Die VorAusscheidung.
Wie gestern versprochen, wird heute Hohn und Spott über das Singqualifying vergossen. Und weiterhin gilt, was der alte Kalkofe einst über den Songcontest gesagt hat: Gesungene Argumente gegen ein vereintes Europa! Word up.
Die Crux des Songcontest liegt m.E. darin, dass das ganze aktivistische Choreographiegehüpfe und die viele nackte Haut nichts daran ändern, dass die ganze Chose den muffeligen Geist einer Samstagabendshow der 80er verströmt. Jeden Moment kann Dieter Thomas Heck die Bühne entern und die Moderatoren in den Schatten stellen. Ein bisschen Einsicht in das Dilemma bietet schon die Einstiegsshow: Innerhalb kürzester Zeit wird unheimlich viel Sing- und Tanzpersonal verheizt, denn in der Ukraine ist Arbeitskraft eben billig. Ein Chor beginnt, ukrainische Rustikalweisen zu brummen, nach 20 Sekunden unterbricht Mascha oder Pascha: "No, this is too boring!", dann kommt wieder etwas anderes, auch nur für Sekunden. Damit wird der verkrüppelten Aufmerksamkeitsfähigkeit der verkommenen Jugend Rechnung getragen!
Was mich alljährlich verstört, ist der heilige Ernst, der die Teilnehmer befällt; das fängt bei den nationalen Ausscheidungen an - hierzulande greinte der Poier über die schlimme Ungerechtigkeit, am Balkan wird klischeegerecht gestreikt, erpresst und bedroht - und hört beim Boykott des Libanons auf, weil man dort dem Publikum den Auftritt Israels nicht zumuten kann.
Die nächste Unverständlichkeit ist in meinen Augen der unbedingte Drang, Englisch singen zu wollen. Das ist insofern bescheuert, als man so den ganzen belanglosen Plunder, der gesungen wird, verstehen kann. Außerdem geht's in 93% der Beiträge eh immer nur um die blöde Liebe.
Lippen beben, Finger weisen auf weinende Augen, Augen rollen: Die ganze Choreographie ist ein Abspulen der Angebote aus dem "Pathetische Gesten"-Katalog. Fürs Tanzen gibt's auch einen.
Ich will mich jetzt gar nicht lange über die Qualität der Gesangsleistung auslassen, ich singe ja selber kaum besser als die Gören bei "Kinderquatsch mit Michael"... obwohl ich das auch niemandem öffentlich zumute... na egal, übers Singen wird eh so viel geschimpft. Was mich ein bisschen traurig macht, ist die totale Missachtung der Instrumente. Man sieht sie, aber man hört sie nicht, stattdessen immer nur Synthesizerklangtapeten. Die estnischen Schweizerinnen zum Beispiel bemühen insgesamt vier Gitarren auf die Bühne, hören tut man aber höchstens zwei - und das nur mit Fantasie. Ich finde das nicht fair! Der Fairness halber müsste man die falschen Fuffziger gleich zuhause lassen (das würde auch der Umwelt gut tun, wenn die nicht so in der Gegend herumfliegen) und nur die Musik abspielen. Der Musik zuliebe. Aber eigentlich muss ich die auch nicht hören. Da fällt mir ein, dass man sich damit den ganzen Songcontest sparen könnte. Man könnte mir den Sendeplatz schenken! Naja.
Und was ich mich immer schon gefragt habe: Die Musik kommt ja offensichtlich vom Band, die Instrumente werden aber z.T. sehr engagiert eingesetzt. Nun ist das bei einer Gitarre nicht so schlimm, aber was machen die ganzen Schlagzeuger? Man muss das Tschinellentschingbumm ja trotzdem hören! Ist das nicht störend? Stoppen sie Millimeter vorm Trommelfell? Und warum wird überhaupt so viel Pauke gespielt (nach vorsichtigen Schätzungen in 50% der Beiträge!)? Vom heutigen Finalabend verspreche ich mir umfassende Antworten! Ich werde der Veranstaltung mit analytischer Klarheit beiwohnen müssen.
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