Freitag, Oktober 11, 2019

Der Pilznarr. Gerechtigkeit für Schönering


Als mich der Sprecher der Akademie an diesem viel zu warmen Oktoberdonnerstag anrief, um mir den Nobelpreis für Literatur 2021 zuzusprechen, ließ ich den Hammer fallen. Nun sind sie völlig verrückt geworden, dachte ich, damit ist der Preis endgültig ruiniert. Ich brachte nur ein wortloses Gurgeln heraus, das man in Stockholm für ein Zeichen der Rührung hielt.

Ich stieg benommen vom Dach meines Baumhauses, das in seinem siebten Jahr wieder angefangen hatte zu nässen; ein schwerer Landregen hatte meine größte Leistung in der Dichtkunst zunichte gemacht. Alles ließ ich nun liegen und stehen, die Planen, die Dachpappe, die Dichtmasse. Vor dem Gartentor hatte sich bereits eine Pressetraube gebildet, die Fotografen hielten eifrig auf meinen Hund, der schon wieder in den Vorgarten schiss, obwohl ich doch in der Früh mit ihm äußerln gewesen war. Ich hielt inne, dachte über das kostbare Wort „äußerln“ nach, ist nicht alles Sprechen ein Versuch, das Innere zu äußerln, da schrien mich die Journalisten gierig an, sie forderten Reaktionen und Reaktionen von mir, keiner von ihnen rief mir entgegen, dass er schon ein Buch von mir gelesen habe. Gut, beide sind vergriffen, aber dafür hatte das Dach drei Jahre lang dicht gehalten.

Ich bin nicht hier für des Hundes Scheißdreck!“ rief ich. Im Zustand äußerster Entfremdung lief ich ins Haus und wählte mit zitternden Fingern die Nummer des einzigen Menschen, der wusste, wie es mir jetzt ging. Doch Peter Handke hob nicht ab, typisch für diesen Bewohner des Elfenbeinturms in der Niemandsbucht! Er genoss das Exil, das ich ihm damals empfohlen hatte, zwecks Reparatur seines Images. „Zieh auch nach Schönering!“, sagte ich ihm nach seinem Auftritt als Gast bei den OLW, „zieh in mein Dorf, keine Sau interessiert sich dort für seine Dichter! Einmal im Jahr, Peter, lese ich im Pfarrheim für die Senioren, alle fünf Jahre zum Frauentag für die SPÖ-Damen, das war's! Eine heilige Ruhe!“ Tatsächlich konnte sich Handke der Öffentlichkeit hier, am Ostrand des Eferdinger Beckens, in unsere Oase der Poesielosigkeit retten. Ja, es war eine Rettung, seit zwei Jahren lebte er wunschlos glücklich in einem Vierkanter und sucht den lieben langen Tag Vogelfedern und Tintenröhrlinge im Kürnbergerwald. Wollte dem scheinbar verwirrten Großliteraten ein freundlicher Jogger den Weg zurück durch die Borkenkäferschneisen zeigen, sagte Handke „Ich komme Edramsberg her, von Schönering, von Wilhering“, und alles war gut.

Verlassen wie ein Kind im Grenzland lief ich durchs Haus, und leider, leider verfiel ich auf die Idee, ins Internet zu schauen. Keine Stunde war mein Nobelpreis bekannt, schon wurde meine gesamte Vita an die Öffentlichkeit gezerrt wie eine Picknickdecke, an der ein Rudel Paviane reißt. Mein Deutschlehrer erzählte lachend von meinem Faible für Guns N' Roses samt Fransenlederjacke; meine Schwester gab bei Barbara Stöckl preis, dass ich mir als Kind über Nacht ein Plastikdraculagebiss um 5 Schilling in den Mund gesteckt habe, um meinen Überbiss zu korrigieren. Auf ORF 3 machten sich Daniela Strigl und Klaus Nüchtern über die Rechtschreibfehler in der „Sau“ lustig, Nüchtern erzählte, dass ich zur Not auch Stiegl trinke. Und in der Mittags-ZiB plauderte Christian Wehrschütz über meine Freundschaft mit Kim Jong Un, Fotos von einem Begräbnis wurden eingeblendet. Ich geriet in Zorn, die Verwandtschaft kann man sich halt nicht aussuchen!

Da läutete es Sturm an der Tür, ich riss sie auf und sah LH Stelzer auf der Dacke, neben ihm strahlte Bürgermeister Mario Mühlböck. Sie klopften mir links und rechts auf die Schulter, der Ortskaiser überreichte mir ein Bild vom Stift Wilhering, der Landesvater eine Pfeffermühle aus Leondinger Fichtenholz. Da senkte sich mein Blutdruck, und ich richtete das Wort an die beiden. „Ich fühle mich losgebunden vom Pfahl des eigenen Ich!“ Wir umarmten einander. So sah ich nicht, wie die Pressetraube heranwanzte. Jemand tippte mir auf die Schulter. Armin Wolf! „Frau Meindl, Peter Handke sagt über Sie, dass zwar ihre Literatur großartig sei, aber Ihre Dichtkunst nicht, denn es regne schon wieder in Ihr Baumhaus!“ Ich war wie vom Blitz getroffen. „Verschwinden Sie!“, schrie ich, „und stellen Sie mir nicht solche Fragen! Ich stamme von Handwerkern ab, von Wegmachern, von Schneidern her! Von keinem Menschen hör' ich, dass er sagt, der Rasen ist aber schön geschnitten, und wie der Zuckerhut in Ihrem Hochbeet gedeiht, alle fragen nur wie Sie!“

Ich schlug, das muss ich zugeben, dem frechen Wolf mit der Pfeffermühle ein bisschen auf den Kopf, dann zog ich Stelzer und Mühlböck in mein Haus und sperrte die Weltpresse aus. Um unsere Stimmung zu reparieren, bot ich den Gästen selbstgebackene Hanfkekse an. Bald lagen wir kichernd auf der Soff, der Hund eingerollt und furzend zu unseren Füßen, und am Ende wurde es doch noch ein gemütlicher Nachmittag. Dem Handke, diesem geschwätzigen Arschloch, habe ich seither nie mehr beim Winterreifenwechseln geholfen.

Donnerstag, Oktober 10, 2019

"Dominika Meindl – Despotie und Poesie"

Auszüge aus ihrer nicht autorisierten Autobiographie

Von Monika Meindl, ehem. Chefredakteurin der OÖN

In einer Pause beschloss ich, einen Schluck Kaffee zu trinken. Kaffe ist ein schmackhaftes Heißgetränk, das in Äthiopien erfunden und in Wien zur Marktreife gebracht wurde. Ich war aber in Linz. Ein kalter Novembertag an den Gestaden der Donau, die hier durch die Stahlstadt mit ihren 452.565 Einwohnern fließt. Die Donau ist der größte Strom Europas und sichert den Wirtschaftsstandort Oberösterreich nachhaltig. Als ich Dominika Meindl hier das erste Mal sah, wirkte sie in Gedanken verhangen. Ihre vom Klettern gestählten Finger hielten in der Rechten einen Krug Schlägler Bier, das beliebteste Bier nicht nur der Region Oberes Mühlviertel, ein Leitbetrieb zum Vorzeigen, wie sie unter der Regentschaft Meindls zuhauf entstanden. In der Rechten den von ihr so geliebten Gerstensaft, in der sehr starken Linken – die meisten herkömmlichen Menschen haben ja einen deutlich schwächeren Arm, meistens den Linken – in der fast genauso starken Linken von Meindl, die damals noch die jüngste Lesebühnengründerin der Zweiten Republik war, da lag der Nacken ihres Vertrauten Prof. Buttinger. Es ist typisch für die Kultur des Anpatzens in diesem Land, dass Meindl nachgesagt wird, sie verlange von ihrem Beraterstab stete sexuelle Bereitschaft! Das Kartenhaus der Lüge wird auch in Bezug auf angebliche homosexuelle Präferenzen der jungen Präsidentin einstürzen, die immer klar gesagt hat, dass sie bei der Befriedigung ihrer erstaunlichen geschlechtlichen Bedürfnisse keine Rasse und kein Geschlecht dem anderen vorziehe, hauptsache, es ist ein jedes Mal auch ein bisserl das Herz dabei.
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Im Volksstamm der Burjaten, die sich im Zuge der Völkerwanderung in den Wäldern des Bezirks Urfahr Umgebung niedergelassen hatten, war es üblich, die Kinder mit ihrem Hausnamen zu rufen, “Dominika” ist also der Nachname, die korrekte Anrede (bis zur Erlangung von Magistertitel und Präsidentschaftsamt) war also stets “Meindl”. Meindls Eltern hatten es sehr schwer als Kinder der letzten Köhler von Gramastetten, doch als Angehörige der Aufbaugeneration konnten sie durch täglich 12 Stunden Arbeit einen bescheidenen Wohlstand schaffen. Es ist wiedereinmal ein verbaler Anschlag der neidigen Gegner, zu behaupten, das faszinierende Tyrannentalent sei ein verwöhntes Ärztekind, nein, sie ist auch eine sehr klassenbewusste Kämpferin für die Anliegen der Kleinbauern und Kleingewerbstreibenden, denn Leistung muss sich wieder lohnen.
Meindls Vater, ein bescheidener Waldbauernbub, Medizinalrat Primar Dr. Josef Meindl, erzählt, dass seine Drittgeborene schon mit 1,5 Jahren auf eigenen Beinen stand. Was vielleicht nicht früh ist, angesichts der barocken Ausmaße der Gliedmaßen aber schon wieder eine Top-Leistung. Es ist jedoch ein Gerücht, dass Mutter Anneliese ihre Tochter zur Kinderärztin getragen habe, da sie vermutete, ein Herzfehler sei schuld daran, dass sich Meindl erst mit einem Jahr zu bewegen begann, und dass die gemeine Ärztin gesagt habe, “nein, die ist nur faul”. Das ist diese Niedertracht des Anpatzens, an dem sich Meindl nie beteiligt hat.
Die junge Präsidentin wusste sich überall gleich Freunde zu machen, sei es durch ihre charismatische Ausstrahlung, sei es durch ihre Bildung – ein Abschluss in Philosophie mit ausgezeichnetem Erfolg, was Meindl aber immer wieder vergisst, weil ihr Noten nicht so wichtig sind. Sei es durch ihre leicht groben, leicht lustigen Scherze, mit denen sie sich auch dem weniger gebildeten Volk verständlich zu machen weiß. Meindl besticht durch ihre Vielseitigkeit – sie kann drei bis vier Bier (bevorzugt Schlägl, hidden champion der Braukunst) trinken, aber auch druckreif über “Singularität und Alterität unter besonderer Berücksichtigung der Dekonstruktion Jacques Derrida” referieren. Wenn sie von ihren wissenschaftlichen Expeditionen und kühnen Abenteuerfahrten in das von ihr so innig geliebte Tote Gebirge erzählt, kommt die gefühlvolle Seite der sonst so tough wirkenden Despotin durch. Gestern war sie zum Beispiel auf dem Großen Kraxenberg, wofür sie den Aufstieg über die südliche Wassertalflanke wählte, ein alpinistischer Husarenritt der Schwierigkeitsstufe II, frei geklettert, wovon die bergtaugliche Präsidentin nicht viel Aufhebens macht. Wann immer sie auf dem Plateau des größten Karstgebiets Mitteleuropas angekommt, ist sie so gerührt, dass ihr manchmal das Wasser in die Augen steigt, die grün wie das absterbende Laub der Latschen im Herbst sind. “Wenn die Gamserln so lieb im Gebirg stehen”, sagt sie immer, “und die Sonne über die geliebten Gipfel streicht, da sehe ich wohl ist die Welt so groß und weit Und voller Sonnenschein. Das allerschönste Stück davon Ist doch die Heimat mein Dort wo aus schmaler Felsenkluft Die Steyr springt heraus Vom großen Priel dem Grat entlang Bis zu der Staumau in Klaus. Hei di hei da hei da Ju vi val le ral le ra Hei da hei daJu vi val le ral le ra!” [spätestens hier haltlos weinen]