Donnerstag, April 26, 2018

Gender ist ein windschiefes Konstrukt


Lieber Leser, du feine Madame,

weißt du eigentlich, was für ein Gender ich verwalte? Na?! Bin ich (s.o.) die Linke oder der Rechte? Ich frage, weil es da zuletzt große Unsicherheiten gegeben hat. Lass' mich narrativ mit zwei ganz backfrischen Erlebnissen illustrieren: 

1. Zwei Schöneringer Reha-Patienten hinken am Nussbaum vorbei, auf dem ich gerade mein Baumhaus frühlingsfein mache (ich putze). "He schau, cool, der hod si sei Büro do ohm eigricht!" Ich räuspere mich. "Hö, des is jo goa ka Er, des is a Sie!" 

2. Der liebe Kollege Monet tritt bei der Versammlung der Radlobby Oö auf, die ich vor zwei Jahren (stundenlang!) moderiert habe. "Jo, 2016 woa eh scho ana vo eichana Lesebühne bei uns, der Dominik." Monet: "Einen Dominik haben wir nicht, aber eine Dominika." "Eijo, genau, so hod de g'haaßn." 

Antworten zum Geschlechtsrätselspaß bitte in den Kommentarteil, die spaßigste gewinnt (irgendwas).

Freitag, April 20, 2018

Zeitreisen unter besonderer Berücksichtigung von Tyrannenmord

Drehbuch für ein neues Genre – der Sci-Fi-Heimatfilm.

Österreich im Jahr 2024. Die Donau ist überplattet, drinnen fahren Schiffe, oben SUVs. Kurzens demagogisches „Talent“ ist mit ihm durchgegangen, Orbanisierung Hilfsausdruck. Szenen zeigen Behinderte und Bettlägrige, die Profite erwirtschaften müssen. Schnitt in die USA: Trump schmollt, weil Kurz den Grenzwall vorm Balkan schon fertig hat (aus Vöest-Stahl, bemalt mit Alpenpanoramen). Schnitt nach Russland: Itchy Stratchy ist in den Schoß Putins gewirtschaftsgeflüchtet, weil die Türkisen die FPÖ aufgesaugt haben wie der Monet sein erstes Wochenendbier. Die nächste Szene spielt auf der super renovierten Florentine: Künstler treten – wenn überhaupt – nur noch mit Headsponsoren auf. Aus der Lesebühne ist ein Mundart-Rossegger-Vortragsabend geworden. Weil eh alle Ausländer zurückgeschoben wurden, da braucht's keine neuen deutschen Texte mehr, sind eh die alten vom Ernst Jünger oder Weinheber pfenninggut. Was sich nicht am Markt behauptet, ist ausgemerzt wie der Schnee in der Märzsonne.

Aber! Das ist keine fade Geschichte, darum gibt es eine Widerstandsbewegung im Untergrund. Eine Szene in Alturfahr: Wir sehen Theaterwissenschaftler in den geerbten Gärten ihrer wohlhabenden Eltern garteln. Politikwissenschaftlerinnen kämpfen mit Ribiselmarmelade gegen die Lebensmittelkonzerne, ehemalige bildende Künstler setzen saisonale Dekorationsideen gegen neoliberale Uniformität, Biomodedesigner mahnen mit selbstgehäkelten Baumumpuschelungen gegen die soziale Kälte. Philosophiestudenten werfen urban Seed-Bombs gegen Porsches, um die Versiegelung der Landschaft anzuprangern. Frühere grüne Landtagsabgeordneten glänzen mit gepflegten Vollbärten und gepflegten Gesprächen über die Auwaldbesetzung 1986. Die Opposition beherrscht Selbstverteidigung, wehrt also depressive Verstimmungen durch Yoga und Bewegung an der frischen Luft ab.

Hier tritt unsere Heldin Monique Mendl erstmals auf. [Man könnte sie ganz gut mit Charlize Theron oder Birgit Minichmayr besetzen.] Wir sehen die gutaussehende brünette, ehemalige Schriftstellerin im Disput mit Rebellen in Naketano-Pullis. „Radikal vegan?!“ schimpft sie, „das ist doch kein Widerstand gegen den Tyrannen! Ihr Lulus seid doch schon fertig wegen eurer Lactoseintoleranz!“ „Das ist aber auch wirklich belastend“, erklärt ein Mann mit Man-Bun, „können wir denn die Milch nicht nehmen, wie sie ist, heul!“ „Und sag' bitte nicht Tyrann“, beschwichtigt eine Frau mit selbstgefilztem Schmuck, „die gewaltfreie Kommunikation lehrt uns, dass wir den Gegner in seinem So-Sein und seinen Bedürfnissen ernst...“ „Waaaaa!“ brüllt die Heldin, „der behinderte Kurz schenkt eure Elternhäuser der Bank, sobald ihr die Mindestpension beantragt!“ Beim Wort „behindert“ hat es die Runde heftig gerissen. „Der Sebastian hat besondere Bedürfnisse, Monique!“ flüstert die Tanztherapeutin in Vintage-Sneakern. Da reicht es der Heldin, sie wirft den selbstgezimmerten Palettentisch um, kohlehydratarme Smoothies ergießen sich auf den Erdboden, sie brüllt: „Der Kurz ghört weg!“ „Jössas“, wispern die Mitstreiter. „Haben wir schon eine Online-Petition angedacht?“ sagt der Man-Bun. Und die Filzgeschmückte: „Das Crowdfunding für Kurzens Sterbehilfe läuft nicht so gut an.“ „Er ghört weg!“ schreit Monique unbeirrt, „wir brauchen Waffen!“ Auch die anderen sprechen jetzt aufgebracht durcheinander. „Ist schießen nicht rechts?“ „Ist es nicht kolonial, wenn wir den Leuten in der Dritten Welt die Kalashnikoffs wegkaufen?“ „Macht so eine Bombe nicht Feinstaub?“ „Kriegen wir das Nitro fair getradet und verpackungsfrei?“ Mit einem Urschrei „Ihr Superfoodlecker, ihr!“ rennt die Heldin von dannen.

Weit kommt sie mit ihrem Zorn freilich nicht, das Morden ist auch ihr als Sandwichkind nicht in die Wiege gelegt. Sie nimmt das Handy und googelt „Was hat Kurz bloß so ruiniert“ Bald findet sie die Antwort: Seine Eltern haben ihm von Geburt an gesagt, er sei etwas ganz Besonderes. In einem ausländischen, also kritischen Artikel liest sie über den Schock, den der reality clash in Kurz auslöste: In der Krabbelstube zeigt sich, dass er gar nicht hochbegabt ist. Der Kevin kann schon seinen Namen schreiben, die Lena spielt Geige, seit sie zweieinhalb ist.

Das kann die Heldin schon verstehen, sie ist an der Wiener Schule für Dichtung nicht aufgenommen worden. [Rückblende!] Sieben Verlage verweigern ihren „bahnbrechenden“ Roman. Vor lauter Hass auf den Kunstbetrieb fährt die Heldin eines Septembertages nach Polen und annektiert einen Strandkorb an der Ostsee.

In der Gegenwart schreitet die Heldin zur Tat. Wir sehen sie tagelang im Altstoffzentrum schrauben – und schließlich ist die Zeitreisemaschine fertig! Flugs reist sie damit in das Wien der 1990er. Und steigt prompt in einen Hundsdreck vor dem Kindergarten. Aber bald erkennt sie Basti, die Ohren waren schon damals ein Witz. Sie hebt den Wicht daran hoch und brüllt ihm hinein: „Du bist überhaupt nicht hochbegabt, du bist nur präpotent!“, um sein Ego zu ermorden. Bast weint bitterlich. Die Heldin hat Mitleid. „Jetzt flenn' nicht, schau mich an, das ganz Normale reicht doch!“ Sie wischt ihm die Tränen von den Backen. „Ich komme aus der Zukunft, und da gibt’s bald das Internetz, das ist besser als Fernsehschaun!“ Bastis Augen glänzen. Sie warnt: „Pass' auf, wenn ich dich später irgendwo in der Nähe von einem ÖVP-Bezirksbüro erwische, derschlag' ich dich, und gele dir auch bloß niemals das Haar so dumm zurück, du hast eh so unvorteilhafte Ohren!“ Er nickt.

Damit wäre die Geschichte fertig für den amerikanischen Markt, die Europäer bräuchten was Kritisches: Die Heldin schnappt leider über und reist zurück in die 1930er Jahre. Sie gräbt dem Hitler das Herz mit einem Löffel aus der Brust [komisch, da hat sie gar keine Hemmung]. Sie übernimmt das Reich an seiner Statt, zuerst mir gutem Willen, dann leider mit dem bekannten Ausgang.

So kommt es, dass in der neuen Gegenwart im Fernsehen ein Dokumarathon läuft: Mendls willige Helfer, Mendls Panzerkrieg, Mendls Wien, Mendls blonde Hunde. Und alljährlich lungern die gschissenen Neonazis am 20. April vor einem Einfamilienhaus in Schönering herum.

 

Dienstag, April 10, 2018

Vorauseilender Gehorsam, oberösterreichische Kulturpolitik und persönlicher Unmut. Warum ich nicht mehr für den Kulturbericht schreibe

Soeben ist nach zwölf Jahren mein letzter Beitrag für den Oberösterreichischen Kulturbericht erschienen. Man hat mir - um den Herrn Landeshauptmann nicht zu behelligen - ungefragt diesen Satz zensiert: "Die öffentliche Hand kann leider keine kulturellen Frauenberatungsstellen mehr fördern, auch kann sie junge Musiker bei der Produktion eines Tonträgers nicht mehr unterstützen." (Mehr dazu auf dem Blog der Kupf).
So mag ich nicht arbeiten, auch wenn ich das Geld gut gebrauchen könnte. Ich halte die Kulturpolitik von LH Stelzer für empörend und finde, dass ihm mein ohnehin streichelweicher Tadel zuzumuten sein muss. Zumal ich als Kulturjournalistin und -schaffende täglich mit den Folgen seines Zusammenkürzens konfrontiert bin.
Wenigstens ist mein letzter Artikel einer über Kreisky.

 
Skurriler Nachtrag - eine Miniatur-Fleißaufgabe: 
Der riesengroße Button fürs #kulturlandretten, den ich hier Anna Weidenholzer überreiche, wurde im Kulturbericht geschwärzt.