Posts mit dem Label It's a Dog's Life werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label It's a Dog's Life werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, März 01, 2025

Saukopf-Büffets trotz Scharia, Blackfacing trotz Klimawandel. Ich werde zum Hasskraftwerk

Lebenskrimskrams im Februar 2025

1.2. BOZEN

Der Mann im Ötzi-Museum meint, ich könne den Hund gern mitnehmen, müsse ihn aber für die Dauer meines Besuchs auf Händen tragen. Ich lehne dankend ab, sie soll ja auch beim Anblick des getrockneten Fleisches keinen Guster bekommen. Die mütterliche Linie Ötzis sei ausgestorben, aber die väterliche lebt ganz augenscheinlich in mir weiter. Ich beschließe, keine große Sache daraus zu machen, sonst darf ich das Museum gar nicht mehr verlassen. Ganz ohne Ironie sieht die lebensgroße Rekonstruktion dem Vater noch ähnlicher als die Bilder, ich bin zu meiner Überraschung ehrlich gerührt.

Erst später gneiße ich, welches Glück ich hatte, bloß mit einem halben Dutzend anderer hier zu sein, es ist die einzige Woche im Jahr, in dem der Overtourism sich hier legt. Darum also auch das Zimmer im Laurin.

Am Nachmittag interviewt mich die sehr sympathische Jutta Wieser für Radio RAI. Sie kommt mit meinem Dialekt sehr gut zurecht, statt „larger than life“ versteht sie sogar fast übereifrig „letschats life“.

Was ich sonst darüber geschrieben habe: "Du steckst nicht im Overtourism, du BIST der Overtourism. Bittersüßes Südtirol"

3.2.

Leichte geistige Erschöpfung nach diesem Wochenende, es ist schon eine Weile her, dass ich praktisch gar nicht zum Lesen gekommen bin.

Dazu viel Admin-Schas und etliche Telefonate, die Emails hätten sein können, dazu viel diffuse Wut auf das Elektorat von ÖVP, FPÖ und Neos. 

4.2.

Sengsen. Wandern fühlt sich derzeit an wie eine Kompensation, die ich durchsetzen muss gegen die Welt. Es ist immer noch viel zu warm, weswegen ich mich beinahe mit dem Tageslicht verspekuliert hätte; wie ein kleiner Jetlag. Es ist schon nicht mehr Winter. 

5.2.

Metro mit den Schwestis, wir kaufen beinahe 100 Kilo Rechnungshefte, aufblasbare Schwimmkassetten und zehn Liter Diskontkorn. 

6.2.

Blitztreffen mit Birgit, sie sagt zum Abschied tatsächlich „g'sund bleiben!“ Noch lachen wir.


7.2. Wien

Ein Mann geht durchs Prückl, um Lesezeichen „gegen misshandelte Kinder“ zu verkaufen. Jana, Otto und ich schütteln den Kopf, er wird böse. „I frog mi, wia es auf d'Wöd kumma sad's!!!“

***

GAV-Vorstandsitzung

Vielleicht darf ich das nicht ausplaudern, aber der Herr wird ja großen WErt auf Verbreitung seiner Ansicht legen: Er tritt aus, um ein „Zeichen gegen die Genderverseuchung zu setzen“, er pflege auch privat keinen Umgang mehr mit Menschen, die solch eine die Verständlichkeit der Sprache gefährdende „Neo-Sprich-Idolatrie“ betreiben. Zum Glück finde das nicht nur ich ironisch. 

 Magdalena bekommt von der Arbeiterkammer eine Urkunde, mit der ihr „im Namen der Volkswirtschaft“ für 20 Jahre Arbeit an derselben Dienststelle gedankt wird.

Wir trinken dann sehr viel Dosenbier, denn das sind meine Menschen - ich verstecke hier meine Zuneigung wie einen geo cache. <3

8.2.

Beim heurigen Schl8hofball „HitBALLrade“ verkleide ich mich als die Disco-Version von Blanche Debareaux. Wieder sind auch alle anderen extrem schön und betreiben großen Aufwand, und wieder möchte ich alle nach Themen ordnen wie ein Faschings-Border-Collie. 


Backstage wird wie immer mit Zunge geküsst 

Roman lädt uns auf ein Stamperl des weltbesten Tequilas ein, wir dürfen ihn nicht gleich in unsere schon sehr dummen Schädel schütten. Sehr mitreißend erzählt er, wie George Clooney und Julia Roberts Gatte miteinander ein Tequila-Gut und irgendwelche fancy Fässer kauften, aus humanistischer Bewegung. Der Schnaps schmeckt dann zumindest nicht grauslich, mehr darf man von Tequila nicht erwarten. Sofort danach gehen wir heim, da ich den äußerst schmalen Limbus zwischen betrunken und dem Tode geweiht erreicht habe. Nur in diesem Zustand kann man in diesen Leggins durch die Welser Nacht taumeln.

9.2.

Wir verbringen den Tag trotzdem, als hätten wir einen Kater, also ächzend und lesend. Dabei kommt mir ein Philosoph mit dem Namen Lagasnerie vor, wie ein auf Schichtnudelauflauf spezialisiertes Restaurant mit Tippfehler. Das hier ist kein Symbolbild: 

10.2.

Wenn ich so träume, wache ich lieber: Auf einem Landgut werden „Welpenburger“ angeboten, zu meinem Entsetzen predige ich „Wer Tiere ist, muss auch Streicheltiere essen“ und wähle eines der um meine Füße wuselnden schwarzen Pudelbabies aus.

11.2.

Ein Wärmepumpentechniker kommt und werkt herum, ich werde schon durch das Nachdackeln müde, er aber erzählt, dass er nach der Arbeit gerne seinen 15-Hektar-Wald an der böhmischen Grenze bewirtschafte. 


***

Wenn man den Broligarchen Peter Thiel so richtig amerikanisch ausspricht, klingt er wie „paedophile“.

***

Ich muss dem Pflegschaftsgericht ein Hausgutachten schicken. Der Vater hat dem Notar tausende Euro für die Mitteilung bezahlt, wann Schönering das erste Mal urkundlich erwähnt wurde. Ich arbeite eindeutig im falschen Text-Genre. Zudem weiß ich jetzt, dass auch Massivbetonhäuser Lebenserwartungen haben, die jenen eines Menschen ähneln.

12.2.

Zum ersten Mal seit Erscheinen des Romans treffe ich Axel Scheutz. Nach unserer Veranstaltung hält er mir sein Exemplar hin, darin eine Menge verschiedenfarbener Post-Its. „Die gelben sind dort, wo ich vorkomme!“ Mir wird bewusst, dass der fiktional wirklich nicht sehr gut wegkommt, umso legitimer war es, dass er bei der Diskussion zweimal sagte „Kaufen Sie das Buch, Frau Meindl formuliert gut, aber sie lässt kein Klischee aus!“ Wir trinken und schnattern noch lange in der Roten Bar. 


Tarek Leitner ist von makelloser Freundlichkeit und Erscheinung, sogar seine Stirnfalten wirken wohlüberlegt. Er sagt, als Zuagroaster sei er natürlich viel stärker verliebt in die Gegend als seine einheimische Gattin, er sei kurz davor, Tracht zu tragen – während die wahre Tracht des Salzkammergütlers ja von Engelbert Strauss sei.

Über meinen Vorschlag, ein Entlastungs-Hallstatt zwischen Attnang und Puchheim zu bauen, wird wieder blöd gelacht, noch mehr über meinen Wunsch, Schönering zu klonen.

13.2.

Fan-Club-Kollegin Maria Z. ruft an, um zu erfahren, wie es gestern war. Dann erzählt sie von einer einstigen Kulturreise mit dem Gatten durch Indien und Nepal. Da das sehr anstrengend war, gönnten sie sich am Ende ein paar Tage auf den Malediven. Dort gebe es keinen Individualtourismus. Ein hoher Prozentsatz der Inseln wird den Fremden geopfert, während sie zum Rest keinen Zutritt haben. Hier herrscht die Scharia, dort wird zum Saukopf-Büffet geladen, man speist besoffen und im Bikini. Es ist ein wenig wie das scheinidyllische Gegenstück zur Cancer Lane am Golf von Mexiko: sacrificed areas.

***

Dogfishing auf Tinder

***

Alle Texte für die Lesebühne zwischen 10 und 15:30 geschrieben, was soll noch schiefgehen im Februar? 

14.2. 

Es war Lesebühne und es war sehr schön: Punk is not Dad, mit dem besten Stephan Roiss, den wir haben. (Foto: Thomas Thanner) 

 

15.2.

Erinnernswert: die erste eigene Kettensäge gekauft, es muss ja nicht alles wehtun am Erwachsensein (außer, ich schneid' mich damit).

16.2.

So lang so wenig Schnee gab's noch nie. Das nächste einzigartige Phänomen, an das man sich wird gewöhnen müssen. Meine Tourenski habe ich kurz vor Weihnachten zum Service gebracht und nie abgeholt.

Im Jänner frage ich mich jedes Jahr, was das (Klein)Bürgertum und ich so toll an einem Garten finden. Jetzt beginne ich zu ahnen, dass es eh wieder recht wird damit.

17.2.

Die Generation X ist eingekeilt zwischen Boomern, die nicht aufhören wollen zu mansplainen, und den Y- und Z-lern, die nicht zuhören können.

***

Die Self-Care-Industrie ist die dümmste Maßnahme gegen den Pflegenotstand.

18.2.

Satte zehn Stunden geschlafen, der Hund mehr als 12. Daran soll es heute nicht scheitern. Ich war aber auch sehr mit Träumen beschäftigt, in einem war es zum Zusammenbruch des ÖPNV in Wien gekommen. Ich soll auf Urlaub fahren und muss von Wien nach Linz, aber es wird sich nicht ausgehen, da in den U-Bahnen jetzt Güter transportiert werden, die Menschen können ja von selbst gehen. Es geht nur einmal täglich einen Bus diffus nach Westen.

***

Heute tippe ich den Lebenskrimskrams vom August 2024, was an einem kalt-sonnigen Februartag ein schönes Timing ist. [Und das wiederum tippe ich an einem frisch-sonnigen Augustvormittag, was auch wieder stimmig ist, weil: ] Bei diesem Rhythmus erfreue ich mich dann am 18.8.2025 an der Erinnerung an polare Kaltluft und ein ganz neues Licht nach dem mühsamen Hochwinter. [Es ist so, als packte man sich selbst seelische Jausenpakete für das nächste Semester.]

 

 19.2.

Ein unbehelligter Tag (bloß nicht die Nachrichten einschalten!), ein selbstauferlegter Lockdown – und die Vögel kehren langsam heim, diese fliegenden Leischn.

Das Urvertrauen in alle halbwegs sane wirkenden Personen wächst, gleichzeitiger Kollaps des Zutrauens zu allen außerhalb des Dunbar-Kreises.

***

In „Jagen, Sammeln, sesshaft Werden“ macht Foster einen argen, aber schönen Schwenk am Ende seiner Erforschung von Mensch und Natur in Richtung Übersinnlichkeit. Die sei ja kein Wunder, denn in der Sekunde vor dem Urknall war ALLES auf engstem Raum EINS. Endlich kann auch das Genre des Nature Writing über die spukhafte Fernwirkung der Quantenverschränkung sprechen,ohne auf dem Scheiterhaufen zu landen (oder für doof gehalten zu werden).

***

Zuerst schaufle ich stundenlang Sand in den Wärmepumpenschacht, dann backe ich einen „Kuchen“, der sich wie Sand zwischen den Zähnen anfühlt. 


20.2.

Nie hätte ich Schauspielerin werden können, zu groß wäre die Scham gewesen, irgend etwas darzustellen, das auch nur einen Schritt in Richtung Sex geht, auch nicht nach der Befreiung durch die Body Positivity. Genauso unmöglich jeder Hauch von Pathos – siehe Pedro Pascal in „Wonderwoman 2“, wie er im Wunsch-Satelliten-Strahl auszuckt vor Erfüllung. Aber immer noch eher sowas als Sex.


21.2.

Gratis in die Kletterhalle, weil „heit woasd eh gaunz schwoch beinaund.“ 

***

Essen gehen eh super, aber wir sitzen so zwischen lärmenden Familien verkeilt, dass Après-Ski-Stimmung aufkommt und der Buttinger mich über die Pizza eher grämlich als romantisch anschaut.

***

Am Beispiel des Buches „Altstadtgassen und Adelshöfe“, versehen mit dem Ex-Libris der Mutter erneut die Feststellung, dass das Ausmisten eine Gratwanderung bleibt zwischen „Immer noch so viel Zeug, das mich nicht interessiert!“ und großer Sentimentalität.

**

Das Centerfold des Schöneringer Pfarrblatts zieren die überraschend vielen diversen Sternsingergruppen. Zum einen erstaunt, wie viele Ortsteile es gibt („Schönering Inseln“, „Mühlbach Nord + Fall (2. Tag)“). Zum anderen, dass sich immerhin drei Menschen das Blackfacing nicht nehmen lassen. Nur Männer, nur Erwachsene. Das ist schon alleine aus Bequemlichkeitsgründen bizarr (ich spreche aus alter, leidvoller Erfahrung). Etwas später zeige ich dem Buttinger das Foto, er muss nur einen schnellen Blick drauf werfen: „Ich zähle vier!“ Wir schauen gemeinsam. Der vierte entpuppt sich als der Nachbar, der bloß im Jännerschatten ganz blau angelaufen ist.

22.2.

Heute bekommen die Vögel endlich wieder Namen. Auf dem Gipfel des Haglers steigt plötzlich ein Schwarm Dohlen auf, wie um dem Herrn Ornithologierat und mir eine Freude zu machen. Ein eleganter, luftiger Zauber. 

Beide haben wir jetzt schon unsere Jahresvorhaben erfüllt: Hasi hat den „Ulysses“ ausgelesen, ich kann jetzt die Frisbee auch mit links schmeißen.

Er berichtet, dass beim Begräbnis eines gemeinsamen Bekannten eine Dame zu „I am sailing“ ein Tanzgebet aufgeführt habe, es sei sehr schwer gewesen, nicht zu lachen. Ich sollte derlei wahrscheinlich jetzt schon notariell regeln. Aber eher im Sinne, dass ich das auch will, es sollen die Hinterbliebenen sich über den Auslöser ihrer Tränen nie sicher sein können.

24.2.

Sitzungen von 16 bis 19 Uhr. Wie halten andere Menschen das nur aus?! Und ich weiß, das ist noch gar nichts! Wieso flippen sie nicht viel öfter aus? Ist das eine Sache des Trainings? Es war ja nicht einmal schlimm, nur ein wenig fad. 

25.2.

Was für Leute es gibt! C. lädt uns zu seinem Nachbarn, der die Software für Indoor-Windkanalflüge programmiert und damit zu einem Wohlstand gekommen ist, den er für Outdoor-Fallschirmflüge verwendet, aber auch für das Brauen ausgefallener Biere. Unsere Augen leuchten, eine neue Freundschaft will entstehen.

***

Beim Hundsäußerln sollte ich nachdenklicher wirkende Outfits tragen, ich kriege erstaunlich viel erstaunlich Banales erklärt. Seit wann wird man Hundeexperte und Hundebesitzer gleichzeitig? Woher überhaupt dieser Drang zu seltsam übertriebener Professionalisierung im Privatleben?

26.2.

Beim Lesen der aktuellen Ausschreibung für den LinzIMPuls komme ich peinlich spät drauf, dass ich den ja geschrieben habe (in eigentlich sehr schmeichelhafter Vorwegnahme des Ars-Electronica-Themas „Do/n't Panic“. Entweder bin ich sehr fleißig und/oder dement. [Nachtrag: Ich hab' sogar noch schnellschnell mit Walter Stadler ein Projekt zusammenklabüsert, wieder am Tag der Deadline, aber ohne Erfolg. So geht Transparenz!]

***

Sehr langsam, eher erosiv geht’s beim Ausmisten. Ich schneide Tierbilder aus den Bildbänden über Palazzi und mache es mir im Bürgertum unbequem. 

Auch ein sehr guter Spaß mit dem Erbgut: passiv-aggressive Rollaugen ins Altertum malen.  

***

Ungeduld mit der Landschaft. Dafür bei Niederwasser am Donaustrand eine Rostgans gespottet. Hasi beruhigt per Whatsapp-Konsilium, der Vogel sei ein Gefangenschaftsflüchtling, der sich mittlerweile zum Neozoon gemausert habe.

***

Nach fünf Minuten Schaufeln ruft die Nachbarin „Tüchtig!“ über den Zaun, dabei müsste sie das tun, sobald das Licht im Büro angeht.

27.2.

Eine an sich gute Kunstperformance. Ich checke nur immer noch nicht, warum wir Frauen uns nackig ausziehen müssen, um Freiheit zu beweisen. Fini isst die Requisitenwurst.

***

Was für ein unfassbar großartiger Film „Three Billboards outside Missouri“ ist!

28.2.

Alles geht immer am Freitag Vormittag.

***

Schade, dass ich mit meinem Hass kein Wärmekraftwerk betreiben kann, Trump und Putin würden mich energieautark machen. Schon der Fund einer Perücke im Gestrüpp des Wasserwaldes löst Assoziationen und energische Gewaltfantasien aus: 

***

Zum Glück gibt's die Sublimation und die Kunst. Wenn du wüsstest, wie schön „Wenn du wüsstest, wie schön es hier ist“ ist.

Samstag, Juni 01, 2024

Schreiben mit dem Hirn eines ungepuderten Amateurs. Balzbalken im Auge

Lebenskrimskrams im Mai 2024

1.5. MAUER 

Der Maibaum steht schon, als wir leicht verkatert zum Kirtag trudeln. Er ist sehr klein, man würde ihn bei einem Besteigungsversuch knicken, man könnte ihn alleine stehlen und in einem Kombi heimbringen. Aber hier in Wiens Bio-Speckgürtel wird man von so derben Bräuchen ohnehin Abstand nehmen. „Von denen sind drei im nächsten Jahr nicht mehr dabei“, sagt G. angesichts der hochbetagten Bandltanzpaare. Ein Megaphon kracht. „Achtung, eine wichtige Durchsage! Die Hüpfburg darf ab 12:30 Uhr auch von Erwachsenen benützt werden!“ Sie hat vier Zwiebeltürme, sie sieht aus wie eine kleine, lila Alhambra, eigentlich eine sehr lustige Verdrehung der in diesen breiten stark memorierten Türkenbelagerungen.

Später jausnen wir die Festreste auf und unterhalten uns über den Apex-Killer von Freundschaften: Knausrigkeit. Nichts degradiert jemanden schneller vom Freund zum Bekannten. Alle haben wir Anekdoten zu bieten, die abmontierten Stromschalter und die auf das Cent verrechnete Obst, das erhöhte Kilometergeld wegen schnellen Fahrens im deutschen Premiumprodukt, vorgetäuschte südamerikanische Leberleiden der Mama, von den Alimenten abgezogene Geschenke... Der Mensch ist schiach, wenn er sich nicht bemüht.

Heimfahrt in Birgits sterbendem Auto. „Bitte nicht auf den Fensterheber drücken, sonst geht die Scheibe nie wieder rauf! Auch die Klimaanlage ist kaputt!“

***

Im Traum begleiten Coala und ich Mama auf einen Ausflug nach Sachsen. Sie will Fürstenschätze sehen, aber leider vertrödle ich unendlich viel Zeit, weil ich eine Kletterkarte o.Ä. kaufen will.

2.5.

Die Zahl der Chill-Plätze rund ums Haus steigt, und damit auch die Arbeit daran (heute: Schlafzimmerbalkon). 

***

Am Strand treffen wir einen Terrier namens Gwendoline, die auf der Saualpe nicht mehr sie selbst war, weil ein Wolf vorbeigeschnürt sein muss. „Der Terrier ist nicht stur. Er sagt: Wenn du mir gibst, was ich will, kriegst du, was du willst!“

***

Ein Tag recht glücklichen Werkens, ohne schlechtes Gewissen wegen des Büroschwänzens, weil es morgen eh schiach wie der Zins wird. Wieder ein Gefecht gegen die Entropie geschlagen, im Keller, am Balkon, im Wohnzimmer, am Dachboden. Emsiges Verteilen von Materie, von außen betrachtet sinnloses Treiben.

3.5.

Ereignisloses Tippen im Büro, wie nebenbei erledigt sich auch noch die Einkommenssteuer, es ist eine komplexe Regulationsmaschine der Prokrastination, die mich irgendwie durchbringt durch meine chores. Nächstes Jahr bin ich dann endgültig bereit, Steuern zu zahlen.

Im Wasserwald. Eine zuvor bewegt wirkende Dame bleibt bei jedem Satz stehen, und sie hat sehr viel zu sagen, über Photovoltaik und Wärmepumpen, ist denn nirgends Asyl vor diesen Themen zu finden?! Es regnet, sie spricht. Ihr Mann und ich drehen uns ungeduldig zu ihr um, wenn er schön gewesen wäre, hätte ich ihn mit nach Hause genommen. Rätselhaftes Individualbrauchtum.

4.5.

Ein sehr schönes Porträt erscheint in der Presse, auf dem ausgewählten Bild monstert Fini einen Hundepassanten an (ich erinnere mich, es war ein auffallend hässlicher Hund), auf dem Foto sieht man, wie ich mich geniere für meinen Flegel. Die einzige Korrektur, sage ich zu Buttinger, beträfe den Satz „lange Zeit war sie Lokaljournalistin.“ „Wieso, zwei Jahre sind eh lang genug.“ True! 


5.5.

Auf dem Jägersteig hinauf zum Seespitz, ich habe mich von Warnschild der Gemeinde ein wenig in Sorge jagen lassen („Auch erfahrene Bergsteiger mussten hier schon mit dem Hubschrauber gerettet werden!“). Irgendwo in der Hälfte kommt mir eine etwa 70-jährige, eh ganz fitte Frau entgegen, sie ist etwas verärgert, weil der Weg gar so schlecht angelegt sei, vor ein paar Minuten habe sie umdrehen müssen, weil kein Steig mehr zu sehen gewesen sei und sie nicht wild durch die Schrofen stapfen wollte. Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, dass sie Crocs an den Füßen hat, da sagt sie selbst, sie habe sogar die Schuhe ausziehen müssen, dreimal sei sie beim Abstieg ausgerutscht! Ich sage, ich würd's mir vorsichtig anschauen und dann natürlich ihrem Beispiel folgen, wenn es zu ausgesetzt ist. Ich verabschiede mich und steige zum Gipfel, ohne recht gecheckt zu haben, welche Stelle sie so aus dem Konzept gebracht hat, aber ich trage ja auch feig gute Wanderschuhe. 


Oben auf der Dümlerhütte sagt die wirklich sehr freundliche Kellnerin, es mache ihr nichts aus, dass ich nur so peinlich wenig Trinkgeld geben könne, „ich mach's ja gern!“ Kurz überlege ich, ob sie mich verarscht (verdient!), aber sie lächelt. 

6.5.

Der JASMIN BLÜHT!!!! Wahrscheinlich ist er erstmals in seiner phylogenetischen Entwicklung so bald im Jahr dran. 

***

Unfreiwillige Feuerwehr

***

Man kann eigentlich nicht schlecht gelaunt von der Fähre kommen. Ottensheim gewinnt natürlich jeden Wettbewerb gegen Wilhering, nur unsere Ufer sind besser. 

Gramastetten. Zwei Stunden lang der große Himmel über Lichtenhag.

Später, bei der Lesung, frage ich ins Publikum, mit wem ich hier aller verwandt sei, es melden sich erstaunlich wenige. Im Glückskeks, das man mir sinnigerweise zur Deko auf den Tisch gelegt hat, steht noch sinniger „Verliere dich nicht in Selbstzweifeln. Du machst deine Sache gut.“ Wir sind alle gerührt. Und man kann eigentlich nicht schlecht gelaunt aus einer Bücherei gehen.

7.5.

Stichwort „Geusenname“: So wie beim N-Wort dürfen sich künftig nur noch Leute über die woke cancel culture oder die Generation Schneeflocke lustig machen, die verbrieft nicht deppert bzw. antifeministische Privilegienhorter sind. Sprachpolizisten, Leitkulturgeier, bürgerliche Feuilletonisten dürfen explizit nicht.

***

Kurz, nachdem der Leckorter wieder gegangen ist (übrigens ergebnislos), lese ich in der ZEIT von der Arbeit eines Penetrationstechnikers (er bricht auf Wunsch in der Firmen ein).

***

Träfe ich einen Mann im Wald, würde ich ihn fragen, wo er hinwill um diese Zeit so ganz allein und ihn dem Schutz meiner starken Fäuste anempfehlen, damit er sich weder vor Bären noch vor lüsternen Frauen ängstigen muss.

***

Neue Gaben der Donau: sehr kleine Ballerinas, abgestellt wie von einer verzweifelten Dame, die ins Wasser gegangen ist. Daneben eine sehr große, luxuriöse Luftmatratze. 

***

WIEN, Literaturhaus, „Freiheit des Wortes“

Daniel Wisser liest einen sehr guten Text über das furchtbare Wüten eines Gewitters im historischen OÖ, ein Blitz hat in das Gramastettner Wegmacherhäuschen eingeschlagen.

Eine winzige, alte Frau nachher: „Und de Linzerin? Kummt de aa mid?“

8.5.

Intensives Herumräumen, sonst nicht viel. Die anderen scheinen auch alle nicht zu hackeln.

9.5.

Die tolldreisten Spatzen werfen jetzt immer die Futterlade zu Boden. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt! (Eine neue Variante der gebissenen Fütterhand)

***

Im Wasserwald erzählt mir ein Typ, er sei einmal NATO-Soldat gewesen, deshalb könne er so gut Gleitschirm fliegen – um das Preisgeld bei einem bayrischen Wettbewerb habe er seinem Hund künstliche Hüftgelenke gekauft. Ich hätte ihn sonst eher für einen Hackler gehalten, u.a. Weil er ein halbes Jahr in China vollautomatische Lagersysteme installiert und sich das falsche Hallstatt angeschaut hat („das ist super gebaut!“), aber er sei verwandt mit Rosamunde Pilcher und über 17 Ecken mit Ludwig II. - sein Stammhaus liege gegenüber Neuschwanstein. Er bewirtet Fini und mich auch recht großzügig auf der Picknickdecke.


11.5. BAD ISCHL

Es ist früher Vormittag, als wir mit 3,5 Flaschen Prosecco in sechs Birnen aus dem Zug torkeln. Es zeichnet sich früh ab, dass wir die Kulturhauptstadt höchstens mäandernd konsumieren werden. Stattdessen: Zauner, Gmundner Fischkeramikkauf, Spielplatz, Siriuskogel, Eis, Blaumeisensocken und Bier am Esplanade-Würstelstand. I. quatscht im Kurpark LH-Altspatz Pühringer an, vergisst aber, ein Selfie mit ihm zu machen.

All die verwitterten „Sinneswege“ und „Kulturpfade“ dieser Welt

Beim Heimfahren dann sehr große Aufregung, weil wir mit unserem Gruppenticket nur in Pemperlzügen fahren dürfen, dafür zwängen wir uns alle in ein viel zu kleines Abteil und beraten panisch schnatternd, was wir dem ÖBB-Personal zu unserer Verteidigung vorbringen – lügen oder weinen? Enttäuschung in Attnang-Puchheim, weil wir gar nicht kontrolliert werden.

***

Überall sind in dieser Nacht Nordlichter zu sehen, nur in Wels nicht. Grieve of missing out


12.5. Gamsplan & Hohe Nock

Es braucht viel Erwachsenen-Power, um im Stau nicht auszuflippen. Oder kann ich das nicht mehr so gut wie früher? Dabei war's ein tadelloser Tag!

Hoffentlich habe ich nach diesem Wochenende genug Sitzfleisch für den Wiedereintritt ins Arbeitsleben.

13.5.

Leider nein. Muss aber ohnehin zum Zahnarzt, da ist der Tag schon durch einen Termin zerrissen und nichts zahlt sich vorher und nachher noch aus (dabei dauert er 27 Minuten, in denen gar nichts gemacht werden muss). Der Doktor und seine Mitarbeiterin lachen über meine Karl-Nehammer-Imitation so herzhaft, dass ich den günstigen Rechnungsbetrag auf einen Entertainment-Rabatt zurückführe. 

Jetzt bin ich in ein Alter gekommen, in dem man mich vor dem Röntgen nicht mehr nach einer möglichen Schwangerschaft fragt.

***

Jetzt bin ich in ein Alter gekommen, für das ich eh noch ganz gut beinander bin.

***

Die Grauammer („Tier des Monats“ im oö. Kulturbericht) ist auch deswegen fast ausgestorben, weil ich sie bisher ignoriert habe, so wie Flugzeuge abstürzen, wenn man sie nicht mit Gedankenkraft in der Luft hält.

14.5.

Die zweite Auflage ist da! (Damit ich hier nicht immer nur über Hundescheiße und vertändelte Tage schreibe). Als Bodo Hell anruft, tusche ich gleich ein wenig damit an. Ihn frage der Verlag bei jeder Neuauflage, ob er nicht etwas dazuschreiben könne, es müsse nichts Weltbewegendes sein, nur damit der nächste Bogen vollwerde. Er könne ohne Weiteres morgen Julia Josts Fragen beantworten und umgekehrt, er kenne sie zwar noch nicht, aber das mache nichts. Ganz kurz überlege ich wirklich, ob das nicht ein sehr guter Spaß sei.

***

Am Strand bei Fall lässt sich der Klimawandel wohl aussitzen, auch wenn es nachher in allen Ritzen knirscht. 

Sich selbst beobachten wie in einer ORF3-Doku („Die Sommer sind kurz für DM“, „nur einmal am Tag hat DM genug Kraft zum Schreiben“).

15.5.

Man soll sich – sofern man sein Leben so weit im Griff hat – im Leben nur noch mit Leuten wie Bodo und Julia umgeben. Seine love language sind edle Mitbringsel, heute bekommen wir Meisterwurz-Ansatz von seiner Grafenbergalm, und Bodo entschuldigt sich noch bei allen, die keinen bekommen haben. In einem noch besseren Leben als dem derzeitigen gehe ich mit den beiden wandern. 


Julia nimmt gern mein zweites Exemplar von Bodos „Begabte Bäume“, damit sie die 2. und 3. Auflage auf die Mini-Änderungen absuchen kann wie in einem Doppelsuchbild. Von den 37 vorbereiteten Anmerkungen und Fragen brauche fast nichts, weil die beiden Notizen machen, während der jeweils andere liest und einander dann über spezielle Kuhrassen und anderes ausfragen. Eine ideale Arbeitssituation. Zu fleiß sprechen wir nicht über die Queerness im Karawankenzahn (Radisch hatte darauf mindestens fünfmal hinweisen müssen). Die Hauptfigur will halt einfach kein Mädchen sein, das ist doch nicht schwer zu verstehen. 

Hasi erzählt von einer neuen Vogel-Erstsichtung. Den Namen habe ich vergessen, aber der Vogel flicht jedes Jahr ein Nest in die Weiden des Hàncsag-Sumpfes, das aussieht wie ein wolliges Einkaufsnetz. Die burgenländischen Bauern hätten es früher entzweigeschnitten und als Schlapfen verwendet. Ich glaube, er schwindelt mich dauernd an, und ich weiß das sehr zu schätzen. Wie auch der Bericht, dass die Schnabelöffnung der Kuckuckskinder jener der bevorzugten Wirtskinder ähnle (des Weidenrohrsängers?), die das falsche Küken soeben aus dem Nest geworfen hat. Ganz weg ist Hasi wegen des Timings beim Ei-Unterjubeln, da die Vogelmütter ihre Brut maximal 30 Sekunden im Stich lassen, um sich vor Angreifern zu schützen. Mit ihrer gesperberten Brust täuscht die Kuckucksmutter vor, ein Greifvogel zu sein, und sie scheißt dann das Ei regelrecht ins fremde Gelege. Es sei schon schwer, die Annahme eines intelligent designs abzutun.

Bodo wird uns alle überleben, und daran ist nichts Falsches. (Ich tippe das im November und bin sehr, sehr enttäuscht von meiner Prophezeiungsgabe – immerhin literarisch stimmt's aber).

16.5.

A. ruft an, um mir etwas über die Vorgeschichte meiner Moderation beim Literaturfest zu erzählen. Der ging ein Shitstorm voraus, den ich hier in meinem Provinznest gar nicht mitbekommen habe. Eine Autorin cancelt ihren Verlag, weil der sich nach dem 7. Oktober nicht mit den Palästinensern habe solidarisieren wollen, nur mit den Opfern des Massakers. Nach einigem Für und Wider ziehen die Veranstalter die Anfrage zurück (in einem mit höflichem Bedauern formulierten Schreiben). Die Autorin antwortet nicht direkt, sondern maximal eskalierend und imho extrem selbstgerecht auf Insta. Sofort hat sie 5000 Follower mehr und die Veranstalter den Scherben auf, inkl. „Kindsmörder“ und dem Vorwurf der „Genozidleugnung“.

***

Nie, nie im Leben würde ich mich über Texte in der Kupfermuck'n lustig machen, aber das ist doch schön, oder? Das ist gleichzeitig eine dringliche Forderung an euch, immer die Kupfermuck'n zu kaufen. 

***

Ein Mann postet ein Bild im FB, auf dem ein halbes Dutzend kleiner Mädchen mit tellergroßen Glücksaugen Kirschen isst – es ist furchtbar unheimlich, sie sehen alle gleich aus, keine Sekunde glaubt man, dass das Bild echt sei. Ein seelenloser Algorithmus hat das Kindchenschema überreizt – ein superspooky Pfad mitten ins Uncanny Valley. Etliche weisen den Mann darauf hin, zugegeben recht herzlos. Er schreibt, er habe nur einen Moment reinen Glücks teilen wollen. Der vermeintliche Kirschensaft auf Mündern und Händen der „Kinder“ sieht aus wie das Blut der KI-Kritiker. Wieso ängstigt das die einen und beglückt's die anderen? Um den Unterschied möchte man doch Klavierspielen können! Das Uncanny Valley ist auch der Spalt zwischen den Menschen (nein: Es mäandert, der Spalt ist in Wahrheit ein verästeltes Canyon-System; KI ist die Erosionskraft).

17.5.

Zaimoglu pudelt sich in der ZEIT ziemlich zurecht über das zeitgenössische Theater auf (es stimmt, man denkt bei den im Fernsehen gezeigten Schnipseln allerweil „ohje, eine Regie-Idee!“), dabei nagelt er dem Bildungsbürgertum eine These an die Haustür, die in österreichischen Hirnen sehr lustige Bilder erzeugt: „Man sollte mit dem Gesicht eines ungepuderten Amateurs spielen.“

***

Gestern eingeschlafen, während auf ZDF-History eine Doku über Tschernobyl lief (war Hitler krank? Sonst läuft hier immer die absurdeste Auswalzung sämtlicher Aspekte der „dunklen Jahre“!), eingesprochen von Dana Scullys deutscher Synchronstimme. Bin schon gespannt, was mein schutzlos ausgeliefertes Unterbewusstsein da für mich vorbereitet. Ich muss mit dem Hirn einer ungepuderten Amateurin träumen.

***

Wieso haben alle so große Angst, von der KI ersetzt zu werden? Die legt sich ja nicht auf meine Couch und trinkt mir das Bier weg (reale Gefahren im echten Zusammenleben), sie isst nicht meine Erdnüsse und schläft nicht mit dem Buttinger. Die KI weiß nicht, wie man einen Hund korrekt streichelt. Sie kennt meine Geheimwege im Toten Gebirge nicht, und sie schnüffelt mir nicht den Jasmin weg. Bei allem anderen kann sie mich gerne ersetzen, bei grundsätzlich jedem Telefonat, beim Emailschreiben, bei Meetings, Contentherschenken, beim Reifenwechseln und Verwandtenbesuchen, beim Zahnarzt (wobei – nein, das würde mich kränken, wenn der über die KI-Witze mehr lacht als über meine). Meinetwegen auch beim Schreiben. Ich wäre mit dem verbleibenden Amt als Lektorin meiner selbst zufrieden. 

***

Max Goldt im Posthof – wieso füllt der jetzt nicht einmal noch den mittleren Posthofsaal?! Die Welt verschlechtert sich. Goldt lässt sich nichts anmerken und liest sehr schön und lieb. Beim Dramolett gegen die Notare gehen D. und ich viel zu gut mit. Er fordert auf, all seine Hörspiel-CDs zu kaufen, die gebe es nicht mehr lang, denn „die Jugend hat gar keinen Schlitz mehr“, wie ihm die Produzenten sagten. Am Signiertisch sage ich ihm, dass ich „Gattin aus Holzabfällen“ am meisten möge, freut er sich, „das ist auch mein liebstes.“

***

D. arbeitet gerade daran, alle Menschen in ganz Linz-Land für tot erklären zu können. Hoffentlich geht sie verantwortungsvoll mit dieser Befugnis um! Man stelle sie vor, sie wird aufgrund eines Schicksalsschlags zur Bösewichtin und tätigt den Sprechakt „Ihr seid alle tot! Toooot!!!!“

18.5. 

Beim wie immer extrem schönen Volxfest im Schl8hof kniet sich eine sehr gut riechende Dame zur nicht sehr gut riechenden Fini nieder und schmust so selig mit ihr, dass der Hundehals am nächsten Tag noch immer ein wenig nach dem Damenparfüm duftet. 

Ein Abend, an dem man Wels wieder recht lieb gewinnen muss - auch wenn Freibier und Watschen ein typisch ambivalentes Dienstleistungsangebot sind.

19.5.

Ereignisarmut ist Behaglichkeitsreichtum. Beim nachgeholten Walpurgisfeuer verbrennen wir Glumpert aus dem Keller. Ein extrem anschauliches Wettergeschehen, die Sonne geht dramatisch unter wie ein gepuderter Profischauspieler.

20.5.

Erdarbeiten – anstrengend und vielleicht völlig sinnlos, aber die Macht der Genetik ist stark in mir und fordert Ausübung.

***

Begeistertes Staunen über die herrliche Vielfalt an collective nouns im Englischen. Wo bei uns die Tiere nur in Schwarm, Herde oder Rudel zusammenleben dürfen, bekommt hier jede Spezies ihren eigenen Gruppennamen a school of whales, a murder of crows, a business of ferrets, a flamboyance of flamingos!

***

Ein ängstlicher Wasserhund namens „Cordula“ traut sich nicht in die Donau.

21.5.

Bestimmt habe ich an anderer Stelle schon geschrieben, dass Yogalehrerinnen jetzt immer öfter in Form von Hundetrainerinnen auftreten und in ihrer erlöst-mitteilsamen Art den Inhaberinnen von Bürokörpern bzw. Durchschnittskötern freundlich vermitteln, dass sie alles falsch machen.

***

In der Kletterhalle rede ich mir seit Jahren vernünftigerweise ein, dass ich das alles nur so irgendwie mache, nicht aus verbissenem Selbstoptimierungsdrang. Dann aber beiße ich in einer 6b+ so, dass die Unterarme schmerzend zu ersticken glauben, und bei den Hanteln möchte ich schon bald 10 Kilo pro Arm schaffen.

***

Maschek schicken die SPÖ als liebe Narkoleptiker in den Wahlkampf. „I bin da Schieder, der aufm Büdl.“ „Wöcha von de zwaa?“

22.5.

Beim FRO-Gespräch preise ich meine Gewaltfantasien an, um unseren Lesebühnenauftritt beim Festival des politischen Liedes zu bewerben, „kommt alle zum literarischen Watschentanz!“

***

Was für ein anstrengendes Leben Esoteriker führen – immer wird hinter ihrem Rücken gegen sie gearbeitet, von dunklen Mächten furchtbar ungeborgen.

Ist es Karma, dass ich dann am Abend im Thalia in der Esoterik-Abteilung lese, unter Titeln wie „Heilung, Aura, Wohlgeruch“?

 

23.5.

Aus der sfd-Ausschreibung zum Thema „groteske“: „zur not tut es auch die abschrift einer beliebigen nachrichtensendung“

***

"Talk im Stift". Während wir talken, besiedelt eine nicht-autochthone Mönchsart besiedelt das Stift.

Ilia Staple schlägt vor, zur Abwechslung mal über Astrophysik zu sprechen.

Fini weint am Ende der bis dahin von ihr geduldig ertragenen Veranstaltung so jämmerlich, dass ich glaube, jemand habe ein Baby mitgebracht.

***

Mit 100 Insekten unter einem Netz, 1000 warten draußen darauf, meine Nähe zu besiedeln.


24.5.

Leichter Schwindel, als ich zu lange in den hohen Innbach starre. Junischnee

***

A. ruft an, um mich zu warnen, bei der Eröffnung des Literaturfests habe es eine Pro-Palästina-Störaktion gegeben. Im Publikum wurden Zetteln verteilt, darauf ein Bild der ausgeladenen Autorin und der Titel „Vermisst“, wie er sonst unter den Porträts der entführten israelischen Geiseln steht. Wie geschmacklos kann man sein, bis man es selbst merkt? Wie kommt man darauf, durch solche empathielose Gesten den Menschen in Gaza irgendwie zu helfen?! 

***

Im Lesebühnentagebuch will Elias Hirschl mein Hirn in Streifen schneiden, „ich sehe da keine ethischen Komplikationen!“

***

Am Nachmittag finde ich eine Postkarte von Bodo Hell im Postkasten - mehr dazu später...

25.5. SALZBURG

Am Bahnhof dystopisch viele Poltergruppen. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass in Wels und Linz nur Horden aus dem Umland einfallen. Hier legen sie es aggressiver an, weil sie höhere Ansprüche entwickeln, sie sind forsch angetrunken und tragen viel Tracht.

Eine ziemlich overdresste Rennradgruppe muss durch den Stadtpark schneiden, ihr Guide sagt „Shall I sing a song of the Sound of Music?“ Einer sehr schnell: „No.“ 

Eine Frau steckt in einem riesigen Gorillagesicht, die Augen sind so groß wie ihre Brüste direkt darunter, man kann nicht wegschauen.

***

A. erzählt, dass vor einigen Jahren nach einer Diskussion mit Nüchtern und Menasse eine Frau die Hand gehoben habe, um dann als ersten Redebeitrag zu sagen: „Ich habe nichts verstanden!“

***

So schön, der Auftritt von „Ein Gespenst“! „Die U-Bahn ist voll und ich bin leer!“ „Enteignet mich!“ „Die Jugend ist nicht faul genug, Leistung darf sich nicht mehr lohnen!“ Hirschl & Chris versuchen, das sehr zurückhaltende Publikum mit dem Hinweis zum Tanzen zu bringen (und sei es nur aus Höflichkeit), dass es in Wels einen Moshpit gegeben habe, „im Sitzen!“ Alle Salzburger bleiben sitzen bzw. gar liegen. Später fragen mich zwei freundliche Damen, ob ich wisse, was das sei, eine habe „Mostpit“ verstanden, weil sie gedanklich in Oberösterreich war. Danach hebt ein recht enthemmtes Seiterl-Trinken an. Ich will so ein Festival in Linz!!!!!

26.5. SBG

Bald auf, trotz leichten Katers, aber er ist unter so schönen Bedingungen entstanden, dass der Körper damit zurecht kommt.

Die Tür des Diözesan-Gästehauses geht auf, extremer Weihrauchgeruch dringt auf die Straße. Hier wird nicht gespart.

Es ist ungewohnt, in einer Stadt zu sein, die weltweit so geliebt wird. Es gibt sehr viele Bettler, hoffentlich zahlt es sich für sie aus hier. Auf der Schlösserbrücke posiert eine Frau im glitzernden Prachtkleid, sie freut sich, dass auch ich sie gerne fotografieren möchte. Das wogende Pelzmeer der drei riesigen Leonberger in der Getreidegasse, es ist verteufelt schwer, nicht hineinzugreifen. N. erzählt später, sie grüße beim Spazierengehen alle mit Hunden, in der Hoffnung, diese streicheln zu dürfen. 

In der Nähe des Bahnhofs erholen sich die an Wels und Linz gewohnten Augen, hier ist es ein wenig grindig.

***

Große Freude, dass ich noch geblieben bin, die Lyrik-Matinee ist wunderschön, und ich verfalle sofort Barbara Hundegger: „Sich auf der Flucht so aufführen, dass der Vater sagt, mit euch flüchte ich nie mehr!“ „Der Sekundenschmerz beim Wort Österreich, und trotzdem sich manchmal fürchterlich heimisch fühlen in Wien“. In einem Raum den einzigen anderen finden. 

Schindel über seinen Plan: „Ich fange an, setze fort, und wenn ich fertig bin, höre ich auf.“ „Wir bebücheln den Vorschlaf.“ „Der Ärger über Flaubert“ „Bevor ich einschlafe, besänftige ich die Hoden“ „Die Hunde, die aus meinem Traum wie aus einem Reifen herausgesprungen sind, beginnen ihr Tagwerk“ „Der Loser, der Portier des Toten Gebirges“, scheißende Füchse, „das Knistern des Daseins“, „von oben bis unten Gezwitscher“.

***

Beim gemeinsamen Essen am Schluss fragt Hirschl, warum eigentlich immer nur diese „neoliberalen Dudes“ ewig leben wollen, bei denen alles „Midlife Crisis“ schreit, aber nie solche Leute wie diese coole Frau, von er er neulich gehört habe, die sich für Death Positivity einsetzt. Wie wahr; wir alle müssen uns permanent zusammenreißen, angesichts des Todes nicht auszuflippen – diese lebensverlängernden Maßnahmen der Tech-Trottel sind die nervigste Strategie.

Paul Campbell hat Wiener Friseure interviewt, „auch für Hunde!“, darunter jenen von Sebastian Kurz. Der sei sehr schlecht (man sieht's!), aber Richard Lugners bester Freund, weswegen alle seine Opernball-Gäst*innen verpflichtet seien, sich vor dem Auftritt von ihm frisieren zu lassen. Paul fragte ihn Sachen wie ob Kurz Wirbel habe, „kaan aanzign!“ Und wie seine Spitzen aussehen? „Der hod so scheene Hoa!“ Der Name des Friseurs ist Josef Winkler, er schrieb lange eine Kolumne in der Publikation der Friseursinnung. Eines Tages habe er eine Einladung zum literarischen Quartett bekommen und sich wegen seines Egos nicht darüber gewundert. Erst in Düsseldorf sei die Verwechslung aufgekommen, der Friseur Winkler war entsprechend enttäuscht.

27.5.

Unabsichtlich das Hinterstoderer Karakorum entdeckt, das „West-Couloir“ des Sneslitz. Wäre ich in meinen wilden Jahren ganz hinaufgestiegen, ohne Hund? Und wer hat die vorgeschriebene Gehrichtung für den Dolomitensteig festgelegt? Gegen den Uhrzeiger komme ich mir vor wie ein Bön auf dem buddhistischen Pilgerweg um dem Kailasch.

28.5.

Besprechung der „Church of Ignorance“, Walter Stadler: „I find, es vatrogt auf jedn Foi zwaa Beichtstühle.“ Angeblich gibt es mindestens fünf solcher Projekte.

Idee für ein Festival: „Themenverfehlung“

Die Einreichung, in der kollektiv Kaugummi gekaut werden soll, polarisiert massiv, ich erkläre, dass ich daran auf keinen Fall teilnehmen könne, Raphi Edelbauer ist ganz erleichtert, dass sie mit ihrer sozialen Misophonie nicht allein ist.

29.5.

Die literarische Audienz im Kultur Hof kündige ich als „poetischer Parteienverkehr“ an.  


30.5.

Man hört immer wieder von einmaligen Gelegenheiten: Das ist eine davon.“ Das schreibt das tasmanische Museum, das WuTangs geheime CD abspielt. Nicht einmal die Einmaligkeit ist noch das, was sie einmal war!

***

Ein Eisvogel!

***

Zu Besuch bei Sabine in der WG Aussicht.

M.: Wie lange bist du schon Vegetarierin?

Ich: So lange du atmest?

Er: „Seit 1998?“

Ich: „Scheiße. Ja.“

***

Wieder sehr befriedigende Erdarbeiten, aber dafür keinen einzigen Buchstaben für die Lesebühne geschrieben. Egal, ist eh erst morgen.

31.5.

Das Internet findet die collective nouns auch so großartig und appliziert sie auf das nicht-tierische Sozialleben:

A murder of crows – a midlife crisis of motorcyclists – a procrastination of Meindls

***

Lebe jeden Tag, als wärst du das Letzte.

***

10:39 Uhr: Der erste Text ist fertig und viel zu lang. Schreibzeit: 51'

***

Spätestens ab heute würde ich ohne linkes Auge eine Lesebrille brauchen.

***

11:53 Uhr: Text 2

***

D. hat mein Buch gekauft, „wieder einmal!“ In der Bahnhofsbuchhandlung drängt sich ein Typ vor, und gerade als sie denkt, dass sie heute wieder einmal dekorativ herumstehe, sieht er meinen Roman und sagt, „des Buach is supa!“ Sie lächelt und sagt nichts, da er sehr intensiv stinkt.

***

 Foto: Brudi Andreas Topf

Lesebühne„Die Kunst ist noch nicht tot genug“: Walter steckt die alte Heimorgel, die ich schon wegschmeißen wollte, an die Anlage. Sofort klingt's nach Disko. Am Ende werde ich sie Hirschl schenken, um einen maßgeblichen Künstler maßgeblich zu fördern. Und ich fühle wieder diese Befreiung des Sachenherschenkens!

Wie schön, dass Walter Kohl gekommen ist und sich ausgerechnet in die erste Reihe setzt, wir beide hassen Mitmachtheater, sodass meine Performance so richtig unangenehm ist. Ich sehe dabei aus wie ein Auerhahn bei der Balz (inkl. Balzbalken über dem Auge).

 ***

Eigentlich immer: darauf warten, dass etwas aufhört oder sich davor fürchten.