Montag, Juli 01, 2024

Stundenwasser, abgeschminkte Nachtigallen und einvernehmlich gebumste Ryans

Lebenskrimskrams im Juni 2024

1.6.

Wieder einmal bestätigt sich, dass ich es komplett aufgeben soll, den Kindern von irgendwelchen Erfolgen zu erzählen, sie haben selbst das buntere Leben und sind noch nicht so weit, sich aufrichtig für das dröge Leben älterer Leute zu interessieren (bin ich selbst eigentlich schon so weit? Auch nicht). 

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Vor der Haustür parkt der „Dichtungsprofi“, was schön zur nun beginnenden Dienstfahrt zum 1. Poesiefestival von Bad Hall passt. Weil es anhaltend schifft, muss das gesamte Programm in den Kursaal gestopft werden, statt synchron auf drei Open-Air-Bühnen verteilt zu werden. Es ist sehr voll und sehr schön, das Rauschen des Regens wie der Soundtrack für die Dichtung. Nur die Gastro ist auf das übliche Lyrik-Aufkommen eingestellt, es gibt keine Hoffnung auf ein Käsesemmerl, geschweige denn Bier. Ich nehme mir künftig nicht nur zum Wandern ein Jauserl mit. Zum Glück teilt die gute Marianne Jungmaier ihren Snack mit mir. Ich verliebe mich besonders in die jungen Slammerinnen Nnebedum, Wenty und Duygu. Und wieder bin ich froh, nicht mehr zu slammen, sonst hätte ich mich sehr viel mehr bemühen müssen.

2.6.

Einen Text schreiben voller Binsen, jeder Absatz endet mit „Aber darüber wagt es niemand, zu berichten!“ Das schreibe ich auf, und dann kommt im Wasserwald exakt so einer daher, ein Sonntagsprediger, der ungefragt der Welt mansplaint, voller Wut in der Stimme. Das unwillige Publikum ist schlau, um so viel Text hat niemand gebeten, wir stieben in alle Richtungen davon.

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Wie völlig absurd alte Autos mittlerweile auf der Autobahn wirken, heute etwa ein alter Mini, man hält ihn zuerst für bemitleidenswert, dabei sind nur unsere Schüsseln so unnötig riesig geworden. Ein kurzer Schreck beim Überholen, das Steuer ist verwaist, nein, halt, es ist nur ein britischer Mini.

3.6.

Es gibt das „Eigenbrauer-Syndrom“, wodurch Erkrankte gleichsam in sich selbst Alkohol entwickeln und schwere Vergiftungen erleiden können. Die Welt ist groß und voller Gefahr.

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Die Jahrhunderte sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren – wir haben das nächste Hochwasser. Fini ist ganz von der Rolle angesichts des wilden Meeres, das ihren Strand frisst. Die Wege, die wir gerade so gern gehen, wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben (wenn es sie denn heute noch gibt). Überhaupt scheint die Natur von der Rolle, in Schmitzis Garten steht später eine Rehmutter mit ihren zwei Kitzen. 

Es herrscht ein kleiner Katastrophentourismus auf der Staumauer, das Brodeln der durch die Schleusen jagenden Fluten hat hohen Schauwert.

4.6.

Nach Tagen zum ersten Mal kein Regen mehr. Die Donau steigt so schnell, dass man ihr dabei zusehen kann. Dani und ich stehen im Regenwald und essen Kirschen, es ist eine sehr beschauliche Apokalypse. Bei Sonnenschein ist das Toben des Wassers fast absurd. Es müsste nur etwas weniger Schlamm im Wasser sein, dann läge Wilhering am Atlantik. 

5.6.

Ausnahmsweise hätte man mich doch anrufen können, ab 7 Uhr meinetwegen, um mir mitzuteilen, dass ich das Projektstipendium bekommen habe! Ich lese spät das Mail und verliere die Kontrolle über meine Beine, die in wilder Freude auf den dicken Büroteppich stampfen, sodass der Hund ganz aufgeregt daherrennt. „Du holst aus deiner Prokrastination das Optimum heraus!“, sagt Buttinger anerkennend bzw. wahrheitsgemäß. Dann trudelt auch noch die Zusage für die "Facetten" ins Haus. Wie jedes Jahr muss ich nachsehen, was ich überhaupt eingereicht habe („Die Ameisen“). Sofort verlasse ich das Büro und schraube die schlechtesten Sesselleisten Mitteleuropas ins Baumhaus.

6.6.

Ich höre die Schritte einer Ameise auf dem Falter, die werde ich in Zukunft auch nicht mehr umbringen können.

Überfressen an den eigenen Walderdbeeren. <3

Im Garten ist es gar nicht so leicht, an die Klimakatastrophe zu glauben, auch wenn ich noch nie so früh im Jahr die ersten Himbeeren gegessen habe.

Ein Tigerschnegel.

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Eine Frau erklärt mir im Stiftspark, „der Wechsel hat mir die ganze Freude genommen!“ Sie redet sich in Rage, dann hält sie inne und sieht sie sich um. „So, ich schwitze nicht mehr! Das hat mich jetzt erfrischt, ich danke Ihnen!“ Für eine Seligsprechung wird’s nicht reichen, aber besser das als die Heilung brasilianischer Krampfadern.

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In der Nacht träume ich davon, wie ich in Gefangenschaft der Erwerbsarbeit gerate, ausgerechnet in Coalas alter Firma. Es fühlt sich mindestens so schlimm an wie damals die ersten Tage der Ferialjobs, eine Karikatur des Meindlschen Arbeitsparadoxons – eine ennervierende Gratwanderung zwischen unterforderter Langeweile und der Angst, wegen Unfähigkeit rausgeschmissen zu werden mit Schimpf & Schande. Niemand zeigt mir, wie es geht und was überhaupt meine Aufgabe ist. Immerhin kriege ich einen Computer, aber nur mit einem Firmenprogramm drauf, mit dem ich original genau nichts anfangen kann, und das ist gar nicht mit den Augen dersehe. Als ich Coala davon erzähle, sagt sie, „so war's ja wirklich.“

Überhaupt aktuell noch viel dummes Herumgesorge mit immer weniger Anlass, ich habe einfach eine seelische Neurose, am besten ignoriere ich mich. Wenigstens habe ich schon gelernt, dass es nicht sehr viel schlimmer wird, wenn ich echte Sorgen habe.

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Haben Männer eigentlich Phantomschmerzen wegen ihrer an uns verschenkten Rippe? Ich hoffe es.

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Maturantinnen in der Linzer Bim unterhalten sich in künstlich westdeutschem Akzent: „Also ich hab Metaphern bekommen.“ „Bei uns war's hauptsächlich parataktisch und selten hypotaktisch.“

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Wien

Zwei amerikanische Touristinnen begrüßen den Kellner extrovertiert mit „We had two huge Wiener Schnitzel!“

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Mieze, Markus, Yasmo und ich gönnen uns gegenseitiges Loben und Schmeicheln, es ist eine einzige liebevolle Slamily-Aufstellung, die wir uns nach 1000 Jahren kaum bezahlter Szenearbeit wirklich verdient haben. Köhle: „Ihr Diskursmäuse!“ Und: „Humor ist ein sozialer Dienst.“ Nach der extrem schönen Lesung dieser drei Schätze dann zu viele Biere, wir reden lang recht poetologisch, beim Hotelsuchen wanke ich aber leicht.

7.6. Wien – Grundlsee

Der Frühstücksraum ist voller schlecht gehender alter Tourist*innen.

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Auf dem Lagerhausturm von St. Valentin steht in blassem Türkis „35 Jahre ÖVP sind genug“.

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Grundlsee

Rührung angesichts des ersten Blicks, aber es wird wohl noch inniger bei der Wiederkehr am 29. Juni! Es braucht die Fülle der drei Wochen für das volle Glück.

Ich schenke den Wirtsleuten meinen Roman, die Chefin freut sich, „aber es ist so klein gedruckt, da werd ich bis Ende Juni nicht fertig mit dem Lesen!“

Glück und Sekt mit den Schwestern auf dem Balkon

8.6. Grundlsee

Zu sechst auf die Zimnitz-Alm, zu zweit herunter. Dani ist die Leistungsträgerin der Gruppe. Dann allgemeines Mittagsschläfchen, als wären wir ein Rudel Murmeltiere. 

Katharina Schinko lädt uns zur „Wirtshaus-Show“, bei der Hosea Ratschiller zum Rudelbudern einlädt, andernfalls werde er sein neues Programm an uns ausprobieren. 

Beim Zuhören kommt mir die Idee der Stand-Up-Despoty, bei der sich das Publikum aussuchen darf, welches Land als nächstes erobert wird.

9.6.

Wir frühstücken neben Susi Stach und Karl Fischer, lassen uns aber nicht anmerken, dass wir Fans sind.

10.6. Wels

Seelisch verkatert. Ich bin es nicht gewohnt, so schnell wieder abzureisen.

11.6. Wilhering

Weiterhin stimmungsbehindert, immerhin bei emsiger Bürotätigkeit.

12.6.


 

Für die 15-Jahr-Feier der Lesebühne suche ich ein Foto, auf dem ich selbst 15 bin – fast vergeblich, ich habe wohl versucht, 1993 aus dem Gedächtnis zu löschen. Es gibt nur das von der Ortler-Besteigung, auf dem der Vater so alt ist wie ich jetzt (und jünger aussieht).

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Einen Text für die „schule für dichtung“ hergerichtet, in dem ich die beiden Ryans Reynold & Gosling bumse (einvernehmlich) und dann mit 12 Entenküken niederkomme, die das Evangelium nach Minki verkünden, dazu Kirschenlieder.

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Lauter“ von Roiss: top. Der schwankt noch weiter und besser als ich zwischen Todernst und Ulk.

13.6.

Es geht voran bei der To-Do-Liste, weil ich die Frist für eine Preiseinreichung versäumt habe.

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Emails an den LH und den BGM, recht jovial, zarwos bin ich Künstlerin, wenn ich nicht zumindest vortäusche, ein wenig exzentrisch zu sein? Ich kriege sehr freundliche Absagen für das OLW-Jubiläum und bin erleichtert.

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                    Wenn Schrödinger nicht Quantenphysiker, sondern experimenteller Lyriker geworden wäre

An der Wilia-Haltestelle Rother Krebs steht einer, der aussieht wie der Architektenfreund, er ist es aber nicht, denn der echte begegnet mir erst zwei Minuten später oben in der Hofgasse. Er hat sein vierjähriges Kind schon ganz im grünversifften Sinne indoktriniert, es sagt „Autos stinken!“ Ich pflichte pädagogisch wertvoll bei, denn ich habe heute ja den Bus genommen (zum ersten Mal im Jahr). Dem Vater erzähle ich meine gesamte Lebensgebarung als Kompensation fürs Autofahren. Die Altstadt ist derweil für irgendein Radkriterium gesperrt, kolibrifarbene Männer rasen übers Kopfsteinpflaster. 

Vor mir schlängeln sich britische Touristen an den Gittern vorbei, alle sehr tätowiert, die Herren halten ihre Ellbögen von den Rippen weit ausgefahren, um zu zeigen, wie trainiert sie sind, sie sind betont bärbeißig gekleidet. In dem Moment, in dem sie aber Fini sehen, knien sie sich auf den Boden und zerfließen. Leider verstehe ich nichts, da sie so einen argen Slang sprechen.

Sehr kleine Satire: Beim Friseur auf den Hund haaren

Zwar werde ich vor dem Alex von zwei aggro Tölen ins Knie gezwickt, drinnen erhole ich mich aber flugs wegen der Frage, ob es mir was ausmache, ein paar meiner Bücher zu signieren, ich sage, dass ich nie so abgebrüht werden wolle, dass mich das nerve. Ich lasse Geld für Sachbücher da (Kraken, Wildnis, Kongo), denn Urlaub = Urlaub von der Belletristik.

Im Kroko dann abstruse Honorarverhandlungen, zum ersten Mal in meinem Leben werde ich aufgefordert, deutlich mehr zu verlangen! Die Evolution der Honorare wird mir immer rätselhafter – für Angelegenheiten, die mich siebenmal mehr Nerven und Zeit kosten, bekomme ich manchmal 250, manchmal gar nichts, und die Menschen, die mich damit behelligen, haben nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Martina Mara hingegen möchte, dass ich leicht sexistische Gstanzl gegen die ollen KI-Bros schreibe. Dann erzählt sie mir von lauter selbst erlebten Frechheiten über die Geschichte voller Missverständnisse bei "Frauen und IT/KI", sodass ich richtig entfacht bin.

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Heimrad-Bäcker-Preisverleihung im Stifterhaus. Nach wenigen Minuten die Einsicht, ziemlich dumm zu sein, aber so geht’s mir immer bei etwas experimentellerer Literatur. Gleichzeitig freue ich mich, dass es so vieles gibt, das klüger und radikaler ist als das, was ich schreibe & verstehe. Ilse Kilic schreibt Schönes, da ist so viel Zuneigung und Schalk dabei, mit dem fantastischen Ziel, nicht nur „für sich und ihr Fritzchen das Leben schöner zu machen.“ Ich sage es eigentlich immer, wenn die Rede auf Ilse kommt: Das ist meine Präsidentin.

Auch Chris Zintzen nimmt mich sehr für sich ein. Er arbeite aus Provokation so langsam, und wenn er für sieben Seiten sieben Monate brauche, sei das eben so. Vor 30 Jahren habe er beim Marianne-Fritz-Lesen gedacht, das müsse er sich merken, und das sei ein guter Zeitraum, um sich daran zu erinnern. Parasitäre Tätigkeiten seien alles, was nicht Dichten ist.

Zuhause schneide ich gegen Mitternacht Nacktschnecken entzwei, eine der allerparasitärsten Tätigkeiten.

14. Juni

Umkehrung des Prokrastinationsvektors: Weil so viel im Garten zu tun ist, sitze ich brav tippend im Büro.

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Zwei Postbusse blockieren die Straße bei Pasching, die Fahrer teilen irgendeine Delikatesse durch die offenen Fenster, niemand hupt, weil die Geste so schön ist.

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Unterach, Eurocamp: Festival des politischen Liedes

Ein wenig wie das Gefühl bei der Pfarrreise, nur mit Che-Guevara-Leiberl – ich bin froh, hier zu sein, fürchte aber ein wenig, wegen zu schwachen Glaubens aufzufliegen. Ein Betrunkener erkennt mich als Bundespräsidentin. „He, wieso bistn bei da EU-Woi ned autretn?!“ „1. warum EU? Ich bin die Bundespräsidentin. 2. lasse ich mich doch nicht wählen, zarwos bin ich Bundespräsidentin!?“ Er denkt nach. „Jo, in da Diktatur kriagt ma eh vü weida.“ 

Kurz nach Mitternacht werfen die Herren Monet und Buttinger die Nerven weg und machen eine Bandprobe. Niemand beschwert sich, da es draußen viel lauter ist. Eine Stunde später liegen wir betrunken im Bett, nur René spielt noch Gitarre, ich heule mit ersterbender Stimme "no alarms und no surprises" im nie endenden Fade-Out.

15.6.

Der Frack ist das stärkende Exo-Skelett meiner Seele. 

Bei den Anmoderationen dichte ich den sehr schön musizierenden Herren der Blutgruppe" laufend neue Mittelnamen an: Klaus Maria Josef Jesus Buttinger, René Ignatius Irenäus Monet. Es muss eine kleine katholische Reaktanz sein. Die lieben Menschen kriegen ganz nasse Augerl wegen unserer Tombola, sie freuen sich über die kleine Miliz-Ausstattung und Tischgespräche mit Castro. Danach ein wenig Daydrinking im Cateringzelt. Wir treten die Heimfahrt unter innerlichem Protest an.

16.6.

Nun bewege ich mich schon ganz vorsichtig durch den Alltag und frage mich etwa, ob ich vor dem Urlaub noch in die Boulderbar gehen soll, damit ich mir ja nicht mit einer Sportverletzung meine großen drei Wochen verderbe. Gleichzeitig ungläubiges und wachsendes Glück, dass wir es fast schon geschafft haben.

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Henscheid, „Die Vollidioten“ (eine liebe Gabe von Markus Lehner). Was für ein eloquenter Unsinn! Ein herrliches Zeitdokument, das mich sehr entspannt, weil darin nur getrunken, geraucht, prokrastiniert und gequatscht wird. Sex existiert nur in jämmerlicher Planform. Ein guter Kontrast zum Roiss, wo ein junger Mann sich alles gönnt und trotzdem kriselt.

17.6.

Das Stemmen gestemmt und dabei eine verborgene Begabung freigelegt. Diese Arme und Hände sind für grobe, dumme Arbeiten geschaffen, es ist schade, dass ich nur ein paar Fingerspitzen davon zum Tippseln nutze. Ich arbeite bis zur physischen Erschöpfung, die Ahnen wären stolz, dass ich heute meiner echten Arbeit nicht nachgegangen bin.

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Im Traum knöpft mir Alex Potyka die Unterzeichnung eines Vertrags ab, der das Verfassen eines Regionalkrimis vorsieht, dazu folgende Kriterien:

Leichen: 1

Stil: Heiter

Mordart: Nicht zu arg

Im Traum mache ich nach außen hin gute Miene zum blöden Spiel, weiß aber, dass das ein Fiasko wird.

18.6.

Auch beim Wandern kriege ich jedes Mal weniger hin, als ich mir vorgenommen habe, es ist aber auch teuflisch schwül. Fini „übersieht“ deswegen zwei Gämsen. Immer, wenn ich mich plage, überkommt mich die Furcht, dass es das jetzt gewesen sei mit den langen Touren – heute war ich ja der irren Annahme, dass ich noch weit in Richtung Gamsplan komme. Es ist wie mit den Sommertagen im August. Dabei weiß ich doch, dass das Schönste noch kommt. 

Vor einigen Tagen sah ich auf Facebook das Bild eines Schmetterlings, der aus der verfallenden Mayralmhütte befreit werden musste. Er burrt auch heute wieder gegen die zerbrochene Fensterscheibe, wehrt sich aber mit allen Kräften eines Flügeltiers gegen seine Freiheit. Eine sehr aufdringliche Metapher für verweigerte Aufklärung.

Zuhause merke ich erst, dass die Deppin, mit der ich in einer Körper-WG lebe, den Stecker der Tiefkühltruhe gezogen hat, darin ist alles einigermaßen aufgetaut. Trotzdem brate ich mir die im Dezember eingefrorenen Bratwürstchen, denn sonst sind Tiere endgültig umsonst gestorben. Ich teile mit der begeisterten Fini, um das Risiko zu streuen, dann höre ich den restlichen Abend besorgt in die Körper-WG hinein, ob nicht doch noch eine Fleischvergiftung eintritt.

19.6.

Rainald Götz vertreibe seine Leser*innen immer wieder „aus dem Paradies des Verstehens“, schreibt Peter Kümmel in der ZEIT, eine schöne Paraphrase für „Ihr seid zu dumm, um mein Zeug zu checken“.

20.6.

Irgendwelche Wurzeln haben mein Drainagerohr gesprengt und verstopft – eine aufdringliche Metapher dafür, dass ich in OÖ wohl schon zu sehr angewurzelt bin. Das Stemmen hätte ich mir sparen können, wie es aussieht. Danke für nichts, Rohrmax. Wenigstens hält das heimwerkende Empowerment noch ein wenig an.

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Ein sehr schönes Luxusproblem aktuell: Die Vogerl machen einen mords Radau. 

Es ist der längste Tag des Jahres und ich kriege fast folgerichtig alles geregelt. Nicht nur ich – von früh bis spät liegt das Dröhnen der Ernte- und Mähgeräte in der Luft, es ist seit je her der Soundtrack meines Sinkflugs in die Sommerferien. Wenn ich vor lauter Schlusspanik vor der Sommerfrische wirklich alles Wichtige schaffe, welches sinnlose Projekt reiße ich noch an, um mich in die augenscheinlich notwendige Erschöpfung zu bringen?

Apropos Sommersoundtrack: das ferne Donnern des Gewitters, das gerade das Traunviertel einweicht.

21.6.

Die kürzeste Nacht der Welt endet frühzeitig, weil die Vogerl es jetzt wirklich übertreiben. Fini ist ganz unruhig und will raus, aber das ist ja doof, dort sind die kleinen Dinosaurier noch lauter.

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Der Kampf gegen den Efeu ist ausgefochten (für heute), die Liste der noch zu bändigenden Flora ist lang, aber vielleicht zu schaffen. [Nachtrag Jänner 2025: NIE]

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K. erzählt ganz nebenbei, dass ihr standeswidriges Verhalten verboten sei, etwa hätte sie keine Porno-DVDs ausleihen dürfen. Eine Kollegin habe Probleme bekommen, weil sie – unverheiratet, aber fix zaum – am Bahnsteig ihren Haberer geküsst hatte. Was sind das für Leute, die sowas verschergen?!

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O.HeimArt: So möchte ich arbeiten. Im Laufe dieser zwei Tage werde ich mir zwei Kilo am famosen Büffet angefressen haben und immer einen lieben Rausch heimradeln.

Die Technik fällt kurz aus. „Dominika, kannst du IRGENDWAS sagen?“ „Ich kann NUR irgendwas sagen!“ 

22.6.

Ich gebe den Kampf für eine Blumenwiese auf. Noch nie habe ich so viel für etwas gearbeitet, das mir Arbeit sparen sollte.

Große Freude mit der „Merlin“-App. Am Nachmittag identifiziert sie den in der Edelkastanie brüllenden Vogel als Nachtigall. Auf der Fähre höre ich einen „ordinary chiffchaff“. (Hasi wird mir später raten, mir die Nachtigall abzuschminken, so ein Glück gönnt er mir nicht, ich solle mit einer Singdrossel zufrieden sein).

Am anderen Ufer erleide ich wieder die alte Eifersucht auf Ottensheim, bis mich die Einsicht erleuchtet wie ein kluger Blitz, dass mich ja nichts außer mir selbst daran hindert, mich als Teil des schönen Geschehens hier am Nordufer zu fühlen. Und heute werde ich sogar dafür bezahlt.

Sehr späte Heimkehr, sehr unruhige Nacht im Baumhaus – es knarzt im Wind, auf dem Dach springen Krähen herum, etwas klopft an die Scheibe, wahrscheinlich im Irrglauben, ich sei eine besonders fette Made hier in der Tuchent.

23.6.

Buttinger sitzt im orangen Morgenmantel auf der Terrasse, um mein Herabtaumeln über die selbstgegrabenen Erdstufen nicht zu verpassen.

Psychische und physische Ermattung ermöglichen eine gute Sonntagsruhe.

Mit Zustimmung lese ich vom „Pebbling“, der love language der Pinguine – sie schenken einander kleine Kiesel. Das ist exakt das Äquivalent zum Verschicken von Corgi-Videos unter uns Meindl-Sisters.

25.6. Kreuz, Welser Hütte

Beim Aufstieg streicheln zwei Frauen den Hund. „Iss a Mandal?“ „Naa, owa si fiat si so auf.“ „Recht hod's, daun hod's wenigstns a Lebn.“ 

Die Gämsen hier sind auf Krawall gebürstet. Fini drängt sich schutzsuchend an mich. Beim Jausnen muss ich mich schließlich wirklich erheben und die beiden sich bedrohlich heranstaksenden Leittiere laut rufend und Steine werfend (natürlich nicht gezielt) zu vertreiben.

Die Wirtin auf der Welser Hütte bestätigt mein Unbehagen. Angeblich sind in diesem Gebiet schon zwei Hunde abgängig – es ist sehr wahrscheinlich, dass sie absichtlich über die gewaltige Nordwand in den Tod gelockt worden sind. Die Chefgams sei auch schon auf den Gatten losgegangen, als der nahe der Hütte an der Wasserleitung arbeitete. Der Stoß ging knapp daneben, dabei verlor sie ein Krickerl. „Des kaun sa si bei mia wieda ohoin, waun sa si traut!“

Sie holt mich beim Abstieg später ein, sie nimmt mich mit dem Auto mit zur Almtaler Hütte. Ich frage sie, ob ich blöd sei oder ob der Bach da tatsächlich in der Früh noch nicht da gewesen sei. Das sei „Stundenwasser“, das komme oft an solchen Nachmittagen vor, sagt sie, die Ursache sei noch nicht ganz geklärt. Irgendwo am Büchsenkar gebe es einen Stein, der das Schmelzwasser staut und ab einer gewissen Menge freigibt. 

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Die Namen der italienischen Nationalmannschaft machen Appetit auf Pizza. Die österreichischen auf einen Besuch im Baumarkt (Schlager, Prass, Laimer, Querfeld, Grillitsch).

26.6.

Welser Stadt-Schreib-Jury-Sitzung. Irene Diwiak erzählt, sie sei vom Thuswaldner einmal mit „als Unterhaltung geeignet“ verrissen worden. Auch meins hat ihm mittel gefallen, es sei zugunsten des Witzes „sprachlich zuweilen überkandidelt“. Mit der Unzufriedenheit der alten Bildungsbürger können wir leben.

Sobald das Kulturbusiness erledigt ist, erzählt Hasi, dass sich Bartgeier mit rotem Sandschlamm schmücken, sie färben sich damit aus keinem notwendigen bzw. anderem erkennbaren Grund die Brustfedern. Unter den Geiern im Nationalpark herrsche eine perfekte Aufteilung, die einen brechen das Aas auf und essen alles Weiche, die anderen hacken Sehnen und Knochen frei, die Bartgeier lassen die großen Knochen auf Felsen brechen und können große Stücke davon einfach schlucken, weil ihre Magensäure so scharf ist, dass die sich zersetzen. Der perfekte Mord! Vielleicht schreib ich darüber meinen Alptraum-Regionalkrimi.

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Abends dann die nächste Nachtigall, die keine ist – Margit Mössmer liest ja in Wels, und das ist sehr gut so. Dazu der Roiss, der ein Plädoyer für die gute Sprache hält, wenn das gegeben sei, läse er auch auch 500 Seiten über einen Stein. Er selbst würde am liebsten einen Roman über nichts anderes schreiben als „über ein Mädchen, das stundenlang ein Pferd bürstet.“ #literarisches asmr (Ich könnte stundenlang über „Stundenwasser“ nachdenken.)

27.6.

Eine Casting-Agentur meldet sich per SMS, ob ich am 1.7. Statistin bei SOKO Linz sein wolle (45 € Gage), und ob ich noch kurze, graue Haare habe.

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Grafito auf der Donauländen-Schiffsschraube: „I'm a lonley and ugly potato“

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Der Blick des LH, als ich im Frack bei 34° im Stifterhaus hinter ihm Platz nehme. Ich teile ihm mimisch mit, dass man eben nicht mit vollgekackten Jeans bei Regina Pintars großer Abschiedsfeier auftanze. Dann sitze ich reglos zwei Stunden in der textilen Sauna und versuche, mich ins Innere meines Körpers zurückzuziehen, dabei an Jännerfrost denkend. In meine Schuhe rinnt Stundenwasser. 

Dreimal wird unabhängig voneinander Stifters sanftes Gesetz zitiert, meines Erachtens eine unsubtile Anspielung auf Reginas Körpergröße: „Ein jeder Mensch sei dem anderen ein Kleinod“. Wir freuen uns alle über ihre Freude, gleich bei Petra Dallingers Einleitung gibt es nasse Augen. Es wird ein großer und sehr langer Abend. Niemand mag gehen, alle warten, ob nicht doch noch die siebte Platte mit Lachsbrötchen herbeigezaubert wird, und ob die Temperaturen in dieser Tropennacht nicht doch noch ein wenig sinken wollen.

28.6.

Gerade den okaysten Text der Welt geschrieben. Große Rastlosigkeit angesichts der morgen anbrechenden drei Wochen. Ein zäher Endfight gegen die Emails (eins beantwortet, zwei neue).

Aus der Stadtwerkstatt wummern grobe Bässe am helllichten Tag, vielleicht die seltsamste Radioumgebung meiner „Karriere“, aber der Roiss ist auch schon wieder dabei und Daniela Schopf stellt schöne Fragen.

So! Letzte Lesebühne! Zehn herrliche Mußeminuten lang liege ich mit dem Hund nach dem ganzen Aufbau-Trallawatsch im Eck des DH5-Hofes. Alles nimmt kurz ohne mich meinen Lauf (eh immer, in Wahrheit), dazu zischen Schwalben über den kleinen Abendhimmelsausschnitt. Der emsige Stadler und die Seinen schauen immer wieder wohlwollend zu mir herüber, die Blutgruppe singt schön, Yasmo&Mieze plaudern leise. Dann stehe ich mit letzter Kraft wieder auf. 

 Fotos: Dieter Decker <3

Mieze und Yasmo tragen dann das Geschehen, ich muss nur noch ganz wenig selbst machen. Sie alleine belohnen uns schon für 15 Jahre Mühe. „In der Zeit habe ich drei Lesebühnen gegründet und beendet. Du zwei, Yasmo?“ „Nein, auch drei.“ 

Bei meinen Texten lacht das Volk hauptsächlich, wenn ich spontan Worte wie „udaungs“ und „wiaflat“ einbaue, diesen billigen Trick muss ich mir merken. Die guten Menschen geben uns dann IPA-Pakete und liebe Worte mit in den Urlaub. Ein neuer Gast sagt begeistert, er könne das bei der Tombola gewonnene Ordnungssystem wirklich gut gebrauchen. Was für Schatzis wir uns hier herangelockt haben!

29.9.

Es ist noch einmal ein harter Fight in Schönering, aber um 13:30 ist das Boot voll (bzw. auf den Dachträger geschraubt) und der Küchenboden gewischt (ja, dieser Mensch bin ich geworden). In Wels stopfen wir noch einmal so viel Materie in das tapfer ächzende Auto.

Gemeinsames Aufschluchzen beim ersten Blick auf den

GRUNDLSEE.

Innerliches Aufschluchzen, als uns die Chefin schon zur Begrüßung die Fischpfanne und ein Reibeisen entgegenstreckt. Das erste Bier im Rostigen Anker verdampft, bevor es unsere Lippen berührt. Wir müssen sehr an uns halten, das Servierpersonal nicht mit unserem Glück zu überfordern.

30.6.

Es kann nichts mehr schiefgehen. In glücklicher Erschöpfung sind wir auf dem Balkon versackt. Die Spatzen budern auf den Dachbalken. Der Spatzenhahn schlängelt sich plusternd durch den Taubenabwehrslalom, tritt dann hektisch die geduldig das Spiel ertragende Spatzenhenne und fliegt wieder zurück zum Start. Nach fünf Wiederholungen ist der Akt vollbracht, die Spätzin schüttelt sich und putzt ihre Schwinge.

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