Dienstag, Mai 22, 2012

Jetset für Arme, Teil II

Auf dass es bei der Lesebühne in Zukunft gleichfalls nicht nur um fallende Nachbarinnen und geisteskranken Staub gehe, begaben sich am Wochenende 66 Prozent des Ensembles auf Klausur. Im Vorjahr hatten wir dabei ja im Waldviertel unabsichtlich eine Zeitmaschine entdeckt.
Heuer setzten wir uns auf eine Ducati und ließen dem wilden Ding freien Lauf. Es verschlug uns ans böhmische Meer - vorbei an Bösenmeunzen, Merkenschergen, Armschlag und Kleinpoppen. Und an tiefergelegten Trabis. Abenteuer zuhauf! So ist etwa im Burgpark von Telč der baumgewordene Torso einer nackten Dame zu besichtigen. Arg.


Einfache Gemüter haben ja schon ausreichend Unterhaltung mit missratenen Übersetzungen, wie sie nicht nur in der renaissancen Umwelt von Böhmen vorkommen.

Apropos renaissance Umgebung:

Tags darauf durchquerten wir das Waldviertel. Es kann mit Bestimmtheit festgestellt werden, dass die Gentrifizierung durch Wiener Bobos noch nicht bis Waidhofen an der Thaya vorgedrungen ist. Hier wachsen noch Birken aus der Pestsäule, hier wird vor sozialen Aktivitäten noch gewarnt.

Völlig zurecht! Gewarnt wurde vor dem fahrenden Volk, das auf dem Waidhofener Stadtplatz eine kommerzielle Wagenburg errichtet hatte.
Am "Fischmarkt" wurden den Waldviertler Karpfenbauern Makrelen aus der Nordsee angedient, die aussahen, als habe man sie in Motoröl mariniert. Daneben Platzspar-Kleiderbügel, Nagelzwicker, Protzuhren, Backfische. Ein Holländer versuchte den Bewohnern des grünsten Fleckens Österreichs braune Stechpalmen zu verkaufen. Ein Dickwanst aus dem Ruhrpott stampfte ärgerlich auf der LKW-Ladefläche herum, weil niemand seinen Käse  in Kübeln haben wollte. "Ich verkaufe auch an Motorradfahrer!", blaffte er uns nach. Die Kübel glichen ganz jenen, in denen man Altöl sammeln soll.

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