Mittwoch, November 06, 2024

Vergrabt euer Anliegen an der Biegung des Flusses

Völlig verrückt, historisch gesehen, wie gern die Menschen in den 1980ern noch telefoniert haben, mit sieben Meter langen Kabeln durch drei Meter lange Kinderzimmer, völlig irre!

Bitte ruft mich nicht an! Schreibt mir lieber ein SMS, wenn's dringend ist, aber lieber wäre mir, wenn ihr es nicht so weit kommen lasst, dass es dringend ist, dann reicht ein Email, aber ich komme grad nicht zum Antworten. Whatsapp bitte nicht unbedingt, das ist mir zu privat – und SMS bitte nicht mehr ab 18:30. Signal geht immer, aber das hab' ich auf lautlos. Ruft mich nicht an, ich melde mich. Per Telepathie, lest meine Antwort am Flug der Saatkrähen ab, die Borkenkäfer nagen mein Feedback unter die Rinde der Fichte, die in der letzten Serpentine vor der Hintersteineralm liegt. 

Mit freundlichen Grüßen

die Generation X

Freitag, September 27, 2024

Ein paar eitle und ein paar innige Sätze zu Bodo Hell

Seit 9. August wird es kaum eine Begegnung unter Literaturnahen gegeben haben, in der nicht sorgenvoll das Gespräch auf Bodo Hell gekommen ist. Wir alle vermissen ihn und bitten insgeheim den Dachstein, ihn uns wieder zurückzugeben. 

Es ist schon so viel über ihn gesagt worden (besonders schön etwa vom Kollegen Stöger im Blog der GAV OÖ). Wir wollen alle noch so viel über ihn sagen. Ich würde mich unendlich freuen, wenn ich dieses Posting löschen kann, weil er auf irgend eine (mittlerweile verrückt unwahrscheinliche) Weise lebendig und gesund seinen Weg zu uns zurückfindet. 

Zum ersten Mal hatte ich ihn in Innsbruck getroffen, bei den Wochenendgesprächen, wir kamen sehr bald auf die gemeinsame Freude über leicht bescheuerte Worte wie "hubschrauberbringbare Jagdhütte". Darum war ich nicht übermäßig besorgt, als er jahrs darauf recht kurzfristig unser Lesebühnengast beim Festival der Regionen war. Bodo bringt immer Geschenke mit, dieses Mal sündteures Sauerteigbrot "aus der Stadt, weil ihr am Land ja keins habt", sagte er mit diesem fantastischen Hell-Kichern. 

Er lachte auch sehr über unsere unseriösen Gebarungen, als René und ich etwa vorgaben, den Buttinger zu schlachten und zu essen - ein kleiner Hund aus dem Publikum sprang ihm in ehrlicher Erregung helfend bei. Bodo verlas eine botanische Phänomenologie der Capsicum-Gattung. 

Im Mai dieses Jahres kam er zu uns nach Wels, dieses Mal hatte er Meisterwurz-Schnaps mitgebracht, und für alle die dritte Auflage von "Begabte Bäume". Julia Jost und er wanden mir irgendwann das Heft der Moderation aus der Hand, ich ließ es glücklich geschehen, sie unterhielten sich über Fleckvieh und Kärntner Gebirgsauffaltungen.
 

Weil das alles hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, veröffentliche ich das wertvollste Stück meines künftigen Vorlasses, nur deswegen wird mir das Stifterhaus in 30 Jahren ein paar Hunderter für meine Postkartensammlung zahlen: 



Als Gipfelpunkt der Koketterie zitiere ich mich am Ende auch noch selbst, denn etwas anderes kann ich im Grunde nicht sagen: "Jetzt ist aber Schluss mit dem Tod!"

Dienstag, August 20, 2024

Der Kostenfaktor Mensch ist für uns leider nicht mehr darstellbar

Irgendwann wird die Raika Selbstschussanlagen in ihren Filialen installieren, um den Kostenfaktor „Kundenbetreuung“ positiv zu saldieren bzw. den Kostenfaktor "Personal" besser darstellen zu können. Es wird wohl Unmut geben, aber Anzeigen können nur in den Landeshauptstädten aufgegeben werden, in Polizeiwachstuben mit Parteienverkehr von Dienstag 8 bis 8:15. Der Postbus fährt um 7:59 ab und um 15:38 zurück. Telefonisch kann man 24/7 anzeigen, unter einer kostenpflichtigen 0900-Nummer, die in ein Callcenter in Bangalore führt. 34 Minuten Wartezeit sind fix programmiert, abgespielt wird der WKO-Song über die Vorteile des 12-Stunden-Tages. In Minute 35 sagt das Tonband mit der Stimme von Christiane Hörbiger „Derzeit sind alle Leitungen besetzt, die nächste freie Leitung ist für Sie reserviert.“ Nach weiteren 13 Minuten sagt die KI-Hörbiger „Wollen Sie eine Vignette online bestellen, drücken Sie die 1. Wollen Sie ein Leumundszeugnis für einen Heimkredit beantragen, drücken Sie die 2. Wollen Sie eine Personenstandsänderung im Zuge einer Bankfilialenbetretung melden, warten Sie auf die nächste freie Leitung.“ Die Warteschleife entspricht subjektiv dem Sonnenjahr des Uranus. (84 Erdjahre), denn der Kunde will es so. 


Das Bild ist eigentlich lustiger als der Text drüber: Raiffeisen "Jungfrau" hat Harold "Smile the Pain away" als Testimonial fürs Erben und Sterben verwendet.

 

Montag, Juni 10, 2024

Komparatistische Lektüren: Alf und "Die Verwandlung"

Undurchdacht wegen Faulheit, Stress und Alters-ADHS (= das Hirn in der Freilaufzone rennen lassen, weil man zu faul zum Spazieren ist)

Apropos Hirn – meines muss ja leider einmal derfäulen. Drei Jahrzehnte habe ich es vollgestopft mit Humanismus und Bildungsbürgerkram, jetzt entlasse ich es in die Freilaufzone der seichten Populärunterhaltung. 

Neulich bin ich beim Zappen (das TikTok der Generation X) ganz hinten im Sendergekröse (TLC, BibelTV, phönix, disneyTV) bei einer Folge von „Alf“ hängen geblieben. Diese Figur brauche ich hier nicht erklären, das Literaturpublikum ist eh schon mit uns in der Midlife Crisis. Als ich den tolldreisten Gebarungen des Außerirdischen zusah (dessen Pelz im Lauf der 102 Folgen btw. immer speckiger wird), kam mir die Erkenntnis, dass die AutorInnen der Serie eine amerikanisch-lebensbejahende Umkehrung von Kafkas Verwandlung geschaffen hatten: Eine langweilig in den Suburbs von LA (das Prag der 1990er Jahre) dahinlebende Familie mit Vater, Mutter, Sohn und Tochter wird durch das Auftreten einer Mensch-Tier-Chimäre aus dem Gleichgewicht gebracht. Erhebliche Energie muss aufgewendet werden, damit von der mysteriösen Heimsuchung nichts nach außen dringt (Kafka: Amt und Vorkriegsgesellschaft; Alf: die Nachbarn Raquel und Trevor Ochmonek). Die amerikanische Sublimation ist lehrreich: Im Gegensatz zum Borkenkäfer Gregor Samsa, der in fast schon neoliberaler Verblendung daran festhält, in sein Bureau zurückkehren zu können, findet Gordon Shumway sein Glück im Home Office, von wo aus er u.a. mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten telefoniert (seine Freude am Telefonieren ist andererseits extrem old school). Alf muss lediglich seine bestialische Natur im Zaum halten, indem er sich von den Sitten seines Heimatplaneten Melmac lossagt und sich der irdischen Leitkultur des Hauskatzennichtfressens anintegriert, mit Kater Lucky also einen prekären kalten Frieden hält und stattdessen Brians Hausaufgabe anzündet.

Das war mein Beitrag zum Kafka-Jahr 2024, in dem wir des 100. Todestages unseres großen Autors gedenken, möge ihm die Erde leicht sein. Bruckner ein ander Mal.

Samstag, Juni 01, 2024

Schreiben mit dem Hirn eines ungepuderten Amateurs. Balzbalken im Auge

Lebenskrimskrams im Mai 2024

1.5. MAUER 

Der Maibaum steht schon, als wir leicht verkatert zum Kirtag trudeln. Er ist sehr klein, man würde ihn bei einem Besteigungsversuch knicken, man könnte ihn alleine stehlen und in einem Kombi heimbringen. Aber hier in Wiens Bio-Speckgürtel wird man von so derben Bräuchen ohnehin Abstand nehmen. „Von denen sind drei im nächsten Jahr nicht mehr dabei“, sagt G. angesichts der hochbetagten Bandltanzpaare. Ein Megaphon kracht. „Achtung, eine wichtige Durchsage! Die Hüpfburg darf ab 12:30 Uhr auch von Erwachsenen benützt werden!“ Sie hat vier Zwiebeltürme, sie sieht aus wie eine kleine, lila Alhambra, eigentlich eine sehr lustige Verdrehung der in diesen breiten stark memorierten Türkenbelagerungen.

Später jausnen wir die Festreste auf und unterhalten uns über den Apex-Killer von Freundschaften: Knausrigkeit. Nichts degradiert jemanden schneller vom Freund zum Bekannten. Alle haben wir Anekdoten zu bieten, die abmontierten Stromschalter und die auf das Cent verrechnete Obst, das erhöhte Kilometergeld wegen schnellen Fahrens im deutschen Premiumprodukt, vorgetäuschte südamerikanische Leberleiden der Mama, von den Alimenten abgezogene Geschenke... Der Mensch ist schiach, wenn er sich nicht bemüht.

Heimfahrt in Birgits sterbendem Auto. „Bitte nicht auf den Fensterheber drücken, sonst geht die Scheibe nie wieder rauf! Auch die Klimaanlage ist kaputt!“

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Im Traum begleiten Coala und ich Mama auf einen Ausflug nach Sachsen. Sie will Fürstenschätze sehen, aber leider vertrödle ich unendlich viel Zeit, weil ich eine Kletterkarte o.Ä. kaufen will.

2.5.

Die Zahl der Chill-Plätze rund ums Haus steigt, und damit auch die Arbeit daran (heute: Schlafzimmerbalkon). 

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Am Strand treffen wir einen Terrier namens Gwendoline, die auf der Saualpe nicht mehr sie selbst war, weil ein Wolf vorbeigeschnürt sein muss. „Der Terrier ist nicht stur. Er sagt: Wenn du mir gibst, was ich will, kriegst du, was du willst!“

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Ein Tag recht glücklichen Werkens, ohne schlechtes Gewissen wegen des Büroschwänzens, weil es morgen eh schiach wie der Zins wird. Wieder ein Gefecht gegen die Entropie geschlagen, im Keller, am Balkon, im Wohnzimmer, am Dachboden. Emsiges Verteilen von Materie, von außen betrachtet sinnloses Treiben.

3.5.

Ereignisloses Tippen im Büro, wie nebenbei erledigt sich auch noch die Einkommenssteuer, es ist eine komplexe Regulationsmaschine der Prokrastination, die mich irgendwie durchbringt durch meine chores. Nächstes Jahr bin ich dann endgültig bereit, Steuern zu zahlen.

Im Wasserwald. Eine zuvor bewegt wirkende Dame bleibt bei jedem Satz stehen, und sie hat sehr viel zu sagen, über Photovoltaik und Wärmepumpen, ist denn nirgends Asyl vor diesen Themen zu finden?! Es regnet, sie spricht. Ihr Mann und ich drehen uns ungeduldig zu ihr um, wenn er schön gewesen wäre, hätte ich ihn mit nach Hause genommen. Rätselhaftes Individualbrauchtum.

4.5.

Ein sehr schönes Porträt erscheint in der Presse, auf dem ausgewählten Bild monstert Fini einen Hundepassanten an (ich erinnere mich, es war ein auffallend hässlicher Hund), auf dem Foto sieht man, wie ich mich geniere für meinen Flegel. Die einzige Korrektur, sage ich zu Buttinger, beträfe den Satz „lange Zeit war sie Lokaljournalistin.“ „Wieso, zwei Jahre sind eh lang genug.“ True! 


5.5.

Auf dem Jägersteig hinauf zum Seespitz, ich habe mich von Warnschild der Gemeinde ein wenig in Sorge jagen lassen („Auch erfahrene Bergsteiger mussten hier schon mit dem Hubschrauber gerettet werden!“). Irgendwo in der Hälfte kommt mir eine etwa 70-jährige, eh ganz fitte Frau entgegen, sie ist etwas verärgert, weil der Weg gar so schlecht angelegt sei, vor ein paar Minuten habe sie umdrehen müssen, weil kein Steig mehr zu sehen gewesen sei und sie nicht wild durch die Schrofen stapfen wollte. Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, dass sie Crocs an den Füßen hat, da sagt sie selbst, sie habe sogar die Schuhe ausziehen müssen, dreimal sei sie beim Abstieg ausgerutscht! Ich sage, ich würd's mir vorsichtig anschauen und dann natürlich ihrem Beispiel folgen, wenn es zu ausgesetzt ist. Ich verabschiede mich und steige zum Gipfel, ohne recht gecheckt zu haben, welche Stelle sie so aus dem Konzept gebracht hat, aber ich trage ja auch feig gute Wanderschuhe. 


Oben auf der Dümlerhütte sagt die wirklich sehr freundliche Kellnerin, es mache ihr nichts aus, dass ich nur so peinlich wenig Trinkgeld geben könne, „ich mach's ja gern!“ Kurz überlege ich, ob sie mich verarscht (verdient!), aber sie lächelt. 

6.5.

Der JASMIN BLÜHT!!!! Wahrscheinlich ist er erstmals in seiner phylogenetischen Entwicklung so bald im Jahr dran. 

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Unfreiwillige Feuerwehr

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Man kann eigentlich nicht schlecht gelaunt von der Fähre kommen. Ottensheim gewinnt natürlich jeden Wettbewerb gegen Wilhering, nur unsere Ufer sind besser. 

Gramastetten. Zwei Stunden lang der große Himmel über Lichtenhag.

Später, bei der Lesung, frage ich ins Publikum, mit wem ich hier aller verwandt sei, es melden sich erstaunlich wenige. Im Glückskeks, das man mir sinnigerweise zur Deko auf den Tisch gelegt hat, steht noch sinniger „Verliere dich nicht in Selbstzweifeln. Du machst deine Sache gut.“ Wir sind alle gerührt. Und man kann eigentlich nicht schlecht gelaunt aus einer Bücherei gehen.

7.5.

Stichwort „Geusenname“: So wie beim N-Wort dürfen sich künftig nur noch Leute über die woke cancel culture oder die Generation Schneeflocke lustig machen, die verbrieft nicht deppert bzw. antifeministische Privilegienhorter sind. Sprachpolizisten, Leitkulturgeier, bürgerliche Feuilletonisten dürfen explizit nicht.

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Kurz, nachdem der Leckorter wieder gegangen ist (übrigens ergebnislos), lese ich in der ZEIT von der Arbeit eines Penetrationstechnikers (er bricht auf Wunsch in der Firmen ein).

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Träfe ich einen Mann im Wald, würde ich ihn fragen, wo er hinwill um diese Zeit so ganz allein und ihn dem Schutz meiner starken Fäuste anempfehlen, damit er sich weder vor Bären noch vor lüsternen Frauen ängstigen muss.

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Neue Gaben der Donau: sehr kleine Ballerinas, abgestellt wie von einer verzweifelten Dame, die ins Wasser gegangen ist. Daneben eine sehr große, luxuriöse Luftmatratze. 

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WIEN, Literaturhaus, „Freiheit des Wortes“

Daniel Wisser liest einen sehr guten Text über das furchtbare Wüten eines Gewitters im historischen OÖ, ein Blitz hat in das Gramastettner Wegmacherhäuschen eingeschlagen.

Eine winzige, alte Frau nachher: „Und de Linzerin? Kummt de aa mid?“

8.5.

Intensives Herumräumen, sonst nicht viel. Die anderen scheinen auch alle nicht zu hackeln.

9.5.

Die tolldreisten Spatzen werfen jetzt immer die Futterlade zu Boden. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt! (Eine neue Variante der gebissenen Fütterhand)

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Im Wasserwald erzählt mir ein Typ, er sei einmal NATO-Soldat gewesen, deshalb könne er so gut Gleitschirm fliegen – um das Preisgeld bei einem bayrischen Wettbewerb habe er seinem Hund künstliche Hüftgelenke gekauft. Ich hätte ihn sonst eher für einen Hackler gehalten, u.a. Weil er ein halbes Jahr in China vollautomatische Lagersysteme installiert und sich das falsche Hallstatt angeschaut hat („das ist super gebaut!“), aber er sei verwandt mit Rosamunde Pilcher und über 17 Ecken mit Ludwig II. - sein Stammhaus liege gegenüber Neuschwanstein. Er bewirtet Fini und mich auch recht großzügig auf der Picknickdecke.


11.5. BAD ISCHL

Es ist früher Vormittag, als wir mit 3,5 Flaschen Prosecco in sechs Birnen aus dem Zug torkeln. Es zeichnet sich früh ab, dass wir die Kulturhauptstadt höchstens mäandernd konsumieren werden. Stattdessen: Zauner, Gmundner Fischkeramikkauf, Spielplatz, Siriuskogel, Eis, Blaumeisensocken und Bier am Esplanade-Würstelstand. I. quatscht im Kurpark LH-Altspatz Pühringer an, vergisst aber, ein Selfie mit ihm zu machen.

All die verwitterten „Sinneswege“ und „Kulturpfade“ dieser Welt

Beim Heimfahren dann sehr große Aufregung, weil wir mit unserem Gruppenticket nur in Pemperlzügen fahren dürfen, dafür zwängen wir uns alle in ein viel zu kleines Abteil und beraten panisch schnatternd, was wir dem ÖBB-Personal zu unserer Verteidigung vorbringen – lügen oder weinen? Enttäuschung in Attnang-Puchheim, weil wir gar nicht kontrolliert werden.

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Überall sind in dieser Nacht Nordlichter zu sehen, nur in Wels nicht. Grieve of missing out


12.5. Gamsplan & Hohe Nock

Es braucht viel Erwachsenen-Power, um im Stau nicht auszuflippen. Oder kann ich das nicht mehr so gut wie früher? Dabei war's ein tadelloser Tag!

Hoffentlich habe ich nach diesem Wochenende genug Sitzfleisch für den Wiedereintritt ins Arbeitsleben.

13.5.

Leider nein. Muss aber ohnehin zum Zahnarzt, da ist der Tag schon durch einen Termin zerrissen und nichts zahlt sich vorher und nachher noch aus (dabei dauert er 27 Minuten, in denen gar nichts gemacht werden muss). Der Doktor und seine Mitarbeiterin lachen über meine Karl-Nehammer-Imitation so herzhaft, dass ich den günstigen Rechnungsbetrag auf einen Entertainment-Rabatt zurückführe. 

Jetzt bin ich in ein Alter gekommen, in dem man mich vor dem Röntgen nicht mehr nach einer möglichen Schwangerschaft fragt.

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Jetzt bin ich in ein Alter gekommen, für das ich eh noch ganz gut beinander bin.

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Die Grauammer („Tier des Monats“ im oö. Kulturbericht) ist auch deswegen fast ausgestorben, weil ich sie bisher ignoriert habe, so wie Flugzeuge abstürzen, wenn man sie nicht mit Gedankenkraft in der Luft hält.

14.5.

Die zweite Auflage ist da! (Damit ich hier nicht immer nur über Hundescheiße und vertändelte Tage schreibe). Als Bodo Hell anruft, tusche ich gleich ein wenig damit an. Ihn frage der Verlag bei jeder Neuauflage, ob er nicht etwas dazuschreiben könne, es müsse nichts Weltbewegendes sein, nur damit der nächste Bogen vollwerde. Er könne ohne Weiteres morgen Julia Josts Fragen beantworten und umgekehrt, er kenne sie zwar noch nicht, aber das mache nichts. Ganz kurz überlege ich wirklich, ob das nicht ein sehr guter Spaß sei.

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Am Strand bei Fall lässt sich der Klimawandel wohl aussitzen, auch wenn es nachher in allen Ritzen knirscht. 

Sich selbst beobachten wie in einer ORF3-Doku („Die Sommer sind kurz für DM“, „nur einmal am Tag hat DM genug Kraft zum Schreiben“).

15.5.

Man soll sich – sofern man sein Leben so weit im Griff hat – im Leben nur noch mit Leuten wie Bodo und Julia umgeben. Seine love language sind edle Mitbringsel, heute bekommen wir Meisterwurz-Ansatz von seiner Grafenbergalm, und Bodo entschuldigt sich noch bei allen, die keinen bekommen haben. In einem noch besseren Leben als dem derzeitigen gehe ich mit den beiden wandern. 


Julia nimmt gern mein zweites Exemplar von Bodos „Begabte Bäume“, damit sie die 2. und 3. Auflage auf die Mini-Änderungen absuchen kann wie in einem Doppelsuchbild. Von den 37 vorbereiteten Anmerkungen und Fragen brauche fast nichts, weil die beiden Notizen machen, während der jeweils andere liest und einander dann über spezielle Kuhrassen und anderes ausfragen. Eine ideale Arbeitssituation. Zu fleiß sprechen wir nicht über die Queerness im Karawankenzahn (Radisch hatte darauf mindestens fünfmal hinweisen müssen). Die Hauptfigur will halt einfach kein Mädchen sein, das ist doch nicht schwer zu verstehen. 

Hasi erzählt von einer neuen Vogel-Erstsichtung. Den Namen habe ich vergessen, aber der Vogel flicht jedes Jahr ein Nest in die Weiden des Hàncsag-Sumpfes, das aussieht wie ein wolliges Einkaufsnetz. Die burgenländischen Bauern hätten es früher entzweigeschnitten und als Schlapfen verwendet. Ich glaube, er schwindelt mich dauernd an, und ich weiß das sehr zu schätzen. Wie auch der Bericht, dass die Schnabelöffnung der Kuckuckskinder jener der bevorzugten Wirtskinder ähnle (des Weidenrohrsängers?), die das falsche Küken soeben aus dem Nest geworfen hat. Ganz weg ist Hasi wegen des Timings beim Ei-Unterjubeln, da die Vogelmütter ihre Brut maximal 30 Sekunden im Stich lassen, um sich vor Angreifern zu schützen. Mit ihrer gesperberten Brust täuscht die Kuckucksmutter vor, ein Greifvogel zu sein, und sie scheißt dann das Ei regelrecht ins fremde Gelege. Es sei schon schwer, die Annahme eines intelligent designs abzutun.

Bodo wird uns alle überleben, und daran ist nichts Falsches. (Ich tippe das im November und bin sehr, sehr enttäuscht von meiner Prophezeiungsgabe – immerhin literarisch stimmt's aber).

16.5.

A. ruft an, um mir etwas über die Vorgeschichte meiner Moderation beim Literaturfest zu erzählen. Der ging ein Shitstorm voraus, den ich hier in meinem Provinznest gar nicht mitbekommen habe. Eine Autorin cancelt ihren Verlag, weil der sich nach dem 7. Oktober nicht mit den Palästinensern habe solidarisieren wollen, nur mit den Opfern des Massakers. Nach einigem Für und Wider ziehen die Veranstalter die Anfrage zurück (in einem mit höflichem Bedauern formulierten Schreiben). Die Autorin antwortet nicht direkt, sondern maximal eskalierend und imho extrem selbstgerecht auf Insta. Sofort hat sie 5000 Follower mehr und die Veranstalter den Scherben auf, inkl. „Kindsmörder“ und dem Vorwurf der „Genozidleugnung“.

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Nie, nie im Leben würde ich mich über Texte in der Kupfermuck'n lustig machen, aber das ist doch schön, oder? Das ist gleichzeitig eine dringliche Forderung an euch, immer die Kupfermuck'n zu kaufen. 

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Ein Mann postet ein Bild im FB, auf dem ein halbes Dutzend kleiner Mädchen mit tellergroßen Glücksaugen Kirschen isst – es ist furchtbar unheimlich, sie sehen alle gleich aus, keine Sekunde glaubt man, dass das Bild echt sei. Ein seelenloser Algorithmus hat das Kindchenschema überreizt – ein superspooky Pfad mitten ins Uncanny Valley. Etliche weisen den Mann darauf hin, zugegeben recht herzlos. Er schreibt, er habe nur einen Moment reinen Glücks teilen wollen. Der vermeintliche Kirschensaft auf Mündern und Händen der „Kinder“ sieht aus wie das Blut der KI-Kritiker. Wieso ängstigt das die einen und beglückt's die anderen? Um den Unterschied möchte man doch Klavierspielen können! Das Uncanny Valley ist auch der Spalt zwischen den Menschen (nein: Es mäandert, der Spalt ist in Wahrheit ein verästeltes Canyon-System; KI ist die Erosionskraft).

17.5.

Zaimoglu pudelt sich in der ZEIT ziemlich zurecht über das zeitgenössische Theater auf (es stimmt, man denkt bei den im Fernsehen gezeigten Schnipseln allerweil „ohje, eine Regie-Idee!“), dabei nagelt er dem Bildungsbürgertum eine These an die Haustür, die in österreichischen Hirnen sehr lustige Bilder erzeugt: „Man sollte mit dem Gesicht eines ungepuderten Amateurs spielen.“

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Gestern eingeschlafen, während auf ZDF-History eine Doku über Tschernobyl lief (war Hitler krank? Sonst läuft hier immer die absurdeste Auswalzung sämtlicher Aspekte der „dunklen Jahre“!), eingesprochen von Dana Scullys deutscher Synchronstimme. Bin schon gespannt, was mein schutzlos ausgeliefertes Unterbewusstsein da für mich vorbereitet. Ich muss mit dem Hirn einer ungepuderten Amateurin träumen.

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Wieso haben alle so große Angst, von der KI ersetzt zu werden? Die legt sich ja nicht auf meine Couch und trinkt mir das Bier weg (reale Gefahren im echten Zusammenleben), sie isst nicht meine Erdnüsse und schläft nicht mit dem Buttinger. Die KI weiß nicht, wie man einen Hund korrekt streichelt. Sie kennt meine Geheimwege im Toten Gebirge nicht, und sie schnüffelt mir nicht den Jasmin weg. Bei allem anderen kann sie mich gerne ersetzen, bei grundsätzlich jedem Telefonat, beim Emailschreiben, bei Meetings, Contentherschenken, beim Reifenwechseln und Verwandtenbesuchen, beim Zahnarzt (wobei – nein, das würde mich kränken, wenn der über die KI-Witze mehr lacht als über meine). Meinetwegen auch beim Schreiben. Ich wäre mit dem verbleibenden Amt als Lektorin meiner selbst zufrieden. 

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Max Goldt im Posthof – wieso füllt der jetzt nicht einmal noch den mittleren Posthofsaal?! Die Welt verschlechtert sich. Goldt lässt sich nichts anmerken und liest sehr schön und lieb. Beim Dramolett gegen die Notare gehen D. und ich viel zu gut mit. Er fordert auf, all seine Hörspiel-CDs zu kaufen, die gebe es nicht mehr lang, denn „die Jugend hat gar keinen Schlitz mehr“, wie ihm die Produzenten sagten. Am Signiertisch sage ich ihm, dass ich „Gattin aus Holzabfällen“ am meisten möge, freut er sich, „das ist auch mein liebstes.“

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D. arbeitet gerade daran, alle Menschen in ganz Linz-Land für tot erklären zu können. Hoffentlich geht sie verantwortungsvoll mit dieser Befugnis um! Man stelle sie vor, sie wird aufgrund eines Schicksalsschlags zur Bösewichtin und tätigt den Sprechakt „Ihr seid alle tot! Toooot!!!!“

18.5. 

Beim wie immer extrem schönen Volxfest im Schl8hof kniet sich eine sehr gut riechende Dame zur nicht sehr gut riechenden Fini nieder und schmust so selig mit ihr, dass der Hundehals am nächsten Tag noch immer ein wenig nach dem Damenparfüm duftet. 

Ein Abend, an dem man Wels wieder recht lieb gewinnen muss - auch wenn Freibier und Watschen ein typisch ambivalentes Dienstleistungsangebot sind.

19.5.

Ereignisarmut ist Behaglichkeitsreichtum. Beim nachgeholten Walpurgisfeuer verbrennen wir Glumpert aus dem Keller. Ein extrem anschauliches Wettergeschehen, die Sonne geht dramatisch unter wie ein gepuderter Profischauspieler.

20.5.

Erdarbeiten – anstrengend und vielleicht völlig sinnlos, aber die Macht der Genetik ist stark in mir und fordert Ausübung.

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Begeistertes Staunen über die herrliche Vielfalt an collective nouns im Englischen. Wo bei uns die Tiere nur in Schwarm, Herde oder Rudel zusammenleben dürfen, bekommt hier jede Spezies ihren eigenen Gruppennamen a school of whales, a murder of crows, a business of ferrets, a flamboyance of flamingos!

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Ein ängstlicher Wasserhund namens „Cordula“ traut sich nicht in die Donau.

21.5.

Bestimmt habe ich an anderer Stelle schon geschrieben, dass Yogalehrerinnen jetzt immer öfter in Form von Hundetrainerinnen auftreten und in ihrer erlöst-mitteilsamen Art den Inhaberinnen von Bürokörpern bzw. Durchschnittskötern freundlich vermitteln, dass sie alles falsch machen.

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In der Kletterhalle rede ich mir seit Jahren vernünftigerweise ein, dass ich das alles nur so irgendwie mache, nicht aus verbissenem Selbstoptimierungsdrang. Dann aber beiße ich in einer 6b+ so, dass die Unterarme schmerzend zu ersticken glauben, und bei den Hanteln möchte ich schon bald 10 Kilo pro Arm schaffen.

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Maschek schicken die SPÖ als liebe Narkoleptiker in den Wahlkampf. „I bin da Schieder, der aufm Büdl.“ „Wöcha von de zwaa?“

22.5.

Beim FRO-Gespräch preise ich meine Gewaltfantasien an, um unseren Lesebühnenauftritt beim Festival des politischen Liedes zu bewerben, „kommt alle zum literarischen Watschentanz!“

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Was für ein anstrengendes Leben Esoteriker führen – immer wird hinter ihrem Rücken gegen sie gearbeitet, von dunklen Mächten furchtbar ungeborgen.

Ist es Karma, dass ich dann am Abend im Thalia in der Esoterik-Abteilung lese, unter Titeln wie „Heilung, Aura, Wohlgeruch“?

 

23.5.

Aus der sfd-Ausschreibung zum Thema „groteske“: „zur not tut es auch die abschrift einer beliebigen nachrichtensendung“

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"Talk im Stift". Während wir talken, besiedelt eine nicht-autochthone Mönchsart besiedelt das Stift.

Ilia Staple schlägt vor, zur Abwechslung mal über Astrophysik zu sprechen.

Fini weint am Ende der bis dahin von ihr geduldig ertragenen Veranstaltung so jämmerlich, dass ich glaube, jemand habe ein Baby mitgebracht.

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Mit 100 Insekten unter einem Netz, 1000 warten draußen darauf, meine Nähe zu besiedeln.


24.5.

Leichter Schwindel, als ich zu lange in den hohen Innbach starre. Junischnee

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A. ruft an, um mich zu warnen, bei der Eröffnung des Literaturfests habe es eine Pro-Palästina-Störaktion gegeben. Im Publikum wurden Zetteln verteilt, darauf ein Bild der ausgeladenen Autorin und der Titel „Vermisst“, wie er sonst unter den Porträts der entführten israelischen Geiseln steht. Wie geschmacklos kann man sein, bis man es selbst merkt? Wie kommt man darauf, durch solche empathielose Gesten den Menschen in Gaza irgendwie zu helfen?! 

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Im Lesebühnentagebuch will Elias Hirschl mein Hirn in Streifen schneiden, „ich sehe da keine ethischen Komplikationen!“

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Am Nachmittag finde ich eine Postkarte von Bodo Hell im Postkasten - mehr dazu später...

25.5. SALZBURG

Am Bahnhof dystopisch viele Poltergruppen. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass in Wels und Linz nur Horden aus dem Umland einfallen. Hier legen sie es aggressiver an, weil sie höhere Ansprüche entwickeln, sie sind forsch angetrunken und tragen viel Tracht.

Eine ziemlich overdresste Rennradgruppe muss durch den Stadtpark schneiden, ihr Guide sagt „Shall I sing a song of the Sound of Music?“ Einer sehr schnell: „No.“ 

Eine Frau steckt in einem riesigen Gorillagesicht, die Augen sind so groß wie ihre Brüste direkt darunter, man kann nicht wegschauen.

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A. erzählt, dass vor einigen Jahren nach einer Diskussion mit Nüchtern und Menasse eine Frau die Hand gehoben habe, um dann als ersten Redebeitrag zu sagen: „Ich habe nichts verstanden!“

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So schön, der Auftritt von „Ein Gespenst“! „Die U-Bahn ist voll und ich bin leer!“ „Enteignet mich!“ „Die Jugend ist nicht faul genug, Leistung darf sich nicht mehr lohnen!“ Hirschl & Chris versuchen, das sehr zurückhaltende Publikum mit dem Hinweis zum Tanzen zu bringen (und sei es nur aus Höflichkeit), dass es in Wels einen Moshpit gegeben habe, „im Sitzen!“ Alle Salzburger bleiben sitzen bzw. gar liegen. Später fragen mich zwei freundliche Damen, ob ich wisse, was das sei, eine habe „Mostpit“ verstanden, weil sie gedanklich in Oberösterreich war. Danach hebt ein recht enthemmtes Seiterl-Trinken an. Ich will so ein Festival in Linz!!!!!

26.5. SBG

Bald auf, trotz leichten Katers, aber er ist unter so schönen Bedingungen entstanden, dass der Körper damit zurecht kommt.

Die Tür des Diözesan-Gästehauses geht auf, extremer Weihrauchgeruch dringt auf die Straße. Hier wird nicht gespart.

Es ist ungewohnt, in einer Stadt zu sein, die weltweit so geliebt wird. Es gibt sehr viele Bettler, hoffentlich zahlt es sich für sie aus hier. Auf der Schlösserbrücke posiert eine Frau im glitzernden Prachtkleid, sie freut sich, dass auch ich sie gerne fotografieren möchte. Das wogende Pelzmeer der drei riesigen Leonberger in der Getreidegasse, es ist verteufelt schwer, nicht hineinzugreifen. N. erzählt später, sie grüße beim Spazierengehen alle mit Hunden, in der Hoffnung, diese streicheln zu dürfen. 

In der Nähe des Bahnhofs erholen sich die an Wels und Linz gewohnten Augen, hier ist es ein wenig grindig.

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Große Freude, dass ich noch geblieben bin, die Lyrik-Matinee ist wunderschön, und ich verfalle sofort Barbara Hundegger: „Sich auf der Flucht so aufführen, dass der Vater sagt, mit euch flüchte ich nie mehr!“ „Der Sekundenschmerz beim Wort Österreich, und trotzdem sich manchmal fürchterlich heimisch fühlen in Wien“. In einem Raum den einzigen anderen finden. 

Schindel über seinen Plan: „Ich fange an, setze fort, und wenn ich fertig bin, höre ich auf.“ „Wir bebücheln den Vorschlaf.“ „Der Ärger über Flaubert“ „Bevor ich einschlafe, besänftige ich die Hoden“ „Die Hunde, die aus meinem Traum wie aus einem Reifen herausgesprungen sind, beginnen ihr Tagwerk“ „Der Loser, der Portier des Toten Gebirges“, scheißende Füchse, „das Knistern des Daseins“, „von oben bis unten Gezwitscher“.

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Beim gemeinsamen Essen am Schluss fragt Hirschl, warum eigentlich immer nur diese „neoliberalen Dudes“ ewig leben wollen, bei denen alles „Midlife Crisis“ schreit, aber nie solche Leute wie diese coole Frau, von er er neulich gehört habe, die sich für Death Positivity einsetzt. Wie wahr; wir alle müssen uns permanent zusammenreißen, angesichts des Todes nicht auszuflippen – diese lebensverlängernden Maßnahmen der Tech-Trottel sind die nervigste Strategie.

Paul Campbell hat Wiener Friseure interviewt, „auch für Hunde!“, darunter jenen von Sebastian Kurz. Der sei sehr schlecht (man sieht's!), aber Richard Lugners bester Freund, weswegen alle seine Opernball-Gäst*innen verpflichtet seien, sich vor dem Auftritt von ihm frisieren zu lassen. Paul fragte ihn Sachen wie ob Kurz Wirbel habe, „kaan aanzign!“ Und wie seine Spitzen aussehen? „Der hod so scheene Hoa!“ Der Name des Friseurs ist Josef Winkler, er schrieb lange eine Kolumne in der Publikation der Friseursinnung. Eines Tages habe er eine Einladung zum literarischen Quartett bekommen und sich wegen seines Egos nicht darüber gewundert. Erst in Düsseldorf sei die Verwechslung aufgekommen, der Friseur Winkler war entsprechend enttäuscht.

27.5.

Unabsichtlich das Hinterstoderer Karakorum entdeckt, das „West-Couloir“ des Sneslitz. Wäre ich in meinen wilden Jahren ganz hinaufgestiegen, ohne Hund? Und wer hat die vorgeschriebene Gehrichtung für den Dolomitensteig festgelegt? Gegen den Uhrzeiger komme ich mir vor wie ein Bön auf dem buddhistischen Pilgerweg um dem Kailasch.

28.5.

Besprechung der „Church of Ignorance“, Walter Stadler: „I find, es vatrogt auf jedn Foi zwaa Beichtstühle.“ Angeblich gibt es mindestens fünf solcher Projekte.

Idee für ein Festival: „Themenverfehlung“

Die Einreichung, in der kollektiv Kaugummi gekaut werden soll, polarisiert massiv, ich erkläre, dass ich daran auf keinen Fall teilnehmen könne, Raphi Edelbauer ist ganz erleichtert, dass sie mit ihrer sozialen Misophonie nicht allein ist.

29.5.

Die literarische Audienz im Kultur Hof kündige ich als „poetischer Parteienverkehr“ an.  


30.5.

Man hört immer wieder von einmaligen Gelegenheiten: Das ist eine davon.“ Das schreibt das tasmanische Museum, das WuTangs geheime CD abspielt. Nicht einmal die Einmaligkeit ist noch das, was sie einmal war!

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Ein Eisvogel!

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Zu Besuch bei Sabine in der WG Aussicht.

M.: Wie lange bist du schon Vegetarierin?

Ich: So lange du atmest?

Er: „Seit 1998?“

Ich: „Scheiße. Ja.“

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Wieder sehr befriedigende Erdarbeiten, aber dafür keinen einzigen Buchstaben für die Lesebühne geschrieben. Egal, ist eh erst morgen.

31.5.

Das Internet findet die collective nouns auch so großartig und appliziert sie auf das nicht-tierische Sozialleben:

A murder of crows – a midlife crisis of motorcyclists – a procrastination of Meindls

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Lebe jeden Tag, als wärst du das Letzte.

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10:39 Uhr: Der erste Text ist fertig und viel zu lang. Schreibzeit: 51'

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Spätestens ab heute würde ich ohne linkes Auge eine Lesebrille brauchen.

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11:53 Uhr: Text 2

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D. hat mein Buch gekauft, „wieder einmal!“ In der Bahnhofsbuchhandlung drängt sich ein Typ vor, und gerade als sie denkt, dass sie heute wieder einmal dekorativ herumstehe, sieht er meinen Roman und sagt, „des Buach is supa!“ Sie lächelt und sagt nichts, da er sehr intensiv stinkt.

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 Foto: Brudi Andreas Topf

Lesebühne„Die Kunst ist noch nicht tot genug“: Walter steckt die alte Heimorgel, die ich schon wegschmeißen wollte, an die Anlage. Sofort klingt's nach Disko. Am Ende werde ich sie Hirschl schenken, um einen maßgeblichen Künstler maßgeblich zu fördern. Und ich fühle wieder diese Befreiung des Sachenherschenkens!

Wie schön, dass Walter Kohl gekommen ist und sich ausgerechnet in die erste Reihe setzt, wir beide hassen Mitmachtheater, sodass meine Performance so richtig unangenehm ist. Ich sehe dabei aus wie ein Auerhahn bei der Balz (inkl. Balzbalken über dem Auge).

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Eigentlich immer: darauf warten, dass etwas aufhört oder sich davor fürchten.