Lebenskrimskrams im Jänner 2023
1.1.
Ob sich mir 2023, während meines 45. Erdumlaufs um die Sonne, noch versteckte Talente entbergen? Hoffentlich nicht peinliche Begabungen wie Paintball, Laubbläserverkauf oder Monstertruckfahren.
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Es gibt ein kunstgeschichtliches Topos namens „Josefszweifel“, also der grübelnde Blick des Nährvaters, wie das mit Marias Schwangerschaft zugegangen sein mag.
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„Wednesday“ ist eh lieb, und wir haben Zeit zum Nepflixen (ich nenne das jetzt so), aber ich hege leichte Josefszweifel, wie ich zu den Belangen amerikanischer Teenies komme (die interessieren sich ja auch nicht dafür, wie es Mittvierzigerinnen in Mitteleuropa geht), dazu kommt eine sich verstärkende Schmollmundallergie.
2.1.
Bei der heutigen Wanderungen versuche ich, meine liebe Begleiterin zu einem etwas schlechterem Menschen zu machen, zu ihren eigenen Gunsten. Wir jausnen frischgemachten Erdäpfelkäse und selbstgebackenen Schkokuchen (die liebe Begleiterin) sowie Wurstsalat und eine angebissene Marzipansau (ich). Ich sollte ihr nicht alle ihre Selbstverpflichtungsneurosen ausreden, sie teilt großzügig mit mir.
Neujahrsvorsatz: Das Patriarchat zu Fall zu bringen, indem ich Frauen in meiner Umgebung das schlechte Gewissen ausrede, wenn sie der undankbaren Verwandtschaft keinen Kuchen, oder wenn sie ihre Kinder, um die sie sich den ganzen Tag gekümmert haben, mit „Geh damit zum Papa“ anschnauzen.
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Die
zerböllerte Landschaft rund um menschliche Ansiedelungen erzählt
davon, dass in der Bevölkerung noch sehr viel Unvernunft und Geld
herrschen.
3.1.
Zu Weihnachten mindestens drei Sorten Seife geschenkt bekommen. Nachdenklich geworden.
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Der Künstler, der mich 2023 am maßgeblichsten beeinflussen wird, ist El Hotzo.
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Noch bevor der Körper den ersten Schritt tanzt, schreit der Geist „Um Himmels willen, was hast du vor?!“
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C. besitzt eine Balsamico-Crème mit Glitzer(!), die keinen Deut zum Nährwert beiträgt. Sie sagt, sie sei ein Opfer der gemeinen Einfälle der Nahrungsmittelindustrie, aber glücklich dabei.
4.1.
Eigentlich wollte ich am Vormittag ins Büro, bin ich aber ins Bügelzimmer, um Knöpfe anzunähen und Wollsocken zu stopfen. Der Geist folgt der Mutter auf ihren Pfaden. Es ist falsch, fühlt sich aber so viel besser an als SVA-Rechnungen zu zahlen und Newsletter zu schreiben. Diese Zufriedenheit, die aus der Pflege von Dingen erwächst.
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Die japanische Regierung will Frauen mit der „Verfügbarkeit geeigneter Männer“ aus den verstopften Ballungszentren ins Hinterland locken. Dazu gibt’s eine Million Yen für jedes Kind.
5.1.
Meine rechte Schläfe ist deutlich weißer als die linke. Man wird im Alter immer asymmetrischer.
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Ein Selfie wieder gelöscht, weil ich darauf ausgesehen habe wie eine blasse Kopie meines Vaters.
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Der schmale Gefühlsgrat zwischen „Wow, ein bisschen Wohlstand!“ und „Hilfe, ich bin Ende des Jahres obdachlos“. Wer hat, der hat auch Verlustangst. Grüße gehen raus an Janis Joplin.
6.1.
Auf Ö1 wird über Ella Fitzgerald gesprochen, die offenbar die Hauptvertreterin aller Ambivertierten war: 51 Wochen im Jahr unterwegs und trotzdem einsam. Ich für meinen Teil bin verhinderte Person öffentlichen Interesses und verhinderte Eigenbrötlerin.
7.1.
Beim Meindl-Meeting nähen wir ein Plauderpatchwork aus sehr, sehr Ernstem (Tod der Eltern), Ernstem (wir wollen alle nicht mehr arbeiten, nur noch fleißig sein) und höchst Profanem (wann kommt die Gleitsichtbrille?). Dann kommt ein Gameboy daher, Coala und ich kippen total rein. Ein Symbolbild der Generation X entsteht: sich die Brille ins Haar schieben müssen, damit man die Tetris-Steine dersieht.
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Derweil der Enkel (6) in Wels: „Ich kann so lange spazieren, wie ich will!“
8.1.
Endlich wieder unbekannte Steige im Sengsengebirge begangen, dabei wieder neue entdeckt. Es liegt praktisch kein Schnee, die Gämsen hocken verwirrt in den aperen Latschen, Schneerosen und Erika blühen im Irrglauben, es sei Ende März.
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Viel billige Hollywood-Suspension wird daraus gewonnen, dass Frauen nicht laufen können, ohne dass der Held sie an der Hand hinter sich herzieht. Auch mit dem Lenken von Fluchtfahrzeugen kann man sie nicht behelligen.
9.1.
Barbara Ungepflegt widerspricht ihrem Künstlerinnennamen in Person vehement. Mir ist noch keine besser duftende Gästin in den Kepler Salon geladen worden. Während meiner Einleitung beginnt sie, sich mit einer Nagelschere die Karos aus dem Pullover zu schneiden. Seit ich weiß, dass man mit der schriftlich und wissenschaftlich begleiteten Liebesanbahnung mit Richard Lugner eine Dissertation vorlegen kann, fühle ich mich für die Akademik neu entflammt. Im „Kompendium der Lücken“ hat Ungepflegt die Annullierung ihrer Ehe mit dem schönsten Straßenbahnfahrer Wiens dokumentiert. Die Übung gelang, seither ist sie aber mit einem katholischen Eheverbot belegt und trägt einen sehr schönen, selbst gestalteten „Eheverbot“-Ehering.
Lugner esse übrigens am liebsten Austern mit Ketchup, was ich nicht glaube und doch für nicht ausgeschlossen halte. Ungepflegt geht davon aus, dass er nur noch am Leben ist, weil Kameras ihn im inneren Gefüge zusammenhalten. Er lebt in einer von ihm geplanten und gebauten Villa, die eigentlich der Bonze Wlaschek in Auftrag gegeben hatte, die ihm dann aber zu schiach war.
„Löcher sind das Fett in der Wurst.“ (Gut, dass ich notiert habe, dass der Satz von mir ist, ich hätte ihn jetzt, vier Monate später, in meiner Ego-Schwäche Barbara Ungepflegt zugesprochen).
Nach der Veranstaltung schenkt mir Barbara I. die Schilderung einer Irish-Wolfshound-Stampede hin zu einer Katze, die dann von zwölf Riesenhunden umzingelt und zärtlich eingespeichelt wurde.
10.1.
Ein Tag voll manischer Admin-Scheiße bei gleichzeitiger Grundmüdigkeit.
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Die Mäuse haben 17 Kilo Nüsse aus dem Holzschuppen gefladert, ich übertreibe nicht.
11.10.
Meet
N' Greet des „Freunde des Schl8hofs“-Faschingsprinzenpaares Hader
und Meindl. Ich habe mir den Frack schon zuhause angezogen und
begrüße den leger gekleideten Herrn Kabarett-Star mit „He, hat
der das Memo wegen der Panier nicht bekommen?“
Die Ablichtung ist sehr schnell erledigt, der Hund stiehlt uns beiden die Show. „Man soll Hunde ja nur streicheln, wenn sie es wollen“, sagt der Hader und schaut fragend auf Fini, die sich fast schon winselnd an seine Waden schmiegt. Endlich beugt er sich zu ihr herab, „ok, die Hunde, die mich beißen, sind noch kleiner.“ Er erzählt von Otto Lechners Pinscher, der das Gegenteil eines Blindenhundes sei, weil er als Landpomeranze in der Stadt Panik bekomme und seinen Herrn in alle Richtungen zerre. Außerdem könne er nicht allein bleiben, also durfte er mit auf die Bühne. Zufrieden legte er seinen Kopf auf Lechners Fuß, es störte ihn nicht, dass der beim Akkordeonspielen laufend den Takt klopfte, der Hundekopf hob und senkte sich rhythmisch mit. So einen Hund wie die Fini nähme er, sagt Hader, und zum Glück bittet er mich nicht tatsächlich darum, weil es unhöflich wäre, seinem Idol einen Wunsch abzuschlagen.
Dann sage ich aus einer Laune heraus, dass man grad in meiner peer group jedes Gespräch mit dem Thema „Gleitsichtbrille“ kapern kann, woraufhin wir eine halbe Stunde lang über Kurz-, Weit- und Schassichtigkeit sprechen.
12.1.
Ich bin die soccer mum meiner selbst.
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Auf einer geerbten CD finde ich ein bizarres Duett von Pavarotti und Sinatra – ein so kitschiges „My Way“ hat die Welt noch nicht gehört, und die Welt hat schon 325349594856 kitschige „My Ways“ gehört. „Nessun dorma“ besitze ich übrigens in siebenerlei Ausführung.
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In der Kletterhalle drei Nerds in Funktionsleiberl, zwei davon mit hochgewachsenen, sehr weichen Leibern und langgewachsenem, sehr weichem Haar, es wird nicht ganz klar, ob sie ein Paar sind. Alle drei bewegen sich in burschenhafter Abruptheit. Sie sind sehr lieb und feuern einander wertschätzend an: „Jetzt hosd di ned gaunz committed!“ Sie reden in so viel Jungeleuteenglisch miteinander, dass ich zuerst glaube, der Kurzhaarige sei ein Mechatronik-Student aus dem Ausland. Das Auftreten des Trios möchte ich mit „Linzer It-Queerness“ labeln.
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Arno Geiger hat ein autobiographisches Buch über sein früheres Altpapierstierln geschrieben. Er habe damit aufgehört, weil die Leute nichts Gescheites mehr wegschmeißen, weder Bücher noch Briefe (was hätte ich ihm alles aus diesem Haus schenken können!), sondern nur noch Weinkartons und Verpackungen. Er sagt, die Leute müssen jetzt dauernd besoffen sein und Elektrogeräte bestellen.
13.1.
Sehr arge Spenden für die Tombola des Grauens, die extreme Gefühle bei Vertreterinnen der Generation X auslösen werden
Mit der magic superpower einer unmittelbaren Deadline auf den letzten Drücker „Herrenlose Fliegen“, „Die Verwandlung (eines armen Käfers in einen Menschen namens Ferdinand Wegscheider)“ und ein ORF-Biene-Maja-Dramolett hingefetzt. René Monets Mash-Up von „Biene Maja“ und „Baby Blue“ aus der Sicht einer burnoutgefährdeten Drohne – eine unwahrscheinliche Begegnung von Karel Gott, Wolfgang Ambros und Bob Dylan – wird mich noch Jahrhunderte begeistern. Bei Buttingers Sektenlied „Sympathie für den Teufel“ reißen ihm die Saiten der Reihe nach, sodass er es heldenhaft a capella zu Ende brachte. Peter Waldeck ist sehr lieb, ein sympathischer Humor-Nerd. Und der Dichter der Salzgurke, das kann ihm niemand mehr streitig machen.
Zur Lesebühnen-Nachlese gangert es hier, wenn ihr denn gar nicht genug von kriegen könnt: Borkenkäfer im Windwurf unserer Seelen.
13.1.
Beim Hundsäußerln eine hauptberufliche Hypnotiseurin getroffen und gleich ihrem Charme erlegen.
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Subjektives Zeitparadoxon im Restaurant „Singapur“, meinem Happy Place. Wir wollten nur gschwind was essen, da ist es schon zwei Stunden später.
16.1.
Was
bisher geschah: Mein sehr alter Führerschein wurde gestohlen, in der
Polizeiwachstube kommt auf, dass mich die Bezirkshauptmannschaft seit
1996 für einen Herrn hält. Teil des Schadens ist auch, dass ich den skurrilen Lappen nun nicht mehr zur Volksbelustigung herzeigen kann.
Heute also Geschlechtsumwandlung auf der BH Linz-Land. Kurz vor den Wechseljahren werde ich nun auch für die Behörden zur Frau. Wahrscheinlich reduziert mir gerade irgendwo ein Beamter die Pension, just because. „Ist Ihnen am Führerschein nicht aufgefallen, dass sie da ein Mann sind?“ Ich erkläre der etwas jüngeren Frau am Schalter, wie das damals war mit den Schreibmaschinen und den nachträglichen Korrekturen, zuerst ironisch, dann merke ich, dass sie wirklich keine Ahnung von den altertümlichen Amtsverrichtungen in meiner Jugend hat. „Eija“, unterbricht sie mich mit Blick in den Computer, „jetzt habe ich sie gefunden. Sie sind wirklich ein Herr Dominik.“ Das Schmerzvollste an der Umgenderung ist, dass mein Passbild aus dem Jahr 2017 zu alt ist; zwar sehe ich darauf scheiße aus, bin aber noch sehr braunhaarig. Auf dem neuen, das ich per Schnellschuss im Kellerautomaten machen muss, sehe ich etwas weniger scheiße, aber ganz grau aus. Aus Vernunft verzichte ich auf das Upgrade auf den A-Schein für alle Klassen, weil ich ohne Panik gar kein motorisiertes Fahrzeug mehr besteigen kann. Ich verschweige meine Laseraugen, weil es umständlich ist, die angeborene Schasäugigkeit offiziell loszuwerden.
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Zum Mittagessen etwas, das nicht mehr ganz einwandfrei riecht, aber der Hunger ist groß und es geht alles gut. Das darf nie jemand über mich erfahren.
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Jetzt bin ich ein Mensch geworden, der sein Auto an einem Nachmittag in der Stadt an drei verschiedenen Stellen parkt. Das darf nie jemand über mich erfahren. Mit L. zwei Stunden Schimpfe auf die allgemeinen und individuellen Verhältnisse. Ich muss aber massiv übertreiben, um etwas beitragen zu können.
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Ein Yorkshire-Terrier schreit Fini an wie eine der goats that sound like humans.
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Extrem wachsende Unverträglichkeit gegenüber Tierleid und Männergewalt in der Kunst (im Allgemeinen ohnehin). Vergangenes Wochenende hätte ich die immer wieder laut streitenden Nachbarn im Welser Obergeschoss beinah vermöbelt, um Frieden zu schaffen. Das ist doch auch keine Lösung!
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„Die Inkommensurablen“ knarrt vor lauter Recherchewissen wie die Wanten eines überladenen Frachters. Ich fresse es trotzdem mit Vergnügen.
17.1.
Weihnachtsdeko abgenommen und nach Jorge-Luis-Borges-Kriterien sortiert: Äpfel, Rochen, Alkoholbehang, Froschkönige und Tiere, die zu den drei Heiligen Königen gehören.
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Ö1-Radiokolleg über „Endlinge“ und den fehlgeleiteten Schutz „charismatischer Mega-Fauna“ (Tiger etc.)
18.1.
Fiston erzählt von seinen ersten Jahren in Österreich, als er gemäß dem Glauben der Luba an großer Todesfurcht litt – also zu sterben, ohne zuhause beerdigt werden zu können. Mittlerweile hat ihn seine Zweitheimat entspannt. „Ich habe keine Angst mehr, in Graz begraben zu werden.“
19.1.
Attnang-Puchheim, Burschen im Zug: „Schau her, i zag da, wiasd deine Monter weiblicher mochn kaunst.“
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Der Vorteil von Schlupflidern ist, dass man nicht mehr so viel Lidschatten braucht.
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Mein Künstlername, wäre ich italienische Schlagersängerin: Domenica Aperto
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Innsbruck. Am Ende der Salurner Straße ragt die Nordkette so absurd jäh in den Himmel, dass man im Dämmer das Licht der Bergstation für einen großen Stern hält.
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So schnell stellt sich ein Urlaubsgefühl ein, danke Pandemie! Wenn man am Nachmittag im grauen Öd-Wels einsteigt, ist man beim Umsteigen in Salzburg und in Innsbruck ganz geflasht vom Trubel der touristisch verwertbaren Städte.
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Der junge Mann an der Bar, einer der 32345 bouldernden und snowboardenden Nummerus-Clausus-Flüchtlinge aus Franken, erklärt mir, dass das Logo auf dem Montagu-Sticker einer berühmten Hip-Hop-Crew nachempfunden sei, und rührt auch keine Miene, als ich zurück-splaine, dass ich den Wu Tang Clan sehr viel gehorcht habe damals in den 1990ern, als es noch kein Bouldern und Granola gegeben hat.
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Sehr viel Schönes trägt sich zu an diesem Lesebühnenabend mit den Frau Hermanns 5000 Katerstrophen, ich bin sehr verliebt in alle Beteiligten. Zum Beispiel in Katrons anrührende Kunstreihe „Tote Tannen – grüne Wiesen im Sonnenschein“, zu der sie sich von ChatGPT den Vernissagen-Schas-Text hat schreiben lassen. Eine Textsorte, die man wirklich getrost und vollständig der AI überlassen kann („Die toten Tannen als Symbol für den Tod“).
Beim Heimgehen beschließen wir, unseren schwarzen Landesregierungen umfangreiche Fördermittel für den weltersten „Kongress für Performanzliteratur“ aus den feisten, neoliberalen Hüften zu leiern. Wir sind ein wenig betrunken.
20.1.
Ein entgleister, führungsloser, brennender Güterzug lädt zum Schimpf über die Deutsche Bahn, was zum Wortwitz „bahnal“ lädt. Auf Schleichwegen zockelt der ICE durch das alte Österreich voller Klausen, Klammen und Skigebieten. Zunehmende Dehydrierung, weil ich zu faul und geizig bin, um das Zug-Rest zu suchen. Es hat endlich geschneit, immerhin wird landschaftlich viel geboten.
Nach einer logistischen Orgie fahre ich mit dem Buttinger weiter ins Gesäuse. Dort erzählt G., dass sie jetzt, in ihrem 53. Lebensjahr erkannt habe, dass sie genug von Fortbildungen habe, sie wolle jetzt auch einmal Urlaub machen und faul sein! Ich murmle in ehrlicher Betroffenheit, dass ich seit Jahrzehnten auf den Drang warte, nicht immer nur Urlaub machen und auch einmal an mir selbst arbeiten zu wollen.
21.1.
Hüfthoher Pulverschnee ohne Grundlage, die Tour eine reine Fleißaufgabe, um dem scheiß Körper zu zeigen, wer der Herr ist.
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R.s Zirbengeist schmeckt fast so erschütternd wie meine eigene Kreation (eine Geisterbahnfahrt in den Gaumen), leider fragt er auch noch, ob er mir eh geschmeckt hat, und er war so schlecht, dass ich daran scheitere, zu schwindeln.
Es wird mich nicht stören, wenn mir die Germanistik der Zukunft eine homoerotische Beziehung mit dieser Frau andichtet.
23.1.
Die Störung der Totenruhe umfasst in Deutschland das Delikt, an einem Grab „beschimpflichen Unfzug zu verüben“.
24.1.
„Wenn man mehr als einen Termin am Tag hat, stirbt man.“ El Hotzo
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Man darf jetzt Grillen essen (Hauptsache, sie verbieten das Grillen nicht, das ist der programmierte Bürgerkrieg).
25.1.
Ereignisarme Tage, reich an befriedigend sinnlosen Ordnungstätigkeiten zwecks Kontrast zur sehr unangenehmen Weltlage da draußen. Also Haydn-CDs durchhören + Verpartnerungsgratulationskarten einkleben, um keiner Apokalypsenpanik anheim zu fallen.
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Ein mir recht gut bekannter Mann ist mit Frack, Gehstock, Zylinder und Birkenstockschlapfen auf einen Maskenball gegangen, die dazugehörende, mir noch besser bekannte Gattin erzählt, er sei ihr durch die Outfit-End-Abnahme geschlüpft, weil die Sehschlitze ihrer Paillettenmaske zu schmal gewesen seien. Auch derlei lenkt mich vom Weltuntergang sehr schön ab, bitte erzählt mir alle mehr solche Sachen!
27.1.
Bei Gelegenheit „Null Island“ aufsuchen – ein Ort, den es nur dank der Ganglien der Menschheit gibt. Es ist der Schnittpunkt von Äquator und Nullmeridian im Golf von Guinea. Aus irgendwelchen Nerd-Gründen landen dort alle „virtuellen“ Ortsangaben, man kann auch Joggingrunden hinschummeln und derlei Unfug.
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Aus leichter Nachlässigkeit müssen wir den Hund zur Auschwitz-Befreiungsgedenkveranstaltung in den Minoriten mitnehmen, die im Übrigen so schön ist, dass ich wirklich nervös werde, ob sich das Tier ganz unauffällig und angemessen beträgt. Das wilde Spiel ihrer Ohren verrät, dass sie bei zeitgenössischen Kompositionen in innere Panik gerät. An ihrer statt entgleist nach der Darbietung der der Buttinger ein wenig, als er den jungen Sängerinnen einzureden versucht, dass Wagner und Bruckner Nazis gewesen seien. Sie lächeln höflich, einer sagt, er habe gar nicht mitbekommen, dass ein Hund zugegen gewesen sei. „Zwoamoi hot's a weng quietscht“, sagt der Buttinger, der junge Mann beginnt sich höflich zu rechtfertigen, bis der Irrtum aufkommt - „der Hund hat gequietscht, nicht ihr!“ Der liebe Stefan Petermann ist extra aus Weimar angereist, weil sein Text „Töne aus Stein“ vertont worden ist, aber wir unterhalten uns darüber, dass ich gar nicht so viel zum Skitourengehen komme heuer etc. Es ist ein wärmender Gedanke, dass Klügere in der Ferne Anteil an meinem Dasein nehmen.
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A. hat den Fuß ihres Sohnes wegen beiderseitiger Unaufmerksamkeit mit dem Hinterreifen überrollt und ist in innerer Panik (ganz ohne zeitgenössische Musik) auch noch darauf stehen geblieben. Das ist nur lustig, weil der Ausgang ein glimpflicher war. Off topic: Wir sollten den „Glimpf“ in den zeitgenössischen Sprachgebrauch übernehmen, als „Glimpf und Schande“ oder „verglimpfen“ (hieße das „jemanden schönreden“?)
28.1.
Sehr schöne Stunden im Black Horse, wie immer. Der liebe R. feiert seinen 70er und baut meine Familien-Gratulation gleich in seine Ansprache ein: „Dominika hod grod gsogt, 70! So oid wiad ned amoi a Sau!“
L. berichtet später von ihrem Versuch, als Vorsitzende einer Kinderbetreuungsorganisation in Kontakt mit dem jungen Volk da draußen zu treten. Nach wenigen Minuten wird sie von einem 8-Jährigen von der Hüpfburg herab dermaßen derbe beschimpft, dass sie mit sich ringt, ihm keine zu reißen. Der ganze Tisch spricht ihr Respekt für ihre Disziplin aus, ich hätte dem jungen Prinzi fix was mitgegeben fürs spätere Leben, also innere Panik vor älteren Frauen.
Zwecks Kontrast erzählt I. vom Urlaub ins drollige Cornwall, wo die Menschen ALLES mit „lovely“ labeln, was die Reisenden zunehmend amüsierte. Höhepunkt dann am Pissoir, als ein einheimischer Ludelkollege „lovely!“ seufzte. I. hat nachzufragen vergessen, ob der damit die Urinerlösung oder sein Organ meinte. Ich entlaste die Runde mit der Schilderung, wie mich der Tierärztinnengatte für meine Mutter gehalten hatte, und I. sagt, dass ihn beim Begräbnis einer Tante sehr viele Steyerlinge für den eigenen Vater gehalten haben.
29.1.
Ab jetzt einfach keine jähen Bewegungen mehr. Bei den Dreharbeiten für ein zivilgesellschaftliches Video bin ich unter dem nachvollziehbaren Gelächter der Kinder vom eigenen Thron gestürzt.
Als ich ein Foto ins Facebook stelle, auf dem ich in wiederhergestellter Machtentfaltung auf dem Thron sitze, kommentiert drei Hundertstelsekunden später ein älterer weißer Mann darunter, dass „man“ an meiner Sitzhaltung noch arbeiten könne. Auch hier musste ich an mich halten, um nicht handanlegende Panikeinflößung anzudrohen.
30.1.
Ich bin nur deswegen selbständig, weil ich extrem leistungsbereit bin und nicht arbeiten kann, wenn mir jemand während des Schreibens erzählt, was er am Wochenende alles gemacht hat, und wenn ich in Meetings muss, in denen es um das Generieren von Learnings geht, und man danach 14 Minuten berät, wo man Mittagessen geht.
Andererseits fehlt mir der Drang zum Oeuvre, ich will es JETZT schön haben im Leben, danach ist es mir wurscht, was die Leute von mir halten oder lesen.
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Hoffentlich kann ich das Alter noch weit hinauszögern, in dem ich Jüngeren automatisch und ausführlich erzähle, was ich früher nicht Supernes gemacht habe, bevor es alle anderen dann auch gemacht haben, und wie schwer das alles war, das kann man sich heute gar nimmer vorstellen! Lieber zahnlos, schasäugig und faltig wie ein Shar-Pei als diese Kunstveteranenmonologe. „So was Schönes wie Nirvana wird ja heutzutage nicht mehr gemacht!“
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„Wenco – alles aus einer Hand!“ Man muss nicht viel Englisch können, um darüber zumindest kindlich zu lächeln.
31.1.
Warum hat ausgerechnet der Jänner 31 Tage?!
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Die sehr liebe Frau an der Spar-Kasse gibt mir 25 Prozent auf den Champagner, weil ich 23 Sekunden geduldig gewartet habe, bis sie die Flasche im Depot gefunden hat. Sie hat es mir bestimmt angesehen, dass ich über meine Verhältnisse einkaufe. Das darf der Buttinger nicht lesen, ihm gegenüber habe ich geprahlt, dass mir für seinen Geburtstag nichts zu teuer sei.
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DallE ist ein pfiffiger Zeitvertreib. Wenn man Anstößiges wie „Nazi“ oder „Putin“ abgebildet wünscht, erscheinen Kätzchen und Corgis, die bedauernd auf die politeness policy hinweisen. Bei der Anfrage „A happy and proud Romy Schneider as empress Sisi builds a carport in a beautiful landscape like Hallstatt in the style of the 1950ies“ spuckt die KI eine Dirndlfrau mit dem von sinnloser Fröhlichkeit entstellten Antlitz Thomas Brezinas aus.
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