Phantomereignisse im Februar 2022
1.2.
Neues im Neurosengarten: das zwanghafte Antworten auf Spammail-Fragen. „Lust auf 'ne geile Nummer?“ „Nope“. Schlimmer noch als der Antwortdrang bei Navi-Anweisungen („Nehmen Sie die nächste Ausfahrt.“ „Mach' ich, danke!“). Ist das ein Symptom für hypertrophe Empathie?
2.2.
Bei zeitgenössischer Musik weiß man nie, ob sich die KünstlerInnen nicht auch ein wenig verspielen.
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Seit ich täglich den Hund eine Stunde entäußern muss, kriege ich Stress, mein Trödelpensum zu schaffen.
3.2.
Traum davon, einen Tümmler geerbt zu haben, der in einem an die Hauswand geschraubten Kinderplanschbecken dahinfristet wie eine vernachlässigte Geranie.
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Das dumme Glück über Insider-Witze, wenn etwa die Schwestern sich auskennen, wenn ich „Frau Frauke“ greine. Niemals, niemals darf man Außenstehenden erklären, worum es geht, es droht instantane Langweile. In dieselbe Kategorie fallen Handlungsnacherzählungen von „dieser neuen Serie, die wir gerade schauen, auf Nepflix, oder war das Apple?, jedenfalls ist da dieser Typ, und dem seine Frau...“ Man möchte sich da gleich in einem Tümmlerbecken ersäufen.
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Unspektakuläre Erbschaftsangelegenheiten. Die arme Stiefmutter macht den schlechtesten Handel in der Geschichte menschlicher Tauschhandlungen: Torte, Champagner und Goldmünzen gegen 13 Häkeldeckchen und drei Barockmusik-CDs. Bless her!
4.2.
Der Buttinger hat mir Ja gesagt zu unserer eingetragenen Brüderschaft! Jetzt können wir einem gemeinsamen Lebensnachmittag entgegenblicken (zum Wirten gehen, „heute-Show“ anschauen, leicht besoffen auf der Soff einbüseln. Pure bliss!). Und das alles nur, weil ich überhaupt nicht mehr gewusst habe, was ich dem verwöhnten Biest zum Geburtstag noch schenken soll. Aber was kriegt er dann 2023? Europa?!
Weiterführend möchte ich über die Frage nachdenken, warum man sich dem Nachtleben noch unterwinden soll. Es ist doch gottgewollt, dass uns die Jugend für halbtot hält, weil wir abends lieber zuhause bleiben und Erdnüsse fressen.
5.2.
Deswegen implementiere ich meine Überlegung gleich auf der heutigen Party bei Brudi René, indem ich auf demselben Couchplatz verharre, weil die Menschen neben mir eh von alleine wechseln und das Büffet in Griffweite steht. Erst Stunden später, als die Magenwand schon in den Wanten knarrt, entdecke ich das zweite Büffet mit ganz anderen Sachen im Erdgeschoß. René, du Hund! Ich esse zu Fleiß weiter.
7.2.
Das Nichtzuhausesein wird immer anstrengender.
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Aber es zahlt sich aus: Eine Freundin erzählt vom Elternhaus gegenüber der Kirche. Der Vater besaß einen schwarzen Dackel namens „Satan“, den er zu Messzeiten sehr gerne und laut herbeirief.
Zuhause bemerke ich, dass „Entropia“ der bessere Hundename gewesen wäre. „Fini“ liebt ihre Stofftiere eine Woche lang, dann siegt die Mordlust und ich hab' überall Plastikgewölle aus den Eingeweiden.
9.2.
Irgendwann wird die Raika Selbstschussanlagen in ihren Filialen installieren, um den Kostenfaktor „Kundenbetreuung“ positiv zu saldieren. Es wird wohl Unmut geben, aber Anzeigen können nur in den Landeshauptstädten aufgegeben werden, in Polizeiwachstuben mit Parteienverkehr von Dienstag 8 bis 8:15. Der Postbus fährt um 7:59 ab und um 15:38 zurück. Telefonisch kann man 24/7 anzeigen, unter einer kostenpflichtigen 0900-Nummer, die in ein Callcenter in Bangalore führt. 34 Minuten sind fix programmiert, bis das Tonband „Derzeit sind alle Leitungen besetzt" sagt, "die nächste freie Leitung ist für Sie reserviert.“ Nach weiteren 13 Minuten sagt das Tonband „Wollen Sie eine Vignette online bestellen, drücken Sie die 1. Wollen Sie ein Leumundszeugnis für einen Heimkredit beantragen, drücken Sie die 2. Wollen Sie eine Personenstandsänderung im Zuge einer Bankfilialenbetretung melden, warten Sie auf die nächste freie Leitung.“ Die Warteschleife entspricht subjektiv dem Sonnenjahr des Uranus. Um der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, finden Wahlen gebündelt einmal im Jahr statt (s. Uranus), denn der Kunde will es so, es san jo eh ollas Vabrecha do obn.
11.2.
Viererlei Senfe mit Ablaufdaten in den Jahren 2012, 2015, 2017 und 2020 entsorgt, verdorben war davon noch keiner. Vom Senf lernen heißt resilient werden! #prokrastinationsgedanken
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Die versteinerte Dynamik des Gebirges, die schlafende Wucht.
Angesichts des gesamten Toten Gebirges vom Gipfel des Rosskogels ein kurzer Stich, dass ich hier bald alles gesehen haben werde. Daheim angesichts meiner Tourenwunschliste das Gegengefühl, in diesem Leben nicht die Hälfte davon zu mehr zu sehen.
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Most endangered species: Breitmaulnashorn, Schneeleopard und meine Aufmerksamkeit.
12.2.
Weltschmerz = Sonne + ehrenamtliche Zoom-Sitzung. (Währenddessen heimlich alle Emails geschrieben und immer noch unzufrieden)
Stolz = nicht schon am Nachmittag mit dem Saufen anfangen
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In der Nacht mache ich mir einen Zahnarzttermin eine Stunde vor dem Zahnarzttermin aus. Langes, quälendes Scheitern beim Eingeben der Adresse auf Google Maps, nicht einmal den Namen des Zahnarztes habe ich mir gemerkt. Das Nicht-tippen-Können ist der technologische Fortschritt des früher oft wiederkehrenden Traumes vom Nichtbedienenkönnen eines Wählscheibentelefons. Die Modernisierung meines Unterbewusstseins schreitet nur langsam voran.
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Champagner + Malakofftorte = bliss.
Überfressen, beschickert und mit wachsender Dysphorie schauen wir das Hader-Interview an, man sieht nur ihn, und man hört André Hellers Fragen gar nicht, aber er ist so eitel, dass sogar seine Abwesenheit brüllt. Hader bemüht sich, schön zu sprechen, es ist eine Qual. Dabei haben wir gerade wieder „Wilde Maus“ gesehen; am schönsten fast die Szene, in der er seiner armen Frau vorjeiert, es seien ihm die anderen Menschen so wie Außerirdische, und sie ihm sagt, dass er einfach ein Arschloch sei.
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Derzeit komme ich zu nichts, außer mir einzubilden, dass ich zu nichts komme.
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Ohrwürmer von den geerbten CDs mit klassischer Musik, durch die ich mich gerade höre, gleichzeitig völlige E-Musik-Demenz, keine Ahnung, wer was komponiert hat. Das Mittelalter sortiere ich wahrscheinlich aus, hier wird zu viel getrötet.
15.2.
L. Hartinger über Hans Eichhorn: „Diese allegría des Scheiterns!“ Der Abend für ihn ist so schön, dass man sich eine Weile keinen größeren Wunsch vorstellen mag, als dass einer selbst einmal so innig gedacht werde (aber zu Lebzeiten, man schaut sich das heimlich an). Hier mein bisher größter literarischer Niederschlag, in "Kilometer Null":
16.2.
Worte! „Heischebrauch“ Sternsingen und der Lawinenwarndienst: „Hier könnten Schwachschichten angesprochen werden.“
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Mercedes Spannagel ist super. Beim Essen vor ihrer Lesung verplauschen wir uns, weil sie von ihrer Maschinenbau-Masterarbeit erzählt: Wann reißen Pferdesehnen? Verrückt! Und so literaturfern! Wir unterschlagen Tombolapreise, ich flauche einen Glitzerbecher, sie den völlig unbrauchbaren Nussknacker, dessen Steinkugel aussieht wie ein Penis-Quetsch-Folterinstrument.
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In der Nacht traf ich Paul Pizzera, der ein Konzert in der U-Bahn-Anlage Niederhofgasse gab und traurig war, dass nur so wenige Leute gekommen sind. Dabei liegt ein Nilpferd neben ihm, das sich bereitwillig kraulen und ein lustiges T-Shirt anziehen lässt. Elias Hirschl kommt vorbei und sagt „Verrückt!“
17.2.
Der Drang, der Apothekerin zu vermitteln, dass man die bei ihr bestellte Hundeentwurmungstablette eh nicht selbst gegen Corona nehmen will. „Danke“, MfG!
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Aus den Nachrichten:
1. Als Lise Meitner ihre Doktorarbeit über etwas KOSMISCHES einreicht, korrigiert ihr Doktorvater KOSMETISCH. Sofia Kowalewskaja, die erste Mathematik-Dozentin weltweit, hat gleich fünf Dissertationen eingereicht, damit es was wird.
2. Ein US-amerikanischer Pfarrer hat jahrzehntelang „Wir taufen dich“ statt „ ich taufe dich“ gesagt, weswegen die Aufregung jetzt groß ist, denn das Sakrament ist somit nicht vollzogen. Ein schöner Beitrag zur Searle-Derrida-Debatte! Wie genau, muss ich mir in einer konzentrierten Stunde einmal überlegen, irgendwas mit Sprechakten, „in streng durchfiktionalisierten, religiösen, essenzialistischen, phallozentristischen Ordnungen negiert die gewaltsame Codierung der Signifikanten deren freies Flottieren“, oder so ähnlich.
3. Peter Waldeck fragt das Internet, ob die Entdeckung, dass die Kreuzritter ihre dummen Unternehmungen nicht auf Pferden, sondern auf PONYS unternommen haben, nicht die beste Nachricht der vergangenen Tage gewesen sei, ich sage: Ja.
Regionales Rickrolling
18.2.
Mein Vorschlag bei der Geburtstagsfeier, eine Runde Strip-Autoquartett zu spielen, verhallt unangenommen.
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Im Traum verfolgt von einem aggressiven Unterwasser-Tapir.
21.2.
In meiner Siedlung stehen drei Ford Focus Kombis in egalen Farben.
22.2.
Die Stare sind wieder da! Einer spöttelt den Schrei des Rotmilans. Vogelfreund Hasi erzählt, dass sie die Vorhut für die nachbummelnden Damen bilden.
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„Die Habe wird einfach Zeug.“ Edmund de Waal
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Anruf des Leiters der Schöneringer Theatergruppe. Der Regisseur sei jetzt 80 und nicht mehr ganz fit, ob ich nicht übernehmen wolle? Ich erzähle dem Buttinger und Coala vom Ruf der Heimat, sie überschlagen sich mit Regieeinfällen für eine radikale Reform, durch die das Theaterwesen in Linz-Land noch lange erbebe.
Poststrukturalistische Genderbefindlichkeiten diverser Geschlechter, zumindest sämtliche Rollen exakt tauschen
schiefe Ebene
Spiegel im Hintergrund, in dem sich das Publikum erschaudernd beim Schauen des Spektakels erblicken kann
Alle tragen grau, auch im Gesicht
Eine regionale Adaption des scheußlichen Films „Eine Taube sitzt auf dem Dach und denkt über das Leben nach“
In der Mitte des Bühnenbildes ein Sperrmüllhaufen, voller Zeug, das einmal Habe war
Dauer: 13 Stunden
Das Pfarrheim wird dergestalt eingehaust, dass es von außen wie die KTM-Motohall aussieht. Mit den durch diese Mimesis dem Land OÖ aus der Hüfte geschwindelten 1,8 Millionen Steuer-Euros wird ein Vorwort von Ai Weiwei für das Begleitheft bestellt
Hauptrolle: Tobias Moretti und Lars Eidinger (nackt)
Nachtrag: Der Theaterleiter, mit dem ich ein Treffen nach den Semesterferien vereinbart habe, hat sich dann nie wieder gemeldet, er hat mich gleichsam geghostet. Was schade ist, denn die Nachbarn erzählen, dass hier das Publikum aus dem ganzen Land in Bus-Konvois zum Pfarrheim gebracht wird. Das war sie, meine Chance auf impact.
23. bis 25.2.
Entspannende Ereignisarmut mit Freunden auf der Planneralm. Trotzdem extreme Gewaltfantasien gegen Vladimir Putin (oder ist es nur PMS?).
27.2.
Beim Zappen die Szene, in der Liam Neeson kraft seines Leibes zwei Zugwaggons bei rasender Fahrt zusammenhalten muss. „Der Neeson hoid oiwei an Stress.“ „Der hod an Schas beinaund.“
Nächster Halt arte. Der Hund kläfft während des Porträts über Robert Mitchum immer wieder wütend die Ärsche der Pferde an.
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Es ist seltsam anstrengend, die Korrespondenz der Eltern zu sichten, obwohl kaum Schlimmes zum Vorschein kommt, es liegt eher daran, dass man anderer Leute kumulierte gute Wünsche relativ gnadenlos ins Altpapier werfen muss. Andererseits haben die guten Alten aber auch ALLES aufgehoben, auch die Weihnachtskarten aus der Raika-Filiale (das war noch was, heute: Selbstschussanlagen!).
28.2.
Faschings-Lesebühne im Kepler Salon: Monet spielt mit einem Seiterl Freistädter Blues-Slide-Guitar (ist das kulturelle Appropriation? Und wenn ja, von wem? Südstaaten oder Mühlviertel?). Am vehementesten lacht das bürgerlich-urbane Publikum über Buttingers gereimte Auslassungen über die Alkoholgebarung des Bauernbundes. „An der Urfahr-Küste“ von Klaus & Klaus holt noch einmal alles heraus. Ich glaube, alle sind glücklich, so unter Niveau unterhalten zu werden.