Freitag, April 30, 2021

Bis zum Tod immerhin bemüht und gut gebumst. Phantomereignisse im April

1.4.2021

Offenbar diene ich meinem Umfeld als warnendes Beispiel, Kinder nicht „irgendwas mit Medien“ machen zu lassen, weil ich zehn Jahre gebraucht hätte, um mich von meinem zweijährigen „Praktikum“ zu erholen. Aber hier irrt das Umfeld! Ich bin schon seit 15 Jahren traumatisiert – vom Angestelltsein an sich! Zwei Jahre reichen für ein Leben und bis in die Haut hinein. Und meine Störung hat das Wesen einer Amputation; so ein Fuß wächst nicht nach, genauso wenig meine Fähigkeit, Vorgesetzte und geregelte Arbeitszeiten zu tolerieren.  

2.4.

Das mit dem Roman ist sicher nicht mein best shot in Sachen Publikumsliebe, viel besser werden die Mitteilungshefte angenommen, die Coala und ich füreinander schreiben, da wir im selben Haus einander wie Gespenster sind. Die Schriften sind aber auch wirklich schön, zwischen Zeitungsausschnitten über gerettete Küken, Welpen und Kälbchen stehen Botschaften wie „Es gibt schon wieder Schupfnudeln, aber iss sie auf!“, „Wir könnten heute die Handschuhschublade miteinander ausmisten“ und „Oh Gott, ich hab mich überfressen“ sowie „Nasse Spatzen schauen grämlich aus der Futterstelle, verwöhntes Pack!“

3.4.

Die Spatzen verweigern jedwede Domestifikation, halten aber auch alle anderen, möglicherweise weniger undankbaren Vogelsorten von der Futterstelle fern, und zetern aufgebracht, wenn sie leer ist. Wahrscheinlich halten sie mich für eine dumme, dicke Katze. 

Abb. 2: "Birbs" Das Bild ist - wie das obige - sorgfältig aus dem Internet gefladert, bitte verklagt mich nicht, ich tue es mit Liebe!

4.4.

Du bist die bestgefickte Brotspinne Mitteleuropas, was willst du!?“ Der Mann schimpft mit mir, als wäre ich ein verwöhnter Spatz, der sauer schaut, weil seine Hirse nicht bio ist, dabei habe ich ein sehr wichtiges Anliegen vorgetragen, ich kann mich nur grad nicht daran erinnern.

5.4.

Ornithologierat Haslinger erläutert mir beim Weg von der Klinserscharte zu den Dietlbüheln, dass man Zwistigkeiten zwischen Vögeln so bezeichnet: „Die Saatkrähen hassen den Rotmilan.“ Kennt man vom East-Westcoast-Zwist: They see me flyin' – they hatin'. 

 
Vogelfreier Schauplatz ornithologischer Erläuterungen

6.4.

Bei Gelegenheit etwas über hilflose Egozentrik schreiben, als Folge eines mühseligen Empathiezwangs. Erholsam sind Angelegenheiten, in denen die Spiegelneuronen mangels Kompetenz völlig ins Leere blitzen (Chemie, 12-Musik, Kochen, Überlegenheitsgefühle). Am erholsamsten das Gehen durch das Tote Gebirge, wo alles grauer Fels ist und man selbst ein wenig wie tot ist, aber fröhlich dabei. #ambivertiert

Traum von einer künstlerischen Karriere, die ohne jedes Oeuvre auskommt, wahrscheinlich sind Blogeinträge schon zu viel, am besten wäre die absolute Beschränkung auf das Moderieren von Tombolas, das dann gerne im Frack, aber sonst könnte ich mich auf reines Dasein beschränken und nachher wieder ins Privatleben zurück schlüpfen.

10.4.

Auf dem Parkplatz neben dem Offensee schlüpft einer in eine olivgrüne Bomberjacke mit dem Aufnäher „Felix Baumgartner-Red-Bull-Team“ und wundert sich, dass wir gar so schnell in die Bindung hüpfen und losstapfen. Ich bin eine treue Bergkameradin, aber Fremdscham ist mir nicht fremd. Abgesehen davon erneut ein herrlicher Ausflug mit der #mütterrunde, den besten Menschen, die zufällig auch Männer sind. 

Gute Menschen dürfen schlechte Jacken tragen. 

Eine Frau, die ich sehr gut kenne, berichtet mir von einer Sehnenscheidenentzündung, weil sie so eifrig beim Malen-nach-Zahlen war; unlängst sei sie ganz bedrückt gewesen, weil sie den ganzen Abend Felder mit opakem Schlammbraun ausfüllen hatte müssen.

13.4.

Amseln „tixen und schackern“, sie sind schüchtern, können aber bei entsprechender Aufmerksamkeit recht ausflippen. Die Brutpflege erledigen sie paritätisch. #totemtier

14.4.

Schmelzende Gletscher befinden sich in einem „schlechten Ernährungszustand“. Jargons sind die Saucen der Sprache!

Tu dir kein Leid! Denn wir sind alle noch hier.“ Apostelgeschichte 16,28

15.4.

Polnische Feuerwehrleute mussten ein Croissant aus einem Baum entfernen, das eine besorgte Krakauerin (sic) für ein lauerndes Tier gehalten hatte. Ich vermerke mir das als recht zugängliche Option, weltweit in den Medien zu landen.

16.4.

In diesem Internet, von dem man neuerdings so viel hört, schreibt einer unter den Menstruationshandschuh-Shitstorm, man könne das ja einfach „den Markt“ regeln lassen. Erlaubte mir den Hinweis, dass man mit dem gleichen Argument auch Katzenbabygift „am Markt“ positionieren könne. #pinkyglove #stinkyglove

17.4.

Mir wurde gerade empfohlen, noch eine „Wut-Milf“ in meinen Roman einzubauen.

20.4.

Unterredung im Schl8hof, was auf unseren Grabsteinen stehen möge.

Ich: „Sie hat sich bemüht!“ (Die Inschrift darf ruhig auch krakelig sein)

Thomas: „Immerhin!“

Stephan Roiss (Zombiefilmfan): „Hier ruht bis auf Widerruf Stephan Roiss.“

21.4.

Offizielle Bilanz auf dem Konto bis jetzt: rein +54,19 €; raus -13,74 €. Bald kommt die Besachwalterung. Jedenfalls bin ich nicht schuld am Kapitalismus. Zwei Stiglitze in den Wipfeln des Jasminstrauchs – das muss doch reichen!

23.4.

Jirši: „Drum hob i zum Polospün aufghert, weil do scho so vü Gsindl is.“

25.4.

Ein lustiger Mensch berichtet mir von seinem verstorbenen Großvater, der sich dreimal in seinem Stressless-Sessel wundgesessen habe – aber ohne Not, aus reiner Trägheit. Das wäre ein sehr gewagtes Stressless-Testimonial, aber man könnte es versuchen.

26.4.

Es ist mir eine rechte Freude, dass immer mehr Menschen mir ihre guten Erlebnisse zur Aufbewahrung anvertrauen; ich werde zum Schließfach für kleinen Blödsinn. Heute die schöne Eisbestellung einer älteren Dame: „Eine Kugel Malaria, bitte!“

27.4.

Meine Hand nuschelt beim Schreiben.

28.4.

Ich habe mich darüber lustig gemacht, dass die Dichtung das Leben wiederholen solle. Und doch, in dem sie es mit Liebe tut, macht sie es schön.“ Musil

 
Roßleiten braucht keine Dichtung, um schön zu sein. 

In zwei Stunden 8000 Zeichen Roman geschrieben (wieder einen neuen, den mittleren kann ich nicht hernehmen, weil schon „prämiert“) und immer noch das Gefühl, herumzutrödeln. Ich beginne, die Natur meiner Probleme zu erahnen.

29.4.

Es gibt einen Pyjamahai, die Familie der „Pieper und Stelzen“, den „maskierten Strolch“ und den „sparrigen Runzelbruder“. Der Zuständige für die Division „Paket & Logistik“ heißt Umundum.

30.4.

Wohnform der Zukunft: Seniorenresistenz Schönering


Sonntag, April 18, 2021

Verwandle deine Frühjahrsmüdigkeit in negative Energie!

Rede beim Solidaritätscamp für geflüchtete Menschen, Alter Schlachthof Wels

Symboldbild "Allgemeine Müdigkeit"

Ihr guten Menschen, ich bin ein bisschen müde. Pardon, dass ich über mich rede, (ich bin ich kein türkiser Kanzler, dem das nicht peinlich wäre). Die Frage, warum es euch interessieren soll, warum ich müde bin, plagt mich deswegen.

Ich bin müde, zum einen, weil ich heute bald aufgestanden bin, um pünktlich bei euch zu sein. Vorher habe ich mich um mein Privatleben gekümmert, was einem angesichts des Anlasses unserer Kundgebung auch nicht froh macht. Die Zelte, die hier stehen, dienen doch eigentlich der Freizeitgestaltung, und doch haben sie ihre Unschuld verloren. Ihr werdet heute Nacht darin frieren, in den griechischen Elendslagern frieren die Menschen schon den ganzen Winter. Ihr wisst das, darum seid ihr da. Ob wir im kommenden Sommer ganz unbelastet in der Natur zelten können? Ziemlich sicher nicht. Und es ist unendlich ärgerlich, dass das so ist. Wir sollten uns aber dagegen wehren, uns ein schlechtes Gewissen machen zu lassen, diese Zeiten haben auch die meisten KatholikInnen schon hinter sich. Lasst uns doch kurz versuchen, unsere negative Energie dort hinzubündeln, wo sie die Richtigen trifft! Gerne dürft ihr euch jetzt auf eine Fantasiereise begeben und euch vorstellen, wie ein Strahl negativer Energie aus eurem dritten Auge herausgleißt und 200 Kilometer entfernt dem Kanzler ein Loch in die Arschbacke brennt. Es ist ja nur eine Fantasie!

Ich bin also müde. Zu meiner eigenen Unzufriedenheiten liegt eine Zeit hinter mir, in der ich mich mehrerer – für mich im Übrigen extrem schmeichelhaften – Anfragen, etwas zu den Mahnwachen beizutragen, entzogen habe. Mir kam es selbst wie unsolidarische Faulheit vor, es wunderte mich. Denn ich glühe an sich in meiner Ablehnung dieser schmerzbefreiten, scheißpopulistischen Haltung unserer Regierung beziehungsweise der rechtsextremkonservativen Mehrheit in unserem so heimatfixierten Österreich. Warum wollte ich nicht sprechen? Bin ich mir etwa unter der Hand selbst rechts geworden?!

Ich war einfach müde. Ihr kennt das Bild vom Pfarrer, der zum Chor predigt, anstatt die wahren Sünder zu züchtigen. Hätte sich ein Kanzler, ein Innenminister, ein Landeshauptmann, sein Vize, ein Bürgermeister angekündigt, heute hier dabei zu sein, ich hätte mich energisch in Pose, in den Frack geworfen, damit die auch einmal etwas Anständiges zu hören bekommen.

Ich war also einfach müde. Dann dachte ich nach. Wollen nicht auch die schmerzbefreiten, scheißpopulistischen Kinderabschieber und Balkanroutenschließer und Dünne-Deckerl-nach-Moria-Schicker einmal müde werden? Woher kommt die Energie dieser Grenzendichter und Asylrechtsverschärfer? Warum werden wir Gedichtdichter und AsylrechtsverschärfungskritikerInnen und Schriftstellerinnen so müde? Und das im depperten Kulturlockdown, wo wir doch eigentlich eh Zeit zum Brotbacken und Ausschlafen hätten? Es muss doch Kraft kosten, so offenkundig schlecht gegen Mitmenschen zu sein!

Eine besonders ermüdende, schmerzhafte Frage: Warum werden die Menschen, unsere Brüder und Schwestern, nicht müde, eine solche Politik zu wählen!? Man kann ja SUVs an sich laufend anprangern, aber die scheiß Teile werden halt gekauft wie warme Semmeln, das ist das Problem. Ich würde das so wahnsinnig gern verstehen, warum alle so überzeugt gegen ihre eigenen Interessen wählen. Was ist der Lustgewinn, wenn tatsächlich hart arbeitende Menschen ein korruptes Gschwerl wählen? Warum wählen die Arbeiter die FPÖ, und bitte, warum wählen Menschen mit Migrationshintergrund die Ausländervolksbegehrer? Warum wählen verwöhnte Ärztekinder mit steuerfrei geerbtem Einfamilienhaus eigentlich links und nicht türkis? Ok, das ist – zumindest aus meiner Sicht – das geringste Problem.

Ich bin einfach müde, aber das soll keine Ausrede sein. Folgender Vorschlag! 1. Matriarchat. 2. Konkrete, gemäßigte Diktatur, meinetwegen als Kunstprojekt: Der Bundeskanzler setzt sich in mein Büro, dort kriegt er nichts bezahlt, darf dafür aber wegen des Kulturlockdowns den ganzen Tag lesen und schreiben und Kaffee trinken und den Spatzen beim Streiten zuschauen, am Nachmittag kann er mir den Kompost auf die Beete schaufeln, das gehört schon längst gemacht, und er soll mir Notizen für die nächste Kundgebung schreiben. Ich übernehme einen Tag lang seine Geschäfte und schau mir an, woher diese Energie kommt, mit der er uns mit Message Control und Grenzfetischismus und Mindestsicherungskürzen so brutal auf die Nerven geht.

Ich will das verstehen!

Das ist natürlich alles müde Satire. Was ich euch ernsthaft sagen will: Danke, dass ihr nicht müde werdet! Danke an euch guten Menschen, allen voran dem zivilgesellschaftlichen Kollektiv ZiGe! Wir haben Platz!