Lebenskrimskrams
im März 2024
1.3.
Im
Bahnhof stolziert ein Typ in Faschingshosen daher, die aussehen, als
trüge ihn ein Schimpanse. Das in Linz, nicht Wien! Es sind die
Narren, die aus ihrer Stadt eine City machen.
Rätselhaftes Kunstwollen in der City von Wien
***
Bei
Gelegenheit eine Liste der Dinge erstellen, die wegkönnen. Platz 1: männliche Ko-Referate. Ein Kollege kommentiert das Geschehen, als wär' er auf Twitch. Ich selbst habe die
Neurose, bereits nach vier, fünf Gesprächsbeiträgen zu viel gesagt zu haben (und es könnte ja auch stimmen). Apropos
„Kritik hintenrum“: Ein Kollege hat in „Literatur und
Kritik“ eine kurze Beschwerde über die Generalversammlung der GAV verfasst, bei
der er ja „als Außenseiter unter Außenseitern“ gewesen sei.
Über die „Mohr im Hemd“-Debatte berichtet er so schief, als sei
er dabei ganz allein mit seinem Wunsch geblieben, weiter das N-Wort
ausschreiben zu dürfen, wenn es „die Kunst“ verlange. Weder bei
der Sitzung noch später beim Bier sagt er ein Maulvoll, was er denkt. Aber ich kritisiere hier ja auch hintenrum (nur - wer liest das hier schon?) Jopa erzählt, ein Kollege habe vor Jahren den Antrag
gestellt, die akademischen Grade der Mitglieder zu erheben, man wisse
ja gar nicht, wer fertig studiert habe!
2.3.
Buttingers
60er: Das Glück kleiner Tanzekstasen, DJ Bea checkt genau, welche
Generation da grad hopst. Nach „Jump around“, „Song 2“,
„Paradise City“, „Insane in the Brain“ und „Killing in the
Name of“ winselt die Generation X um Gnade, jetzt könne sie
wieder Abba für die Boomer spielen.
Als
ich nach dem Hund sehe, „erwische“ ich eine Gästin, die sich
klammheimlich aus dem Partytrubel ins Hundekammerl gestohlen hat und
hier selig streichelt. Nur mit der linken Hand, die rechte hat sie sich
vor einer Woche beim Hundestreicheln gebrochen. <3
3.3.
Ein
Tag mit der Geschwindigkeit, als bewege man sich unter Wasser.
***
Im
„Literarischen Duett“ auf Ö2 macht mir der Bücher-Alex quasi
eine Liebeserklärung (er sagt wirklich „ich liiiiebe Dominika
Meindl). Ab jetzt bin ich gegen die Trennung von Werk und Autorin.
4.3.
Lesefrüchte: "Manchmal
kamen sie bis nach Schaas, wo die Wusch hindurchfuhr.“ Aus dem
Roman „Die Erfindung des Countdowns"
5.3.
Wien – Buchpräsentation
Immerhin
gelingt es mir, beim vom ORF gefilmten Schreiten durch den
chinesischen Lustgarten des „Sichuan“ nicht zu stolpern, aber
beim links bzw. rechts abbiegen wird es schon schwieriger. Ich
bedanke mich am Ende dafür, nicht beim versonnenen Blättern im
eigenen Werk posiert haben zu müssen. „Wir ham's ja aa ned so
leicht!“, sagt der freundliche Ton-Mann. Während des Interviews
mit Sophie Weilandt denke ich die ganze Zeit, dass ich das besser
könnte. Aber egal, dafür hat es mir keine schlaflosen Nächte
bereitet, nur einen nervösen Vormittag.
Die
guten Menschen vom Verlag und ich werden um 18:50 Uhr nervös, weil
noch niemand ins Spektakel gekommen ist – die Welt ist
vernünftigerweise von 19:30 ausgegangen, was dann auch gut klappt.
Alex Potyka sagt sehr zu recht, dass ihm mittlerweile alles, was eine Stunde
überschreite, zu lang dauere. In Minute 49 klappe ich dann das Buch
zu – auch weil ich alle halbwegs heiteren Passagen daraus
vorgelesen habe. Es ist sehr schwer, nicht auf Unterhaltung zu lesen.
Das vergnügungssüchtige Volk (hoher OÖ-Anteil) lacht übrigens
schon bei der bloßen Erwähnung von „Raiffeisen“. Schön, aber
absurd, wegen der grellen Scheinwerfer quasi allein im Angesicht
aller im Dunklen Sitzenden still dazusitzen, um „Kreisky“ zu
hören.
S.
ist etwas enttäuscht, weil ihr „I stich di o in da Nocht!“ den
Nachrang gegenüber „Männer schauen im Schlaf aus wie Welpen,
damit wir sie nicht erschlagen!“ bekommen hat.
6.3.
Neunkirchen
Ein
Cocktail aus Kater und Todesangst beim Klettern, zu meiner Schande
krieg' ich beim Vorstieg in einer 5- kurz die Nähmaschine.
Andererseits: voll der Jungbrunnen! Und trotzdem eine Freude.
Wie
halte ich es immer wieder Monate ohne B. aus?!
Nahtoderfahrungen
im Zug („Nahtod im Nahverkehr“) und später auf der Couch.
7.3.
Nächste
Woche bin ich nach 32545 Jahren wieder zu einem Slam geladen, was
mich wegen der Wettbewerbssituation ziemlich inkommodiert (fürs Üben oder
gar neu Schreiben bin ich trotzdem zu faul). Ist es gut oder
schlecht, dass mich in Hall eh kein Mensch kennt?
8.3.
Die
Sträucher sind voller Meisen. Sie begutachten nervös und unzufrieden die morschen
Vogelhäuser.
***
Mein
Posting zum Tag („Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein
engagierter und liebevoller Mann“ ist 90mal geteilt worden. Derzeit
kann ich gegen Facebook echt nichts einwenden, auch wenn ein Kerl
irgendwo „wenn ich das umgekehrt als Mann schriebe!!“ drunternkommentiert
hat.
***
Endlich
werde ich als „Künstlerin“ ins Brucknerhaus geladen! Zwar muss
ich mich auf dem Damenklo gemeinsam mit Musical-Tänzerinnen schminken
(also ich eher „schminken“), aber der Frack ist endlich dort, wo
er hingehört. Später tanze ich „Ballett“ mit Zoe, damit's recht
ausgibt.
9.3.
Wojteks „Wohngespräch“ im Standard ist endlich erschienen. Es fühlt
sich herausfordernd an, dass nun viel zu viele wissen, wie es bei mir
zuhause aussieht. (Und in den Kommentaren einen Haufen erwartbarer
Tipps zur Optimierung geben, die allesamt dem Geschriebenen
widersprechen, das sehr klar macht, dass ich kein Geld für
Optimierung habe). Die meisten aber freuen sich, etwa J., der sich
ganz wunderlich erinnert, wie er hier einst besoffen zu „Limp
Bizkit“ hüpfte. P.H. empfiehlt „emotionalen
Denkmalschutz“, und im Kommentar ist einer froh, dass endlich
einmal jemand nicht mit seiner Wohnung beeindrucken will.
Optimistisch gedacht werde ich mich wohl daran gewöhnen müssen, mit
viel fremder Meinung konfrontiert zu sein.
Die
„geliebten Hausdrachen“ drohen damit, peinliche Details aus
meiner Jugend („sie war immer langweilig und konventionell“) an
die Presse zu verraten, in der Sekunde, in der ich abhebe.
***
Glückliches
Herumbandeln samt Mittagsschlaf. Später Damentreffen im Kroko, ich
bringe den Toast aus „Auf uns! Dass wir noch nie einen Mann
erschlagen haben!“ „Warum bist du dir da so sicher?“, antwortet
C. sehr schnell.
10.3.
Apropos
„abheben“: Es wird schwer, weil ich in der Kletterhalle auf mein
Vorkommen in der ZiB 11 angesprochen werde. Ich sage 1,5 Sätze, bin
aber zufrieden, weil ich lieber die beiden Hallstatts sehe als mich
selbst beim Sprechen.
13.3.
Bodenloses
Desinteresse an einem zeitgenössischen Versepos in Paarreimen über
Liebe und Eifersucht (das ist eine sehr ungerechte Aussage, wie ein
Standard-Kommentar, aber es war mir die Rezension in der ZEIT schon
so eine Qual! Vgl. auch den Briefwechsel Frisch vs. Bachmann).
14.3.
Wels – Hall
Im Zug diktiert und dirigiert eine
gspritzte High-Performance-Mindset-Frau ab
Attnang-Puchheim per Handy, es fallen Bullshitphrasen wie „das
klären wir bilateral mit dem Vorstand“. Menschen empfinden wohl ein seltsames Erwachsenseinsgefühl, wenn sie so etwas daherplappern. Wie Kinder, die gefladerte Zigaretten paffen.
In
Salzburg wirken die Menschen viel höherwertig, wie MarcO'Polo im
Vergleich zu H&M. Männer joggen paarweise durch die Stadt. Ich
trage meinen Frack über der Schulter, wie die langsamste Superheldin
der Welt, die zehn Minuten braucht, um sich aus ihrer Alltagsperson
zu schälen.
Hall
ist absurd hübsch, fast wundert man sich, dass hier tatsächlich
Menschen leben und in lauter Handwerksbetrieben in den Erdgeschoßen
werken, als würden sie vom Tourismusverband dafür subventioniert. Auch der
Klang der Sprache ist malerisch, auf Tirolerisch hört sich gleich
alles gefällig an, wenn etwa eine Mutter die Kleinen lenkt. „I
moa, es isch nit guat, wann's do laft's, do isch lauta Hundegacka!“
Im
Stromboli reden wir dann auch durchgehend über Hunde, junge Mütter
könnten nicht monothematischer sein. Die jungen Slammerin sind
unglaublich lieb. Hunde und Notizbücher sind unser Prestigeobjekte,
„zoag ma deinsch!“ Die Bienenkönigin erzählt, dass die Kärntner
Imker nicht nur menschlich noch extrem rassistisch seien. Elif zeigt
mir später, wie man ganz easy Fotos per Airdrop teilt, ich schau ihr
zu wie eine verzauberte Oma. Zu
meiner großen Entlastung darf ich zweimal Opferlamm sein, statt
gegen die fantastischen und mittlerweile mit allen Slam-Wassern
gewaschenen Damen antreten zu müssen. Ich entschuldige mich für
kulturelle Appropriation, weil ich in einem Text Hansi Hinterseer
sprechen lasse. „Es isch eh a Unterländer.“
Tirol
ist slammäßig übrigens total versext, die treten auch nackt in
Saunen auf! Ist eine ärgere Alptraumverwirklichung denkbar?! Vom
„Erotik-Slam“ spreche ich gar nicht – da melden sich sogar die
Eltern der jungen Poetinnen an. ZUM MITMACHEN.
15.3.
Hall – Schönering
Wir
fahren seit ca. 47 Minuten durch einen Tunnel. Weird.
Am
Nachmittag klingelt es an der Haustür, davor stehen zwei zuerst
unbekannte Frauen, offensichtlich Mutter und Tochter, Letztere hält
mein Buch in der Hand, was literally
ein door
opener
ist. Erstere sagt, sie hätten es
schon dreimal bei mir probiert. Folgendes Anliegen: Die Tochter
müsse im Gym ein GANZES Buch(!) eines lebenden(!!)
deutschsprachigen(!!!) Menschen lesen(!!!!) und es dürfe KEIN
Fantasy-Roman(!!!!!) sein! Das Mädchen nickt dabei ganz energisch.
Jetzt wollten sie fragen, ob mein Buch, das sie von der Oma geschenkt
bekommen hätten, etwas für sie sei. Ich stammle herum,
keine Ahnung, die 1,5 Sexszenen werden ihr eher zu fad sein.
16.3.
Vielleicht
schon der größte Roman-Triumph des Jahres: S. hat sich die
OÖN-Rezension mit Tixo auf ihren Rollator kleben lassen.
***
Vielleicht
schon der beste Mittagsschlaf des Jahres (im Wintergarten)
17.3.
…
nein,
heute! (Gamskögerl).
***
Helmut
Qualtinger spielt österreichische Idealtypen bei Straßenumfragen.
Teddy Podgorski: „Wie beurteilen Sie die Zukunft Österreichs?“
„I bin Beamter.“
18.3.
Wien
Lange
finde ich nur Finis Ticket, der Westbahn-Mann sagt „Der Wuffi darf
schon mal mitfahren.“ Es steht nur „Tier“ drauf, und er
bestätigt mir, dass ich auch eine Kuh mitführen dürfe, solange sie
an der Leine sei und Maulkorb trage. Schließlich halte ich dem
jungen Mann das Handy hin wie eine alte Frau, die im Spar einfach das
Münzfach öffnet, damit sich die Kassierin den passenden Betrag
raussucht.
***
Verwunderlich,
dass Erwin Uhrman und ich einander erst heute unterkommen, wir finden
so viele Parallelen, das Mühlviertel fast zuletzt, da er ein sehr
gepflegtes Österreichisch spricht. Ich muss mich erst daran
gewöhnen, dass diese Promo-Ausflüge auch ein legitimer Teil meines
Erwerbslebens sind (es ist ungewohnt, gefragt zu werden und einfach
unvorbereitet sprechen zu dürfen).
19.3.
Am
Tag des Nährvaters Josef blüht der Marillenbaum doch noch ein
bisschen.
***
D.
war dieser Tage im Kepler Salon und kam neben einem raumgreifenden
Manspreader und Huster zu sitzen, der mit der Gattin dann auch noch
Quargel zu jausnen begann.
***
Träumen
ist das Ludeln des Geistes.
20.3.
In
der Falter-Rezension hebt auch der gute Kaindlstorfer den Welpen-Satz
hervor. Ich habe sehr schlau gestohlen.
Experiment Literatur mit Jana Volkmann und Raphi Edelbauer = Beste!
21.3.
Linz – Leipzig
Mit
Cordi im Zug. „Wir sind schon fast über der Grenze.“ „Ja, da
draußen bröckelt schon alles! Oh, warte, das ist erst Bad
Schallerbach.“
Die
Deutsche Bahn legt sich voll auf Schiene, um ihrem kabaretthaft
schlechtem Ruf auch für uns gerecht zu werden. Der Zug nach Nürnberg
fällt aus, wir haben lange Aufenthalt in Regensburg, das Wetter legt
sich auch ins Zeug, um den Namen zu stützen. Es gibt kein
vernünftiges Café, also gehen wir zum Burger King, wo neben mir
eine beim Bestellen fragt, ob's was mit Pommes gebe.
Kurz
nach Regensburg bleiben wir stehen, es erfolgt irgendwann die
Durchsage des Zugführers, dass wir, „wie Sie bemerkt haben,
stehen“, weil die Strecke vor uns „absolut marode“ sei und er
deswegen nur 20 km/h fahren dürfe, was vorher aber schriftlich
von der Fahrdienstleitung genehmigt werden müsse. Die Fensterscheiben sind so verdreckt, dass
Bayern aussieht wie nach einem Fallout. Man erkennt gut, wer auch zur
Buchmesse will. Neben uns versucht eine gelangweilte Mutter immer
wieder, ihre BookTok-Tochter in Smalltalk zu verwickeln, die aber
lesen will (sweet!). Beim Umsteigen in Hof muss dann ein wenig
gerannt werden, sodass im glücklich erreichten Bummelzug allgemein
schwer geatmet wird. Dafür sehen wir das Vogtland zuerst durch klare
Scheiben, später macht sich im Dunklen Behaglichkeit breit
auf unserer Fahrt durch Weida, Feilitzsch, Zeulenröda, Groß-Dalzig
und Mehltheuer. Cordi, versonnen: „Urlaub in Deutschland –
Entschleunigung pur!“
Wir
koffern noch ein wenig durch Leipzig und trinken dann recht rasch ein
wenig zu viel Bier, um die zwei Stunden Verspätung wettzumachen.
22.
März Leipzig
Foto: Coala
Recht
engagiertes Shopping: 1 Keramikoktopus, 1 Buchmessemantel (der Coala
etwas nervös macht, weil der die Eleganzbalance zwischen uns beiden
stört), 1 Schneidbrett „Du bist mein Wels in der Brandung“ (großes Gelächter, als Coala und ich gleichzeitig zur anderen damit
rennen). Ich bin ziemlich on fire, das Geld sitzt locker, ich könnte
binnen einer Viertelstunde mein Erbe in all diesen entzückenden Kram
investieren.
Wort
des Tages: „Knödelgestöber“ (quasi die lokale Version von
Kaspressknödeln). Die Wurst hat main character energy in der
Sächsischen Ernährung. Eine gefüllte Streuselschnecke möchte auch
hier ins Notizbuch.
Ein
riesiger Pikachú taumelt durch den Family-Party-Shop am Bahnhof.
Nach
drei Stunden Sightseeing hat Coala 1200 Schritte mehr gemacht. „Weil
du zu sehr bei einzelnen Dingen verharrst!“, sagt sie, die in den
Geschäften wie eine Maus zu den Körnern huscht. Sie sagt hier
dauernd „Grüß Gott!“, was sie in Wien nie macht, es ist ein
kleiner Streich ihres Unterbewusstseins.
Die
sächsische Mentalität ist recht divers. „Wir haben nichts zu
verschenken!“ blafft der Typ im DHL-Laden, als ich ihn um einen
Streifen Klebeband von seiner Rolle bitte. Aber die Bediensteten der
streikenden Verkehrsbetriebe sagen „Das ist der Wiener Schmäh!“,
als wir uns nach etwas Murren mit den Zielen der öffentlich
Bediensteten im Kampf gegen die Bonzen solidarisch erklären. Dann
gelingt es uns durch Katzenpfötchengesten, den Straßenbahnfahrer
zum erneuten Öffnen der Tür zu bewegen.
Das
Messegelände ist sehr weit draußen, fast schon wieder in
Zeulenzeilitzsch-Großmehl, weit nach dem letzten Baumarkt & Obi. Beim
Aussteigen sind wir sofort überwältigt. Was für eine großartige
Idee, die Cosplay-Convention mit der Buchmesse zu koppeln! Wir
bewundern die Energie, mit der die Leute ihre opulenten und unglaublich
unbequemen Verkleidungen durch das Gewühl navigieren. Coala
verabschiedet sich in diese bunte Parallelwelt und wird zwei Stunden
total reizgeflasht wieder aus ihr zurückgespült, mit glänzenden
Augen.
Fiston,
der 1. große Preisträger hier, tut glaubhaft so, als würde er mich
wiedererkennen, und er sagt, er ließe sich gern jedes Jahr wieder in
wechselnden Rollen in den Schl8hof einladen. Im Bummelzug hat mich ja
Fasthubers Nachricht erreicht, dass Barbi Marković
„uns den Schas gewonnen“ habe, wir waren stolz, als wäre sie
unsere Cousine, die es zu was gebracht hat.
Ich
versäume sämtliche Lesungen, vom Hirschl, von Marianne, von Karin,
von Barbara Rieger, aber uns trennen zuhause ja nur zwei Stunden Zug
bzw. zwei Hügel Luftlinie. Angesichts all der Verlagsstände frage
ich mich, wer das alles lesen soll, und mein Buch obendrein. Vor den
New-Adult-Autorinnen bilden sich aber hunderte Meter
Warteschlangengekröse, es sieht aus wie auf einem
Sommerferiencharterflughafen für junge Damen.
Coala
bilanziert schließlich mit 24.000 Schritten (ich 22.000), sie
schreibt, „während Minkolonia beim Smalltalk erstarrt, stöbere
ich durch einen Hektar Japan-Cosplay-Kram! #Bliss!“
23.3.
Leipzig
Coala:
„Ich habe mir gestern extra Katzenohren gekauft, mit denen ich
Minkolausia heute blamieren möchte – außerdem werde ich alle
New-Adult-Stände abwandern und damit vor den intellektuellen
Picus-Menschen wie eine exotische, pinke Koralle herumwacheln, bis
sie in Ohnmacht fallen!“
Wahrscheinlich
habe ich in meinem ganzen Leben noch nie so viele Menschen leibhaftig
gesehen wie heute in einer Stunde. Wenn nur ein Drittel davon
tatsächlich liest, läuft der Kulturpessimismus ins Leere.
Schön,
wie sich die Leute in den kleinen Lesestationen vom Gewühl ausruhen,
dabei nehmen sie geduldig eine ziemliche Lesungslotterie in Kauf. Als
ich dran bin, haben sie gerade einen Krimi eines pensionierten
Leipziger Lehrers gehört, und nachher präsentiert einer seinen
Krimi, in dem Olaf Scholz(!) der Ermittler ist. (Nachtrag Oktober
2024: Der Autor stammt aus Linz und hat etliche von Udo Jürgens'
Hits getextet, irre!). Ich lobe das Publikum und verspreche, es nicht
aufzuregen – es ist sehr laut, da auf der Bühne neben uns viel zu
gut aufgelegt und unfair besser mikrophoniert über das Sächsische
geschnattert wird.
Bei Picus trinken wir ab dem frühen Nachmittag Sherry,
wir sitzen zufrieden da und betrachten die Cosplayerinnen, die es
hier herverschlägt. Eine trägt Plüschrüben auf dem Kopf.
Später
führt mich Coala in dieses Reich. Eine gewaltige Warengrotte. Kurz
erwäge ich, ein hölzernes Samuraischwert zu kaufen, es fiele hier
niemandem auf, wenn ich damit durch die Stadt spazierte, man trägt
riesige Plastikäxte und enorme Laserpistolen als Accessoires auch in
der Innenstadt.
In
der Tram dann starke Dekompensation, wir kommen kaum aus den Sitzen,
und es wird ein wenig schwer, mich für die dritte Lesung an diesem
Tag zu motivieren. Freundlicherweise bietet Luca Kieser an, mit mir
vorher in Plagwitz essen zu gehen. Er ist ein guter Typ, so viel
jünger und ambitionierter.
Im Westflügel ist es sehr
heimelig, es riecht nach dem Holz, mit dem geheizt wird. Mit Reda
el-Arbi, der bei der Lesung neben mir sitzt, freundle ich sogleich,
vielleicht wegen der Zugehörigkeit zu seltsamen Bergvölkern, eher
aber wegen Freundlichkeit. Und er lässt sich, gemeinsam mit seinem
Lektor, später in der Straßenbahn sofort für „Kreisky“ einnehmen.
24.3.
Leipzig – Wels
Der
Wecker läutet früh und sehr ungelegen. Im Zug nach Warnemünde
kommt uns kurz der Gedanke, gleich an die Ostsee zu fahren, aber wie
kommt man von dort bloß wieder heim? Man muss bei der DB jede
Chance nutzen, um ihren Fängen wieder zu entkommen. In Halle
müssen wir auf den Fußboden des Kinderabteils, in Nürnberg trauen
wir unserem Glück kaum, im fast leeren, warmen Ruheabteil zu sitzen
– sogar den Pemperlzug nach Passau derrenne ich noch.
Am
Bahnhof begrüßt mich Fini wie in diesen amerikanischen Videos, in
denen Soldaten nach Jahren vom Einsatz im Irak zu ihren Hunden
heimkehren.
Erschöpfung
der guten Art.
25.3.
Als
ich am nächsten Tag die Taschen in der Diele fallen lassen,
entschlüpft mir unabsichtlich ein „Hallo Haus!“
26.3.
So
gut wäre ich beim Kompostschaufeln, aber ich musste ja Philosophie
studieren.
***
Das
Brucknerjahr belastet mich jetzt schon.
***
„Ich
weiß, dass die Welt existiert, aber ob ich existiere, weiß ich
nicht.“ Robert Walser
***
Es
gibt ein "Anti-Müller-Hormon", das sich gegen späte Babys richtet.
***
Angeblich
(Quelle: Internet) ist die Quelle der Prokrastination / die
Antriebskraft, Dinge endlich zu erledigen die Schuld. Das sollte eine
katholisch Desensibilisierte wie mich eigentlich nicht anfechten.
***
Bissi
rätselhaft, warum sich bei einer Autorin wie Melandri immerzu Brüste
quellend unter der Dirndlbluse abzeichnen müssen, sollen damit die
Männer ins feministische Boot geholt werden?
***
Die
Kunst, die ich am wenigsten von allen beherrschen will, ist die der
Verführung.
27.3.
Der
Wind treibt die Meisen über den Garten. Es ist eine der schönsten
Erinnerungen an den Lockdown vor genau vier Jahren, als ich die
Vormittage mit dem Beobachten der Vogerl im Garten vertändeln
durfte. Dieses Schauen (interesseloses Wohlgefallen) ist in Relation
zur Ornithologie das Äquivalent des Duschträllerns zum Operngesang
(und das wiederum der Komplexitätsgrad der Gesänge von Spatz und
Nachtigall).
***
Gestern
die silberbleierne Donau, gut genug für Lyrik. Diese Woche gerät
zum Gegengewicht zur vergangenen, Landmaus vs. Stadtmaus.
***
GAV-OÖ-Sitzung.
Ausgemacht ist 18 Uhr, aber um 17:45 sind schon alle da; ich muss bei
der Pünktlichkeit bei den Generationen genauso flexibel sein wie bei
der kulturellen Herkunft.
Später,
beim Bier: W., Ch. und ich reden über den Nahostkonflikt,
bis wir vollends traurig sind. Chr: „Lasst uns über etwas anderes
reden.“ W.: „Ja, bitte!“ Chr.: „Reden wir über die
Ukraine!“
28.3.
Die
Donau schenkt mir vielleicht so oft kleine Gaben, weil sie glaubt,
ich opferte ihr dauernd mein Liebstes, weil ich Fini mit Stecken in
sie hineinlocke (das Gfrast schwimmt zu Fleiß wieder heraus aus der
Opferrolle).
***
Auf
TLC ist endlich kein „Mein Leben mit 300 Kilo“ mehr, es ist eine
Entlastung, die ich selbst nicht geschafft hätte.
29.3.
„Großindustrieller
des Geistes“, Musil über den Großschriftsteller: „Zwischen Graz
und St. Pölten gibt es viele, die genauso auszusehen vermöchten wie
der Monte Rosa, bloß stehen sie zu niedrig.“
„Kritiker
sind sehr oft keine bösen Menschen, sondern dank der ungünstigen
Zeitumstände gewesene Lyriker, die ihr Herz an etwas hängen müssen,
um sich aussprechen zu können“. Ich wage kaum noch, damit
hausieren zu gehen, wie viel mir Musil bedeutet, weil es schon fast
so ist, als brüste man sich damit, Kafka gut zu finden.
***
Ein
Buntspecht bumst gegen die Scheibe, ich springe auf, um nachzusehen,
ob er eh nicht betäubt den Katzen ausgeliefert daliegt, da erbliche
ich einen Fasan, der furchtlos über die Terrasse stolziert, auf der
Suche nach einer Bumserei.
***
„Das
Dumme an einem Roman ist ja, dass man ihn nicht nur genießen kann,
wenn er fertig ist, sondern dass man ihn auch schreiben muss.“
OÖN-Interview anlässlich Robert Schindels 80er.
***
Dass
sich ein jedes Mal immer alles irgendwie ausgeht für die Lesebühne
ist ein allmonatliches Kleinwunder. Heute hatte übrigens das
Publikum mehr literarischen Marktwert als die spielende Mannschaft,
weil Hirschl, Köhle und Mieze sich zu uns verirrt haben. Als wir Ersteren zur Welser Oma chauffieren,
streichelt er leicht betrunken Finis Kopf und freut sich an dieser
Bösewicht-Pose aus früheren Zeiten.
Unsere intensive Begeisterung über Anna-Lena Obermoser wär' sehr gern hier im Lesebühnenblog nachzulesen.
30.3.
„Brust
oder Keule“, der Autos wegen.
31.3.
Ostersonntag. Auf dem Balkon des Sengsengebirges
Zwei, die eh keine reinrassigen Typen an sich ranlassen würden
Ein
Typ mit reinrassigem Border Collie teilt mir mit, dass sich Fini bei
seinem „Sullivan“ in Sachen Deckung hinten anstellen müsse, da
er so gut gebucht sei, und überhaupt erlaube der Zuchtverband
Deckakte nur mit reinrassigen Hündinnen.
Ein
gelungener Schlaf angesichts des Prielkamms.