Dienstag, Mai 21, 2019
Fremd im eigenen Hirnland
Samstag, Mai 18, 2019
Im Westen – die neue Seidenstraße
[Der Erzähler arbeitet als Landvermesser für die neue Seidenstraßeneisenbahn, die am Lauf der Donau entlang an der Traun abbiegt und von dort ins Gebirge und die Adira führen soll. Es droht Gefahr von den Eingeborenen-Stämmen der Awaren, Slawen und Bajuwaren, die in diesem Gebiet leben und von einer Bahn nichts wissen wollen. Der junge Held ist ein Greenhorn, er freundet sich mit Deng Xiao an, dem Leiter des Security-Teams und erfahrener Westmann. Die beiden sind an einem Sonntag früh morgens auf eine Gams und steigen jetzt wieder aus dem Höllengebirge ab:]
Wir hatten uns dem Lager angenähert, als grässliches Geschrei die Gebirgsruhe durchschnitt. Den Augen bot sich Entsetzliches – rings auf den Bäumen saßen die Arbeiter und brüllten um Hilfe. Vor mir stand der Braunbär und wühlte im Unterleib des Kochs Long, der am untersten Ast einer Buche hing. Ich hob – ohne nachzudenken – einen Stein vom Boden. Der Petz hielt, am Kopfe getroffen, sogleich in seinem Wüten inne und drehte sich zu mir um, der ich ihn mit einem Schuss ins rechte Auge empfing. Der Bär sackte auf die Vorderläufe, dann tappte er stracks auf mich zu. Ich zog mein Klappmesser, sprang zwischen die Tatzen und stach zu. Viermal in das Herz hinein. Der Bär gab nach und sank in seinen Tod. Ich ging zum Stamm, an den sich Long klammerte. „Lasst los, Mann, ich helfe euch herunter!“ Der Anblick war wüst, die Eingeweide hingen ihm aus dem Bauch. Er war tot. Die Arbeiter wollten erst von den Bäumen steigen, nachdem ich ihnen die Leblosigkeit des Tieres bewiesen hatte.
Deng Xiao beugte sich über den Leichnam. „Ó! Ein Braunbär! Muss von Karantanien her kommen.“ Die Arbeiter, die gerade noch um ihr Leben gefürchtet hatten, wollten sich nun gierig daran machen, dem Bären die Krallen und den Penis abzuschneiden, um sie als Heilmittel weiterzuverkaufen. „Der Bär ist mein!“ rief ich, aber sie wichen nur kurz zurück. „Noch ein Schritt weiter und ich schlage jeden ohnmächtig, der --“
In diesem Augenblick tönte eine laute Stimme. „Meine Herren, seid ihr toll? Was für einen guten Grund könnte es geben, dass Landsleute einander den Hals brechen?“ Da trat ein buckliges Männlein hinter einem Baum hervor. Er war so hellhäutig, dass man ihn für einen Europäer halten musste. Der Kleine wandte sich an mich. „Habt Ihr Kraft in den Knochen, junger Herr!“ Er kniete sich zum Bären. „Ihr seid uns zuvorgekommen.“ Er richtete sich wieder auf. „Ihr seid Landvermesser?“ Ich nickte, ein Schatten fiel über sein Gesicht. „Der Boden gehört dem Stamm der Awaren vom Salzberg.“ „Was geht euch das an?“, brüllte der besoffene Vorarbeiter Shǔ. „Ich gehöre zu den Awaren“, antwortete der Bucklige ruhig. „Ah!“ krähte Shǔ in spöttischer Bewunderung, „Huángsè-fùqīn, der Schulmeister der Langnasen!“
Der Kleine rief ein europäisches Wort in den Wald, das ich damals noch nicht verstand, worauf zwei außerordentlich interessante Gestalten auf die Lichtung traten. Es waren offensichtlich Vater und Sohn, die da würdevoll auf uns zukamen. Sie trugen ihr reiches blondes Haar wie einen helmartigen Schopf, ihre Augen strahlten blau. Sie waren in die grünen Jagdröcke der Gegend gekleidet. An den Beinen trugen sie wollene Socken, darüber fein gearbeitete und schön bestickte kurze Hosen aus Gamsleder. Der Jüngere machte einen tiefen Eindruck auf mich. „Das sind meine Freunde“, sagte Huángsè und wies auf den Älteren. „Das ist Ingenieur Tschurner, Bürgermeister der Salzberg-Awaren. Und hier steht sein Sohn Winifred, der trotz seiner Jugend schon kühne Taten verrichtet hat.“
Winifred betastete die Wundmale. „Wer hat diesen Bären mit dem Klappmesser angegriffen?“ Er sprach reines Mandarin. „Ich“, war meine Antwort. „Das junge Gelbgesicht hat großen Mut bewiesen!“ Der Bürgermeister wandte sich an Shǔ. „Mein gelber Bruder mag mir einige Fragen beantworten. Hat er im Osten ein Haus, und ein Stück Land dabei?“
Shǔ unterdrückte seinen Hohn halbherzig. „Ja.“
„Wenn nun der Nachbar einen Weg durch diesen Besitz meines gelben Bruders bauen wollte, würde dies mein Bruder dulden?“
„Nein.“
„Die Länder jenseits des Himalayas und des Indischen Ozeans gehören den Chinesen. Was würden sie dazu sagen, wenn die Europäer kämen und dort Eisenbahnen bauen wollten?“
„Sie würden sie fortjagen.“
„Mein Bruder hat die Wahrheit gesprochen. Die Gelben kommen in dieses Land, schießen unsere Gämsen, rauben unsere Bodenschätze und Arbeitsplätze. Was werden wir dazu sagen?“
Shǔ schwieg.
„Haben wir etwa weniger Recht als ihr?“ fuhr Ingenieur Tschurner fort. „Ihr nennt euch Kommunisten und sagt, dass alle gleich sind!“
„Es ist notwendig für das Wachstum und den Standort“, sagte Shǔ kleinlaut.
Da wurde der Häuptling unwirsch. „Es ist nicht notwendig, dass ferner noch Reden gehalten werden. Ich will, dass ihr heute noch fortgeht.“ Er nickte seinen Begleitern zu, die drei wandten sich zum Gehen. Da griff Shǔ mit einer Geschwindigkeit, die ihm niemand zugetraut hätte, nach der Pistole. Ich stürzte auf ihn zu, doch schon löste sich ein Schuss. Huángsè sprang beherzt vor seinen Schützling Winifred, dem die Kugel gegolten hatte. Sie trat dicht neben dem Herz des Alten ein, er stürzte wie ein gefällter Baum. Ein allgemeiner Schrei des Entsetzens erscholl. Die Weißen knieten nieder, der Jüngere hob den Kopf des Getroffenen auf seinen Schoß. Blut quoll hervor. „Winifred, mei Bua!“ flüsterte er in der europäischen Mundart. Da wandte er sich zu mir, sprach mit dem letzten Atemzug auf Mandarin: „Bleiben Sie ihm treu! Führen Sie mein Werk fort... die Weißen brauchen Ihre Hilfe!“ Ich sagte es ihm ergriffen zu. Er hauchte sein Leben aus.
Winifred und sein Vater hoben stumm den Leichnam auf. „Ich will euer Freund sein! Ich gehe mit euch!“ drängte es über meine Lippen.
Da spuckte mir Tschurner ins Gesicht. „Räudiger Hund! Länderdieb!“
Die Weißen hoben ihren toten Lehrer auf ihren Traktor, banden ihn fest und fuhren von dannen. Sie hatten keinen einzigen Blick mehr für uns.
Sicherheit, auch an den stärkeren Tagen
Ach! Heutzutage ist ja nichts mehr sicher – bis auf das Gefühl der Unsicherheit. Der Eindruck entsteht zumindest, wenn ich es ein bisschen übertrieben habe beim Medienkonsum. Auf allen Kanälen, auf allen Seiten schauen ältere, hellhäutige Herren grämlich Bedrohungen entgegen und kündigen Sicherheitsverschärfungen an. Schon klar, der depperte Terrorismus. Wer möchte den schon verteidigen!? Gerne möchte ich den Glossengott Max Goldt zitieren: „Kann man sich denn heute nicht mehr ohne Bomben ärgern?“ Nur: Angst habe ich davor für meinen Teil nicht. Das einzige, was bei mir explodiert, sind meine Wirtshausausgaben (laufend), ein fallender Joghurtbecher (neulich) und ich selbst nach einer Lappalie (höchstens einmal im Monat). Apropos. Wir Frauen kennen dieses Bedürfnis nach Sicherheit, auch an den stärkeren Tagen. Dieses Angegriffensein von ALLEM. Wenn die ansonsten so geliebten Menschen zu fest schauen, zu nah an uns vorbeigehen, zu sehr da sind oder zu weg. Diese Tage, an denen wir weinen wollen, wenn wir uns morgens von unseren armen Haustieren verabschieden. Wenn etwas von Nirvana oder Rage against the Machine überraschend im Radio läuft und man denkt, mei, sowas Schönes wird heutzutage gar nicht mehr gemacht. Man weiß im Moment des Geschehens, wie dumm man ist, und kann doch nicht aus. Oh, ihr Hormone!
Das Schöne an diesen gefühlsstarken Operettentagen: Sie gehen flugs wieder vorbei. Ist es für uns Damen nicht herrlich, wie uns diese regelmäßigen Stimmungseintrübungen zeigen, dass eine Laune keine objektive Wahrheit ist? Unsere aktuelle Befindlichkeit kein Schicksal? Vielen Männern scheint diese sympathische biologische Einladung, sich selbst nicht gar so wichtig zu nehmen, zu fehlen. Darum sind sie solche willigen Opfer von Grant, Unsicherheit und Angst. Sie halten ihre Gefühle für gerechtfertigt. Wie töricht!
Wir Frauen müssen da wirklich sehr handfest einschreiten, sonst wird die Welt nicht heil. Sagen wir den saudummen IS-Terroristen etwa, sie sollen nicht so hysterisch sein. Vasektomieren wir männliche Verfassungsrichter, die Abtreibungen nach einer Vergewaltigung verbieten. Befehlen wir dem Trump, dass er nicht so stutenbissig herumkreischen soll. Fragen wir Erdogan, Kickl und Strache, ob sich leicht grad ihre Regel haben, weil sie heute gar so unerträglich sind.
Behandeln wir diese Herrenrasse genauso, als wären sie die Frauen, die sie in uns immer gesehen haben! Überforderte Wesen, die in den Schutz des Heimes gehören! Dann der Umsturz und das goldene Matriarchat.
So wird alles gut.
Freitag, Mai 17, 2019
Gabbionen vor Trumps Elternhaus
Warum es keine Schande ist, aus Schönering zu stammen
Ein Auszug aus der im Oktober 2019 erscheinenden Autobiographie „Von der Poetin zur Despotin. Verantwortung übernehmen!“ Bundespräsidentin Dominika Meindl, redaktionelle Mitarbeit Armin Wolf.
Privat ist Donald Trump ganz anders als öffentlich, wo er sich so unmöglich gibt, dass ich selbst schon lange aufgehört habe, mich über seine neuesten Grillen aufzuregen, obwohl wir uns schon so lange kennen. Nämlich über unsere Väter, sie haben zusammen beim Pfarrtheater gespielt. „Die gemischte Sauna“, Trump sen. war der besoffene Pfarrer, ein großer Lacherfolg. Der junge Trump war in der B-Klasse, mit der es eigentlich keine Freundschaft geben durfte, aber weil sich die Väter eben kannten, waren es wir beide, die dem LH damals die Blumen überreichen sollten, als die Volksschule ein neues Dach bekommen hat. Der Donald hat – schon ganz Profi – das Gedicht souverän abgeliefert, fast schon ein wenig zu überzeugend, während ich sofort abhauen wollte, sobald ich alle Augen auf mir, den rutschenden Trachtensocken, dem zu engen Kleid und dem für ein kleines Kind viel zu schweren Blumenstrauß auf mir spürte. Mein Vater konnte mich gerade noch am Knoten der Dirndlschürze abfangen und in die richtige Richtung zurückdrehen. Der Ratzenböck lachte, die Direktorin sah ihn an und lachte aus Höflichkeit mit, die Lehrerin schaute betreten zu Boden. Aber der Donald legte mir seine Hand auf die Schulter, er schob mich mit, hin zum lachenden LH. Die Blumenübergabe klappte. Das werde ich dem Trump nie vergessen, auch wenn er beim Klassentreffen letzten Samstag die ganze Angelegenheit sehr zu meinen Ungunsten erzählt hat. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass er uns nicht ernst nimmt, seit er die USA hat und ich nur Österreich.
Ich habe es bis jetzt nicht publik gemacht, dass der Trump und ich miteinander in der Firmvorbereitung und in der Skigymnastik und bei der Jungschar waren. Zum einen glaubt er ja, seine Wurzeln bei uns im Zentralraum nicht erwähnen zu müssen, zum anderen führt er sich ja wirklich auf wie ein Kleinkind im Zuckerschock, sobald man eine Kamera auf ihn hält. Zudem sehe ich wesentlich jünger aus.
Wie ist es dazu gekommen, dass der Donald Schönering und uns allen so ganz den Rücken zugewandt hat? Er hat im Stiftsgymnasium Wilhering ja nur die Unterstufe geschafft, weil er sich mit dem Lateinischen so schwer getan hat, während es mir zugeflogen ist, als hätte ich es in einem früheren Leben schon einmal gesprochen. Aber gut, für die Weltherrschaft musst du heute keinen gallischen Krieg mehr übersetzen können. Ich habe mir immer vorgenommen, anderen ihre mangelnde humanistische Bildung nicht vorzuhalten, immerhin haben meine Eltern geschuftet, um mir meinen Werdegang zu ermöglichen, und es ist mir eine Freude, ihnen ihre Bemühungen durch das Erreichen des höchsten Amtes im Staate entlohnen zu können. Ich habe über die Berufe meiner Eltern – meine Mutter hat in der Streichholzfabrik Ansfelden gearbeitet, bis sie privatisiert und zugedreht worden ist (die Firma, nicht Muttern), der Vater hat in der Voest bis zur Frühpension die Viererschicht gemacht – in der Öffentlichkeit nie viel gesprochen, denn es ist mir zu en vogue geworden, mit einer proletarischen Herkunft beim Wahlvolk hausieren zu gehen, wenn man sich nach der Brandrede die getrüffelten Lärchenzungen und den Jahrgangsbarolo hineinstellt, bis die Zeche endlich fünfstellig ist.
Da ist der Trump wenigstens nicht scheinheilig. Er hat schon in der Unterstufe damit angetuscht, dass sein Vater mit dem Ziegelwerk so viel verdient, dass sie jedes Jahr wegfliegen, meistens in ein Disneyland, je nach Jahreszeit das von Paris oder Florida. Und dass die Mama es nicht not habe, arbeiten zu gehen, und dass er mit 15 nicht einfach ein notdürftig vom Papa zusammengeflicktes Puch Maxi bekommt, sondern eine Aprilia RS 125. Die erste hat er gleich nach drei Wochen in der Donau versenkt, als er mit viel zu viel Schwung auf die Ottensheimer Fähre hinuntergerast ist, aber drei Wochen später hat ihm die Oma einfach eine neue Aprilia gekauft, während wir auf unseren elenden Maxis und Derbis und Typhoons vor jedem beschissenen Hügel absteigen mussten, weil unsere Sauger zu wenig Schmalz hatten. Das Elend der Jugend, die ganze brennende Scham, das hat der Donald wohl dank des vielen Geldes zuhause einfach übersprungen.
Trotzdem mag ich auch heute nichts gegen ihn privat sagen. Das ist meine Definition von Freundschaft, dass ein jeder seinen Job macht, so wie er es für das Beste hält, und dem anderen nur dann dreinredet, wenn ihn der darum gebeten hat.
Trumps Eltern haben letzte Woche übrigens ihren Vorplatz komplett zuschottern lassen und lauter so schiache Steinkörbe drumherum aufstellen lassen, schaut unheimlich scheiße aus, jetzt erwäge ich, das wegen des Bienensterbens bundesweit zu verbieten. Ein kleiner Machtkampf unter weißen Männern, ok, aber die Bienen wollen auch leben.