Sonntag, Januar 27, 2019

Robin Kreuzpointner

Von Daniela Doofie

In einer sturmumtosten Nacht – Robin hat im Gramastettner Pub „Nordlicht“ zu viel Sturm getrunken – will der junge Narr noch mit dem Auto zum Granitfestival in Neufelden fahren. Obendrein mit dem Brathuhnanhänger seines Vaters. Udaungs göht er in der Reib' ab, stürzt in die hochwasserführende Rodl und wird fortgespült, während das gebratene Federvieh den Weg in die Volksfestbäuche verfehlt.

Der Vater hatte Robin noch mit eindringlichen und liebevollen Worten beschworen, sich nicht in Abenteuer und Elend zu stürzen. „Waust wida bsoffn foast, hau i da's Kreiz o!“ Schon ein Jahr zuvor war der törichte Sohn durch sein ungestümes Fortdrängen zum Urfahraner Jahrmarkt in Sklaverei geraten; nur durch das Glück der Wirtschaftskrise entließ man ihn von der Hochofenfron in der Voest.

Nun aber schwemmt es ihn durch die finstere Nacht wie eine Häusltschick, bei Ottensheim in die Donau hinein, in rasendem Sog durch Linz, Wien, Bratislava – und, als er schon fast meint, sein junges, dummes Leben aushauchen zu müssen, aufs offene Meer hinaus. Stundenlang treibt er dahin, Szenen fundamentaler Verlassenheit bieten sich dem inneren Auge.

Doch schließlich: Zerfetzt und zerrissen, getauft wie eine Maus schleppt sich Robin an den Strand. Als er sich umsieht, bemerkt er, dass er auf einer Insel gelandet ist, mit nichts als drei angeschnäuzten Taschentüchern, einer Packung Extasy, sieben Marlboro und den Hühnerleichen im Anhänger.

Den zieht er mit der Kraft der Verzweiflung und der Pillen an Land. Weil er schon so im Hackeln ist, baut er sich ein schönes Einfamilienhaus drumherum, typisch Mühlviertler halt; mit Infrarotkabine und Carport. Da sitzt er und ritzt jeden Tag einen Strich an die Küchenwand. Es sind viele, leider vertut er sich immer wieder beim Umrechnen der Striche in Zeit, deswegen helfe ich, die auktoriale Erzählerin: Schon sieben Jahre sitzt er auf der Insel fest. Aber nicht untätig. Mit großem Geschick baut er den Hühnergrill in ein Landgasthaus mit Hergottswinkel und Kegelbahn um. Und weil Routine alles ist, umgibt er den Dschungel, seinen Rohstofflieferanten, mit einem Lagerhaus, in dem er wochentags von 9 bis 18 Uhr einkaufen kann.

Freilich baut er auch ein Steinmarterl an seiner Landungsstelle, dort, wo er den endgültigen Tod seiner Hühnchen festgestellt hat. Mit der Zeit baut er aus dem Marterl eine Kapelle, dann eine Kirche, schließlich schnitzt er eine Kopie des Kefermarkter Flügelaltars hinein.

Und doch ist Robin traurig und einsam. Trotz großer Mühen mit der Brauerei kriegt er kein gutes Freistädter Ratsherrenbier hin. Das schlägt ihm aufs Gemüt. Inzwischen summieren sich seine Striche in der Küche schon auf 23 Jahre. „Wa i do nua dahoam, do kinnt' i in Pfrühpension geh!“, weint er innerlich. Da! Ein Laut vom Strand, der so klingt wie Robins Seele klagen würde, wäre sie nicht in so einem knorrigen Leib drin.

Robin eilt hin, dort liegt, von der Gischt angespült, ein Wilder; Robin schüttelt und spricht ihn sachte an: „Hötaus! Wo hodsn di heagschwoabt?“ Als der wilde Rumänenbub endlich die Sprache wiederfindet (er kann relativ gut Deutsch, das können dort unten alle, weil sie ja nur darauf warten, das Werkl im Westen zu übernehmen), da erzählt Montag, so nennt ihn Robin, dass er vor seinem bösen Volk flieht, das wolle ihn zwingen, Mitglied einer Ostblockbande zu werden.

Robin nimmt Montag unter seine Fittiche, das ist die Ablenkung, auf die er so gewartet hat. Er lehrt ihn das Kegelscheiben, das Bratl mit Kruste, das Tarockieren und das Brennen des Sauhäuternen. Montag wiederum bekehrt den Ungläubigen Robin zum Atheismus. Und dann kam auch noch die Liebe dazu, es war sehr schön für die beiden; wer hätte das gedacht, dass der Robin vom anderen Ufer ist.

Und so waren sie lange fröhlich, bis es ihnen zuviel wurde und sie nach Gramastetten heimkehrten. Dort wurden sie zwar wegen der Homosexualität gehänselt, sie trösteten sich aber mit Gramastettner Krapferl, Schlägl Kristall und den Annehmlichkeiten des Sozialstaates, dank dessen sie zuerst eine neue, sauteure Keramikhüfte bekamen und schließlich friedlich im Bezirksaltersheim entschlafen durften.

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