Lebenskrimskrams
im Februar 2023
1.2.
Kleiner
Wutanfall auf dem Weg in die Plus-City. Schon klar, diese
Konsumarchitektur soll eine Verweilfalle sein, aber muss schon der
Zugang so eine Zumutung sein? Es ist leichter, durchs
Latschendickicht im Sengsengebirge zu finden. Sehr wahrscheinlich bin
ich dumm geworden und noch wahrscheinlicher hasse ich Shoppingmalls
einfach immer noch. Immerhin kann ich feststellen, dass ich in Sachen
„Fashion“ weiterhin sehr leicht den Planeten retten kann, exakt
kein einziges Ding löst Habenswünsche in mir aus. Schön aber die
mosttrinkenden Boomer unter einer Stiege, auf einer billigen Bierbank
neben einem Bauernstand.
***
Vernissage
der von mir auch stark gemochten Herren Decker und Lehner in Wels.
Vor lauter Schmeicheln und Schnattern ganz vergessen, wirklich die
Kunst anzuschauen. Dafür wohlwollende Betrachtung eines
stadtbekannten Büffettouristen (alle kennen ihn, ich nicht, weil es
bei Literaturveranstaltungen nichts abzustauben gibt). Ich empfinde
große Verbundenheit dabei, wie er Grissini knuspert und etliche
davon in den ausgebeulten Sakkotaschen verschwinden lässt. Nachdem
er fertig geweidet hat, nehme ich meinen Sessel und setze mich direkt
zum Büffet, um in schamloser Gier und Bequemlichkeit die Grissini zu
erledigen.
2.2.
Erleichterung,
dass heute zu Maria Lichtmess Herr und Hund bei mir bleiben wollen,
es hätte mir wehgetan, sie am Glanglmarkt verkaufen zu müssen.
***
Es
bleibt weiter ausgeschlossen, nach einem vertändelten
Arbeitsvormittag noch ins Schreiben zu kommen.
***
Ein brauner Labrador hinkt in den Hüften schon so stark, als sei sein Pelz ein Kostüm, in
dem zwei Affen als Hund gehen.
***
Zwei
alte Pampersschachteln voll uralten Spielzeugs aus dem Dachboden
sortiert, fast jedes Ding verlangte nach Entschlossenheit, obwohl
schon viel Bröselndes und Müffelndes darunter war. Weiterhin
unmöglich zu entsorgen: Stofftiere. Ob ich der Mensch werden möchte,
der sie wegschmeißen kann? Ich habe ja schon Angst, dass die in die
Schachteln gestopften Puppen mich in meinen Träumen anklagend
heimsuchen, dabei hab ich nie damit gespielt und BIN IHNEN NICHTS
SCHULDIG!!!! Und die heutzutage sehr prekären ethnischen Puppen (First
Nation + African african) habe ich sowieso behalten, was sich so
unkorrekt anfühlt, wie sie zu entsorgen (ethnischer Müll, als
Ergänzung zum ethischen Müll).
Ich
schleppe schwer zur Mülltonne, aber nach Wiedereinräumen des
Dachbodens scheint kein Fitzelchen Materie zu fehlen. Im Keller
stehen noch gezählte neun Riesenkisten voller Playmobil. Wenn es die
Industrie nicht als wertvollen Rohstoff wiedereinfordert, kann ich
darauf hoffen, in meiner Demenz so chronologisch zu regredieren, dass
ich zuerst damit spiele, dann mit dem Duplo usw. Man kann mich dann
mit den ersten sieben Stofftieren kremieren.
3.2.
Intensives
Träumen von der Unfähigkeit, eine vierstellige Ziffernreihe korrekt
in die Tastatur zu tippen – ennervierend, aber immerhin eine
Entwicklung: Ich muss kein Wahlscheibentelefon mehr bedienen.
***
Seit
Tagen eine Witterung, die um Klimawandel betteln lässt, hoffentlich
stachelt das die Boomer nicht noch mehr zum Heizpilzkauf und
Golf-auf-den-Malediven-Flug an. Beim Hundsäußerln grüßen wir
einander derzeit wie Harley-Fahrer, wegen Tapferkeit.
4.2.
Buttinger
freut sich über Blumen und Champagner, mehr aber noch über das
Liebesfest-Album. „Du bist wirklich die Buchhalterin unserer
Liebe!“
***
Ein
Nachmittag, an dem ich mich dauernd erinnern muss, dass nichts zu tun
ist.
5.2.
Der
Wurst-vom-Hund-Ball ist wie ein Erntedankfest meiner mit Sorgfalt und
Zuwendung in Linz verbrachten Dekade. Schöne Menschen loben mich für
Dinge, an die ich mich gar nicht erinnern kann, ein junger Mann im
Paillettenkleid seiner Freundin erzählt mir, dass er ihr täglich
Kaffee in der „Tasse des Erfolges“ serviere, die er bei der
Tombola des Grauens gewonnen habe. Eine fremde Frau lobt die
„Dialektik“ im Fußkranken-Buch. N.T. und rühren einander
beim Abgesang auf unsere Väter, wir werden ganz sentimental bei den
ähnlichen Erzählungen über zahllose Fahrten ins
Altstoffsammelzentrum. Buttinger nimmt am Fest teil wie ein
geduldiger First Husband, erst nach dem Loblied auf weibliche
Masturbation möchte er allmählich heim. Wir sind gar nicht schlimm
betrunken, stellt die Stiefmutti fest, und so bald schon zurück (2
Uhr). Der Hund habe sich nicht von der Haustür wegbewegt.
7.2.
Ein
Numerus-Clausus-Flüchtling mit Teenie Weenie Beanie an der
Rezeption der Boulderhalle. Alle sind jetzt hier und topfit. O.
freut sich: „Bist du eine faule Frau geworden?“ „Ja, eine alte,
faule Frau.“ „He, ich hab nur faul gesagt!“ „Das ist um
nichts besser.“ „Ja, stimmt!“ Er winkt freundlich und geht heim
(wahrscheinlich nach sieben Stunden Training).
***
Erneut
eine Orgie der Unwahrscheinlichkeit – ich schaue „2012“ als
guilty pleasure, so wie man Erdnussflips in sich hineinschaufelt. So
viel Fantasie bei der Zerstörung amerikanischer Infrastruktur, dass
man das einem Deutschen finanziert? Der russische Präsident
ist der erste Humanist. Und man kann aus ein paar Tierpaaren die
Fauna rekonfigurieren, wie von einer Sicherungskopie. Aber hier logische
Fehler notieren, das ist so bescheuert wie eine Nährwertanalyse
machen, nachdem man das ganze Sackerl Flips gefressen hat.
8.2.
Der
Hund bekommt jetzt laufend Insta-Model-Anfragen als „pet
ambassador“. Verhindere ich die ihr zustehende Karriere, so wie
damals jene Coalas, als wir 1998 im Central Park als Synchronstimmen
für A- und B-Hörnchen beinahe gecastet worden wären und ich nur Nein gesagt habe, weil der cheesy Herr unsere Beine sehen wollte?
***
Früher
habe ich vor dem Schreiben den „Mann ohne Eigenschaften“ gelesen,
heute El Hotzo. „Schlimmste an Selfcare, dass man sich selbst drum
kümmern muss“.
***
Die
guten Menschen von Waschaecht lächeln heiter, weil sie es schon
gewöhnt sind, dass ich bei den ersten bin, die mit dem Essen
anfangen und immer die Letzte bin, die damit aufhört. „Loss
d'Salodschissl steh, des issd d'Dominika nu zaum.“ Es ist ein Segen
des Alters, sich mit Menschen zu umgeben, bei denen man sich nicht
mehr sehr verstellen muss. Ich geniere mich immer weniger und lasse
mir die Reste des Strudels einpacken.
9.2.
Der
Hund wälzt sich kläffend im Bisgurrenloch an der Donau, vier andere
springen um sie herum und beißen ironisch neben ihr in die Luft. Ich
würde zahlen für diesen Anblick. (Actually zahle ich für diesen
Anblick; Fressnapf hat 2022 11% mehr Umsatz gemacht).
***
Es
hat Vorteile, dass ich die ÖVP schroffstmöglich ablehne, so spare
ich mir Zeit, weil ich die Falter-Artikel über
Wahlkampfkostenüberschreitung gar nicht mehr zu Ende lesen muss.
***
Gibt's
eigentlich einen republikanischen Pornostar namens Clit Eastwood? Ich
trau mich nicht googeln, wegen der Algorithmen.
10.2.
Wenn
ich es diesen Februar nicht schaffe, alles abzuarbeiten, bin ich
wirklich eine Versagerin.
***
Belangsendung
auf ORF3: „In unserem Hotel darf die Frau noch ganz Frau sein:
Detoxing, Meyer-Kur, Hormon-Yoga...“ Vielleicht mag ich wirklich
lieber gar keine Frau sein; als Mann muss man keine Selfcare machen
und hat viel mehr Zeit für irgendwelchen Unfug.
11.2.
Bei
der Skitour auf den Hohen Nock erzählt einer, dessen Namen ich aus
Diskretion unterschlage, so viel empörend Lustiges aus seinem
gemeindenahen Arbeitsumfeld, dass sich meine Produktivitätsselbstzweifel
spontan verflüchtigen. Bei Gelegenheit das Buch über „Fake Work“
und Bullshit-Jobs lesen. So sieht Selfcare in der Verwaltung aus (ich
könnte es aber auch Selbstreferenzialität nennen). Die
fortwährenden Umstrukturierungen in praktisch jeder Abteilung erinnern mich stark an mein zwanghaftes,
prokrastinationales Neusortieren von Zeug, das ich dann beim
nächsten Mal wegen Überordnung nicht finde. Andererseits träume
ich davon, von praxisorientierten Lakaien umgeben zu sein, die meine
Gedankengänge evaluieren und „auf den Weg bringen“.
Schöne
Tour in rustikal benannter Landschaft mit etwas rassiger Abfahrt: Im
Budergraben geht’s scheiße zum Fahren, erst ab dem Teufelsloch
geht’s wieder. #haha
***

Sämtliche
Aktivitäten dieser Woche stopfe ich in einen Tag, denn es ist auch
Schl8hofball. Ich frage den Buttinger, ob er einen Kummerbund hat.
„Nur einen lilanen.“ „Trägt der Bond James so einen
überhaupt?“ „Wenn er leischen geht, schon.“ Es ist dann wieder
extrem schön, und auch heuer bin ich fast am fadesten kostümiert
(obwohl ich schon scheißgut aussehe als Agentin im Dienste ihrer
Majestät, dem Matriarchat). Wer hätte das früher gedacht, als ich
manchmal die einzige Verkleidete war! Auch ein Grund, warum ich Wels
nicht so leicht aufgebe. Ausgewählte Kostümstatistik: 2 Boris
Johnsons, sieben Queens (eine crossgegenderte mit einer Herde
ungezogener Corgis + Hofschranzen), mehrere Teesackerl, zero Margret
Thatchers (fast schon wieder schade, es braucht immer einen
Bösewicht). Isabella M. bringt mich mit ihrem professionellen Zugang
zum Moderieren kurz aus dem Konzept, ich gestehe, dass ich das immer
so im Drunken-Kung-Fu-Harald-Juhnke-Stil mache, aber sie hat recht.
(und eine Teekanne auf dem Kopf).
12.2.
Bald
werde ich nicht mehr darauf hoffen, in den Taschen von Papas alten
Sachen Geld zu finden (Update 1.6.: Heute ein mehrfach gewaschenes
Gackisacki gefunden).
***
Ob
ich einmal in ein Alter komme, in dem ich nicht lange und herzhaft
darüber lachen kann, dass sich der Buttinger irrtümlich das Haupt
mit dem Hundeshampoo gewaschen hat? Selig sind die Armen im Geiste.
13.2.
Nachdem
ich endlich das väterliche Auto verkauft habe, stellt sich sofort
das Gefühl ein, das Wochenpensum schon am Dienstag erledigt zu
haben.
***
Seit
Tagen mindere Vexation mit Beethoven-Ohrwürmern, es wird allmählich
plaghaft. #privilegierteprobleme
***
Heute
der Stadt Linz einen Förderantrag gestellt. „Wie fördern Sie die
Gleichstellung der Geschlechter?“ „Propagierung des
Matriarchats“. Leider ist mir erst nach Abschicken der Zettel
eingefallen, dass wir mit Gleichstellung da nicht zum Ziel kommen.
14.2.
Im
Leben geht man dauerhaft in Vorleistung.
***
Nach
Wochen deprimierendster Witterung trotzdem zu faul, um ein paar Meter
hinauf in die Sonne zu fahren, ich tu' so, als sei's wegen der
Klimarettung.
15.2.
Hole
ich das Maximum aus der Tatsache heraus, dass ich jetzt IMMER
sturmfrei habe?
***
Erwachsen
sein ist, Zeug mit dem eigenen Taschengeld zahlen, das man eigentlich
nicht essen mag, aber es ist halt gesund. Und für das Taschengeld
Sachen machen, die man nicht will, aber es wird halt bezahlt und dann
kauft man sich Endiviensalat und Laufschuhe und Selfcareprodukte von
Tschibo. Heute im Supermarkt einen Pensionisten mit einem einzigen
Champignongpackerl bei der Kassa vorgelassen und ernsthaft erwartet,
dass er meinen sorgfältig nach Nährwert und Herkunft
zusammenkuratierten Einkauf lobt, aber von den Boomern kann man
nichts verlangen!
***
Beim
Naturwissenschafts-Mansplaining schon so erfolgreich auf Durchzug
geschaltet, dass die „Science Busters“ zur Meditations-App
geworden sind.
***
Vortäuschen,
das El-Hotzo- und Max-Goldt-Lesen zur Arbeit gehören. „Pilze: Die
einen kosten tausende € und müssen von einem trainierten Schwein
gesucht werden, während die anderen gratis in der Ecke deiner Dusche
wachsen.“ „Debatte über die Unschnitzbarkeit der körperlichen
Liebe“.
***
Seit
ich beim Hundsäußerln so viel Smalltalk mache, mag ich nicht mehr
so viele Emails schreiben. „This could have been a dogwalk!“
***
Ab
jetzt nenne ich mich „Vollwaise“, das lässt mich wesentlich
jünger klingen.
***
Die
Zeitanzeige der Waschmaschine hat im Lauf ihrer vielen verlässlichen
Miele-Dienstjahre ein eigenes Kontinuum entwickelt, das nichts mehr
mit den handelsüblichen 60 Sekunden pro Minute zu tun hat. Schade,
dass ich bei der Naturwissenschaft nicht mehr zuhören kann,
vielleicht hat sich hier wegen der vielen Rotationen eine eigene
Quantensingularität gebildet, die ich wegen meiner Ignoranz der Welt
vorenthalte.
***
„Freude
schöner Götterfunken“ heißt eigentlich „Freunde, nicht diese
Töne!“, was sich schon wesentlich pampiger (und realistischer)
anhört.
***
„Déja
vu“ ist die nächste Orgie der Unglaubwürdigkeit, aber dank Denzel
Washingten gelingt die suspension
of disbelieve.
Hoffentlich geht der echte Herr Washington mit seiner super
power
verantwortungsbewusst um, denn wir alle würden ihm jeden Scheiß
abnehmen, und dann kracht's im Weltgefüge wie im Logik-Gerüst
dieses törichten Filmes.
16.2.
Beim
Tierarzt plötzlich der starke Wunsch nach einem Kälbchen, zufällig
hat er ein dabei. Es ist ein seiner schwarzweißen Flauschigkeit eine
liebe Ergänzung zum Hund, muss jedoch täglich 30 Liter Milch
trinken. Ich habe aber nur Orangensaft und Capuccino im Haus. Kurz
vor dem Erwachen denke ich in untypischer Sorglosigkeit, dass ich es
schließlich auch hingekriegt habe, den Hund durchzubringen, nur das
mit den 30 Tetrapacks Müll wird meinen Fußabdruck erheblich
vergrößern. Offenbar bin ich bei der traumhaften Bewältigung
meiner Realität schon im November 2021 angelangt. Das sind gute
Nachrichten, denn seither ist mir persönlich nichts mehr Schlimmes
passiert.
***
Der
Hund führt das Leben, das ich selbst als Kind gerne gehabt hätte:
Am Morgen nicht in die Schule müssen, wenn man die Mutter bis 16 Uhr
weitgehend in Ruhe lässt.
***
Vom
Output her gehe ich immer weiter in Richtung Privatgelehrte.
***
Es
könnte mein Social Media Hit werden, wenn ich tägliche
Not-To-Do-Listen poste, um den Mitmenschen Oasen in der
Hektomatikwelt anzubieten. Heute nicht: Einkommenssteuererklären,
Kriegerklären, Frauen was ungefragt erklären, Minzsauce machen,
Soletti selbst backen, Yak rasieren, Teilzeitarbeiterinnen schlechter
bezahlen (bzw. überhaupt ÖVP sein), Lakritze essen.
17.2.
ORF-Meldung
des Tages: „Krebs löste unkontrollierbaren irischen Akzent aus“.
Das ist nicht lustig, aber sehr lustig. Das Phänomen nennt sich
„Foreign Accent Syndrome“.
***
Eine
fremde, nette Frau erzählt von einem bekannten Hund, der von seinen
Inhabern in die Schule geschickt worden war. Nach der ersten Stunde
sagte der Trainer, es tue ihm leid, aber „Ihna Hund is soooo dumm!“
Jetzt ist die Hauptaufgabe des Tieres, das Neugeborene abzuschlecken.
18.2.
Es
ist mittlerweile bekannt, dass ich nicht angeben mag, aber das war
gestern schon eine sehr, sehr tadellose Lesebühne, auch wenn uns die
hervorragende Elif Duygu die Show gestohlen hat. Sie möchte übrigens
den Mädchennamen ihrer Mutter annehmen, aber der unterscheidet sich
vom aktuellen nur durch einen unwichtigen Vokal.
Das
herrlich klagende Nein der „glücklichen“ Gewinnerin des
gesammelten Ouevres der Landesmusikschulen des Landes Oberösterreich
2005 (32534 CDs im Schuber). So hört sich die Tombola des Grauens
an.
Die
Leute lachen bei meinen alten, leicht aufgemotzten Texten nur an den
Stellen, die ich aufgemotzt habe. Das will mich in Sachen „Faulheit
lohnt sich nicht immer“ was lehren.
***
Weil
die artists
heute present
sind, in die Galerie, und schon wieder ist es mit den Herren Decker
und Lehner eine solche Schnatterfreude, dass ich fast vergesse, ihr
Kunstwollen zu rezipieren.
Es
ist überhaupt ein Vormittag, der die Sonnenseite von Wels und des
Kapitalismus zeigt. Nun habe ich wieder Hosen und Leiberl, die
gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Bei Socken hat jede
Disziplin ausgelassen, ich besitze jetzt welche mit Hühnern, Ringeln
und Oktopussis.
Im
Extrazimmer verlangt eine sehr junge Dame dringlich, in das Hundefell
zu greifen, der junge, sehr hübsche Vater fragt höflich, ob sich
das ermöglichen ließe. „Natürlich“, sage ich dienstbar, „Fini,
Fini!“ Der Mann schaut verwundert, woher ich wisse, wie seine
Tochter hieße? Wir freuen uns über unsere schönen Wesen und ihre
schönen Namen. Nur einmal, erzählt er, habe ihn einer gefragt, ob
das von „Adolphine“ komme.
***
Aus
vielen Gründen wird Barbi Marković niemals einen Nachfahren Klaus
Barbies ehelichen. Es gäbe sehr viel Klügeres über „Suzaro“ zu
sagen, aber es ist Wochenende.
19.2.
Diese
Freude, den ganzen Tag nicht außer Haus zu gehen, keinen BH
anzuziehen, niemanden zu treffen und keinen Sport zu machen, ist das
wie bei den Erfrierenden, die sich ein bisschen hinlegen oder eh so
gut, wie es sich anfühlt? Mittags tief geschlafen und den Polster
eingespeichelt (eventuell diesen allzu bekenntnisfreudigen Satz
wieder streichen).
20.2.
Kepler
Salon. An der armen, von den Faschisten verbotenen und vergessenen
Autorin Hedda Wagner interessiert mich am lebhaftesten, dass sie in
ihrem inneren Exil (die Mutter aller Lockdowns) Amseln gezähmt habe.
Falls mich das nächste Mal jemand fragt, warum aus meiner
germanistischen Karriere nichts geworden ist.
21.2.
Einen
zweiten Hund aus dem Auto gesaugt, weswegen ich mir einbilde, dass es
jetzt gleich wieder viel besser fährt.
22.2.
Auf
dem Gipfel des Hochrettelsteins über die Planneralm mit unironischer
Sehnsucht hinüber ins Tote Gebirge geschaut. Dank meiner mangelnden
Fitness standen wir wenigstens länger auf den Ski, als ich mit dem
Auto hergefahren bin.
23.2.
An
diesen Tagen im Jahr muss man sich am stärksten zusammenreißen, die
Luft ist schon so vielversprechend, und die Vegetation noch so
erschütternd gackbraun.
Schon
wieder vergessen, dass der Februar auch heuer nur 28 Tage hat,
weswegen sich meine Märzpläne verschärfen und weswegen ich 3,5
Stunden mit dem Hund spaziere und das Auto wasche.
Beim
Äußerln große Sympathie zu einer Frau, die mir nach einer Weile
gesteht, sie sei ein wenig unglücklich, weil sie heute noch einen
Termin habe, zwar Kino, aber trotzdem. Sie dürfe sich unter der
Woche einfach nichts mehr ausmachen, sonst könne sie sich von der
Arbeit nicht ausreichend erholen.
Eine
andere Spaziergängerin hat ihren „Staffie“ nach ihrer
Lieblingssubstanz genannt (diagnostiziert die Drogenärztin meiner
Wahl): „Benzo“. Es ist mir überhaupt unerklärlich unterhaltsam,
die täglichen Hundenamen aufzuschreiben (siehe oben, „selig die
Armen“). Heute: Merlin, Moritz, Gucci, Lia, Nepomuk, Mellow.
***
Belletristik,
in denen junge Wirtschaftstreibende im Ernst „superspannend“ zu ihren Omas
sagen, lese ich nur gegen Bezahlung fertig.
***
Irre,
dass man orgiastisch unglaubwürdige „Day after Tomorrow“ und das
hervorragend weirde
„White Noise“ mit demselben Hirn anschauen kann.
24.2.
Norbert
Trawöger hat mich im Traum als Hilfskraft für ein seltsames
Donaukreuzschifffahrtsunternehmen angeheuert, wo ich Reisende mit
einem schwindlichen Schlauchboot vom Ufer zur Ottensheimer Fähre
bringe. Dazwischen zerboselt mir ein neonfarbener Stiglitz eine
exotische Frucht, die ich als Lohn von den Touris erhalten habe.
***
Vielleicht
das unterhaltsamste Bild dieses Februars: Ein älteres Ehepaar geht
nebeneinander auf der Agentie daher, nur an ihren synchron vor der
Brust pfötelnden Händen ist zu erkennen, dass sie „joggen“.
25.2.
Der
Mann, den ich im Sommer großmächtig gepartnert habe, schenkt mir 1
Hose + 2 Scheibenwischer, „denn Geschenke erhalten, die
Freundschaft, Meindl!“
***
Das
Wort „Obfrau“ klingt aus gutem Grund so ähnlich wie „Opfer“ (Onomatopoesie).
26.2.
Dauerndes
Gefühl der Faulheit, während ich am Wochenende zu einer
Kulturversammlung gehe und „Dschomba“ lese. Die Macht der Ahnen
ist sehr stark in mir. Wenn's mir lustig ist, kann's keine Arbeit
sein.
***
Doofster
Satz im für Kreisky-Fans enttäuschenden „Tatort“: „Weißt,
ich trauer' grad wie Sau!“
27.2.
Es
ist mir unmöglich, Anleitungen zu befolgen (Nudelkochen,
Arbeitswelt, Ikea-Kästen). Renitenz oder ADHS?
***
Neben
Altstoffsammelzentrum und Fundleichenwohnungsnachschau habe ich jetzt
einen neuen Traum-Ferienjob: Maremmenschutzhundausbildnerin im Kanton
Uri. Man muss ab und zu Luftballone zerplatzen lassen, um die Welpen
schussfest zu machen, und ihnen ein Streichelschlusskommando
beibringen, damit sie die Schafe nicht vernachlässigen.
28.2.
René
M. hat einem Porr-Mitarbeiter gegen drei Bier seine neonfarbene
Arbeitskluft abgetauscht, weil der Name auf Schwedisch „Porno“
bedeutet und er seiner Frau mit Reizwäsche eine Freude machen will.
***
Keine
berufliche Errungenschaft kann mich so zufrieden machen wie das
Umstellen der Soffen.
***
Nach
der Buchpräsentation von „Dschomba“ kommt eine ältere Frau zu
mir und fragt mich, ob sie mich kritisieren dürfe, sie habe nämlich
Germanistik studiert und ich sagte dauernd „aber dazu kommen wir
später“, da werde das Publikum ganz ungeduldig! Ich muss mir Karin
Peschka in vielerlei Hinsicht zum Vorbild nehmen, die auf die
Beschwerde eines Kollegen, man wisse nun wirklich ausreichend Bescheid über die
Handlung, aber was sei mit dem Formalen, mit der Sprache? höflich,
aber extra
dry
erwidert, sie habe sich dazu ganz wenig überlegt, so klug sei sie
nicht. Das war gelogen, aber gut.
Weil
ich auch Germanistik studiert habe, sage ich, dass Zumwirtengehen mit
Regina Pintar und Karin Peschka eine sehr große Freude ist.