Lebenskrimskrams
im Oktober 2023
1.10.
Beängstigend
gutes Wetter. Ein ausnehmend ereignisarmer Tag mit erwähnenswerten
und kostbaren Anflügen von Langeweile, weil ich das Handy gestern beim Wirten liegen habe lassen.
***
Guter
Zufall, dass sich just in der entsprechenden eigenen jugendlichen
Ausdifferenzierungsphase auch die Popmusik so schön zerspragelt hat.
Andererseits permanenter Verdacht, die eigenen Lebensstadien mit der
„Entwicklung der Gesellschaft“ zu verwechseln.
2.10.
Flucht
vor der Admin-Scheiße auf die Straße zum Heckenschneiden, damit mich die Nachbarn
fälschlich für meine Emsigkeit loben, die ja in Wahrheit nur
Prokrastination ist.
***
Alpinmoralische
Selbstbefriedigung in einer Servus-Sendung: „Wir hätten
selbstverständlich auf den Gipfel des K2 verzichtet, um den armen
Träger zu retten, alle! Schuld war die ehrgeizige Norwegerin!“
3.10.
D.
importiert per 20-Stunden-Flug eine gar nicht so kleine Packung
„Minced Fruit Pie“ aus Australien, der die Sinnlosigkeit dieser
lieb gemeinten Geste durch seine Trocken- und Fadheit extrem
verdeutlicht.
***
H.,
die von fast hollywoodesk liebenswürdiger Schüchternheit ist: „Also ich trinke
schon alleine, ich hab' mir Likör angesetzt, da trink' ich am Abend ein
paar Stamperl, dann geht’s wieder.“
***
Gutes Wort, schlechter Sachverhalt: Allmählichkeitsschäden
***
Die
Karlich-Show lässt nicht locker. Dieses Mal soll ich zum Thema „Pink
Stinks – Sollen Mädchen nicht mehr rosa tragen dürfen?“
eingeladen werden, was ich nicht nur mangels Kindern ablehne.
(Nachtrag: Beim Gespräch im Milieu über diese Anfragen stellt sich heraus, dass die armen Talkshow-Caster die ganze Poetry-Slam
+ Kabarett-Nachwuchsszene mit den absurdesten Anfragen abgrasen).
5.10.
Wieder
ein Tag für die Galerie! Mit L. auf die Kirtagsmauer. Die Gämsen
sind irritierend distanzlos. Die dicken Böcke haben sie schon ins
Tal vergrämt, oben im Kar warten die Bad-Ass-Bitches darauf, dass
Fini einen Schritt zu viel wagt. Angeblich haben sie gerade alle eine
Augenentzündung.
Der Abstieg ist doppelt so
leicht zu ertragen, wenn man sich dabei den Mund mit Bier-Expertise
wässrig redet. Es ist auch eigentümlich interessant, wie L.
seine Ziegen am Ende ihrer Lebenserwartung in Wurstform bringt.
6.10.
Buttinger
hat die Frauenneurose des Mitleids mit der armen Wohnung, wenn er sie
für drei Tage verlässt.
***
Eine
Nachbarin nähert sich dem Hund, um ihre Liebe anzunehmen, ich sage danke,
nicht jeder wolle das. Sie, empört: „Waun ma de (=Hunde) ned mog, wen
daun?!“
Wie
höflich auch der junge, sehr langbeinige Mann, der im Gegensatz zu
mir im bummvollen Zug ordnungsgemäß einen Sitzplatz reserviert hat, dem
Hund seinen Fußraum überlässt. Er wirkt berückt und
streichelt ihr siebenmal mit dem Zeigefinger über den Scheitel, weil
ich ihm zum Dank für seine Großzügigkeit vorschwindle, dass sie
bei Unruhe Schutz bei Männern suche. Später lese ich beim Nüchtern,
dass er die Menschen super finde. Ich kann ihm nicht widersprechen.
***
Pataphysisches
Gedankenfeuerwerk. Am Ende landen wir beim Planen unseres Symposiums bei einer Raubkopie der
katholischen Kirche, beim Arsenal ihrer Symbole und Zaubersprüche.
Verloren
steht Leopold Federmaier vor dem Jelinek. Später, im Anzengruber, drehe
ich mich kurz zu den beiden Männern in meinem Rücken um, weil ich
mich für das enge Sitzen etwas entschuldigen möchte – da sitzt
der Glavinic und nickt ganz mild und freundlich. Walter S. hat
uns völlig zu Recht prophezeit, dass Coala und ich die Jüngsten
sein werden, weswegen wir von den anwesenden Männern auch mit sehr
viel Wohlwollen und Versonnenheit betrachtet werden.
8.10.
Aus
der Goldt'schen Reihe „Guter Bandname!“
Ich:
„Kassengift“!
Hasi:
„Ostsuppenwürfel verursachen Krebs“, gab's wirklich!
Heidi:
„Brot & Spüli“
Ich:
„1000 zahme Spatzen“
Hasi:
Das ist mir als Bird-Nerd zu unspezifisch.
Und so könnte das Cover aussehen (leider in der Zwischenzeit vergessen, wo ich das fotographiert habe)
9.10.
Es
ist viel zu warm für die Jahreszeit, aber die schrumpfenden Tage
reichen für eine kleine Kältepanik. Jedes Jahr die Frage, wie man
durch den Winter kommen kann – und kaum auszuhalten die Dokus über
den K2 oder Tibetdurchquerungen. Ich darf derlei künftig nur noch
zwischen Juni und Ende August schauen. Höhenbergsteigen ist
endgültig vom Tisch (also auch das ab 3000 Metern). Ob die
Frierangst einmal abnimmt? Wenn die elf Jahre mit kachektischer
Therme in Linz in Vergessenheit geraten? Wenigstens ist mein Keller wieder ok,
sodass ich mit trockenen Socken Vaters Pestizidspritzausrüstung
entsorgen kann.
***
Buntspechte
im Kirschbaum.
***
In
der Kletterhalle der unvermittelte Ausbruch der mir bis dato noch
nicht bekannten, sehr sympathischen Mutter eines Zweieinhalbjährigen,
dass man alles über Schwangerschaftsstreifen und Wehen lesen könne,
aber nichts darüber, dass man die Kinder oft einfach wo
runterschmeißen will!!!!!! Ich sage ihr, dass sie sich nach der
erfolgreichen und endgültigen Nichttötung nach Vergrämung der
Kinder aus dem Haushalt mit einem Hund belohnen dürfe.
10.10.
Meine rechte Hüfte verknöchert und verledert jetzt leider, so wie die Reblaus „Nodilitäten“ an den
Wurzeln des von ihr befallenen Weinstocks bildet („Vom Leben der
Natur“).
11.10.
Ein
durch und durch geglückter Tag (durch Eigenantrieb im Toten Gebirge)
wird mir gewürzt durch die Bemerkung der Ischlerhüttenwirtin, dass
ein Paar mein Kommen schon angekündigt habe, „da steigt noch eine
junge Frau mit Hund ab.“ Ich lüpfe die Kappe, um das frisch
geschorene graue Haar zu zeigen, alle lachen freundlich.
***
Erstsichtung
eines Kleibers an der Futterstation, ein Diversitätserfolg. Dann aber
wieder die üblichen Spatzen. Ob es wenigstens immer dieselben sind,
die aus Dankbarkeit zu mir kommen?
***
Gestern
am Ende der Buchpräsentation (Thema „Prokrastination“: „Für
Autisten endet jetzt der gemütliche Teil dieses Abends.“ Der
Verdacht, dass nicht primär ich, sondern der Hund gebucht wird, ist
eine verschmerzbare narzisstische Kränkung.
12.10.
Es
scheint keine dumme Strategie zu sein, mich entweder als sympathische
Privat-Loserin zu verkaufen oder als sympathische Staatstyrannin.
13.10.
Apropos
verschmerzbare narzisstische Kränkung: In der Nacht musste ich mit
Fini zu einer Zweitimpfung. Die Schlange vor der Tierarztvilla ist
lang, aber der neue junge Veterinär kommt heraus, sein Auge ruht in
Wohlgefallen auf mir. „Magst du lieber Fisolen oder Knödel?“ Ich
bin schon verliebt und lasse alles liegen und stehen. Der Hund kommt
ab hier nicht mehr vor. Obwohl auf einmal die Schwestern mit dabei
sind, obwohl ich auch im Traum meinen güldenen Ring trage, obwohl
mich der neue Haberer jetzt nicht auf Tiefkühlknödel einlädt,
sondern ins „Essig“, für das ich dramatisch underdressed bin,
ist es recht schön.
Hunde
träumen laut einer Harvard-Studie sehr viel von ihren Besitzern.
***
Man
wünschte, dass über frauenmordende Männer so intensiv diskutiert
würde wie über Kampfhunde.
***
Ein
neuer vorletzter Sommertag. Es ist geil und spooky zugleich.#klimawandel
***
Dingnerdige
Befriedigung, wenn ein Bleistift klein- und ein Notizbuch vollgeschrieben ist.
***
Im
Zug nach Wien. Ein älterer Mann telefoniert mit einem love
interest, er bemüht sich, Hochdeutsch zu sprechen. „Ich rauche nicht, trinke nur ganz wenig, ich wär
der ideale Mann für dich! Aber du bist zu weit weg … Kuscheln? Ja,
das wäre schön! Das machen wir einmal, wenn ich in deiner Nähe
bin! … Du redest so viel! So viel! Wie ein Fließband!“
(„Fleißband“ übrigens auch schön.)
***
Heute
ein Drehbuch für ein Mash-Up von „Und ewig singen die Wälder“
mit „Das Schweigen der Lämmer“ => „Leise singen dieBorkenkäfer“ (könnt ihr lesen, gratis, weil ich zu dumm fürs Geldverlangen bin!) Dann „Fredermink, die Dichtermaus“ für die Lesebühne.
***
Im
Standard stand, dass eine sächsisch sprechende Frau vom Reisebüro
nach Bordeaux statt nach Porto geschickt worden sei.
14.10.
„Auch
wir müssen von irgendwas lesen!“ Guter Versprecher bei der GAV-GV
***
Mieze
Medusa erzählt vom Gallneukirchner Perchtenlauf, bei dem sie von den
Teufeln erwischt und schon fast gehaut worden sei, bis sie bemerkten,
dass sie da ein Mädchen in der Reißn haben. Sie ließen von ihr ab,
Mieze war so wütend über diesen Genderscheiß, dass sie ihnen
beinah nachgerannt wäre.
***
Der
Verlag hat den Entwurf des Covers geschickt, ich erkläre mich zur
Zuversicht bereit. Markus und Doris betrachten mich wie ihr etwas
störrisches, dummes Kind, das sich nun zusammennimmt. <3
15.10.
„Ein
Zellhaufen dummer Sinnlichkeit!“ Schacherreiter, Lesung im Flößerhaus
***
Erst
heute bemerke ich den Zettel an der Windschutzscheibe, eine
kleingewurschtelte Verständigung der Polizei, jemand habe „eventuell
meinen PKW beschädigt“. Es wäre auch mit viel Missgunst gegen
diese Ehrlichkeit kein Schaden auszumachen. Im Grunde war nur die
angegebene Stelle halbwegs intakt, alles andere rundherum zerstoßen.
Dieses Auto ist wohl überhaupt in europäischem Letztbesitz.
16.10.
Beginn
einer „Urlaubswoche“, an deren Ende ich mich schon wieder auf den
Stress im Sitzen freue. Die Holzbretter an der Fassade des Hauses saufen die
Farbe wie wir das Bier am Abend. Buttinger ist im Bauherrenmodus,
möchte von mir aber nicht nur bedient, sondern gegnüber der neugierig schauenden Nachbarschaft auch „Tschinäuller“
genannt werden. Er steht im Entenjagdsteppjackerl auf der Leiter und
schimpft durchgehend.
17.10.
Kindische
Erheiterung über einen Satz im ZEIT-Artikel über Polen: „Im
Wohnzimmer der Gackowskis ist alles in Brauntönen gehalten.“
***
Ich
beschimpfe die Gemeinde-, Landtags- und Nationalratsabgeordneten,
weil sie beim Zoom-Call allesamt Sakkos tragen. (Beim Tippen glaube
ich ein halbes Jahr später, dass ich schon wieder blöd geträumt
habe).
18.10.
Friedhofscafé
Sierning. Die Leute hängen an Laura Freudenthalers Lippen, als würden sie dafür bezahlt,
nicht wir. Shakeh bedankt sich später bei mir für meine „subtile
Erheiterung“.
Foto: Literaturschiff
19.10.
Todesangst
gibt’s nicht nur im Klettergarten, sondern auch billig zuhause auf
der ganz ausgefahrenen Leiter beim Bretterstreichen. Erfrischend.
***
Bei
Gelegenheit in mich gehen, warum alles immer gleich so ein Scheiß
Projekt werden muss! (Aktueller Anlass: Sakko zur Reinigung bringen.
Nachtrag: Hab's dann einfach in die Waschmaschine gegeben, es war
wurscht).
20.10.
Muskelkater
im Rücken wegen der gestrigen Furcht. Die Fenster sind frisch
gestrichen, aber die Vogerl sind wegen der Renovierung der Gaststube
beleidigt und bleiben aus.
***
Ich
krieg gleich einen SCHREIBKRAMPF!!!!!
***
Doppelt
so viel bei der Lesebühne geschnattert, um René zu ersetzen. Dem
Publikum erklärt, dass wir lieber offiziell sagen, er habe Durchfall,
als zuzugeben, dass wir ihn wegen des neuen lean managements
ins Home-Office zurückgeschickt hätten. In der Tat hat er sich
heute entbehrlich gemacht, weil ich nun „Leck mich im Arsch“
selbst vom Handy abspielen kann – er wurde durch Natürliche
Intelligenz ersetzt.
Es
ist eine schmerzliche Wahrheit, dass eine Seite Text statt drei auch
reicht.
Isabella
Scholda möchte auch einmal unkompliziert sein und im Restaurant
vortäuschen, kein Salz zu vertragen. Buttingers herzhaftes Lachen
bei „Du bist und bleibst eine faule Maus“ mit der Stimme unseres
Bundeskanzlers.
Foto: Dieter Decker, der Beste!
Irrste
Freude an diesem Abend: Jemand freut sich aufrichtig über die 54
selbstgebrannten CDs mit dem „Mann ohne Eigenschaften“!
Mehr dazu hier drüben im Lesebühnenblog!
21.10.
Wenn
man Vegetarierin ist, obwohl man Fleisch mag, dann ist das moralisch
so hochwertig wie Matriarchin sein, obwohl man Männer mag. Es hat
beides viel mit Tierwohl zu tun.
***
Etwas
unerfreuliches Gespräch mit einem jüngeren Mann, etwa über Rammstein.
„Wir waren alle nicht dabei, da kann man sich kein Urteil bilden!“
„Wir sind bei den allerwenigsten Sachen dabei.“
„Als
DJ behandeln dich die Frauen auch als Objekt.“
„Bei
uns in der Firma gehen alle Väter in Karenz. Zwei Monate.“
„Die
sich aufregen, sind meistens gar nicht sooo gute Künstlerinnen.“
Irgendwann
reißt mir die Geduld. „Grundgütiger, kann ich bitte meinen Burger
essen?!“
22.10.
Beim
Wandern die ganze Zeit den Stoderkamm im Blick und eigentlich immer
lieber drüben sein zu wollen, obwohl es von hier, von der Bärenalm,
ja viel schöner aussieht. Hannibal Lecter: Man beginnt zu begehren,
was man täglich sieht. 3 Gämsen, 3. Schneehühner, ein
Feuersalamander.
23.10.
Zur
bestandenen Matura schenke ich dem Alemannen meines Vertrauens meine mittelhochdeutsche
Grammatik, weil man die Kinder ja auch in ihrer Muttersprache gut
alphabetisieren muss. Dazu auch neuhochdeutsche, wegen der Zukunft.
Hoffentlich schafft er den Sprung über die Sprachverschiebung,
Evolution kann manchmal ja auch flott gehen! (Vielleicht gelingt es
mir durch das Buchverschenken, meinem Unterbewusstsein zu vermitteln,
dass ich mein Germanistikstudium wirklich geschafft habe und keine
Unterlagen mehr brauche, um es zu wiederholen, wenn der Betrug
auffliegt.)
Wie
unendlich teuer ein Hund geworden ist! Die Anwesenden beim Umtrunk vergleichen die
Anschaffungskosten ihrer Rassetiere, der Golden Doodle ist mit 2400,-
der dickste Brummer. Im Vergleich dazu ist Fini quasi der Dacia zum
Mercedes.
24.10.
Im
Traum eine Skitour, die von Paris aus startet. Mitten drin bemerke
ich, dass ich sowohl Ski als auch Schuhe (Schi und Skuhe) vergessen
habe. Coala und Silvia gehen alleine voraus. Der Abstieg ist mehr als
mühsam. Hinauf nehme ich die Seilbahn, wo ich Birgit und Simone
treffe. Da dreht sich unsere Sitzbank ganz gefährlich auf den Kopf.
Ich beschwere mich nach der knapp überstandenen Gefahr beim
Liftwart, der steckt mir zum Ausgleich drei Freikarten in die Hand,
es sind Essensmarkerl für den letzten Schl8hofball. Es ist zu spät
für den Aufstieg geworden. Coala und Silvia sind schon wieder
zurück, voller Stolz auf ihre Tour.
***
Eine
Sequenz der 6. Brucknersymphonie klingt wie die Titelmelodie der
Lindenstraße, aber ich trau' mich nicht, jemanden zu fragen, ob das
stimmt.
***
Ich
prokrastiniere wie Hölle, weil ich zu Mittag die Ergänzungen für
den Roman versprochen habe und der Garten eingewintert gehört. Als
ich endlich Barbara G.s Anmerkungen eingearbeitet habe, hat's
gerade einmal 1,5 Stunden gedauert. Es ist schwer, den Text jetzt so stehen zu lassen, nachdem ich seit zehn Jahren daran herumgebessert habe.
Zehn Jahre fokussierte Unkonzentriertheit.
***
„Was
wir lesen“ im Stifterhaus: Ich habe Erich Wimmer versprochen,
dieses Mal wirklich pünktlich zu sein, verratsche mich dann aber mit
Regina Pintar in ihrem Büro so gründlich über die Höhen und
Tiefen des Hundehaltungslebens, dass ich erst wieder in den letzten Minuten
auftauche. Die Vorbereitung zu den paar Minuten über „Der lebende
Berg“ erledige ich dann während der Einleitung, weil ich der
schlechte Mensch bin, der ich bin.
Foto: Stifterhaus
„Was
ist dieses Innere des Berges?“
„Grotten, Olme und Zwerge?“
25.10.
Tierparadies
Schabenreith, Facebook: „Beim Hundetraining setzen wir auf die drei
K's: KUSCHELN, KUCHEN, KASTRATION“.
***
Zappen
– das TikTok der Generation X
***
Nach
viel zu langer Zeit werden Birgit und ich wiedervereint. Wenn man
sich so lange nicht sieht, kriegt immer eine von uns zu mindestens
zwei nachgetragenen Gelegenheiten Geschenke.
26.10.
Wir
zeigen Birgit das gute Wels. Wir reden ihr ein, dass die Wirtin vom
„Singapur“ dank ihres eidetischen Personengedächtnisses für die CIA
oder China spioniert. Im Black Horse erklären wir ihr, dass man hier
grundsätzlich je nach Wunsch mit „die junge Dame/der junge Herr“
angesprochen wird, der Wirt selbst wird am besten mit „fescher
Bursch“ adressiert.
Zuhause
schnattern wir noch so lange, dass es auch ein wenig gut ist, wenn
wir wieder getrennt werden, aber nur wegen Schlafmangels.
27.10.
Es
hebt jetzt wieder die Zeit an, in der ich abends sehr viel vor dem
Fernseher einschlafe wie eine proletarische Pensionistin. Ich sollte
das nicht ausplaudern.
28.10.
Ereignisarmut
+ vorwinterliches Overeating. Nichts entspannt mich besser als die
Lektüre übermenschlich anstrengender und todesgefährlicher
Bergsteigebücher (konkret: Hansjörg Auer), während ich darauf
achten muss, rechtzeitig aufs Klo zu gehen und in der Couch-Suhle
nicht wundzuliegen. Maximale Unbequemlichkeit anderer =>
ultimative Gemütlichkeit in mir. Die alpin-moralinsauren Passagen
(„Bohrhaken als Symbol unserer sicherheitsfixierten Zeit“
schreibt etwa der Mann, der in einer Lawine umkam) muss man halt als
dazugehörendes Jammerbrauchtum zwecks Steigerung der
Autorsheldigkeit schnell überlesen.
***
29.10.
Zwei
Ischlerinnen auf dem Gipfel des Gamskogels. „Peinlich, dass mir do
de Berg ned kennan. Songma hoid, mia san aus Wean.“ „Is des do
drüm da Loser?“ „I woaß ned.“ Ich mische mich bestätigend
ein. „Na, dass de Auslända se bessa auskenna ois mia!“
***
Eine
Sekunde lang überlegt, ob ich das von Birgit erhaltene neue „Holy Slowly“-Leiberl mit
dem segnenden Faultierpriester drauf bügeln soll.
***
Diese
extrem rare stolze Zufriedenheit, wenn im Postfach unter den Mails
leerer Raum sichtbar wird. Das an einem Sonntag festzustellen ist
aber auch nicht im Sinn meines öffentlich verbreiteten Selbstbildes.
31.10.
Geselligkeit unter befreundeten Männern. Es ist angenehm, weil man leicht erkennt, dass es sich hier um die
dunkelblau-schlammfarbene Version dessen handelt, was Frauen so
machen, wenn sie unter sich sind, halt mit mehr heimlich angespannten
Bizeptis, eine Oktav tiefer, mit Bier und seltsamen Mixgetränken
statt Prosecco und Cupcakes. In den Gesprächen ist zu hören, dass
sie so streng mit ihren Körpern sind wie wir Frauen es zu unseligen
Ally-MacBeal-Zeiten hätten sein sollen. „I hob voi den Dad Bod!“
„I hob seitm Somma wieda 5 Kilo zuagnumma!“ Andererseits: Dass die Herren jetzt auch an ihren Problemzonen herumleiden und ungnädig an ihren Speckrollen zuppeln, ist auch nicht Sinn der Emanzipation.