Montag, Juli 03, 2023

Literarische Fischstäbchen

Ein wenig Beifang von der letzten Lesebühne zum Thema "Fisch" zur freundlichen Kenntnisnahme seitens der lesenden Bevölkerung: 

 

Fischgerichte 1:

Verstöße gegen das Oö. Fischereigesetz betreffend die Zuweisung von Fischereirechten, die Arten der Fischwässer, die Eintragung in das öffentliche Fischereibuch, fischereiwirtschaftliche Maßnahmen wie Bewirtschaftung, Besatz, Aussetzen von nicht heimischen Wassertieren und die Fischereiordnungen werden straf- oder zivilrechtlich geahndet.

Fischgerichte 2:

Forelle Müllerin, Forelle Bäckerin, Forelle Postlerin, Forelle Zerspanungstechnikerin, Forelle Hort- und Freizeitpädagogin, Forelle Bundespräsidentin.

Letzteres geht so: Einen Fliegenfischer auftreiben, sexuell binden und bitten, seinen Fang möglichst schmackhaft zuzubereiten. Dazu passen Petersilerdapferl und ein Sauvignon Blanc.

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Frage an die Generation Schneeflocke in Wokistan (mit lieben Grüßen): Captain Iglo – geht der überhaupt noch? Und was will er? Ein alter weißer Mann allein mit lauter unbegleiteten Minderjährigen auf einem Schiff mit unbekannter Mission – eine Werbung, die uns die Enkerl einmal nicht mehr glauben werden. 

Ich könnte eine Meuterei beschreiben, eine Abenteuergeschichte, in der sich die Waisen gegen den Tyrannen auflehnen, ihn kielholen, weil er sie zur Kinderarbeit im Schiffsbauch zwingt, oder ihn auf einer einsamen Insel aussetzen, wo er sich in jahrelanger Arbeit eine tropische Kopie seiner Heimat erbaut, also einen Bungalow mit Carport und gemauertem Grill. Oder die Kinder betäuben den bärtigen Schinder mit Liquid Ecstasy, färben ihm den Bart schwarz, setzen ihn in einem Schlauchboot vor Lampedusa aus und rufen Frontex an, die versenken ihn dann vor der Festung Europa. Wenn's ambivalenter in der Figurenzeichnung sein darf, zwingen die armen Kinder Captain Iglo irgendwie, sich als deutscher Side-Kick vom gemeinen Grissemann allwöchentlich sekkieren zu lassen.

Übrigens sagt man nicht mehr Iglo, sondern Inuit.




Samstag, Juli 01, 2023

Excelfiasko, Jesuswurst und ein Nahtod-Erlebnis mit Franzobel

Lebenskrimskrams im Juni 2023

2.6.

Die Nachricht, einen Verlag gefunden zu haben, ereilt mich knapp unterhalb des Gipfels des Rohrauer Größtenbergs. Beim Abstieg ertappe ich mich in meiner Freude, ganz besonders vorsichtig zu gehen, denn jetzt hat mein Leben ja gleich viel mehr Sinn (obwohl ich für Picus posthum auch einen gewissen Wert hätte #onlyadeadpoet)

4.6.

Die Ereignislosigkeit zweier Sommertage, an denen mich nur die Frage umtreibt, an welchem Platz ich als nächstes chille (dazwischen Pflanzen umtopfen).

5.6.

I'm uneasy like Monday Morning.

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Über das Excel-Fiasko der SPÖ sind zehn Minuten nach Veröffentlichung bereits alle Witze schon gemacht. Ich finde, Coala (die Maria Callas der Excel-Tabelle) sollte sich nicht zu gut sein, sich jetzt sofort für einen Posten zu bewerben. Oder ich. Oder der Hund. Oder eine der Topfpflanzen.

6.6.

Alle 2-3 Monate passiert irgendwas in Österreich und jedes Mal ist es der absurdeste Unsinn der jemals irgendwo passiert ist“. El Hotzo

7.6. Experiment Literatur

Dass Gertraud Klemm persönlich super ist, wusste ich, aber Romina Pleschko hat auch eine überaus einnehmende Art, sie erobert mich mit der Erwähnung furzender Schlapfen und ihrer Rülps-Angst am Mikro. Aus einer Laune heraus spielen wir nachher bei der Youtube-Wurlitzer-Sommerdisko „It's my Life“ von Bon Jovi, damit uns diese Peinlichkeit von nun an verbinde. Sie erzählt, dass in Liechtenstein 78% der Bevölkerung „Marxer“ heißen und sich zuweilen nicht zu blöd sind, damit Doppelnamen zu bilden.

Nach diesem sehr schönen Abend wundere ich mich übrigens, dass wir im Namen des Matriarchats nichts angezündet haben. Gertraud Klemm hätte nur ein Wort sagen müssen und wir wären marodierend aus dem Volksgarten in die Innenstadt gezogen.

Pleschko hat mir übrigens empfohlen, eine Purzelwurst mit dem Motiv des Turiner Grabtuchs auf den Markt zu positionieren.

8.6.

Letzte Tage unter dem Jasmin. Heute tut die Arbeit nicht nur deswegen weh, weil Feiertag ist. Übrigens Fronleichnam, an dem Katholiken feiern, dass bestimmte Leute Leichen sind, Hitler und Pontius Pilatus etwa.

9.6. Wien

Durchsage am Hauptbahnhof: „Please look an go in time to another door!“

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Nach nicht einmal fünf Minuten im Verlag erzähle ich den mich freundlich Prüfenden, dass "Die Sau" aus seltsamen Gründen damals in die Bestsellerliste gelangt und als echte Fake-Book-Dekoration beim Möbel Leiner Linz geendet sei. Mein Eigenmarketing könnte von der SPÖ inspiriert sein. Man verspricht mir, die fehlende Länge meines Manuskripts durch Ausstattung zu kompensieren, etwa mit einem Grottenolm in Salzlake, „nein, zwei! Wegen der doppelten Städte!“ Ich schlage vor, das Tote Gebirge als Auffalt-Effekt in die Mitte das Buches zu leimen. Wir beraten über abgeschnittene Daumen als Merch-Artikel. 

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Einer von vielen Gründen, warum ich mich freue, im Vorstand der GAV zu sein - ein Sessel im Musilhaus.

Das GAV-Beschlusskommittee berichtet, dass Mikl-Leitner wortwörtlich dieselbe Antwort auf den Protest gegen die FPÖ-Regierungsbeteiligung geschickt habe wie der Kollege Haslauer später in Salzburg. Vier Seiten zum Thema „Politik ist kein Wunschkonzert.“ Wobei Wahlen eigentlich exakt das bedeuten.

Später Bier. Martin Fritz freut sich über meine Neuigkeit, gibt aber zu bedenken, dass ich mich jetzt künstlerisch komplett neu erfinden müsse, „ich meine, 90% deiner Facebook-Postings und Blogeinträge drehen sich um das Nichtgelingen deines Romans.“

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Mitleid mit dem Nest erschöpfter, riesiger Stofftiere vor der Leasing-Agentur in Wels, die seit Jahrzehnten leer steht. 

 

10.6. Hofalm

Franzobel ist ein sehr lustiger Gast und als Gesprächspartner wesentlich aufmerksamer als ich (Moderatorin). Er schleppt sogar heute seinen Laptop mit auf die Alm, aus Angst, dass er ihm gestohlen wird. In Flugzeugen bangt er darum mehr als um das Leben seiner Familie (es wird nur halb stimmen, war aber fürs Publikum eine gute Pointe). Auf meine Frage nach Bestattungswünschen sagt er, lieber wolle er verfaulen als verbrennen. Ein Fan habe ihm einmal mitgeteilt, dass er mit Franzobel-Büchern bestattet werden wolle, das reiche ihm an Nachruhm.

Dann erzählt er von einer Einladung nach Algerien, wo er in einem kleinen Ort in der Wüste stolz als Autor empfangen wurde. Eine Deutschlehrerin mit dem reschen Charme der ORF-Russischlehrerin forderte eine Schülerin auf, zu Ehren des Gastes den Satz „Ich lerne Deutsch“ auf die Tafel zu schreiben, herausgekommen ist dabei aber ein besonders schön zur Wasserknappheit des Städtchens passendes „Ich liebe Duschen“. 

Beim Abstieg im Dämmerlicht überleben wir eine Jungstier-Stampede mit knapper Not. Sobald die ansatzlos hassenden Tiere dem Hund Richtung Wald nachgaloppieren, entschuldige ich mich bei Franzobel, für ihn wäre das ein sinnloser Tod, vielleicht wäre sogar sein Laptop zertrampelt worden! Aber meiner Karriere hätte das einen letzten kleinen Schub verpasst.

13.6.

Auf einem sehr abgelegenen Steig über das östliche Sengsengebirge. Blumen, Wind, Einsamkeit. Es ist gar nicht so leicht, anderen zu vermitteln, was da oben geschieht, in meiner nahen Wildnis.

14.6.

Der Tag zerrinnt mir zwischen den Fingern, weil er nicht durch Termine zerstört wird. Beschleunigungsfaktor Selbstbestimmung.

Im Flieder hat sich ein großer Bienenschwarm niedergelassen, wie ein dichter, aber amorpher Körper hängt der Staat in den Zweigen. Bald kommt die örtliche Imkerin, sie schneidet mit meiner Zustimmung dicke Äste aus dem Strauch, „weiter, weiter“ sage ich. Spätnachts dann Mitleid angesichts der paar Dutzend Bienen, die den Umzug verbummelt haben und in zwei kläglichen Klüngeln dort hängen, wo tagsüber der neue Bienenstock aufgestellt war. (Die Imkerin wird mir später sagen, ich hätte mir keine Sorgen machen müssen, die versprengten Tiere fänden meistens Aufnahme in anderen Völkern).

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Mein erster Eisvogel an der Donau. An Tagen wie dem heutigen ist es schwerer, die angemessene Klimapanik aufrecht zu erhalten. Trotzdem stelle ich den Hund auf Insekteneiweiß um, und siehe, sie frisst die Mehlwurmlinsen wie ein Labrador.

15.6.

Großer Stress, weswegen ich die Küche wische, es ist sowieso nicht zu schaffen, aber es wird sich wohl trotzdem alles irgendwie ausgehen, wie immer.

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Eine GAV-OÖ-Sitzung, die wegen meiner wirren Verzettelung beinah ausschließlich aus bunter Allfälligkeit besteht. Hoffentlich setzen sie mich bald ab!

16.6.

Tagesgang wie am Vortag, weswegen ich das Auto in die Waschstraße stelle, obwohl es in Strömen regnet. Dann Lesebühne mit dem Rauber! Es ist sehr schön, es wird uns bis September sehr gefreut haben. Mehr dazu hier im OLW-Blog, für Freaks.

17.6. BERLIN

Seit alle mit Navi fahren, haben wir das Gefühl, gegen die Zeit zu fahren, die uns bis zum Eintreffen gegeben ist.

Die Grenzen zu Tschechien und später Deutschland sind jetzt auch optisch aus der Landschaft verschwunden, bis auf die Eskalation der Photovoltaikfarmen gleich nach der thüringischen Grenze. Bei der Heimfahrt wird bei Suben ganz streng geschaut, wahrscheinlich für die CDU/AfD/FPÖ-Wähldeppen, die das zum Wohlfühlen brauchen.

Sieben Stunden hin, sieben Stunden her, damit man sich einen Grausen fährt. Mögen uns die höheren Mächte bald von der selbstauferlegten Bürde des Individualverkehrs erlösen. Am Ziel stellen wir das Auto unter Linden, die es bis zur Abfahrt gründlich mit Honig versauen werden.

Beim Fest tröpfeln die Minuten zuerst ein wenig dahin, aber bei der Anreise haben wir Gerhard Polts lyrische Phänomenologie der Gemütlichkeit angehört, sodass auch meine Hypophyse mit dem Propellern aufhören kann, denn wir sitzen in einem Biergarten auf erdbebensicherem Gebiet, und auf einmal liege ich um halb drei in der Früh ziemlich betrunken im Hotelbett. Die drei koksenden Models im Klo, wie verächtlich sie mich ansehen, wie sehr die Schwägerinnen und ich über ihr blasiertes Geschau lachen!

Ein lustiger Freund Mann behauptet, er könne Spanisch, weil er einmal einen von dort gebumst habe (stl, sexually transmitted languages). Er zeigt mir ein erschütternd unglamouröses Foto von der Falco-Stiege, denn er liebe Wien seinetwegen. Verrückt! 

Die Minuten explodieren. Es ist bestimmt was Lustiges in den Gin-Tonic-Dosen vom Dönerladen, es fährt uns voll. Wir steigen in eine Geisterstraßenbahn, deren Erscheinen von den Anzeigetafeln nicht erfasst wird.

18.6.

Um den heftig fordernden Impulsen der Großstadt zu Fleiß Widerstand zu leisten, legen wir uns nach dem anstrengenden Frühstück gleich wieder hin. 

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Endlich Anna Jung getroffen! Gerade noch rechtzeitig. Wir kommen nur von Anfang an nicht zum Reden, weil eine ältere Dame am Tisch unser Österreichisch hört, woraufhin sie um eine fundamentale Vergleichsstudie zwischen den Sozial- und Bildungssystemen ersucht, denn sie kenne Leute in Wels(!), die Afghanen kennen, die erst 2015 gekommen sind und schon den Führerschein haben (Nein! Doch! Oh!). Zum Glück kommt der Buttinger von seiner Kaffee-Odyssee zurück und muss jetzt auch noch das da bearbeiten, damit wir schnattern können (und ich diese Reise als Dienstfahrt von der Steuer absetzen kann).

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Das beste Bier des Jahres trinken wir vor dem „Antiquitäten“-Museum, auf schon im Juni verbranntem Rasen. Die Buttinger-Geschwister kommen im Sternmarsch zusammen. Alle befinden, in einer Stadt nicht mehr, ohne aber auch nicht leben zu können. 

In ganz Berlin riecht es heute nach warmer, abgelaufener Margarine.

19.6.

Der Frühstücksraum leuchtet orange wegen einer großen Gruppe thailändischer Mönche. Zum Morgensegen knien sich die einzige Nonne (in dezentem Weiß) und die beiden mitreisenden Zivilisten neben unseren Tisch. Wir versuchen, uns nichts anmerken zu lassen. Vielleicht strahlt der Segen ja wie WLAN auf uns aus.

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Auf deutschen Autobahnen. Es wird jäh so knallheiß, als habe jemand das Backrohr auf die höchste Stufe gedreht. Mit letzter Kraft schwanken wir auf meine Terrasse. Zum Typen, der mir endlich meine Poolwärmepumpe abkauft (an einem Tag wie heute, viel Spaß damit), schicke ich den Buttinger, damit der Willhabengeizhals meine Schwäche nicht ausnutzt und mich runterhandelt.

20.6.

Berlin hat meine Häuslichkeit weiter verstärkt, zum Glück ist der nächste Termin erst wieder am Freitag, sodass niemand vorher meine Schwäche ausnutzen kann.

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Nächtliches Rufen in der Nachbarschaft: „He, in dein Goatn is grod a Rehbock gsprunga, a mords Kerl!“ Fast warte ich darauf, dass der Warnende, ein Jäger, das irrgelaufene Tier gleich selbst mit dem Gewehr „entnimmt“. Er schreit weiter, er möge aufpassen, sonst spieße ihn der Bock auf, wenn er ihn in die Enge treibe. Soll ich das in mein Sorgen-Portfolio übernehmen?

21.6.

Traum von einer fremden Präsenz im finsteren Haus, ich kann nicht aufwachen und den Hund darauf ansetzen. Dann mildert sich das Szenario, ich besuche eine Kletterhalle, deren Schwerkraft individuell eingestellt werden kann, sodass ich gleich ganz mühelos dutzende Klimmzüge mache, so schwerelos wie unter Wasser. Das schönste Feature der Anlage ist ein Gehege mit liebesbedürftigen Hasen, zwecks Entspannung der Trainierenden.

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Der Initiator des Anti-Gender-Volksbegehrens spricht zu Fleiß nicht einmal das Wort „gendern“ korrekt aus. Auf Ö1 schwadroniert er über Versäumnisse in der Lehre, weswegen sich Frauen linguistisch beim generischen Maskulinum nicht mehr mitgemeint fühlten.

22.6.

Man braucht einen „heroischen Tugendgrad“, um selig gesprochen zu werden.

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In brüllender Hitze hocken Fini und ich im Schattenrest der Tanke und warten, bis der Berliner Lindenhonig in der Waschanlage in den Kanal gewaschen ist. Eine freundliche Frau streichelt den Hund, smalltalkt mit mir. Im Gehen dreht sie sich um und fragt, ob sie uns irgendwohin mitnehmen solle, als wären wir obdachlose Gemeinde-Originale.

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Beim Romankorrigieren muss ich teuflisch aufpassen, nicht wieder in grübelnde Selbstinfragestellung und Umschreibzwänge zu verfallen, auch darf ich nicht mehr alles verbraten, das mir noch untergekommen ist – im Idealfall brauche ich später irgendwann ja doch halbwegs Mitteilsames.

23.6.

Ich könnte Orakeltier für das Verpeilen von Trends werden: Was ich mir zum Anziehen kaufe, ist amtlich out.

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Kaum noch drei Wochen zuhause, täglich wächst mein Mitleid mit dem Garten, der im Juli drei Wochen sich selbst überlassen ist. Immerhin kann ich danach sehen, was er mit sich selbst vorhat. Wie ein 15-Jähriger Mensch, der wenigstens nicht mehr verhungert, wenn man ihn allein lässt. Vielleicht siedelt sich ein Wolfsrudel an, wenn ich im August wiederkomme, oder der Giersch übernimmt die Macht wie Hitler. Gleichzeitig hab ich bei vielen Arbeiten das Gefühl, dass sich das vor dem Winter eh nicht mehr auszahle. 

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Ständiges Schwanken zwischen „yeah, Hitze“ und „oh Gott, meine inneren Organe kochen“, wahrscheinlich werde ich exakt jetzt alt.

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Leonding. Die erste Gewinnerin bei der sprichcode-Preisverleihung weint vor Glück, ich vor Spiegelneuronen, dem Publikum versuche ich vergeblich weiszumachen, dass meine Augen schwitzen. Es ist sehr schön und alles mit Liebe vorbereitet. Nur alle zwei Jahre hören mir Jugendliche eine Stunde lang aufmerksam zu, was mich ein wenig nervös macht. 

Eine sagt nachher, sie habe mich noch nie in etwas anderem als dem Frack gesehen, was muss sie von mir denken? Wie hart kann ein reality crash ausfallen? Manchmal sehe ich mir in dieser Vortäuschung selbst zu, als wäre ich eine extrovertierte Fremde. 

Es kommt zu einer etwas längeren Umbauphase, die ich mit Geschnatter überbrücken muss, also erzähle ich der Jugend, dass ich im Sommer sehr viel trainieren müsse, um im Herbst Putin beim persönlichen Battle zu besiegen. „Wir sponsern das Trainingscamp!“, ruft der recht vife Vertreter des Sponsors heraus.

24.6.

Wie eine freundliche Geste beginnt der Tag kühl und schiach, sodass es nicht gar so weh tut, sechs Seiten Literaturschiff-Moderation vorzubereiten. Das Navi führt mich dann irgendwo hin, mitten in the Middle of the Sierninger Nowhere, das sich als recht schön gentrifizierter Bauernhof entpuppt. Auch hier verliebe ich mich schnell in Hof und Leute. Jana Volkmann könnte man zu Kartoffelsorten oder polynesischer Dichtung befragen, es käme Relevantes dabei heraus. Sie spricht über den Menschen als das träumende Tier, es ist so gescheit und extrem rührend, wie sie von der träumenden Oktopusdame erzählt, die sich im Schlaf gemäß ihrer Träume verfärbt. Und Ratten haben Alpträume, weil ihr Leben ein Alptraum ist. Ich erzähle etwas überjovial, selbst immer nur von fehlenden Hosen zu träumen. „Ja, weil du ein freier Mensch bist.“ Später schreibt sie mir das als Widmung in mein „Auwald“-Exemplar:

Tonio Schachinger schreibt über Eskapismus in andere Welten, am öftesten werde er aber gefragt, ob das, was er über das Theresianum schreibe, echt passiert sei.

Milena Michiko Flašar erzählt davon, dass in Japan wirklich immer wieder vor dem eigenen Tod Fundortreiniger engagiert werden, um den paar Angehörigen nicht zur Last zu fallen. 

Auch beim Heimfahren muss ich mich ganz auf Google einlassen, es schickt mich in irgendeine Himmelsrichtung über Schotter und Landgassen. Mit Glück überfahre ich dabei zwei Hasen, eine Katze und einen Rehbock nicht. 

Ein Haufen sehr guter Menschen und ich. Foto: Literaturschiff

26.6.

Heute Abend verabschiedet sich Norbert Trawöger vom Kepler Salon, er ist barfuß und augenscheinlich glücklich über die im Raum geballte Zuneigung. Mir wird ein Platz inmitten seiner drei Damen aufgetan. Erst nach fünf Minuten gneiße ich, dass direkt vor mir Dieter Decker sitzt. Fini schmiegt sich eng an ihn, sodass ich höllisch aufpassen muss, beim Streicheln in ihrem Fell zu bleiben, weil der Buttinger mit aufgerissenem Auge Obacht gibt wie eine Mischung aus Luchs und Martin Fieldmann. Der Hund toleriert Schubert hechelnd, vielleicht nimmt sie jetzt endlich Bildung an. Ich bedanke mich später, dass auch NT an mir einen Bildungsauftrag erkannt hat, weswegen ich in Sachen buddhistische Friedensarbeit, Energiegewinnung aus Molasserückständen, metaphorische Prosthetik, Tierpräparation, Glitches oder Hitlerbauten gastgeben durfte. 

 Foto: Der gute, beste Reinhard Winkler

Leicht enthemmt krähe ich der mir an sich nicht persönlich Kulturhauptstadtsintendantin Schweeger entgegen, dass ich gerade einen Roman über die Gegend geschrieben habe. Ich geniere mich zwar schon live während des Eigenmarketings, aber sie ist wahrscheinlich noch ganz anderes gewohnt.

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Ein schöner Tag also, Highlight ist trotz der gesellschaftlichen Freuden die arme, scheinträchtige Basset-Hündin, die sich sofort bäuchlings meinen streichelwilligen Händen darbot, und deren Inhaberin den guten Satz sprach: „Menschen sind ihr heimlicher als Hunde“.

29.6.

Mit dem Hund über die Hochsteinscharte auf den Sneslitz. Sie rennt voran, immer wieder schaut sie mir fasziniert dabei zu, wie langsam ich gehe und wie feig ich beim Überqueren von Hindernissen bin. Beim Rückweg auf der Forststraße Richtung Zivilisation enthemmtes Plaudern mit Pensionisten, ich erkenne mich kaum wieder.

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Aktuelle Lieblingssorge: dass der Grundlsee noch zu kalt sei. Ich habe beschlossen, im kommenden Jahr das Schwimmbecken aufzulassen und mich dafür öffentlich loben zu lassen. Im Grunde müsste mich das Land OÖ dafür fördern, aber ich sehe schon das „Schwimmbadverbot! Was kommt als nächstes!?“ der FPÖ vor mir.

30.6.

Damit ich hier nicht nur neurotisches Trallala festhalte: Der Roman ist im Lektorat!

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Kratzer in der CD = Glitches im Klangbild

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Dank des Hypes um die KI bekommt der Begriff „unbotmäßig“ einen interessant technikskeptischen Klang.