Phantomereignisse im Dezember 2022
1.12.
Polizeiwachstube Thalheim bei Wels. Der sehr junge Exekutivbeamte findet meinen Führerschein nicht im System. „Einen Herrn Dominik Meindl hätte ich.“ Leider bin das ich, denn die BH Linz-Land hält mich seit 1996 hartnäckig für einen Mann. „Des tat i ausbessern lossn, Frau Meindl!“ Er ist offensichtlich Jahrgang 1997 und hat keine Ahnung, wie das damals gewesen ist in der Nachkriegszeit, wo eine Frau noch nichts zu sagen hatte, auch nicht über ihr wahres Geschlecht.
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Stiferhaus. Neben der von mir stark gemochten Regina Pintar schaut Fini aus wie ein verliebter Kampfhund. Es ist natürlich extrem schmeichelhaft, dass sie mich über mein eigenes Kunstwollen befragt, aber meine Neurose lässt mich dabei immer ein schlechtes Gewissen empfinden, dass ich die ganze Zeit rede. Andererseits ist das halt die Person, die ich bin (auf Englisch klingt das weniger deppert: That's the person I am) und auf die Schnelle finde ich mir jetzt auch keine andere Seele mehr.
Bei
der Suppe frage ich Regina, ob sie in ihrer Pension einmal über die dummen
Allüren ihrer tausenden Gäste auspacken werde. Nein, sagt sie, die
hätten sich alle zusammengerissen, „nur der Glavinic hat sich bei
mir aufgeführt wie bei allen anderen.“
2.12.
Neun Stunden ohne Pause durchpennt. Der Hund sagt auch nichts, das faule Stück. Die Sonne ist in den vergangenen Tagen zur fernen Erinnerung geworden. Auch die Mitwelt postet die sozialen Medien mit dem Wunsch nach Antritt des Winterschlafs voll.
Dann aber leichte Arbeitsmanie. Ich muss Außerliterarisches als neues Vermeidungsziel der Prokrastination nutzen – heute hat sich das Nicht-Saugen des sehr dreckigen Autos extrem positiv auf den Büro-Output ausgewirkt.
Linda – Kletterhalle – Bier – Sushi – Couch – heute-show – Couch-Schlaf. #purebliss
3.12.
Wieder neun Stunden im Koma. Was ist das für ein fauler Hund?
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Auf den karierten, grauen Filz-Schlapfen, die ich in Buttingers Haushalt vorgefunden und beschlagnahmt habe, steht in schroffem Kontrast zu Ästhetik und Zweck der schiachen Teile „Sprint“ gestickt. Das erheitert mich jeden Tag, denn selig sind die Armen im Geiste.
4.12.
Den sehr lieben vereinigten Linken von Linz gepredigt, dass auch behinderte Menschen ins Puff gehen dürfen (sofern es sich um organisierte SexarbeiterInnen handelt). Den beiden Vorsitzenden der österreichisch-kubanischen Freundschaftsgesellschaft meine Meinung zur Lage aufgedrängt („Ein Land voller SexarbeiterInnen, wegen der linksromantischen Fortsetzung westlicher Kolonialisierung“, sinngemäß, es tut mir später sehr leid, auch wenn's ein wenig wahr ist). Hoffentlich waren keine Putinversteher da. Wäre ich mutig, würde ich hoffen, dass Putinversteher da waren. Jedenfalls habe ich erneut zum Mord am fossilen Faschisten aufgerufen. Wann folgt endlich jemand meiner Russen-Fatwa?! Habe ich denn gar kein demagogisches Potenzial?
7.12.
NT spricht über ihm bekannte Alphamänner und schenkt mir den hervorragenden Begriff „Halbgiganten“. Das sind also Männer, die es nur schwer aushalten, fußkrank zu sein, weil man dann das Klackern ihrer genagelten Maßschuhe am Gang nicht hört.
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Kann ich den Hund bei mir mitversichern lassen? Sie ist ja als primäre Analphabetin nicht geschäftsfähig. Die Tierärztin empfiehlt mir angesichts der Rechnung, die sie mir gerade ausgestellt hat, für Fini einen Instagram-Kanal einzurichten und den zu bewirtschaften.
8.12.
Finis Sexunfall im November hat sich überall herumgesprochen, wir sind das Gespött der Wilheringer Freilaufzone! Es gibt keine Diskretion im Tierreich.
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Schl8hof. Ich bedanke mich bei Greti für Speis und Abwasch. „Ach was, das geht mir so leicht von der Hand wie Hühnerficken!“ Drei Minuten später zitiert Hasi Max Goldt, über weite Strecken und fehlerfrei. Diese guten Menschen von Wels!
9.12.
Der
Hund ist heute von sieben Menschen insgesamt 13 Stunden ohne größere
Unterbrechung gestreichelt worden, zu vieren durfte sie auf die
Couch, aber erst gegen Mitternacht entkommt ihr ein Gesichtsausdruck,
der sich als zufrieden deuten ließe:
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Völliges Scheitern am Keks (= Keksbacken; wegen Alkoholisierung). Wir sind auf die Barmherzigkeit der älteren Frauen angewiesen.
10.12.
In der Metro um recht viel Geld für Weihnachten zu preppen fühlt sich sehr erwachsen an. Wir kaufen so viel Klopapier, dass der Nachbar später Angst kriegen wird, dass der nächste Lockdown ansteht.
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Die Godn übermittelt uns sieben Kilo Keks in sieben Sorten. Immerhin da kann ich noch Kind sein.
11.12.
Über die Höll auf das Schwarzeck. Hasi erkennt im weißen Nichts vier Stieglitze und einen Fichtenkreuzschnabel. Wolfram: „Und wie heißt das Wintergoldhühnchen im Sommer?“ Zwei besonders wertvolle Mitglieder der heute endlich aktivierten Runde der Hausfrauen und Mütter auf Bergfahrt.
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Buch-Stierl-Charity bei Fasthubers. Die positiv getestete Edith winkt vom Balkon wie eine nepalesische Kindergöttin. K.K. gibt zur allgemeinen Entlastung zu, dass der Stapel der Vorjahresbücher unangetastet bei ihr zuhause liege. Das Schreiben, das Kaufen und das Lesen von Büchern sind drei voneinander völlig getrennte Welten, Universen für sich.
12.12.
Sonne. Irre.
13.12.
Reflexionen, ausgelöst durch das Phänomen „Chihuahua“. Hätten sich Menschen bei der Zuchtwahl der eigenen Spezies so ungehemmt austoben dürfen, würde es jetzt sehr viel mehr Menschen mit 90 oder 260 Zentimetern geben, just 4 fun. The Rock scheint so ein Ergebnis von Selektion über mehrere Generationen zu sein, z.B.
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Hauptberuf Fiktion: sich täglich in die eigene Tasche zu lügen.
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Besuch von der guten Frau, deren Verkupplung ich den Hund verdanke. Sie bringt mir ein Packerl Keks und Fini zehn. Ich versuche, mir meinen Futterneid nicht anmerken zu lassen. Fini ist angesichts der Überschenkung auch ganz fertig.
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Der Gatte der Tierärztin sagt, weil ich ihm blöderweise erzähle, einer seiner Kumpel sei mein „Nachbarbub“ gewesen: „Ah, dann habe ich Ihre Töchter damals öfter gesehen!“ Natürlich hat meine Mutter damals in den 1980ern jünger ausgesehen als ich jetzt, aber der Tierarztensgatte sieht nicht wesentlich jünger aus als ich. Er zeigt keinen Anflug von Scham. Dann fällt mein Blick auch noch auf den superteuren Audi, dem er soeben entstiegen ist, und ich frage mich, ob ich bei der nächsten Hundeohrenentzündung nicht einmal zum Kollegen nach Alkoven schauen sollte.
14.12.
Ein Vogel fliegt so langsam den brachliegenden Hügel hinauf, dass es wundert, wie er sich in der Luft halten kann. Wir sind alle müde in diesen Tagen.
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Noch nie in meinem speisezugewandten Leben habe ich jemanden so schnell und effizient essen sehen wie Raphi Edelbauer. Sie kann alles doppelt so schnell und gut wie wir normal sauce Menschen! Nur so bringt sie so viel weiter in ihrem Leben.
Als ich später flapsig vor dem jungen Hof-Team behaupte, Fini spräche in Erregungszuständen „Hass-Indonesisch“, werde ich als sehr un-woke gescholten.
Wir schlagen meinen Negativ-Publikums-Rekord vom November, obwohl das kaum möglich schien. Raphi möge an diesen Abend denken, wenn sie die Halluzination überkommt, sie sei durch ihren ganzen Erfolg total abgehoben.
15.12.
Seit ich ein bisschen geerbt habe, traue ich mich gar nichts mehr zu sagen, wenn es um Privilegien und soziale Missstände geht; ich habe mich darauf verlegt, die dummen Streiche der geerbten Klasse auszuplaudern, bis ich wieder in die mir anstehende Schicht zurückverarmt bin (evtl. darüber dann ein Buch schreiben, wie Marlene Engelhorn für Arme). Die Energiepreise beschleunigen diese Entwicklung. Oft sage ich jetzt „Leider heize ich mit einer Wärmepumpe“, da ächzen alle vor Mitleid auf.
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Es ist so schwarz da draußen, dass man um 16:39 in St. Valentin aussteigen möchte, um gleich wieder zurück und heim ins Bett zu fahren. Außerdem stinkt es – obwohl ich zum ersten Mal in meinem Leben für eine einfache Wien-Fahrt einen Sitzplatz reserviert habe. Wie kann das sein? Was sind das für schludrige Pseudo-Privilegien?! Der Mann, der ohnehin neben meinem reservierten Platz sitzt, fragt mich schüchtern, ob er eh sitzen bleiben dürfe, und ich erkläre ihm ganz generös seine Rechte, obwohl er nicht gut riecht. Bei Amstetten stelle ich fest, dass er aber nicht die Hauptquelle des Ruchs ist, sondern ein Typ weiter vorn, der fortwährend vor sich hinsingt und rhythmisch von ganz unten heraufrotzt. Die Luft reichert sich immer stärker mit Stink und Singen an, hoffentlich kommt jetzt niemand und stellt mir die Sonntagsfrage, ich bin nahe daran, FPÖ zu wählen, wo ist die, wenn man sie einmal braucht. In St. Pölten springt der Mann auf, er schreit „ah! St. Pölt! Halleluhja!“ und kämpft sich zum Ausgang. Jetzt sehen alle, dass der arme Mensch nicht zurechnungsfähig ist (St. Pölten, alles klar? Haha!).
Sehr viel zu viele Menschen in Wien, aber an einem Adventsabend zum Stephansplatz zu fahren, da fordert man es auch heraus.
Markus Köhle kündigt meinen Beitrag in memoriam Adelheid Dahimènes so an: „Wäre Dominika Meindl eine Torte, sie wäre eine Donauwellenschlögenerschlinge mit Schlagobers.“ Dabei bin ich eine Linzer Torte! (Altes Rezept und im Sommer trocken wie Karst.) Es ist ein sehr schöner Abend mit seelisch schönen Menschen (dieses Quartal ist mein Ilse-Kilic-Festspiel!). Es sind Angehörige Adelheids gekommen, die während unserer Ausführungen ganz inwendig geworden sind und nachher auch mit uns trinken gehen. Ein freundlicher Wiener aus dem Publikum lädt mich ein, beherzt über die Heimat zu schimpfen (ich glaube, ich war noch zu nett zu Wels).
Nadja Bucher! Wir schimpfen über das Patriarchat. Sie ärgert sich, dass die Diktatorenbrut immer gar so langlebig ist, und ich, dass die nie ein Burn-Out bekommen. „Na weil sie alles deppert aus sich herausbrüllen dürfen!“ Ihre Oma habe zu derlei nicht Totzukriegendem gesagt: „Den mog ned amoi da Teifö!“
Köhle tadelt mich wegen meines Biersnobisms: „Die Marke ist doch wurscht, Hauptsache groß!“ Er hat natürlich recht, aber erst ab der Mindestgüteklasse „Zipfer“.
Unabsichtlich trinke ich ein bisschen binge, aus Hamsterei, weil ich noch zum Zug muss. Später stehe ich, meine Alkoholisierung mühsam verbergend, am Hauptbahnhof, als gemessenen Schritts Franz Adrian Wenzl an mir vorüberschreitet. Mit dieser Körpergröße kann sich ein Prominenter Im Grunde nicht verstecken. Aber alle tun so, als säße da nicht der Mann hinter dem Austrofred und äße einen späten Burger, auch ich nicht, weil ich eben meine Alkoholisierung für mich behalten möchte und weil ich ihm keine Panik machen will, dass er jetzt bis München mit mir small talken muss. Für meine Dezenz erhoffe ich mir später einen sanften Eintritt ins Himmelreich.
Dann Panik in Amstetten, ich habe ja gar kein Ticket gekauft! Zum Glück fällt mir der Trick ein, dass ich es schnell online nachkaufe, sobald der Schaffner kommt (ab Amstetten, Geld gespart!). Nach vielen bangen Kilometern, schon fast bei St. Valentin, schaue ich doch noch einmal ins Geldtascherl und sehe, dass ich sehr wohl vor 1,5 Stunden ein Ticket erworben habe. Notiz: Drei Bier sind in die Haut hinein genug, wenn man danach nicht gleich ins Bett kommt. Zuhause, tief in der Nacht, wendet sich auch der Hund schnell von meiner Fahne ab.
16.12. Im Milieu
Der viele Smalltalk im Hundebesitzmilieu trägt bestimmt zur Stabilisierung meines psychischen Wohlbefindens bei, ich muss mich aber unbedingt weiter an die Regel halten, bloß nie zu politisieren, sonst hat man Impf- und Klimaleugnungen am Hals. Hörbeispiel 1 von heute: „Untam Gletscha ham's Baam gfundn, her ma auf!“ Bsp. 2, gestern: „Ich krieg einmal einen Schlaganfall, aber keinen Krebs, dafür bin ich zu aggressiv. Was bist du vom Sternzeichen?“ (Jungfrau, also wird’s Krebs, weil ich es nur zur passiven Aggression bringe).
Vorgriff zum 24.12.: Der Besitzer eines extrem aufgeregten Jagdhundes, dem er ein schweres Funkhalsband umgehängt hat, er selbst trägt eine Funkstation vor der Brust, die er als "sündteuer" bezeichnet. Auf den ersten dreihundert Metern findet er fünf verschiedene Gründe, warum der Hund heute nicht folgt: Der Vater war zu liberal am Vortag. Die Mutter hat dem Hund das Bandi zu weit gemacht. Es ist Weihnachten, da sind die Kinder aufgeregt (ok, der war von mir) usw. Der Hund folgt wirklich nicht, nur Fini kommt ein jedes Mal, wenn er „Hier!“ schreit. „Darf sie Lunge kriegen?“ Dann erklärt er mir, weil sie nicht ganz stramm sitzt, wie ich ihr die Gutzi am besten gebe (mir pflückt sie sie ja sanft aus den Fingern, aber ich sage nichts, ist ja auch nicht lecker Lunge).
Als ich mich an der Weggabelung verabschiede (ich habe Sehnsucht nach ein paar schnellen Schritten und ein paar Minuten ohne Mansplaining vor der Bescherung), fragt er mich, ob sie eine „Sperre“ habe, denn wenn schon, dann müsse man beim verbissenen Hund „durch de Aung ins Hirn, sunst losst a ned los!“ Dann winkt er zum Abschied und geht das Friedenslicht holen.
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Bei Gelegenheit schärfer nachdenken über die linguistischen Fehlverständnisse der Sprachreaktionäre, die zwar glauben, dass Sprache und Realität nur leicht vernestelt sind („Frauen sind ja mitgemeint!“), die aber andererseits einen 180er-Blutdruck kriegen, wenn man eine winzige Pause für alle Gender macht. Vielleicht sind sie die reinen, hermetischen Experimentallyriker, wo alles nur schönes Raunen der selbstreferenziellen Sprache ist? Das hielte ich schon für anfechtbar. Andererseits ist es gerade für mich als Literatin rührend, wie sehr sie sich für mein Arbeitsmaterial einsetzen, wie sie so beherzt ihren Kampf gegen die Sprachverhunzung als Akt der Poesie anlegen.
Kurz: Die Pause ruiniert eine ganze Sprache, aber man kann durch Verschweigen jemanden ansprechen. Crazy! Für mich sind halt die vielen Männer in der deutschen Sprache eine Verhunzung, aber ich hatte ja eine schöne Kindheit, deswegen habe ich meine Gefühle gut im Griff.
Nachtrag aus der Zukunft: Der liebe Trawöger erzählt mir von einem 90-Jährigen Ur-Grünen aus dem Welser Kulturmilieu, der ihn gefragt habe, ob ihn das Gendern auch so aufrege. Davon verdiene keine einzige Frau einen einzigen Cent mehr! Er sei sogar einem Club beigetreten. An dieser Stelle hätte ich den alten Mitbürger lieb gefragt, ob das ein Club sei, der sich für die gerechte Bezahlung von Frauen einsetze.
I., ehemals alleinerziehende Mutter von sechs Söhnen, wird mich auch später fragen, ob ich leicht auch eine von diesen Genderern sei. Ich ahne die Sinnlosigkeit meiner noch nicht ganz ausgearbeiteten sprachphilosophischen Gegenargumente und sage einfach: „Ich bin fürs Matriarchat, also nur weibliche Formen.“ Sie: „Das ist ja um nichts besser!“ „Wieso? Jetzt probieren wir's einmal 4000 Jahre so und dann machen wir einen Vergleich.“
17.12.
Gang durch das Winterwonderland Wels. Buttinger („Der Malermeister Winter ist Aquarellist!“) hat sich kleine graue Ohrenschützer gekauft, die er mit etwas Mühe links und rechts auf den Bestimmungsort pfriemelt. Leider ist er ästhetisch vom Neuerwerb überzeugt und fragt mich nach meiner Meinung. Auf meinen ausweichenden Hinweis, dass man um den Preis von 19 € eine Haube hätte bekommen, die das ganze Haupt wärmt, sagt er: „Ja, in Geschäften, wo du und die ganzen anderen Armutsgefährdeten einkaufen!“
18.12.
Endlich ist die WM mit ihren anstrengenden moralischen Anfechtungen vorbei (ich habe beim Boykott immer wieder versagt), Messi trägt zur Feier ein „Negligé“ (Prohaska), das in Echt „Bischt“ heißt. Zur Strafe merke ich mir von diesem Ereignis nur dieses Detail.
20.12.
Die Pünktlichkeitsneurotiker Kurt und Walter haben einander auch diesmal beim Zufrühdasein übertroffen. (Bei Gelegenheit darüber nachdenken, warum meine Angst vor dem Zufrühkommen wirkmächtiger ist als die vor der Verspätung, es ist objektiv nicht zu verstehen). Rudi entwickelt unabsichtlich Starallüren und betritt das Strandgut erst 25 Minuten vor Veranstaltungsbeginn, da liegen seine ganzen Instrumente noch im Bus, für den er noch keinen Parkplatz hat.
Die Allüren wären aber auch bewusst gerechtfertigt, denn er spielt uns wieder an die Wand (wie wir es uns alljährlich wünschen). „Rudi, kannst du gach Last Christmas spielen?“ „Selbstverständlich.“ „Lass dich bitte von meinem Gesang nicht stören.“ Er zaubert die Musik mit einer Leichtigkeit um mein jämmerliches Wham-Kannibalen-Gestammel, wie ein Delphin den Körper eines Ertrinkenden stützt und ihn sicher zum Strand (=Ende des Liedes) bringt. Man muss fast aufpassen, durch Triggerworte keine ganzen Lieder bei ihm auszulösen, aber andererseits – was wäre der Schaden gewesen?
Ich hab jedenfalls mit ChatGPT3 das Hirtenspiel aufgeführt („Wer klopfet an?“ „Ich bin ein Text-basierter Assistenzdienst und kann keine Klopfgeräusche erzeugen“), die freie Adventmarktwirtschaft propagiert (im Sinne von Freiheit von den Märkten) und und eine Wunschliste verlesen (dass Putin von einem Nissan Micra Mouse auf dem Roten Platz unabsichtlich über den Haufen gefahren wird).
Nach der Show, mit der wir alle viel Freude hatten, spricht mich ein älterer Herr an, er freue sich so, mich nach so langer Zeit wieder zu sehen, ob ich mich nicht erinnern könne, „domois vor 38 Joah im Vanilli!“ Auch er zeigt nicht viel Reue, nachdem ich ihm vorrechne, dass ich 1984 noch nicht einmal eingeschult war. Vielleicht brauch ich ja wirklich Urlaub.
21.12.
Der Hund ist außer sich vor Freude, als sie mich auf den Tourenski losfahren sieht, sie stürmt mir nach und springt mir an den Hintern. Begeistert beißt sie in meine Ski und Linsis Snowboard, sie ist auch durch milde Stockhiebe und wilde Schreie nicht von mir abzuhalten, sodass die uns Entgegenkommenden auf der Wurzeralm glauben, ich werde von einem Mini-Raubtier angefallen. Sie rennt im Sprint vom Gammeringsattel bis zur Talstation. Dort wummert zwar Gabalier aus den Boxen, der Barmann stellt dem keuchenden Raubtier aber eine Wasserschüssel hin, noch bevor ich aus meiner Bindung gestiegen bin.
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Dr. Fasthubers Plan, die Präauer und den Ostermayer einfach sich selbst auf der Bühne zu überlassen, geht aufs Schönste auf. Der liebe alte weiße Mann singt die alleranrührendsten Hymnen, Präauer outet Phil Collins als sympathische Bewegungsblinse und schimpft damenhaft über Sebis Rezensionsstehsatz, sie sei der ungebetene Gast auf der Literaturparty. „Ich bin auf vielen Parties gern gesehen!“ Dann tadelt sie die Onanie-Fixierung Ostermayers. Schließlich liest sie einen dermaßen liebevollen Text auf Après Ski, dass ich mich ernsthaft frage, ob ich ein Snob bin, da mir das Gabalier-Gewummer ein Fegefeuer ist.
Im Black Horse hat Roman zufällig! gerade ein Fass Black Bock Bier aufgemacht, und als Erfrischung für den Heimweg lobt er meine Wahl eines Guiness, „eh nur ein Seiterl!“
22.12.
Wegen des erfrischenden Seiterls konnte ich heute Vormittag nicht am Leben teilnehmen. Rührend: Fini blieb aus hündischer Solidarität auch bis Mittag liegen.
Ich beschließe, dass eh alle genug Zeugs in ihren Wohnungen haben und bei der Jagd nach Geschenken aufzugeben. Immerhin ist Krise, und mit Bargeld hat die Jugend eh die meiste Freude (die Erwachsenen dürfen es nur nicht zugeben).
Ähnlich wie bei der unendlich kurzen Phase zwischen Schreibversuch und Preisjury habe ich die paar Minuten zwischen „als Kind Geld kriegen“ und „Kindern Geld geben“ total verpasst.
23.12.
Spätestens nach dem ersten Schluck Weihnachtszauberbier wissen Coala und ich, dass wir an diesem mit Pflichten vollgeräumten Abend fix nichts mehr weiterbringen außer mehr Bier. Zum Glück kommt K., mit der wir bis 1 in der Früh die Welt ausrichten.
Coala erzählt von ihren neuen Kollegen. Einer von ihnen sagt von sich aus, dass er verfressen sei, er habe sogar einmal in die Kopfpolster-Hotelseife gebissen, weil er sich gedacht habe, „hö, de Napserl gibt’s auch in Weiß“.
24.12.
So viele Leute! Nicht, dass dagegen etwas zu sagen wäre, aber es ist doch ein rechter Wirbel.
Die für zu wenig gehaltenen Geschenke reichen aus, nur Sabine verfällt in die übliche Habenswut. Am besten werden der „original“ Heller-Rahmen (in samsing 800.000 € wert) und das Stanley-Messer samt Scheide angenommen (das man aber nur mit sich selbst aus der Verpackung kriegen kann, ein pfiffiges tool-Paradoxon).
Der Körper verleibt sich zwei große Steaks ein, als wär's Luft oder Leitungswasser.
Im Lauf des Abends verliert Buttinger immer mehr seine Stimme, sodass er am Ende wie ein beschickerter HP Doskozil klingt.
In der Stunde, in der die Tiere zu sprechen beginnen (und die Männer aufhören), beschwert sich Fini darüber, dass sie zu wenig gestreichelt wird.
25.12.
Zwei Käsetoast zum Abendessen, die der Körper sich einverleibt, als wären es die berühmten zwei letzten Minzblättchen.
26.12.
Ich bewahre die Nerven und sauge NICHT, bevor die Mischpoche kommt, „um meine Ländereien zu bewundern“, wie Buttinger sagen würde, kriegte er noch einen Ton heraus. Er steht stumm in der Küche und serviciert seine Schwestern, Schwager, Eltern, Kinder, Nichten, Neffen, Großneffen. Der Schwiegervater lockt Fini auf die Couch, und als sie auf seinen Schoß springt, schaut die Schwiegermutter herüber wie ein eifersüchtiges Einzelkind.
Es ist schön, Gäste zu haben, aber doch ein rechter Wirbel!
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Sich über das fade Feiertags-Fernseh-Programm zu beschweren ist ein Eingeständnis, dass man alt ist und kein Leben hat, aber auch wahr!
28.12. Im Sengsen: Hagler
Das Herumstrolchen auf unbekannten Steigen ist ganz offenbar das, was mir zum Seelenheil gefehlt hat. Zwei neue Wege gegangen, sieben neue entdeckt. Der Klimawandel ist ein Hund, aber ohne Schnee weiß ich mir auch was anzufangen.
30.12.
Mitteilung von Anna: Der Bub sei vor lauter Aufregung über die Begegnung mit einem Katzenhund(?) zu spät eingeschlafen, deswegen verzögere sich die Ankunft der Familie vorrausichtlich um 20 bis 30 Minuten.
Wieder ist Mutter W. die lustigste von uns allen. Sie erzählt, dass ihre Schwester gerade ihren Bankberater geheiratet hat; sie ist dessen vierte Gattin. Er hat ihr Schneeschuhe zu Weihnachten geschenkt, jetzt fürchtet sie, dass er sie bei einer Wanderung in eine Schlucht stößt.
Chrisi bringt einen Geschenkkorb voller Fundsachen aus der Bushalle. Was die übergeschnappten Stars eben auf den hospitality rider schreiben lassen und dann eh nicht trinken, etwa die 0,3 l Dose „Spring High Water“ aus den schottischen Bergen, das einfach Leitungswasser ist. Ich muss an Mariah Careys Veuve Cliquot denken, den wir dann auf dem Hallstätter See gesoffen haben (Chrisi: „I waaß ned, a Cola schmeckt trotzdem bessa“). Nächstes Jahr bringt er dann eingedoste Giraffentränen mit.
Jedenfalls ein schöner Tag, ein hervorragender Abschluss des Gästereigens. Ich hätte in einem fort mitschreiben können, aber die Oktober-Metapher mit dem Silberbesteck, das man auf dem Tisch lässt, passt auch heute.
31.12. Silvester in Wels
H. beschreibt die Ortstreue seiner Großmutter. Nach einer Firmung habe die Familie einmal hinaus in die Fernreith zum Eisessen fahren wollen, zum Unmut der Oma: „Was wollt ihr denn dort? Da gibt es ja auch nur Himmel und Erde.“
Es herrscht eitel Kurzweil. Meine russischen Eier, die mir mit der Leichtigkeit gelungen sind wie Kaiserin Sissi das Ungarische zugeflogen sind, und auf die ich in Braille-Schrift „Tod Putin!“ gelegt habe, werden als einzige Speise restlos aufgegessen – das ist für die Person, die ich bin, wirklich etwas fürs Memoirenbuch.
Das war ein pfenniggutes Jahr, man soll sich keine besseren wünschen (und tut's in allzumenschlicher Hoffart doch).