Montag, April 01, 2024

In Knödelgestöbern. Versextes Tirol. Kleine Pseudoerlebnisse zwischen Leipzig, Hall, Natschbach und Wien

Lebenskrimskrams im März 2024

1.3. 

Im Bahnhof stolziert ein Typ in Faschingshosen daher, die aussehen, als trüge ihn ein Schimpanse. Das in Linz, nicht Wien! Es sind die Narren, die aus ihrer Stadt eine City machen. 

Rätselhaftes Kunstwollen in der City von Wien

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Bei Gelegenheit eine Liste der Dinge erstellen, die wegkönnen. Platz 1: männliche Ko-Referate. Ein Kollege kommentiert das Geschehen, als wär' er auf Twitch. Ich selbst habe die Neurose, bereits nach vier, fünf Gesprächsbeiträgen zu viel gesagt zu haben (und es könnte ja auch stimmen). Apropos „Kritik hintenrum“: Ein Kollege hat in „Literatur und Kritik“ eine kurze Beschwerde über die Generalversammlung der GAV verfasst, bei der er ja „als Außenseiter unter Außenseitern“ gewesen sei. Über die „Mohr im Hemd“-Debatte berichtet er so schief, als sei er dabei ganz allein mit seinem Wunsch geblieben, weiter das N-Wort ausschreiben zu dürfen, wenn es „die Kunst“ verlange. Weder bei der Sitzung noch später beim Bier sagt er ein Maulvoll, was er denkt. Aber ich kritisiere hier ja auch hintenrum (nur - wer liest das hier schon?) Jopa erzählt, ein Kollege habe vor Jahren den Antrag gestellt, die akademischen Grade der Mitglieder zu erheben, man wisse ja gar nicht, wer fertig studiert habe!

2.3.

Buttingers 60er: Das Glück kleiner Tanzekstasen, DJ Bea checkt genau, welche Generation da grad hopst. Nach „Jump around“, „Song 2“, „Paradise City“, „Insane in the Brain“ und „Killing in the Name of“ winselt die Generation X um Gnade, jetzt könne sie wieder Abba für die Boomer spielen.

Als ich nach dem Hund sehe, „erwische“ ich eine Gästin, die sich klammheimlich aus dem Partytrubel ins Hundekammerl gestohlen hat und hier selig streichelt. Nur mit der linken Hand, die rechte hat sie sich vor einer Woche beim Hundestreicheln gebrochen. <3

3.3.

Ein Tag mit der Geschwindigkeit, als bewege man sich unter Wasser.

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Im „Literarischen Duett“ auf Ö2 macht mir der Bücher-Alex quasi eine Liebeserklärung (er sagt wirklich „ich liiiiebe Dominika Meindl). Ab jetzt bin ich gegen die Trennung von Werk und Autorin. 

4.3.

Lesefrüchte: "Manchmal kamen sie bis nach Schaas, wo die Wusch hindurchfuhr.“ Aus dem Roman „Die Erfindung des Countdowns"

5.3. Wien – Buchpräsentation

Immerhin gelingt es mir, beim vom ORF gefilmten Schreiten durch den chinesischen Lustgarten des „Sichuan“ nicht zu stolpern, aber beim links bzw. rechts abbiegen wird es schon schwieriger. Ich bedanke mich am Ende dafür, nicht beim versonnenen Blättern im eigenen Werk posiert haben zu müssen. „Wir ham's ja aa ned so leicht!“, sagt der freundliche Ton-Mann. Während des Interviews mit Sophie Weilandt denke ich die ganze Zeit, dass ich das besser könnte. Aber egal, dafür hat es mir keine schlaflosen Nächte bereitet, nur einen nervösen Vormittag.

Die guten Menschen vom Verlag und ich werden um 18:50 Uhr nervös, weil noch niemand ins Spektakel gekommen ist – die Welt ist vernünftigerweise von 19:30 ausgegangen, was dann auch gut klappt. Alex Potyka sagt sehr zu recht, dass ihm mittlerweile alles, was eine Stunde überschreite, zu lang dauere. In Minute 49 klappe ich dann das Buch zu – auch weil ich alle halbwegs heiteren Passagen daraus vorgelesen habe. Es ist sehr schwer, nicht auf Unterhaltung zu lesen. Das vergnügungssüchtige Volk (hoher OÖ-Anteil) lacht übrigens schon bei der bloßen Erwähnung von „Raiffeisen“. Schön, aber absurd, wegen der grellen Scheinwerfer quasi allein im Angesicht aller im Dunklen Sitzenden still dazusitzen, um „Kreisky“ zu hören.

S. ist etwas enttäuscht, weil ihr „I stich di o in da Nocht!“ den Nachrang gegenüber „Männer schauen im Schlaf aus wie Welpen, damit wir sie nicht erschlagen!“ bekommen hat.

6.3. Neunkirchen

Ein Cocktail aus Kater und Todesangst beim Klettern, zu meiner Schande krieg' ich beim Vorstieg in einer 5- kurz die Nähmaschine. Andererseits: voll der Jungbrunnen! Und trotzdem eine Freude. 

Wie halte ich es immer wieder Monate ohne B. aus?!

Nahtoderfahrungen im Zug („Nahtod im Nahverkehr“) und später auf der Couch.

7.3.

Nächste Woche bin ich nach 32545 Jahren wieder zu einem Slam geladen, was mich wegen der Wettbewerbssituation ziemlich inkommodiert (fürs Üben oder gar neu Schreiben bin ich trotzdem zu faul). Ist es gut oder schlecht, dass mich in Hall eh kein Mensch kennt?

8.3.

Die Sträucher sind voller Meisen. Sie begutachten nervös und unzufrieden die morschen Vogelhäuser.

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Mein Posting zum Tag („Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein engagierter und liebevoller Mann“ ist 90mal geteilt worden. Derzeit kann ich gegen Facebook echt nichts einwenden, auch wenn ein Kerl irgendwo „wenn ich das umgekehrt als Mann schriebe!!“ drunternkommentiert hat.

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Endlich werde ich als „Künstlerin“ ins Brucknerhaus geladen! Zwar muss ich mich auf dem Damenklo gemeinsam mit Musical-Tänzerinnen schminken (also ich eher „schminken“), aber der Frack ist endlich dort, wo er hingehört. Später tanze ich „Ballett“ mit Zoe, damit's recht ausgibt.

9.3.

Wojteks „Wohngespräch“ im Standard ist endlich erschienen. Es fühlt sich herausfordernd an, dass nun viel zu viele wissen, wie es bei mir zuhause aussieht. (Und in den Kommentaren einen Haufen erwartbarer Tipps zur Optimierung geben, die allesamt dem Geschriebenen widersprechen, das sehr klar macht, dass ich kein Geld für Optimierung habe). Die meisten aber freuen sich, etwa J., der sich ganz wunderlich erinnert, wie er hier einst besoffen zu „Limp Bizkit“ hüpfte. P.H. empfiehlt „emotionalen Denkmalschutz“, und im Kommentar ist einer froh, dass endlich einmal jemand nicht mit seiner Wohnung beeindrucken will. Optimistisch gedacht werde ich mich wohl daran gewöhnen müssen, mit viel fremder Meinung konfrontiert zu sein. 

Die „geliebten Hausdrachen“ drohen damit, peinliche Details aus meiner Jugend („sie war immer langweilig und konventionell“) an die Presse zu verraten, in der Sekunde, in der ich abhebe.

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Glückliches Herumbandeln samt Mittagsschlaf. Später Damentreffen im Kroko, ich bringe den Toast aus „Auf uns! Dass wir noch nie einen Mann erschlagen haben!“ „Warum bist du dir da so sicher?“, antwortet C. sehr schnell.

10.3.

Apropos „abheben“: Es wird schwer, weil ich in der Kletterhalle auf mein Vorkommen in der ZiB 11 angesprochen werde. Ich sage 1,5 Sätze, bin aber zufrieden, weil ich lieber die beiden Hallstatts sehe als mich selbst beim Sprechen.

13.3.

Bodenloses Desinteresse an einem zeitgenössischen Versepos in Paarreimen über Liebe und Eifersucht (das ist eine sehr ungerechte Aussage, wie ein Standard-Kommentar, aber es war mir die Rezension in der ZEIT schon so eine Qual! Vgl. auch den Briefwechsel Frisch vs. Bachmann).

14.3. Wels – Hall

Im Zug diktiert und dirigiert eine gspritzte High-Performance-Mindset-Frau ab Attnang-Puchheim per Handy, es fallen Bullshitphrasen wie „das klären wir bilateral mit dem Vorstand“. Menschen empfinden wohl ein seltsames Erwachsenseinsgefühl, wenn sie so etwas daherplappern. Wie Kinder, die gefladerte Zigaretten paffen.  

In Salzburg wirken die Menschen viel höherwertig, wie MarcO'Polo im Vergleich zu H&M. Männer joggen paarweise durch die Stadt. Ich trage meinen Frack über der Schulter, wie die langsamste Superheldin der Welt, die zehn Minuten braucht, um sich aus ihrer Alltagsperson zu schälen. 

Hall ist absurd hübsch, fast wundert man sich, dass hier tatsächlich Menschen leben und in lauter Handwerksbetrieben in den Erdgeschoßen werken, als würden sie vom Tourismusverband dafür subventioniert. Auch der Klang der Sprache ist malerisch, auf Tirolerisch hört sich gleich alles gefällig an, wenn etwa eine Mutter die Kleinen lenkt. „I moa, es isch nit guat, wann's do laft's, do isch lauta Hundegacka!“  

Im Stromboli reden wir dann auch durchgehend über Hunde, junge Mütter könnten nicht monothematischer sein. Die jungen Slammerin sind unglaublich lieb. Hunde und Notizbücher sind unser Prestigeobjekte, „zoag ma deinsch!“ Die Bienenkönigin erzählt, dass die Kärntner Imker nicht nur menschlich noch extrem rassistisch seien. Elif zeigt mir später, wie man ganz easy Fotos per Airdrop teilt, ich schau ihr zu wie eine verzauberte Oma. Zu meiner großen Entlastung darf ich zweimal Opferlamm sein, statt gegen die fantastischen und mittlerweile mit allen Slam-Wassern gewaschenen Damen antreten zu müssen. Ich entschuldige mich für kulturelle Appropriation, weil ich in einem Text Hansi Hinterseer sprechen lasse. „Es isch eh a Unterländer.“

Tirol ist slammäßig übrigens total versext, die treten auch nackt in Saunen auf! Ist eine ärgere Alptraumverwirklichung denkbar?! Vom „Erotik-Slam“ spreche ich gar nicht – da melden sich sogar die Eltern der jungen Poetinnen an. ZUM MITMACHEN.


15.3. Hall – Schönering

Wir fahren seit ca. 47 Minuten durch einen Tunnel. Weird.

Am Nachmittag klingelt es an der Haustür, davor stehen zwei zuerst unbekannte Frauen, offensichtlich Mutter und Tochter, Letztere hält mein Buch in der Hand, was literally ein door opener ist. Erstere sagt, sie hätten es schon dreimal bei mir probiert. Folgendes Anliegen: Die Tochter müsse im Gym ein GANZES Buch(!) eines lebenden(!!) deutschsprachigen(!!!) Menschen lesen(!!!!) und es dürfe KEIN Fantasy-Roman(!!!!!) sein! Das Mädchen nickt dabei ganz energisch. Jetzt wollten sie fragen, ob mein Buch, das sie von der Oma geschenkt bekommen hätten, etwas für sie sei. Ich stammle herum, keine Ahnung, die 1,5 Sexszenen werden ihr eher zu fad sein.

16.3.

Vielleicht schon der größte Roman-Triumph des Jahres: S. hat sich die OÖN-Rezension mit Tixo auf ihren Rollator kleben lassen.

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Vielleicht schon der beste Mittagsschlaf des Jahres (im Wintergarten)

17.3.

nein, heute! (Gamskögerl). 

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Helmut Qualtinger spielt österreichische Idealtypen bei Straßenumfragen. Teddy Podgorski: „Wie beurteilen Sie die Zukunft Österreichs?“ „I bin Beamter.“

18.3. Wien

Lange finde ich nur Finis Ticket, der Westbahn-Mann sagt „Der Wuffi darf schon mal mitfahren.“ Es steht nur „Tier“ drauf, und er bestätigt mir, dass ich auch eine Kuh mitführen dürfe, solange sie an der Leine sei und Maulkorb trage. Schließlich halte ich dem jungen Mann das Handy hin wie eine alte Frau, die im Spar einfach das Münzfach öffnet, damit sich die Kassierin den passenden Betrag raussucht.

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Verwunderlich, dass Erwin Uhrman und ich einander erst heute unterkommen, wir finden so viele Parallelen, das Mühlviertel fast zuletzt, da er ein sehr gepflegtes Österreichisch spricht. Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass diese Promo-Ausflüge auch ein legitimer Teil meines Erwerbslebens sind (es ist ungewohnt, gefragt zu werden und einfach unvorbereitet sprechen zu dürfen).

19.3.

Am Tag des Nährvaters Josef blüht der Marillenbaum doch noch ein bisschen. 

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D. war dieser Tage im Kepler Salon und kam neben einem raumgreifenden Manspreader und Huster zu sitzen, der mit der Gattin dann auch noch Quargel zu jausnen begann.

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Träumen ist das Ludeln des Geistes.

20.3.

In der Falter-Rezension hebt auch der gute Kaindlstorfer den Welpen-Satz hervor. Ich habe sehr schlau gestohlen.

Experiment Literatur mit Jana Volkmann und Raphi Edelbauer = Beste!


21.3. Linz – Leipzig

Mit Cordi im Zug. „Wir sind schon fast über der Grenze.“ „Ja, da draußen bröckelt schon alles! Oh, warte, das ist erst Bad Schallerbach.“

Die Deutsche Bahn legt sich voll auf Schiene, um ihrem kabaretthaft schlechtem Ruf auch für uns gerecht zu werden. Der Zug nach Nürnberg fällt aus, wir haben lange Aufenthalt in Regensburg, das Wetter legt sich auch ins Zeug, um den Namen zu stützen. Es gibt kein vernünftiges Café, also gehen wir zum Burger King, wo neben mir eine beim Bestellen fragt, ob's was mit Pommes gebe.

Kurz nach Regensburg bleiben wir stehen, es erfolgt irgendwann die Durchsage des Zugführers, dass wir, „wie Sie bemerkt haben, stehen“, weil die Strecke vor uns „absolut marode“ sei und er deswegen nur 20 km/h fahren dürfe, was vorher aber schriftlich von der Fahrdienstleitung genehmigt werden müsse. Die Fensterscheiben sind so verdreckt, dass Bayern aussieht wie nach einem Fallout. Man erkennt gut, wer auch zur Buchmesse will. Neben uns versucht eine gelangweilte Mutter immer wieder, ihre BookTok-Tochter in Smalltalk zu verwickeln, die aber lesen will (sweet!). Beim Umsteigen in Hof muss dann ein wenig gerannt werden, sodass im glücklich erreichten Bummelzug allgemein schwer geatmet wird. Dafür sehen wir das Vogtland zuerst durch klare Scheiben, später macht sich im Dunklen Behaglichkeit breit auf unserer Fahrt durch Weida, Feilitzsch, Zeulenröda, Groß-Dalzig und Mehltheuer. Cordi, versonnen: „Urlaub in Deutschland – Entschleunigung pur!“

Wir koffern noch ein wenig durch Leipzig und trinken dann recht rasch ein wenig zu viel Bier, um die zwei Stunden Verspätung wettzumachen.


22. März Leipzig

                                                    Foto: Coala

Recht engagiertes Shopping: 1 Keramikoktopus, 1 Buchmessemantel (der Coala etwas nervös macht, weil der die Eleganzbalance zwischen uns beiden stört), 1 Schneidbrett „Du bist mein Wels in der Brandung“ (großes Gelächter, als Coala und ich gleichzeitig zur anderen damit rennen). Ich bin ziemlich on fire, das Geld sitzt locker, ich könnte binnen einer Viertelstunde mein Erbe in all diesen entzückenden Kram investieren.

Wort des Tages: „Knödelgestöber“ (quasi die lokale Version von Kaspressknödeln). Die Wurst hat main character energy in der Sächsischen Ernährung. Eine gefüllte Streuselschnecke möchte auch hier ins Notizbuch.

Ein riesiger Pikachú taumelt durch den Family-Party-Shop am Bahnhof. 

 

Nach drei Stunden Sightseeing hat Coala 1200 Schritte mehr gemacht. „Weil du zu sehr bei einzelnen Dingen verharrst!“, sagt sie, die in den Geschäften wie eine Maus zu den Körnern huscht. Sie sagt hier dauernd „Grüß Gott!“, was sie in Wien nie macht, es ist ein kleiner Streich ihres Unterbewusstseins.

Die sächsische Mentalität ist recht divers. „Wir haben nichts zu verschenken!“ blafft der Typ im DHL-Laden, als ich ihn um einen Streifen Klebeband von seiner Rolle bitte. Aber die Bediensteten der streikenden Verkehrsbetriebe sagen „Das ist der Wiener Schmäh!“, als wir uns nach etwas Murren mit den Zielen der öffentlich Bediensteten im Kampf gegen die Bonzen solidarisch erklären. Dann gelingt es uns durch Katzenpfötchengesten, den Straßenbahnfahrer zum erneuten Öffnen der Tür zu bewegen.

Das Messegelände ist sehr weit draußen, fast schon wieder in Zeulenzeilitzsch-Großmehl, weit nach dem letzten Baumarkt & Obi. Beim Aussteigen sind wir sofort überwältigt. Was für eine großartige Idee, die Cosplay-Convention mit der Buchmesse zu koppeln! Wir bewundern die Energie, mit der die Leute ihre opulenten und unglaublich unbequemen Verkleidungen durch das Gewühl navigieren. Coala verabschiedet sich in diese bunte Parallelwelt und wird zwei Stunden total reizgeflasht wieder aus ihr zurückgespült, mit glänzenden Augen.

Fiston, der 1. große Preisträger hier, tut glaubhaft so, als würde er mich wiedererkennen, und er sagt, er ließe sich gern jedes Jahr wieder in wechselnden Rollen in den Schl8hof einladen. Im Bummelzug hat mich ja Fasthubers Nachricht erreicht, dass Barbi Marković „uns den Schas gewonnen“ habe, wir waren stolz, als wäre sie unsere Cousine, die es zu was gebracht hat.

Ich versäume sämtliche Lesungen, vom Hirschl, von Marianne, von Karin, von Barbara Rieger, aber uns trennen zuhause ja nur zwei Stunden Zug bzw. zwei Hügel Luftlinie. Angesichts all der Verlagsstände frage ich mich, wer das alles lesen soll, und mein Buch obendrein. Vor den New-Adult-Autorinnen bilden sich aber hunderte Meter Warteschlangengekröse, es sieht aus wie auf einem Sommerferiencharterflughafen für junge Damen.

Coala bilanziert schließlich mit 24.000 Schritten (ich 22.000), sie schreibt, „während Minkolonia beim Smalltalk erstarrt, stöbere ich durch einen Hektar Japan-Cosplay-Kram! #Bliss!“

23.3. Leipzig

Coala: „Ich habe mir gestern extra Katzenohren gekauft, mit denen ich Minkolausia heute blamieren möchte – außerdem werde ich alle New-Adult-Stände abwandern und damit vor den intellektuellen Picus-Menschen wie eine exotische, pinke Koralle herumwacheln, bis sie in Ohnmacht fallen!“

Wahrscheinlich habe ich in meinem ganzen Leben noch nie so viele Menschen leibhaftig gesehen wie heute in einer Stunde. Wenn nur ein Drittel davon tatsächlich liest, läuft der Kulturpessimismus ins Leere.

Schön, wie sich die Leute in den kleinen Lesestationen vom Gewühl ausruhen, dabei nehmen sie geduldig eine ziemliche Lesungslotterie in Kauf. Als ich dran bin, haben sie gerade einen Krimi eines pensionierten Leipziger Lehrers gehört, und nachher präsentiert einer seinen Krimi, in dem Olaf Scholz(!) der Ermittler ist. (Nachtrag Oktober 2024: Der Autor stammt aus Linz und hat etliche von Udo Jürgens' Hits getextet, irre!). Ich lobe das Publikum und verspreche, es nicht aufzuregen – es ist sehr laut, da auf der Bühne neben uns viel zu gut aufgelegt und unfair besser mikrophoniert über das Sächsische geschnattert wird.

Bei Picus trinken wir ab dem frühen Nachmittag Sherry, wir sitzen zufrieden da und betrachten die Cosplayerinnen, die es hier herverschlägt. Eine trägt Plüschrüben auf dem Kopf. 

Später führt mich Coala in dieses Reich. Eine gewaltige Warengrotte. Kurz erwäge ich, ein hölzernes Samuraischwert zu kaufen, es fiele hier niemandem auf, wenn ich damit durch die Stadt spazierte, man trägt riesige Plastikäxte und enorme Laserpistolen als Accessoires auch in der Innenstadt.

In der Tram dann starke Dekompensation, wir kommen kaum aus den Sitzen, und es wird ein wenig schwer, mich für die dritte Lesung an diesem Tag zu motivieren. Freundlicherweise bietet Luca Kieser an, mit mir vorher in Plagwitz essen zu gehen. Er ist ein guter Typ, so viel jünger und ambitionierter. 

Im Westflügel ist es sehr heimelig, es riecht nach dem Holz, mit dem geheizt wird. Mit Reda el-Arbi, der bei der Lesung neben mir sitzt, freundle ich sogleich, vielleicht wegen der Zugehörigkeit zu seltsamen Bergvölkern, eher aber wegen Freundlichkeit. Und er lässt sich, gemeinsam mit seinem Lektor, später in der Straßenbahn sofort für „Kreisky“ einnehmen.

24.3. Leipzig – Wels

Der Wecker läutet früh und sehr ungelegen. Im Zug nach Warnemünde kommt uns kurz der Gedanke, gleich an die Ostsee zu fahren, aber wie kommt man von dort bloß wieder heim? Man muss bei der DB jede Chance nutzen, um ihren Fängen wieder zu entkommen. In Halle müssen wir auf den Fußboden des Kinderabteils, in Nürnberg trauen wir unserem Glück kaum, im fast leeren, warmen Ruheabteil zu sitzen – sogar den Pemperlzug nach Passau derrenne ich noch.

Am Bahnhof begrüßt mich Fini wie in diesen amerikanischen Videos, in denen Soldaten nach Jahren vom Einsatz im Irak zu ihren Hunden heimkehren. 

Erschöpfung der guten Art.

25.3.

Als ich am nächsten Tag die Taschen in der Diele fallen lassen, entschlüpft mir unabsichtlich ein „Hallo Haus!“

26.3.

So gut wäre ich beim Kompostschaufeln, aber ich musste ja Philosophie studieren.

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Das Brucknerjahr belastet mich jetzt schon.

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Ich weiß, dass die Welt existiert, aber ob ich existiere, weiß ich nicht.“ Robert Walser

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Es gibt ein "Anti-Müller-Hormon", das sich gegen späte Babys richtet.

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Angeblich (Quelle: Internet) ist die Quelle der Prokrastination / die Antriebskraft, Dinge endlich zu erledigen die Schuld. Das sollte eine katholisch Desensibilisierte wie mich eigentlich nicht anfechten.

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Bissi rätselhaft, warum sich bei einer Autorin wie Melandri immerzu Brüste quellend unter der Dirndlbluse abzeichnen müssen, sollen damit die Männer ins feministische Boot geholt werden?

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Die Kunst, die ich am wenigsten von allen beherrschen will, ist die der Verführung.

27.3.

Der Wind treibt die Meisen über den Garten. Es ist eine der schönsten Erinnerungen an den Lockdown vor genau vier Jahren, als ich die Vormittage mit dem Beobachten der Vogerl im Garten vertändeln durfte. Dieses Schauen (interesseloses Wohlgefallen) ist in Relation zur Ornithologie das Äquivalent des Duschträllerns zum Operngesang (und das wiederum der Komplexitätsgrad der Gesänge von Spatz und Nachtigall).

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Gestern die silberbleierne Donau, gut genug für Lyrik. Diese Woche gerät zum Gegengewicht zur vergangenen, Landmaus vs. Stadtmaus.

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GAV-OÖ-Sitzung. Ausgemacht ist 18 Uhr, aber um 17:45 sind schon alle da; ich muss bei der Pünktlichkeit bei den Generationen genauso flexibel sein wie bei der kulturellen Herkunft. 

Später, beim Bier: W., Ch. und ich reden über den Nahostkonflikt, bis wir vollends traurig sind. Chr: „Lasst uns über etwas anderes reden.“ W.: „Ja, bitte!“ Chr.: „Reden wir über die Ukraine!“

28.3.

Die Donau schenkt mir vielleicht so oft kleine Gaben, weil sie glaubt, ich opferte ihr dauernd mein Liebstes, weil ich Fini mit Stecken in sie hineinlocke (das Gfrast schwimmt zu Fleiß wieder heraus aus der Opferrolle). 

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Auf TLC ist endlich kein „Mein Leben mit 300 Kilo“ mehr, es ist eine Entlastung, die ich selbst nicht geschafft hätte.

29.3.

Großindustrieller des Geistes“, Musil über den Großschriftsteller: „Zwischen Graz und St. Pölten gibt es viele, die genauso auszusehen vermöchten wie der Monte Rosa, bloß stehen sie zu niedrig.“

Kritiker sind sehr oft keine bösen Menschen, sondern dank der ungünstigen Zeitumstände gewesene Lyriker, die ihr Herz an etwas hängen müssen, um sich aussprechen zu können“. Ich wage kaum noch, damit hausieren zu gehen, wie viel mir Musil bedeutet, weil es schon fast so ist, als brüste man sich damit, Kafka gut zu finden. 

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Ein Buntspecht bumst gegen die Scheibe, ich springe auf, um nachzusehen, ob er eh nicht betäubt den Katzen ausgeliefert daliegt, da erbliche ich einen Fasan, der furchtlos über die Terrasse stolziert, auf der Suche nach einer Bumserei. 

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Das Dumme an einem Roman ist ja, dass man ihn nicht nur genießen kann, wenn er fertig ist, sondern dass man ihn auch schreiben muss.“ OÖN-Interview anlässlich Robert Schindels 80er.

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Dass sich ein jedes Mal immer alles irgendwie ausgeht für die Lesebühne ist ein allmonatliches Kleinwunder. Heute hatte übrigens das Publikum mehr literarischen Marktwert als die spielende Mannschaft, weil Hirschl, Köhle und Mieze sich zu uns verirrt haben. Als wir Ersteren zur Welser Oma chauffieren, streichelt er leicht betrunken Finis Kopf und freut sich an dieser Bösewicht-Pose aus früheren Zeiten.

Unsere intensive Begeisterung über Anna-Lena Obermoser wär' sehr gern hier im Lesebühnenblog nachzulesen.


30.3.

Brust oder Keule“, der Autos wegen.

31.3. Ostersonntag. Auf dem Balkon des Sengsengebirges 

Zwei, die eh keine reinrassigen Typen an sich ranlassen würden

Ein Typ mit reinrassigem Border Collie teilt mir mit, dass sich Fini bei seinem „Sullivan“ in Sachen Deckung hinten anstellen müsse, da er so gut gebucht sei, und überhaupt erlaube der Zuchtverband Deckakte nur mit reinrassigen Hündinnen.

Ein gelungener Schlaf angesichts des Prielkamms.

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