baumgartner, der Rennradfahrer, der mir einmal „du depperte Sau!“ nachgerufen hat, weil ich ihn bat, nicht gar so schnell auf der schmalen Fahrbahn für alle zu rasen, Dieter Bohlen, Idi Amin, Elon Musk und jetzt neu im Ranking Heinz Sichrovsky wegen seiner törichten ZiB-2-Ausführungen gegen das Gendern
  • Mikroplastik, Dauerwelle, Cancel Culture (keine Ahnung, ob Dinos einander wegen jeweils dummer Ansichten bzw. Frisuren von den jeweiligen Veranstaltungen wieder ausgeladen haben, eher nicht)
  • Dass man für 30 FreundInnen 34 verschiedene Kommunikationsapps braucht
  • Australien, Büros und Spaltbodenverbotskritiker
  • Anhaftender Plastikverschluss bei den Milchpackerln (lästig beim Kaffeerichten)
  • Die Hamas und die rechtsextreme Siedlungspolitik und Antisemitismus und Postkolonialismus auf dem falschen Pfad und Rassismus, Bomben und Raketen

Im Mesozoikum gab's keinen Himmel, keine Hölle, keine Nationen, nichts, wofür es sich zu töten lohnt, and no religion, too, imagine all the people, livin' life as mice, Imagine no

  • possessions
  • I wonder if you can
  • No need for greed or hunger
  • A brotherhood of little mice Imagine all the creatures – Sharing pangea

Ein paar Punkte, die immerhin eindeutig für das Anthropozän sprechen: 

  • Lustige Plastikmasken 
  • Domestifikation des Wolfes
  • Bequeme Ohrensessel
  • Dynastisierung von familialen Strukturen, sodass man weiß, wer die Geschwister sind
  • Bibliotheken
     

Montag, Januar 22, 2024

Wir können euch die Freiheit nehmen, aber nicht das Leben (sagen die woken Eliten zur schweigenden Mehrheit der Normalen)

Auch diese Lebewesen möchten am Freitag freihaben, müssen sich aber u.a. diesen Text anhören, weil sie in einer Diktatur leben.

Hier ein "sehr guter" Textbeitrag für die Lesebühne "Hilfe, Diktatur!" am 12. Jänner 2024

Vorbemerkung für alle, die zwischen den Jahren Besseres zu tun hatten, als ausgeblichene US-Blockbuster aus den 1990ern zu schauen: „Braveheart“ erzählt die Geschichte von William Wallace (Gibson), einem schottischen Freiheitskämpfer gegen die britische Despotie. Es geht schlecht für den Mann, aber gut für die Freiheit aus! Meine Kurzkritik: Hier kämpfen Männer darum, im kalten Schlamm leben zu dürfen. Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Andreas Kollross hatte (so wie die Autorin) offensichtlich auch nichts Besseres zu tun als besoffen fernzuschauen. Was nicht verwerflicher ist als Nasenbohren, man soll dabei nur die Finger von den „sozialen Medien“ lassen und nicht davon fantasieren, das ius primae noctis (=Frauenvergewaltigung) wieder einzuführen. Denn so kann es passieren, dass Herbert Kickl ein Drehbuch für eine zeitgenössische Adaption des Films in Auftrag gibt, und ich es schreiben muss, weil so ein Haus heizt sich nicht von alleine, aber es sind eh nur zwei Seiten, also bringen wir es hinter uns. 

Kurz nach der Jahrtausenwende wird der Westrand Osteuropas von einer gigantischen Völkerwanderung getroffen. Scharen von Erd- und Höhlenmenschen überfluten das Land zwischen Neusiedler- und Bodensee, das seit urdenklichen Zeiten von den Clans der edlen Alpenvölker zur Blüte gebracht. Die stolzen und freien Menschen werden aber nicht nur von fremdgläubigen Horden bedroht, denen hätten sie dank urwüchsiger Kraft leicht vor den Toren Wiens Einhalt geboten, sondern hinterrücks von den eigenen Clanführern! Sie bilden in den effeminierten Städten einen abgehobenen Machtklüngel, ein westliches Mega-(ich hab MEGA gesagt!!!)Konglomerat, das die Umvolkung der eigenen Bevölkerung plant.  

Willibald Wallner ist Sohn eines hart arbeitenden Kleinunternehmers (Jagdzubehör und Ölkessel), der sich als Vizebezirksobmann im Zweifrontenkrieg gegen die vaterlandsvergessenen Globalisten und die sarazenische Menschenflut opfert. Willibald muss dabei zusehen, wie er aufgerieben wird, der Vater fällt der Trunksucht anheim und sieht sich zur Flucht gezwungen, weil ihn die Vertreter der Propaganda-Journaille aus dem Amt zwingen, nur wegen einer andersdenkenden Zeile in einem alten Liederbuch. Wallner sen. ward nie mehr gesehen, ab und zu berichtete ein Kreuzschifffahrer, ihn in einer Strandbar in Phuket gesehen zu haben, aber das blieben Gerüchte.  

Willibald Wallner trauert, aber er will nichts anderes, als ein gutes Leben, berufliche Erfüllung, ein schönes Heim, eine liebe Frau und Kinder, die es einmal besser haben sollen als er, der sich nach den langen Ausbildungstagen in der Freiheitlichen Akademie nächtens noch stundenlang selbst online weiterbildet. Wallner kehrt in sein Heimatdorf Trumau heim, wo die Jugendliebe Herta treu auf ihn gewartet hat. Ihre Eltern sind gegen die Liaison, weil sie ÖVP-Wähler und für den Impfzwang sind, aber die jungen Leute lassen ihrer Romanze in der herrlichen Landschaft der Thermenregion freien Lauf. [Hier Sexszenen einbauen bei Bedarf!] Bis zu dem Tag, an dem der zynische SP-Bürgermeister in einer kalten Nacht besoffen twittert, er wünsche sich die Wiedereinführung des ius primae noctis, dass er also alle jungen Bräute in ihrer Hochzeitsnacht entjungfern dürfe. 

Da platzt dem heißblütigen Willi der Kragen! Er spricht auf Telegram eine Fatwah gegen den roten Despoten aus, wie ein Mann strömen die Aufrechten aus ihren Häusern, mit Traktoren und PickUps blockieren sie die A3 beim Knoten Ebreichsdorf und die E59 bei Tribuswinkel. Mit der Wucht des Unrechts schlägt das System zurück. In der Untersuchungshaft wird Willi gefoltert. Die Kost ist vegan, aber Willis Wille bleibt ungebrochen, er wird trotz Avocado-Bowls und Kichererbsenaufläufen nach Rezepten des Sadisten Ottolenghi (Israeli!!) nicht schwach. [Hier raffen wir die Handlung, ist ja nur ein Draft!] 

Es kommt landesweit zu Bauernaufständen gegen den oktroyierten Ethnopluralismus, aber vor allem gegen die woke Elite da oben. Willi wird zum heroischen Anführer im Kampf gegen ideologische Missgeburten, queere Genderdiktaturen und unordentliche Beschäftigungspolitiken. Er trotzt der wortbrüchigen Landeshauptvogtin Wiedergutmachungspensionen für die in der Coronazeit tyrannisierte schweigende Mehrheit ab (45% des Landesbudgets). Willi führt die Revolte auch tapfer weiter, als ihm gekaufte „Wissenschaftler“ unterstellen, dank der Traktorblockaden werde unabsichtlich mehr CO2 eingespart, als die Grünen in Jahren in der Regierung geschafft haben. Willi schreibt sich in den sozialen Netzwerken die Finger blutig, „auch die Hamas hat es verdient, ihre Argumente vorbringen zu können!“, er wirft Hundekot in die Briefkästen feministischer Hackerspaces in ehemaligen Branntweinstuben, er schenkt seiner Gattin sieben Söhne. 

Es kommt, wie es kommen muss in einer Diktatur – nur durch Verrat wird das Unrechtsregime Wallners habhaft (Anzeige der Nachbarin, Wiederbetätigung, bloß wegen ein paar geteilter Memes in der Elternvereins-Telegram-Gruppe). Willi wird verhaftet und einem Tribunal vorgeworfen. Nach Verkündigung des Schandurteils (6 Monate bedingt) erhebt sich der stolze Märtyrer und brüllt aus voller Kehle: 

MeinungsFREIIIIIIIIHEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 

Wer jetzt nicht weint, ist links!

Montag, Januar 01, 2024

Existenzielles Schokoschneiden, Schiachperchten und gegenderte Idioten

Phantomereignisse und -geräusche im Dezember 2023

1.12.

Schneefall bedeckt gnädig den spätherbstlich abgefrühstückten Zentralraum. Mehr aus Glück denn Planung habe ich schon Winterreifen an der Karre.

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Eine Hochzeit im Strandgut, Besiegelung eines späten Happy Ends. Es ist eigentlich eine extrem sinnvolle Sache, dass manche unserer Festlichkeiten jetzt schon am frühen Abend enden. Ich fahre, nur ganz mild alkoholisiert, durch das dichter werdende Schneetreiben heim. Fini rennt mit zwei riesigen Dobermännern und einem Labrador als Herde schwarzer Schatten über das nun ganz weiße Feld. Der Winter bricht mit solcher Vehemenz ein, dass wir um ein Haar nicht den „Berg“ zur Bundesstraße hinaufgekommen wären (was wäre die Alternative gewesen? Mit der Fähre nach Ottensheim und heim über Linz?!). Dann eine ätzende Stunde hinter Menschen nach Wels, die ihr Leben noch schlechter im Griff haben als ich. #sommerreifen #winterunreif

2.12.

Eigentlich wollte ich mit den Hausfrauen und Müttern von Wels die Skitourensaison eröffnen, aber über Nacht ist der Berg in die Stadt gekommen. Der Schneepflug hat sämtliche Autos in der Gasse eingemauert.

Ich mache stattdessen eine leicht apokalyptische Wanderung in den Norden, was ästhetisch und menschlich schön ist, denn die Leute sind einander in diesem wenig tragischen Ausnahmezustand behilflich. Es wird ungeschickt Auto gefahren, aber nicht geschimpft. Erstaunlich viele sind in Sneakern unterwegs. 

Bücherstierln bei Fasthubers. Wenn ich bis zum nächsten Jahr ein Drittel meines eh nicht sehr hohen Stapels lese, kann ich schon zufrieden sein.

Abends suche ich mein eigenes Auto, und wie durch ein Wunder steht da tatsächlich eine Schneeschaufel an der Wand. Ich arbeite im Schweiße meines Angesichts. Ein Typ kommt daher und verwickelt mich in Smalltalk. Zum Glück bin ich dank Hundes dafür jetzt offen. Irgendwann geht er. Bald kommt er zurück, mit einer zweiten Schaufeln, er hilft mir, und erst da checke ich, dass schon die erste Schaufel ihm gehört.

3.12.

Ein Verkehrsreferent sagt in den OÖN, die Ergebnisse des Planquadrats seien „ernüchternd“ gewesen, einer der Erfassten habe sogar 3 gehabt.

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Ein junger blonder Mann von ziemlichem Ausmaß steht im Zug und lächelt mir direkt ins Gesicht hinein. In einem kurzen Rückfall in soziophobe Zeiten schaue ich genervt weg. Beim Aussteigen sehe ich, dass er einen riesigen Perchtenkopf mit langen Bockshörnern in der Hand hält, und nicht nur mich freundlich anschaut, sondern alle um ihn herum. „Lächeln Sie jetzt noch einmal alle an, bevor sie uns erschrecken?“ frage ich ihn. „Naa“, sagt er entrückt. (Nachtrag 2024: in „Minihorror“ gibt es eine großartige Passage über die Fragilität der Perchtenläufer!)

***

Facetten-Lesung mit Günther Kaip und Magdalena Wieser. Danach „beschwert“ sich Christian Steinbacher, dass er wegen Fini seinen Wein verschüttet habe, weil ich sie darauf trainiert habe, bei Nennung des Namens seines Enkels zu kläffen. 

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Sehr niedliche Kinder bei der Heimfahrt im Regionalzug: „Deine Mama in meiner Fresse!“ „Du kleiner Hundesohn! Du kleiner Hundesohn!“ „Ich hab die gleichen Schuhe wie du.“ „Hast du sie dir gewünscht?“ „Meine Mama hat sie mir einfach so gekauft, sie hat mich nicht einmal gefragt.“

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Heidi List ist krank und schreibt darüber im Falter. „Ich musste mir eine Autosendung bei lebendigem Leibe ansehen.“

4.12.

Ein Pensionist in den USA arbeitet ehrenamtlich als „Catnapper“ im Tierheim, er macht dabei exakt das, was das Wort verspricht, nämlich Nickerchen mit den armen Katzerln.

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Wenn ich mich bei dieser Kälte eilig für Termine außerhalb des Hauses herrichten muss, fühlt es sich an wie dieses Spiel, wo man hektisch in Handschuhen, Haube und Schal Schoko schneiden muss. Eine leicht zermürbende Mischung aus Pseudostress und Spaß.

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Arno Geiger trifft einige meiner Nerven – die Hinfälligkeit der Eltern und das Ausmisten, die Gesellschaftsanalyse anhand dessen, was sie wegschmeißen, und das öffentliche Leben: „Trotzdem vermag ich mich nicht an viel zu erinnern, denn das Gesehenwerden ist eine ernsthafte Angelegenheit, die einen ganz in Anspruch nimmt.“ „Das glückliche Geheimnis“ ist eines der wenigen Bücher, bei denen es wurscht ist, wo ich aufgehört habe zu lesen, gerne steige ich bei bereits Bekanntem wieder ein, weil es ja triftig bleibt (und weil ich natürlich wie immer schlampig gelesen habe).

5.12.

Im Traum bin ich in einer meiner Berglandschaften. Jörg Piringer berichtet von einer Hütte im Ochsenkar, wo er ein Aufenthaltsstipendium erhalten habe. Ich beneide ihn und bin fertig, weil ich dieses Kar im Toten Gebirge gar nicht kenne. Da rennt zweimal eine Herde Büffel hinein. Ich weiß plötzlich, dass ich im Zorn über Hulk-artige Kräfte verfügen könnte, aber nicht absichtlich hervorrufen kann. Selbst nicht, als ich zu Fleiß in das Orban-Ungarn reise.

6.12. Glöcklkar

Die Hausfrauen- und Mütterrunde ist wieder aktiv! Möge es mir von nun an weniger bedrängend vom Nichtbergsteigen träumen. L. rast elegant durch den Lärchenwald, Fini japst ihm entsetzt fiepend hinterher durch den hundshohen Schnee. H. und ich taumeln unbehelligt zwischen den Stämmen zu Tal.

7.12.

Wieder einmal lange mit Walter S. telefoniert, trotz Zeitmangels – aber wir kommen einfach immer auf die existenziellen Themen, Körperbehaarung, sexuelle Überforderung etc. Er habe etwa nur Einschlägiges bei James Bond gesehen und war dann entsetzt, als mehr von ihm erwartet wurde, als brummend auf der Dame zu liegen. „Meine Beine haben gezittert!“ Es ist generell, befinden wir, jedes lebensrelevante Vorgehen ein Rückfall ins Tierische (GV und Stuhlgang).

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Geflügel“ heißt auf Holländisch „Gevogelte“. Diese Sprache ist nicht ernst zu nehmen.

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Am Parkplatz des Einkaufscenters West trägt ein kleines Mädchen seine eigene Windel zum Mistkübel, während ich Finis Morgengeschäft im Begleitgrün eintüte. Die junge Mutter streckt mir die Hand in Mulde hinab entgegen, „geben Sie's mir, ich muss ja sowieso zum Mistkübel.“

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Bei der LH-Visite in den neuen Büros spiele ich einen jovialen Menschen, so wie er auch. Unser Raum ist so minimalistisch eingerichtet, dass er noch als „leer“ bezeichnet werden muss, also bekomme ich Asyl drüben beim PEN. Beim Foto-Posing frage ich den Stelzer, welche Power-Gesten man aktuell mit den Händen mache. „Die meistn mochn so a Merkel-Raute.“ „Ok, i loss' afoch hänga.“ (Das Foto sieht dann wieder aus, als habe ich eine Sportverdienstnadel bekommen für meine Verdienste um die Schwerathletik in der Gemeinde Wilhering:)

Opake Glasfensterbeschriftung im Amtsgebäude:

8.12.

Wirken andere sicherer, weil sie sich nichts anmerken lassen oder scheißen sie sich wirklich weniger?

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Wie jeden Freitag ziehe ich abends mit einem komplett vollen Kofferraum beim Buttinger ein. Den Grund dieses Irrsinns möchte ich bei Gelegenheit erforschen, aber ich komme nie dazu, da ich wegen einer unheimlichen Macht in meinen Genen fortwährend mit Glumpertlogistik von A nach B okkupiert bin.

***

Dank Melanie Mader kann ich aber in drei, vier Jahren vielleicht meine Friseursneurose auflösen. Sie schneidet mir die Federn, ohne dass ich viel über meine Wünsche („an da Seitn kurz und obn an Schopf, waast as eh, hoid a bissl flott wieda“) radebrechen müsste, und sie drängt mir nie einen neuen Trend auf.

***

Die jungen HipHopperinnen sind alle so lieb und so extrem talentiert! Wenigstens habe ich einen Frack und eine neue Frisur. Alle sind 20 Jahre jünger als ich, weswegen ich mich selbst als Teil des Diversitätsgedankens von Beatzarilla bezeichne, „oder ist hier irgend jemand in diesem Raum älter als 40?“ Natürlich nicht, was frage ich auch. Wäre ich heute in diesem Alter auch ein wenig geschickter oder wieder so eine ambitionslose Lusche? 

Für den letzten vernünftigen Zug nach Hause verplaudere ich mich leider. Hektisch hosle ich in irriger Hoffnung aus der Kapu. Ein kleines Auto setzt sich neben mir in Bewegung, ich denke intensiv daran, dass es mich jetzt retten könnte, und mein Leben so viel schöner wäre, wenn es mich zum Bahnhof brächte. Da bleibt es stehen, eine freundliche Dame fragt mich, ob sie mich irgendwohin mitnehmen könne. Bis zum Bahnhof sind Charlotte Wagner aus Altenberg schon ganz dings miteinander. Ich will mir zumindest ihren Namen auf ewig merken, wenn ich schon kein Hirn für Gesichter habe.

9.12.

Engagiertes Nichtstun.

***

Das Vögelfüttern hat jetzt auch Buttinger erreicht, nachdem die Meisen unsere Koks&Nutten-Kerze zerhackt haben vor lauter Hunger.

10.12.

H. erzählt bei der Jause auf der Bärenalm (während uns Schnee in die Krägen rieselt), dass er sich heuer für die weihnachtliche Mischpochenbespaßung etwas Unterhaltsames ausgedacht habe, da man einander ja nichts mehr schenke. Also wird er mit seinen Geschwistern Schoko schneiden. → Mein Grundgefühl ab -1° bzw. 4.12. 

Wir fahren immer eine Minute ab, dann besprechen wir fünf Minuten lang die Weltlage unter besonderer Berücksichtigung des zeitgenössischen Kunstschaffens (da höre ich aber mehr zu, als selbst berichten zu können). Von drüben grüßt der Stoderkamm. Es ist die apere Jahreszeit seine eigentliche, der Schneerock steht ihm aber schöner. Wir brauchen hinunter genauso lange wie hinauf.

12.12.

Ein schüchterner Schwärm-Traum, in dem ich mit DD Händchen halte, als wüsste mein Unterbewusstsein nicht, dass es frei ist. Sofort werden wir von RF beobachtet, deren Stirnrunzeln mir klar bedeutet, „ich kann's gar nicht erwarten, dich beim Buttinger zu verzünden!“ D flirtet daraufhin mit einer anderen, es kommt heraus, dass ihm mein Outfit zu „sportiv“ ist. Umfassender Ärger.

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Dame an der Kassa beim Fressnapf: „Darf man den Betriebsrat füttern?“ „Natürlich, er steht ja auf der Seite der ArbeitnehmerInnen.“ 

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Wir rasten nach der Radioaufnahme im GAV-Büro, ich sage „Fini, nicht auf die Couch“, woraufhin sie sich pflichtbewusst zwischen die zwei dort ruhenden Kolleginnen zwängt, da sie ja kein Nicht versteht. „Ich wusste gar nicht, dass du Hunde-Fan bist“, sagt Erstere, und Zweitere „bin ich auch nicht“, und ich „Fini mag eh auch keine Hunde.“

13.12.

Die Hoferin erzählt, wie ihr Sohn zu seiner älteren Schwester „du Idiot!“ sagt, gefolgt von einer kleinen Nachdenkpause: „Nein, du bist eine IdiotIN!“ Wir müssen schon korrekt bleiben, sonst wird unsere Rede unglaubwürdig.

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I.M. erzählt im Strandgut die großartige Geschichte von ihrem allerersten Interview für die HTL-Zeitung mit dem Pornojäger Humer. Ich würde sie gerne hier herschreiben, aber sie gehört nicht mir. 

GAV-Apfent, auch sehr schön! Aber das Foto gehört nicht mir:

Foto: Dieter Decker

14.12.

Vor der OÖN-Redaktion steht ein Herrenquartett in dunkelblauen Partnerlook-Anzügen, der FPÖ-Kerl stürzt sich auf Fini, beide sind begeistert von einander. Buttinger weniger, er brummt „Vorsicht, Klassenfeind!“ Aber der Populist sieht das Betriebsratsbrustgeschirr und sagt, er sei doch auch Betriebsrat gewesen! Es ist alles so komplex geworden.

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Nach der Pataphysikbesprechung kommen wir auf das Thema Autostoppen. WS erzählt, eine Freundin sei einmal naiv mit ins Haus eines Typen gegangen, der im Keller ein Damenbindenmuseum eingerichtet hatte. Seine Mutter habe sich zuhause im Mühlviertel direkt vor die Autos gestellt (Autos stoppen im ganz engen Sinn) und die Fahrer „gefragt“, ob sie ihren Buam nach Linz brächten.

15.12.

Der Hautarzt fragt nach dem Hausarzt, auch das Zuhören ist komplex geworden. Während er mir im Zuge seines Amtes eng auf die Pelle rückt, verfalle ich in Smalltalk-Übersprungshandlung. Plaudern als Abwehrversuch.

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Mit einer Schachtel voll soeben im Verlag abgeholter Romane stolziere ich durch das überfüllte Wien, es kostet mich viel Kraft, den Stadtmäusen nicht völlig ungefragt „DAS IST MEIN EIGENER ROMAN!!!!!“ in die grauen Mäusegesichter zu schreien.

Der Buttinger bekommt das Allererste, das zweite trage ich vor mir her in den Schl8hof, ich muss keinen Eintritt zahlen und an der Bar steht Herr Wenzel, der das zweite Buch geschenkt bekommt. Ich muss dauernd an mich halten, um nicht ein bisschen durchzudrehen. 

Der Mitter Klaus überprüft mir die Hartkirchner Mosambik (=Moser Bäck)-Geschichte, meine oft und gern erzählte Version ist noch halbwegs korrekt (gerne bei nächster Gelegenheit nachfragen, sie ist sehr gut). Übrigens nur klug und kommunikationsökologisch, dass man sich mit fortschreitendem Alter immer dieselben Geschichten erzählt, statt irgendwas Dummes sich auszudenken oder Fades zu berichten.

Während des Austrofred&Razelli-Konzerts steht Klaus neben mir und kommentiert es so begeistert, als habe er seinen Freund nicht schon tausend Mal auf der Bühne gesehen, als sei das hier für ihn keine Arbeit. „I glaub', heit darreißt as!“ sagt er nach den ersten drei Minuten.

Von mir aus könnte das hier schon Weihnachten gewesen sein.

16.12.

Mit Coala in der Welser Metro. Wir sind in großer Sorge, dass es hier keinen Non-Food-Bereich gibt. Gibt's natürlich. Dort erklären wir einer müden Weinverkostungsdame, dass wir jetzt (11:30 Uhr) noch keinen Wein trinken können, dabei hat sie gar kein Wort an uns gerichtet. 

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K. schreibt: „Ich freue mich auf verantwortungslose Stunden!“ Die Damen entspannen sich zwischen mildem Alkohol und Staubmäusen (Putzen zahlt sich in diesen Tagen nicht aus, die Menschen machen eh nur Mist). Buttinger liegt oben beim Kachelofen und lässt sich servicieren, er meidet das Reich der in der Küche über Alltag und Geschlechterverhältnisse schwadronierenden Frauen („Ich habe keine Hobbys, ich habe drei Kinder“).

17.12.

Tage voller Menschen, 30mal den Geschirrspüler ein- und 33-mal ausräumen, anderen Leuten die Wohnzimmer versauen, die Leber knarzt jetzt schon. Ich habe das an anderer Stelle schon gesagt, aber WEHE, ICH MUSS EINMAL EINSAM STERBEN!!!!!!!!!

18.12.

Eine Skitour zwischen Angerkogel und Warscheneck, auf dem Grat zwischen Schönheit und Qual. Mit jedem Schritt muss ich sieben Kilo Schnee heben, der an den alten Fellen klebt, bei jedem Schritt die Sinnfrage. Im Schatten aber Pulver und schließlich ein neuer Gipfel (was selten geworden ist). 

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Zuhause repariert ein patenter Mann das Backrohr und erklärt mir, dass ich nach dem Stromausfall die Uhr hätte einstellen sollen, deswegen der Gesamtausfall des Geräts. What!?

19.12.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Anthropozäns liegt Winkeln nur ganz knapp unterhalb der Nebelgrenze, auf Höhe des Alpakageheges zeigt die Sonne ihre winterliche Barmherzigkeit. 

WJ, Halter des schönsten Labradors des Bezirks, sagt, er verstehe nicht ganz, warum man Hunde an die Leine legen muss, wo doch das gefährlichste Lebewesen der Mann sei.

Kurz vor Wiedereintritt in die Wolkensuppe, im mystischen Zwischenreich, bleibt eine redselige Frau stehen, sie sei heute in Linz am Christkindlmarkt gewesen, so voll die Stadt!, und lauter Kinder, haben die denn nicht Schule?! „Alle dunkelhaarig, naja. Die leben alle auf unsere Kosten.“ Was an mir wiegt sie im Vertrauen, dass ich sie nicht für so deppert halte, wie sie ist?! Offensichtlich sind auch alle anderen vor mir zu müde gewesen, um sie darauf hinzuweisen. Ich drehe mich um und gehe in den Dunst hinab. 

 

20.12.

Wojtek und Kurt Hörbst kommen eine Viertelstunde zu früh, wodurch sich in der Küche ein authentisches ErdäpfelmitButter-Ess-Arrangement ergibt. Ich frage den bekannten Architekturfotografen, ob er für diesen Auftrag hier nicht total überqualifiziert sei? Er sagt: Wir sind für alles überqualifiziert.

Die beiden Herren begeistern sich schon an der Tassensammlung (ich habe ja noch alle davon im Schrank) und am synkretistischen Eck im Herrgottswinkel, weswegen ich beiden bei der Ablichtung und Begutachtung des Hauses freie Hand gebe. Insgeheim hoffe ich, dass es das Verkleidungszimmer in den Standard schafft. Fürs Hauptfoto soll ich mich im Frack auf den Kachelofen stellen, da ruft die Mutter aus dem Jenseits, dass das verboten sei. 

Es ist ja heikel, den Rückzugsort herzuzeigen, aber erstens sind die beiden extrem angenehme Herren, zweitens räume ich ja am ordentlichsten für mich selbst auf, drittens ist es einfach die lautere Wahrheit, dass das Haus als Begegnungszone gedacht ist. „Das ist ein Geisterhaus“, sage ich, „es spuken die Eltern darin herum, aber es ist nicht gruselig, sondern schön.“ Ich mache Wojtek auf die Stille aufmerksam, man hört nur Kurt gaustern. Einige Tage später wird sich Coala über die Phantomgeräusche des Vaters freuen, als ich Holz hole und den Kachelofen einheize, umgekehrt beschwört sie die Mutter akustisch durch engagiertes Kochen.

Später Fischlehrpfad mit Fini. Die Sonne ist schon lange untergegangen, aber es wird mit jedem Schritt wärmer, heller und prächtiger im Mondschein. 

Abends sitzen wir mit den Berlinern beim Wirten. Es ist entspannend, dass ihr Metropolleben auch nicht soooo viel aufregender ist, sie bleiben ja auch schon gern im eigenen Grätzl. Wir trinken Welser Rosé, „fesch zan Herdringa ba da Jausn.“

21.12.

Ein überraschend beglückendes Einkaufserlebnis beim lokalen Fleischhacker: „Ned reserviern, afoch herkumma!“, sagt die Frau fröhlich am Telefon (ich hatte panisch, weil viel zu spät angerufen). Das Geschäft ist bummvoller Leute, eine Zeitkapsel aus den 1980ern. Ich war noch nie hier, bekomme aber einen Stammkundenrabatt – und als ich den Hund erwähne, langt der Fleischhacker in den Topf mit Abschnitten und klatscht mir eine Faust voll Rindfleisch in die Folie.

22.12.

Das Wetter dramatisiert sich, am Gipfelpunkt der Garstigkeit rüttelt der Sturm wie eine Schiachperchte an allem, um zu sehen, was lose ist. Im Mittagsjournal spricht der Einsatzleiter von Pfandl, er heißt Landl.

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Seit ich beim Augenarzt war, sehe ich viel schlechter.

23.12.

Es bleibt überraschend wenig zu tun, ich liege stabil auf der Couch. Raus muss der Buttinger, der nach einer Stunde nass, zerstürmt und leicht fassungslos zurückkehrt; der Hund wäre ihm um ein Haar in der reißenden Traun ersoffen.

Später taumeln Coala und ich aus dem Auto, alle drei Schritte sagt eine von uns „wieso hob i eigentlich nu kaa Bier in da Haund!?“

24.12.

C. hat das stillschweigende Herlegen von Süßigkeiten, die ihr nicht so dolle schmecken, von der Mutter auf mich vererbt. 

Obwohl der Kühlschrank in den Wanten knarrt vor Zeug, machen wir uns Sorgen, zu wenig Bier, Fleisch und Eier eingekauft zu haben, vielleicht verhungern wir trotz Viennetta und Sekt (bzw. sterben an Skorbut).

In der traditionellen Weihnachtsansprache wünsche ich meinen Völkern ein Jahr voll konsensueller Sexualität und Tierbussis. 


Das "Kind" schaut mich an: „Minki, wieso host du eigentlich kaan Mullett?!“ (Ich weiß bis heute, 11.6.2024, keine Antwort). Das andere "Kind" setzt die Brille auf, die Mama in den 70ern getragen hat, dazu trägt er ein Hemd aus den 90ern. „Jetzt schau i aus wie da Jeffrey Dahmer.“

25.12.

Im Fernsehen lauter Blockbuster aus den 1990ern, die kaum gute Frauenrollen, dafür viel männliche Dauerwelle hervorgebracht haben (am schlimmsten in „Robin Hood“). Die einzige Schwarze Person in „Dead Poets' Society“ ist Personal (oder fantasiere ich gerade, gibt’s überhaupt eine?). Die einzige Frau in „Der Name der Rose“ ist stumm, schön und geil. So stellt sich der Regisseur das mittelalterliche Proletariat vor – beim Lausen und Raufen um Abfälle. Trotzdem hoffe ich jedes Mal, dass die Bibliothek dieses Mal nicht abbrennt. „Das Schweigen der Lämmer“ wird mir verweigert, ausgerechnet, dabei darf Jodie Foster hier eine ganze Menge sprechen und muss keine Buserl herzeigen. Eine Vorschau auf den 28. Dezember, da läuft „Braveheart“: Hier ist ganz besonders viel gewelltes Herrenhaar zu sehen. Ganz bestimmt DER Film für romantisch veranlagte FPÖ-Wähler. Gibson ergeht sich wieder einmal in der Nachahmung des Leidens Christi. Man möchte die schottische Armee auf keinen Fall riechen. Sie kämpfen für das Recht, durch den Dreck zu stapfen und Felle von der Wäscheleine zu holen.

26.12.

Binnen einer halben Stunde füllt sich die Begegnungszone Leitenweg 7. Die Band „Flötenwahnsinn“ übertrifft sich heuer selbst, vor allem outfitmäßig, weil ich sie gebeten habe, sich im Verkleidungsraum keine Zügel anzulegen. Mein Großneffe verliebt sich spontan wie ein Entenküken in mich, weil ich zwei Darth-Vader-Kostüme besitze.

27.12.

Wir räumen bei 15° das Baumhaus und machen die Poolplane fest; bizarrer Klimawandel.

28.12.

Beim Notar staunen wir ernut über das gewaltige Myzel des juristischen Regelwerks, das unser Zusammenleben notdürftig regelt, als wären wir ein Volk von Teufeln.

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Neue Felle für alte Ski, teurer als echter Nerz (und doch aus Plastik).


29.12.

Die Sternsinger läuten, schnell werfe ich mir das Stahlkleid über, denn sie dürfen mich gern für die skurrile Alte in der Siedlung halten. Und ich werfe einen 20er in die Box, denn ich will auch die großzügige Alte sein. Eines der Kinder musste übrigens seinen einzigen Satz, den es an diesem Tag schon 57mal aufgesagt hatte, vom Blatt ablesen.

30.12.

Die Annen besuchen mich, wir tunken Cantuccini in Süßwein und stapeln tief, um einander zu erfreuen. AW sagt, sie werde dauernd von der Polizei aus dem Verkehr geholt und gefragt, ob sie getrunken habe, „dabei weiß ich doch schon nüchtern nicht, wo vorn und hinten ist!“

C. bringt wieder ein Sortiment an prachtvollem Glumpert und erzählt nebenbei eine Schnurre aus dem Showbiz: Als Lordi in der Tabakfabrik gastierten, bekam er eine Anfrage, ob er sie dorthin chauffieren könne, weil er in der Gegend den einzigen Sprinter im Fuhrpark habe, der hoch genug für den aufwändigen Kopfputz der Truppe ist.

31.12.

Auf dem Leitersteig Richtung Windischgarsten. Smalltalk mit einem freundlichen Paar, während Fini deren hilflos verliebten Dobermannmischling anknurrt. Der Mann ist von Weißkirchen, sie einheimisch, ich erzähle vom Mann in Wels. „Üwaroi find' si wos!“ stellt sie fest, der Mann seufzt. „Asso, i hob gmaant, wir redn üwa Freizeitaktivitätn.“ 

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Eine abschließende Mini-Orgie mit russischen Eiern, norwegischem Lachs und englischen Menschen, die bei „Auld Laung Syne“ auf BBC ein bisschen weinen. So kann 2023 enden.