Donnerstag, Dezember 31, 2009

2009, die letzte: Es ist nicht alles schlecht am Kolumnismus

Damen und Herren,

es muss wohl der Geist der Heiligen Drei Könige in einen Menschen gefahren sein, denn heute fand ich eine fast anonyme mildtätige Gabe in meinem Postfach: eine Kolumne!
Ist das nicht süß? Durch Spenden wie diese können Schmierfinken, "die nicht so gut gegen die Verlockungen der Bequemlichkeit gewappnet sind", noch mehr Zeit bei ihren Muttis auf der Ofenbank herumliegen.
Hier ist sie schon:

Jahresvorschau: Es bleibt urspannend
Drei große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.

Es geschah wie jedes Jahr anlässlich unserer Silvester-Seance beim Wirt des Vertrauens, dass wir in die Zukunft schauten. Als Medium zum Übernatürlichen hatte sich erneut und dankenswerterweise unsere parapsychologisch empfängliche Köchin Erna zur Verfügung gestellt.

Die geheimen Riten waren vollzogen, Erna lag in tiefer Trance versunken auf dem Ritualaltar, da begannen ihre vollen Lippen zu zittern und mit bebender Altstimme brach die Prophezeiung aus ihr hervor: „2010 kommen drei elementare Ereignisse auf uns zu...“
Erna sprach bis weit ins neue Jahr hinein, weshalb ich zusammenfassen muss:

1.) Der Bankrott des Landes Kärnten kann nur durch Versteigerung seiner selbst auf e-Bay verhindert werden. Slowenien erwirbt Kärnten für einen Euro. Der Heilige Jörg wird Landespatron von Nordkrain. Die Brüder Scheich gehen ins Exil nach Saudi-Arabien.

2.) Die Bankenkrise ist überwunden. Als Dank für das Vertrauen des Publikums schaffen die Institute die Kontoführungsgebühren ab. Helmut Elsner wird allgemeinmedial als Bauernopfer anerkannt, aus der Haft entlassen und zum Ehrenfilialleiter der Bawag Wien-Döbling befördert. Ludwig Scharinger übernimmt die Leitung der Vatikanbank.

3.) Im Rahmen einer emotional ausufernden Podiumsdiskussion zum Thema „Integration geht uns alle an“ im Pfarrhof Frankenburg beißt Innenministerin Maria Fekter der 18-jährigen Arigona Zogaj ein halbes Ohr ab.

Diese Worte mögen euch, liebe Leserkinder, sanft aus dem Jahr 2009 hinausbegleiten, das - so möchte ich anmerken - eines der besten 31 seit Einführung meiner subjektiven Zeitrechnung war.

Dienstag, Dezember 29, 2009

Der Tod steht uns nicht gut

Einem rohen Gesellen geriet im Vorfeld des Heiligen Abends ein Bildnis meines Vaters in die Finger. "Des warad a scheens Foto fia d'Partn" sprach der Rüpel. "Goldbär!!" scholt die Rüpel-Gattin streng, denn sie ist in den Meindlopa ein wenig verschossen, aber das ist jetzt eine andere, viel zu intime Geschichte.
Auch ich reagierte zunächst negativ, ließ aber meine Hand ungebraucht sinken, als mir der Rüpelfreund vom weisen Tun seiner Großeltern erzählte: Diese hatten sich einst herausgeputzt und in die Sonntagspanier gewandet. Dermaßen geschnäuzt und gekampelt fuhren sie in die "Stadt" (Schärding) und suchten den ansässigen Fotografen auf. Sie hatten nämlich beschlossen, die Auswahl ihrer Totenbilder nicht dem Zufall, i.e. den tränenblinden Hinterbliebenen zu überlassen. So kam es später zu zwei schönen Leichen, als der Ahnl-Tod wirklich eintrat.
Nun könnt ihr euch gut vorstellen, welches Koinzidenzgefühl ich empfand, als ich vor fünf Minuten Max Goldts Schimpf über Friedhöfe las, deren Grabsteine unprofessionell fotografierte Tote verschandeln.
Ich hatte auch einen Memento-Mori-Moment und dachte an meinen eigenen Tod. Aber das ist jetzt eine andere, viel zu intime Geschichte. Nur so viel - sollte jemanden von euch das Los treffen, meinen Grabstein bebildern zu müssen: Ich möchte bitte das hier verwendete Profilfoto haben, es ist nämlich das einzige von einem Profi-Fotografen.

Montag, Dezember 21, 2009

Growing old ain't nothing for sissies, Darling

Geneigte Lesermyriaden,

der systemadministrierende Blog-Wart hat mich soeben darauf aufmerksam gemacht, dass ich nun schon frevelig lange das Kerngeschäft der sozialen Netzgewerkschaft vernachlässige: die Zurschaustellung ebenso intimer wie langweiliger Einsichten in mein Privatleben.
Nun, der Grund ist unangenehm: Ich habe in der letzten Zeit fürchterlich abgebaut. Das Alter ist ein Hund - nichts für Weicheier. Physisch geht's ja noch, weil ich winters das grauende Haupthaar und den letschernden Leib unter Stoffschichten verbergen kann. Aber die Sinne schwinden mir rapide, und das kann ich nicht mehr länger verheimlichen.
Neulich hielt mir eine meiner Schwester ihr Handy ans Ohr. Kaum dass ich in Erfahrung bringen konnte, mit wem ich da überhaupt spreche. Ich hörte fast weniger als gar nichts. Meine Schwester nahm seufzend das Telefon zurück und sprach "Du, die hert grod nix."
Vorgestern betrat ich eine Tankstelle und suchte vergebens nach dem Personal. Da rief dieses in mein Ohr, es sei hier, direkt rechts von mir. Vor Schreck hätte ich fast Körperflüssigkeiten verloren.
Die schlimmste Episode ereignete sich jüngst beim Versuch, ein ÖBB-Abteil zu betreten. Ärgerlich, aber vergeblich versuchte ich, die Tür zu öffnen. Ich wachelte mit den Armen vor dem Automatik-Sensor herum, doch nichts bewegte sich vor mir. Hinter mir bildete sich eine kleine Menschenanhäufung. Schließlich zog ich knurrend an der widerspenstigen Türe. Wieder frustran. Da räusperte sich schließlich ein Element der Anhäufung, schob mich zur Seite und betrat das Abteil. Die Türe war nämlich die ganze Zeit offen gewesen.
Der einzige Nutzen dieser Schmach war, dass während der anschließenden Fahrt dann trotz Zugüberfüllung niemand neben mir sitzen wollte.
So schaut's aus mit mir. Eine Moral möchte ich euch noch mit auf den Weg geben: Ehret die Alten, bevor sie erkalten!

Donnerstag, Dezember 17, 2009

Linz verendet

Die Kulturhauptstadtskarawane zieht weiter, ich belle ihr nach. Viertes und letztes '09-Gemosere für die "Streifzüge"

In wenigen Tagen wird sich in einem gloriosen, strahlebunten Feuerwerk die Kulturhauptstadt aus Linz verabschieden. Nun liegt ja der historische Sinn der Silvesterböllerei im Vertreiben böser Geister. So eine Interpretation hat aber Linz’09 nicht not. Denn: Es hat statt fieser Geister viele Gäste nach Linz gebracht. TschiTsching! machen die Registrierkassen. [Mehr]

Mittwoch, Dezember 16, 2009

Bildung im öffentlichen Verkehr

Hier ein Originaldialog aus der Bim in Linz, Auwiesen ("LA"), die Gesprächspartner halten illustrative Bierflaschen in der Hand:

"Slowenien is jo in da Tschechei!"
"Wous?"
"Ah, in Jugoslawien, hob' i gmaant."
"Ts. Üwa Geschichte redn ma moang weida."
"Geographie, maanst."
"Genau, woit i eh sogn."

Weinen in der sozialen Hängematte!

Riesensozialbetrug im ORF-Report!
Ich kenne diese Meindl, dieses Kind reicher Eltern, und die greint doch nur, weil sie zu Weihnachten kein Pony kriegt!



Nur zu Beruhigung: Ganz so schlimm, wie es der ORF-Report zusammengeschnitten hat, ist es dann auch nicht... den Satz "Ich bin einfach zu faul, um mich zu plagen!" haben sie gar nicht gebracht! ;-) Oder den: "Ich führe ein glückliches Leben, vor allem im Vergleich zu Leuten, denen es wirklich schlecht geht und die kein so sicheres soziales Netz haben wie ich." (Kein ;-), weil ernst gemeint).

Montag, Dezember 14, 2009

IC "Scheiß ÖBB" voraussichtlich 35 Minuten verspätet

Vorweihnachtlicher Privatkonkurs, Lichtinsuffizienz, Schneematsch im Schnürstieferl oder Dämonen in der Therme - der Winter kennt viele Arten, uns zu necken. Hier in der schwindenden Kulturhauptstadt können uns diese klimatischen Missstände aber nicht an. Kurios eigentlich, denn nirgendwo sonst ist der Winter grauslicher und unnötiger als im Zentralraum.
Das Geheimnis unserer kontrafaktischen Fröhlichkeit: der weltschönste Bahnhof von Österreich.

Einst war der Linzer Bahnhof ein schmieriges Transportabfertigungskombinat, in dem man wenig zwischen Zuckerrüben und Geschäftsreisenden unterschied. Menschen mit gesplissenen Haarspitzen und dreckigen Fingernägeln lungerten in unmodischer Kleidung neben den rostigen Gleisen und murmelten adjektivgespickte Sätze.

Heute: Eine Reisewohlfühloase in futuristischer Transparentarchitektur, die uns für einige Stunden die transzendentale Obdachlosigkeit des postmodernen Subjekts vergessen lässt. Die musikalische Tapete kommt nicht mehr vom Band, sondern wird von den Zugbegleitern nach deren Dienstschluss mundgeblasen.

Charmantes Dienstpersonal in gutsitzenden Uniformen achtet darauf, dass die Passagiers-Aspiranten adrett gekleidet sind und gängigen westlichen Schönheitsvorstellungen entsprechen. "Uns ist wichtig, dass die Kinder gesunde Zähne haben", sagt Thomas Philipp, Leiter der Abteilung Aesthetic Human Interior Engineering der ÖBB. Wesentlich für das Gelingen des öffentlichen Raumes sei auch das Commitment der Nutzer. "Schiache Leute sollten lieber erst in Attnang Puchheim zusteigen", präzisiert eine Dame am Info-Schalter im VIP-Lounge-Bereich.



Ein großes Problem haben die ÖBB in Linz erstmals gelöst. Dank ausgefeilter logistischer Systemoptimierungen können Zuckerrüben endlich ohne Verzögerung von Alkoven nach Wien West oder Paris und Venedig transportiert werden:

90 Prozent der Plätze im neuen, superschnellen Railjet sind den Rüben vorbehalten, Passagiere dürfen nur mit einer kostenpflichtigen Reservierung einsteigen.


"Klar kann es durch die dadurch entstandenen Verspätungen für Menschen zu leichten Frustrationserlebnissen kommen", erklärt der hauseigene Mobilitätberater Boris Dures, ehemaliger usbekischer Infrastrukturminister. "Dafür ersuchen wir um Ihr Verständnis."

Sehr gut angenommen wird das Angebot, Namen für einzelne Linien zu kaufen. "Wiener Einkaufstraßen" rangiert auf der Hitliste ganz oben, deutlich vor dem zweitgereihten "Erlebnis Demokratie", deren Ergebnis die ÖBB ja letztendlich sind.

Die Redaktion der Lebensbeichte konnte der Versuchung nicht widerstehen und investierte den Marketing-Etat 2010 jetzt schon in den Erwerb eines Zugnamens. Er ist in der Überschrift dieses Beitrags versteckt.

Dienstag, Dezember 08, 2009

Der Krampus ist ein Prolet. Oder: Der Kapitalismus hat gesiegt.

Als ich jüngst zum Volke, also zu euch, sprach "Gibt's noch irgendwelche Fragen?", da ereilte mich das Gesuch um Erhellung in Sachen Knecht Ruprecht. Gut, wenn denn eure übrigen existenziellen Probleme alle gelöst sind, widme ich mich gerne auch Brauchtumsfragen.

Abb. 1: Krampus, in manchen Teilen Oberösterreichs auch oft als "Würgengel" dargestellt

Zumal der Thematik delikate Weisheiten innewohnen. Es fällt auf, dass der zottelige Personalvertreter von unten stets mit einem gut gebürsteten von den Guten einhergeht, bekannt unter dem Namen "Nikolaus". Ihre strenge Auslegung des "Good Cop, Bad Cop"-Prinzips beruht auf der manichäischen Licht-Schatten-Dualität.
Hegel sah im dynamischen Duo den Ausgangspunkt seiner Herr-Knecht-Dialektik: Krampus und Nikolo befinden sich in einem Kausalnexus gegenseitiger Abhängigkeit. Marx übernahm von hier und erkannte den möglichen Ausbruch der finalen Revolution. Sobald nämlich der proletarische Knecht Ruprecht durch einen qualitativen Sprung zu einem kritischen Bewusstsein gelange, gelinge der Umsturz der bourgeoisen Nikoloherrschaft.

Abb. 2: Nikkolo

Mit dem Ende des real existierenden Sozialismus zerschlug sich diese Hoffnung auf eine herrschaftsfreie Adventgestaltung. Und so fungieren in Zeiten postmoderner Beliebigkeit Krampus und Nikolo nur noch als Ventil für gutmenschlich übermotivierte Erziehungsberechtigte: "Du willst nicht Geige üben? Gut, ich respektiere diesen Ausdruck deiner Individualität, aber wird der Krampus das auch so locker sehen? Und wird der Nikolo dann die neue Xbox einem kleinen Japaner schenken, der gerne übt?"
Das haben wir davon: outgesourcte Schwarz/Weiß-Pädagogik als postkapitalistische Vereinnahmung der Herr-Knecht-Dialektik.
Am Ende bleibt jetzt nur noch eine Frage ungelöst: Wo kriegt man heutzutage noch gutes Personal her? Antworten unter 1136 Wien, Kennwort "Kasperlpost" oder hierorts im Kommentarteil.

Donnerstag, Dezember 03, 2009

Helft den armen Vögeln: Frau Minkasias Hilfestellung im Intimbereich

Das Voting zum Thema meiner Auslassungen ist überraschend zugunsten von Geschlechtsverkehr ausgegangen. So möchte ich beim Erfüllen meines Bildungsauftrags nicht säumig sein. Nachdem der diesjährige "Bad Sex Award" für literarisch bescheidende Beischlafbeschreibungen ja heuer schon vergeben worden ist, kann ich mich schnell noch ungehemmt und ungestraft der Thematik annähern.

Viele Menschen sprechen darüber. Fast ebensoviele haben welchen, sogar meine Nachbarin heute Mittag, wie ich akustisch festzustellen leider nicht umhin konnte. Und die ist wirklich komisch. Hoffentlich liest sie das nicht. In diesem Fall nehme ich alles zurück.
Als Freizeitspaß jedenfalls hält sich die sexuelle Beiwohnung schon seit Jahren hartnäckig an der Spitze, gleich nach Einkaufen (Zusammenfassung für Deppen: "Nur Shoppen kann Poppen toppen"; s. Abb. 1).

Abb. 1: Kritischer Rationalismus zum Schnäppchenpreis

Als gut untersucht gilt die pragmatische Seite. Analysemängel stelle ich jedoch bei der motivationalen Seite fest. Was treibt Menschen dazu, es miteinander zu treiben - und zwar institutionalisiert? Mit so komischen Menschen wie meiner Nachbarin? Wer findet, dass solche Fragen die familiäre Wehrkraft der abendländischen Gesellschaft zersetzen, hat nur bedingt recht.

"Nein, Häschen, Pfui Gack!" sprach vor zwei Stunden ein mausartiger Mann im Merkur, als sich die bislang neben ihm herwatschelnde Frau zwei Schritte entfernte, um Bratpfannen anzuchecken. Auch ich interessiere mich nicht brennend für Kochgeschirr, aber "brennend" ist nichts im Vergleich zum Gefühl, das meine Hand auf der Backe jenes Menschen hinterließe, der ähnliches zu mir spräche.


Bestimmt aber üben die beiden Geschlechtsverkehr aus, wahrscheinlich sogar miteinander. Das steht doch nicht dafür. Schön anziehen, ausziehen, aktivierende körperliche Gestionen setzen, lautmalen, loben, Bettwäsche wechseln: Das alles für einen Mann, der dann im Supermarkt bei der korrekten Anrede so drastisch scheitert? Oder mit einer Nachbarin, die seit Monaten den Gang zumüllt und beim Ausgehen schröckliche Lackstiefel anlegt? Entschuldigung, jetzt ist es mir schon wieder herausgerutscht.

Mein Rat in solchen Fällen: Pfanne kaufen, gleich auspacken, auf den vorderen Kopfbereich des Beischläfers gerade mit so viel Wucht applizieren, dass man nicht ins Kriminal gerät. Ganz wichtige Schlussposition: das Vögeln mit dem solcherart Gemaßregelten einstellen.



Dienstag, Dezember 01, 2009

Texte nach Wal: das Blogflötenwunschkonzert

Mesdames und Burschen,

nun zu etwas ganz Neuem: Ich zolle der Interaktivität 2.0 Tribut und lasse euch die Wahl. Was wünscht ihr demnächst hier verbal zu speisen? Was sind eure textuellen Vorlieben? Auf der Karte stehen Ideen zu folgenden Themen:
  1. Traumdeutung reloaded, oder: "Fallen mir immer die Zähne aus, weil ich Angst vor dem Terrorismus habe?"
  2. Die Google Charts der Lebensbeichte und soziologische Schlüsse: Was die Suche nach Hitlers Wahlversprechen, Rache an meiner Schwester, Ugly People und vollgekackte Jeans über euch aussagt.
  3. Irgendwas über Geschlechtsverkehr in der komplexen Wirklichkeit des beginnenden 21. Jahrhunderts.

Gegen einen kleinen Unkostenbeitrag (Bier lautet die Währung) schreibe ich auch zu jedwedem anderen Thema.

In diesem Sinne: Voten (per Kommentar) und wertlose Sachpreise gewinnen!