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Samstag, Oktober 01, 2022

Querflöten statt Querdenken. Vielleicht werd ich bald Papst

Phantomereignisse im September 2022

1.9.

Der Plan, für die kommende Apokalypse in der Metro zu preppen, ist nicht ganz aufgegangen. Statt 10 Kilo Dosenpfirsichen kaufe ich eine rosa Frisbee für den Hund und Tombolalose für die nächsten 13 Jahre Grauen.


3.9. Eferding

Für die Klimarettung fühle ich mich zu alt, was ich bei der Buchpräsentation von „Ändert sich nichts, ändert sich alles“ (zu der ich mit dem Auto fahre, wie alle anderen auch) auch öffentlich mitteile. Ich bedanke mich bei den jungen Leuten aber auch dafür, dass sie das übernehmen, denn ich muss noch so viel lesen und wandern, bevor ich sterbe.

***

An Wochenenden wie diesen bekomme ich oft ein schlechtes Gewissen, weil ich dem Buttinger meine senile Aktivitätsaversion so aufnötige. Er wird sich bestimmt einmal eine Jüngere suchen – aber nicht für Einschlägiges, das kann man ja gemütlich zuhause erledigen – sondern für Kino und Oldtimer-Citroën-Grillereien in Sattledt. Es würde gut zum Titel dieser Serie passen, würde ich sie um Listen ergänzen, wo ich überall nicht war. Das ist mein unbeabsichtigter Beitrag zur Klimaschonung.


5.9.

Krambambuleske Verzweiflung in den Augen des Hundes, den ich auf den recht breiten Grat des Almkogels locken möchte. Vergebens, sie springt vor Freude, als ich umkehre. Mir kommt der Verdacht, dass der Buttinger das Tier in diese Richtung domptiert hat.

6.9.

Deutliche innere und äußere Ereignisarmut, zumindest was das Luxussegment der Denkwürdigkeit betrifft. Vielleicht notiere ich derzeit auch nichts, weil mich das Abtippen der Jänner-Phantomereignisse beschäftigt und ich mir in sieben Monaten Arbeit ersparen möchte.

Nachtrag aus der Zukunft: Ich tippe die September-Nichtereignisse Anfang Februar 2023 und bin dankbar & enttäuscht zugleich über meine Faulheit.

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In der Nacht war ich mit dem Buttinger in einer Art Thailand unterwegs. Im Hotel richtet mir Rezeptionist aus, mein Vater habe angerufen, es gebe eine gute Nachricht. „Ah, den rufe ich später an, der macht ja gerade Mittagsschlaf!“, denke ich und der Traum ist aus.


7.9.

Immerhin bin ich schon so gut in der klassischen Musik eingehört, dass ich erkennen kann, ob das so gehört oder ein Kratzer in der CD ist.

Nachtrag: Während des Tippens bleibt Beethovens Dritte hängen, auch gleich gecheckt! Hört sich fast loungig an.  

8.9.

Der erste Geburtstag, an dem mir niemand mehr Geld schenkt, dafür lauter gehobene, willkommene Accessoires für die Verbürgerlichung: gute Schuhe, Briefsiegel, eine Vogerl-Türglocke aus Messing, ein „Leseknochen“, regionale Fressalien aus Ottakring und dem Mühlviertel (inkl. der siebten Schürze). Buttinger pimpt mir den Schreibtisch mit einer Bleistiftspitz-Contraption, die das exakte Äquivalent zur Prosciutto-Schneidmaschine darstellt, für die ich einen Freund zum 50er noch herzhaft ausgelacht habe.

Ein großes Jausnen + zwei Stück Malakofftorte, quasi zum Ausgleich dafür, dass mir die Lichterfestgäste damals im Juli nicht ein Batzerl von der Hochzeitstorte gelassen haben.

Wir schnüren durch alte Fotoalben. Uralte Großväter auf einem Taufbild, so alt konnten nur Männer aussehen, die im WK II waren. 1971 war der eine Opa zwei Jahre bzw. drei Jahrzehnte älter als ich es heute geworden bin. Der andere Großvater hat zu diesem Zeitpunkt schon seit 20 Jahren ausgesehen wie 70.

Ein extrem schönes Geschenk ist die Schilderung eines Betriebsausflug, mit der ich achtsam umgehen möchte. Der Schilderer hat etliche geschätzte Kollegen, die nach dem Behindertengleichstellungsgesetz eingestellt wurden. Am Hallstätter Gräberfeld hat man zur Erbauung einen Top-Forscher organisiert, der sein Bestes gibt, um über sein komplexes Tun und Wirken Auskunft zu geben. Er bemerkt bald, dass er einige seiner Zuhörer schon beim dritten Satz verloren hat, weswegen er sich unterbricht und fortwährend dazu auffordert, Fragen zu stellen. Da hebt einer die Hand, der Topfforscher (bleibender Tippfehler) sagt erfreut „Ja, bitte!“ „Tschuldige, Frage: Kennst du in Winnetou?“ Die Kollegen wissen darum, dass Karl-May-Verfilmungen das Lebensthema des Fragenden sind, sie verkneifen sich das Lachen. Der Superwissenschaftler hat die Frage dann übrigens nicht besonders exzellent beantwortet, aber so ist das mit der Spezialisierung.

9.9.

Man fragt mich, ob ich den Vorstandsvorsitz einer NGO übernehmen möchte, deren Mitglied ich einmal war. Jetzt warte ich schon auf den Anruf der katholischen Kirche, ob ich nicht Papst (Mamst) werden wolle. Mich nach einem hohen Amt zu fragen, ist immer ein schlechtes Zeichen. Ich bin das Orakeltier der Krise.

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Der Arzt fragt mich, was ich beruflich mache, er scheint sich wirklich zu interessieren. Da merke ich erst während meiner Ausführungen, dass er mich nur davon ablenken will, wie er mit dem Ultraschall immer wieder über die selbe Stelle fährt. Da sei auf der Mammographie eine Verdickung zu sehen, keine Sorge, aber schon wieder kommen usw. Scheiße einerseits, andererseits könnte die Todesangst vielleicht meinen Schaffensdrang anwerfen?

Nachtrag aus der Zukunft: Leider nein, da ich dem Rat des Arztes gefolgt bin, und immer wieder auf die potenzielle Todesgefahr vergesse.

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Auf der Hedonistika im DH5 bietet einer mit Polizeikapperl Frankfurter Würstel an, die man selbst auf einem kleinen elektrischen Stuhl hinrichten kann. Wenigstens dürfen sie paarweise sterben. Man kann aber auch Küken persönlich und individuell in Chicken Nuggets verwandeln oder sich von zweierlei Bar-Robotern abfüllen lassen. Nervenaufreibend der Disziplin-Automat, der mit ätzender Langsamkeit immer nur eine Erdnusshälfte freigibt. Ich empfehle den Menschen, vorher und nachher zum Beichtautomaten zu gehen, gleichsam zum seelischen Desinfizieren in Zeiten wie diesen. Der nicht ironisch gemeinte Massagestuhl ist in Dauerbeschlag, weil zu super – eine Mitarbeiterin liegt darin embryonal gefangen, mit offenem Mund im pflichtvergessenen Wohlfühlkoma, obwohl über ihr ein riesiger Delphin schwebt wie ein steinernes Damoklesschwert. Es wird schon gut sein, dass ich mich nicht in diese Falle gelegt habe, wie hätte ich jemals wieder hinauskönnen? So muss es mit Heroin sein, oder winters mit den japanischen Affen im Natur-Onsen.


10.9.

Schon am Samstag Vormittag die Gewissheit, dass auch dieses Wochenende zu kurz gewesen sein wird. Ich muss endlich „A little Life“ loswerden, das mich nun seit Wochen laufend mikro-traumatisiert. Künftig frage ich die Mitmenschen genau und konsequent, was sie mir da borgen möchten. Ich bin zu schwach für das Arge.

11.9.

In der Kletterhalle erzählen eine junge Mutter und ich einander von unseren Wesen, als wären Hund und Kleinkind eins. „Er schläft brav durch!“ „Wir schauen, dass sie immer wen zum spielen hat.“

12.9.

Der morgendliche Grand Canyon des Stodertales ist Binge-Drinking für die Augen. Unendlich luxuriöse Einsamkeit auf dem Dolomitensteig, in der Hochsteinscharte, auf dem Weg hinüber zum Hirscheck. Es sind Montage wie dieser, für die es sich auf berufliche Ambition zu verzichten lohnt.

13.9.

Warum fällt es mir immer schwerer, alle Sockenpaare miteinander zu waschen?!


14.9. 

Experiment Literatur im Black Horse. Es ist „crazy“ (S. Fasthuber), wie Marija Pavlović den eigenen, aber ihr auf Deutsch fremden Text liest – eine bestrickende Mischung aus Beherrschung und Überraschung.

Kutzenberger – apropos crazy – will Wels als das „Florenz Österreichs“ vermarkten, natürlich nicht wegen vergleichbarer Schönheit, sondern wegen des nationalen Größen-Rankings (beide sind die 8.-größte Stadt des Landes). Dieser heilige Narr!


15.9.

Beim Notar: „Kollisionskurator“ und „Aufsandung“ (das Gegenstück zum Owesandln?)

19.9.

Warum etwas erfinden, wenn doch nichts los ist?

Das Mitteilenswerteste ist, dass ich beim pataphysischen Orchester mitspielen soll – Querflöte, wie schwer kann das schon sein? Bald ruft wirklich der Vatikan an.

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Aktuell im CD-Player: Zisterzienser-Choräle, deren sanfter Wohlklang mich mit fortwährender Dauer überraschend aggressiv macht.

20.9.

Zuerst wollte ich mir das Leben erleichtern und die Einberufung ins Orchester aus so vielen Gründen ablehnen, aber dann sehe ich mich selbst im Frack im Volkstheater, wie ich durch besondere Adrettheit meine Musikblindheit kompensiere. Wann, wenn nicht jetzt? Werden nicht umgekehrt Volleyballerinnen disqualifiziert, wenn sie zu lange Höschen tragen und das notzüchtige Auge des Patriarchats nicht mitnaschen darf? (Ich kann auch ohne Chorgesang wütend werden).

Am Tag der Aufführung wird es mir aber vor dem Konzert so gehen wie vor den Sidecar-Rennen, ich werde mich wie im schlechten Traum fragen, wie ich mich bloß in so eine Situation bringen konnte. Von allen Bereichen dieser Welt kann ich mir in der Musik am wenigsten durch Charme und Improvisation den Kopf aus der Schlinge quatschen. Aber vielleicht bin ich hochbegabt, ich hab ja noch nie in so eine Querflöte geblasen! Möglicherweise gelingt es mir auch, frischen Wind in dieses Genre zu bringen. Querflöten statt Querdenken! (Wobei ich beim Instrument dieselbe Kompetenz aufweise, wie Impfgegner in der Wissenschaft).

21.9.

Bei Gelegenheit mehr über die Menschen und Medien, die angesichts der für viel zu viele ruinösen Energiepreise Shoppingtipps für die Pullovermode in der Herbstsaison geben: „Fesch im Preppy-Style!“ Abgelichtet wird Dantendorfer-Premium-Strick zum Preis dreier Heizmonate. Aber natürlich vernünftig, denn Wolle stinkt nicht, und man kann auch noch beim Waschen sparen! Auch halten Maßschuhe viel länger.

Starke Gefühle auch gegenüber Industriellenvertretern wie dem KTM-Pierer, der angesichts der nicht ganz so großartigen Gewinnerwartungen im vierten Quartal von einem „Totalversagen der EU“ spricht. Selbst hat er sich aber 1,8 Millionen aus unserem Steuergeld in den Arsch schieben lassen für seine „Moto-Hall“ und fest an die Partei gespendet hat, die vor Putin im Staub knickste. 

Schon wieder Wut, wie belebend! 

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Ein junger Schachstar soll sich mittels „vibrierender Analkugeln“ (orf.on) von der KI über die nächsten Züge informiert haben. Der Erfolg hat seinen Preis.

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Die Wohnung statt Literaturpreise abstauben. #prokrastination

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Das Google-Streetview-Privatsphärenschändungs-Auto fährt just in dem Moment durch die Gasse, als ich in höchst unvorteilhafter Bekleidung zum Postkasten husche. Scheiß digitaler Daten-Kapitalismus!

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Wie Roiss und Gratt nach einer Stunde sehr ernster Kunst wieder danach lechzen, dass Frohsinn einkehrt, das geht mir ans Herz. Die Arbeit muss nicht immer wehtun!

22.9.

Jetzt ist der Moment gekommen, in dem ich vollständig in das Leben der Eltern geschlüpft bin. Die Nachbarn loben mich alle, wie ich in Hemd und Hosen des Vaters als alleinerziehende Gärtnerin die depperten Cotoneastergeschwüre zu bändigen versuche – ich sage ihnen, dass das aber nur die Spitze meines Arbeitseisbergs sei. Eine nutzt die Gelegenheit, um sich HNO-Tipps von mir zu holen, sie lässt sich von meinen Hinweisen auf weitreichende Inkompetenz nicht abbringen, also erzähle ich ihr irgendwas, weil ich zu asiatisch bin, um unhöflich einfach Nein zu sagen. Hoffentlich zwingt sie mich nicht, kleine chirurgische Eingriffe vorzunehmen (obwohl ich zumindest auch OP-Gewand im Kasten habe). 

Ich denke, "Inkompetenzkompensationsstrategien" ist das Motto dieses Monats.  

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Das schönste am Tag sind die Mahlzeiten. 


23.9. 

Wie es bei der sehr lieben Lesebühne mit der sehr lieben Katrin ohne H war, das wird hier im Lesebühnenblog in Wort (ich) und Bild (Dieter Decker) berichtet.

26.9.

Badeschluss am Gleinkersee. Wenn es schifft, muss man besonders schöne Wege mit besonders lieben Menschen gehen. 


27.9.


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Heute zum ersten Mal eine Querflöte an den Lippen, ich bin nicht hochbegabt. Kann es sein, dass man nur drei verschiedene Töne damit herausbringt? Bei Gelegenheit den Trawöger fragen. Nach 30 Sekunden Blasversuchen wird mir schwindlig. Der Hund hat mit dem allerersten Ton den Raum verlassen.

Nachtrag: Nein, sie war nie im Zimmer, zu ihrem eigenen Glück habe ich sie im Garten vergessen. Aber sie rennt bei der nächsten Gelegenheit sofort von dannen.

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Im Wartezimmer der Tierärztin. Ein Mann stellt eine durchlöcherte Schachtel auf die Budel.

Is des die Mutzi?“

Jo. I hob kaa Transportbox ghobt.“

Die Arzthelferin tippt. Der Mann macht sich daran, die Schachtel zu öffnen.

Jetzt waaß i goa ned, ob's nu drin is!“

Leider lache ich in diesem Moment laut auf. Leider alleine. Leider versuche ich den peinlich Berührten zu erklären, was mich so erheitert: „Ah, wegen Schrödingers Katze!“ „...“ „Weil ma waaß ned, ob's lebt oda ned.“ Regloses Schauen. „Bis ma nochschaut, dann...“ Wortlose Missbilligung. „Tschuidigen.“

28.9.

Der Postmann geht zögerlich auf mich zu. „Sie kriagn am Mittwoch immer a Zeitung. Is des des Kirchenblattl?“ „Nein, der Falter.“ „Ah, genau. Jedenfalls is nix kumma heit.“

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Telefonat mit dem guten Jagersberger, der einen starken Drang hat, unter Scheibenwischer geklemmte Mitteilungen zu lesen (wer nicht?). Erst unlängst habe er seinen schönsten Fund getan, einen sorgfältig herausgetrennten, linierten Zettel mit der Botschaft „Die Farbe Ihres Autos macht mich krank!!!“ Es sein ein unauffälliges dunkelblaues japanisches gewesen.

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Postskriptum nennt meinen alten Job nicht mehr „Opferlamm“, weil sich die VeganerInnen darüber gekränkt haben. Ich lache, aber dann sehe ich, dass es Sevi Agostini ernst meint. Ich bin seit 1998 Vegetarierin und trotzdem total im Out.

Jetzt weiß ich, warum es beim Verlesen der zynischen Spartipps gestern beim Man vs. Machine Slam so kalt im Publikum geworden ist – ich muss mich angehört haben wie Lisa Eckhart! Ich habe mich dann auch gleich unterbrochen und „des is Rollenprosa, Herrgott, ich bin doch selbst empört!“ Das Publikum hat völlig korrekt reagiert, wie kann man sich so zynischen Scheiß tatsächlich länger als fünf Minuten ruhig anhören?!

Tinder als „Pokemon Go für Enttäuschungen“ (Fabian Navarro)

29.9.

Danke für den launischen Abend!“, sagt der Vizebürgermeister. Er beendet damit die erste Lesung meines Lebens (im Bühnenbild des Pfarrtheaters), nach der es nicht einen Tropfen zu trinken gibt, nicht einmal Wasser. Ich erbe die Aftershow und nehme alle mit zu mir. Eh schön!

30.9. Wien

Im Matriarchat muss Mord im PMS automatisch immer nur Totschlag sein.

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Grauwasser

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Im Schauspielhaus beim „tiere wie wir (who is the walrus?)-Festival: Das Parlament der Dinge, der Ausschuss der Tiere, die sich bald von den Fabeltieren, den Haustieren und den Untieren trennen. Sehr schön! In der Pause gluchzen wir Martin Fritz und Raphi Edelbauer an. Trotzdem schwänzen Coala und ich den zweiten Teil, um Leute auszurichten. Peter Iwaniewicz schenkt uns seine zwei Biermarken. 

Donnerstag, September 01, 2022

Katzen im Puff, ethischer Müll und Hansi Hinterseers Lügenhunde

Phantomereignisse im August 2022

1.8.

Was mein Leben reicher macht: das Klackern des Rings auf der Maus. Es hilft hinein in die Arbeit. Sofort wieder das Gefühl, gerade nicht das zu machen, was gemacht gehört. Dafür sind die Laden in der Küche neu beräumt. Morgen schreibe ich den Rasen fertig und mähe den Roman. #haha

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Insgesamt während des verbleibenden Lebens beizubehalten: Mitte Juli abhauen, so hat man Ruhe während und nach dem Urlaub. A-saisonale Urläube sind zu teuer aus dem Erwerbsalltag herausgekauft. Insgesamt wird mich aber mein Wunsch nach Ruhe bald in den Ruin treiben.


2.8.

Bruckner ja, Operette weiterhin nein.

4.8.

Eine große Freude ist es, die eigenen Worte in Gebärdensprache zu sehen. „Es knirscht im Gebälk!“ ist ganz dezent, die Bedrohlichkeit sehr subtil. Und recht komplex die Zeichen für „goldenes Matriarchat“, vielleicht übersetzt „morgensonnenfarbige Gewaltherrschaft gebärfähiger Homines sapientes sapientes“. Auf die Frage an das Publikum, ob es noch Fragen gebe, wünscht eine Frau, die Gebärde dafür noch einmal sehen zu dürfen.

Leichte Entwöhnung vom Stadtleben, aber das Landmaus-Dasein ist ein Privileg des Sommers.

5.8. WIEN

Aufwand und Publikumsandrang sind in schwerster Dysbalance, aber daran habe ich mich seit 2008 gewöhnen dürfen. Und andererseits war ich vor einem Auftritt auch noch nie baden. Das Wasser der Alten Donau ist so warm wie die Luft.

Die Anmoderation des Rappers Kid Pex ist erfrischend reduziert, er spart zu recht seine Kräfte angesichts der Tischler-Handvoll Pub: „Jetzt kommt eine Lesung, von einer Dame und einem Herrn. Und nach der Lesung gibt es dann frischen Hip Hop aus Wien“, es folgen relativ viele Infos zum Hauptact, die fünf zum Zuhören vergatterten Jugendlichen klatschen, dann: „Jetzt aber kommt die Lesung!“ Bald schleichen die jungen Leute davon, der Praktikumstag endet. Recht haben sie. 

Der Spieler und die Trinkerin. Foto: Dieter Decker

Das exklusiv verbleibende Publikum tut, als sei es gut unterhalten, am deutlichsten beim Marienerscheinungsquartett, das ich dem armen Trawöger schon wieder aufnötige. Aber er spielt ein Instrument, da muss ich auf jämmerliche Weise mitzuhalten versuchen, indem ich ihn im unwichtigsten Wettbewerb der Welt besiege. Eingereicht haben wir eine Stunde zum Thema „Spiel“, es wird allerdings eine Belangssendung des oö. Tourismusbüros. 

„Die 32 glanzvollsten Auftritte unserer Gottesmutter“ ist übrigens nicht ironisch gemeint, wie mir jetzt erst bewusst wird. Bei Gelegenheit einen Essay schreiben über die Quartett-Kategorien: UFOs, Atomkraftwerke, Seuchen, Tyrannen, Rauschgift. Die meisten davon hat man mir schon zum Geburtstag geschenkt.

Waren während der Lesung sehr, sehr viel mehr Menschen außerhalb als innerhalb des Lese-Pferchs, strömen sie mit dem ersten Beat wie die Donau herein. Sehr viele junge Menschen, und auch die Stars (Chris, Yasmo). Das muss man in der Literatur aushalten. Oder Rappen lernen.

Das Gespräch verstummt automatisch, sobald sich Dieter Decker mit der Kamera dem überfüllten Mistkübel nähert und in die Knie geht. Es plätschert erst wieder, nachdem er ein Foto gemacht hat.

Vor der Heimfahrt versuchen Decker und ich, am Hauptbahnhof Dosenbier zu kaufen, aber es scheint zu spät. Bis sich ein Mitarbeiter der „Wurstboutique“ unserer erbarmt und uns über einen überraschend komplizierten Umweg das Rauschgift aus Ottakring aushändigt – trotz scheußlichen Muskelkaters, wie er sagt, und nach einer 12-Stunden-Schicht. 

Foto: Dieter Decker

 

Decker: „Emotionaler Futterneid“

Wir teilen die nostalgische Neurose, bei Bahnhofsaufenthalten nicht aufs Klo zu gehen (damit man nicht auf die Schienen ludelt).

6.8.

Enttäuschung bei Hund und Herrin, dass die zwei Kampfhunde (Pascha und Chloe) sich auf keinen Raufhandel einlassen wollen. Wir wechseln in die gemäßigte Hundezone, wo die Collies und Retriever Julius und Finn heißen.

7.8.

Es soll mir in ewiger Erinnerung bleiben, dass mir das Wochenende zwei(!!) gute Mittagsschläfchen beschert hat.

8.8.

„Die Spitzin“ ist ja noch viel ärger als „Krambambuli“. Jetzt bin ich viel zu erschüttert, um selbst was zu schreiben. Leider ist aber alles andere Dringende erledigt, sodass doch nichts anderes übrig bleibt. Zum Glück habe ich schon ein wenig Hunger.

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Deutsche Ortsnamen in der ZEIT: Luschendorf, Meinkot, Dagobertshausen. (Die wichtigen Infos stehen auf der Kinder-Seite!)

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Der neue Computer arbeitet in irritierender Stille. Tut der eigentlich was? Es ist wie Staubsaugen ohne das befriedigende Rasseln eingesaugter Dreckpartikel. Arbeitet denn niemand außer mir in diesem Land?!

10.8.

Ich muss den Roman hergeben wie ein trotziges Kind ins Internat, aber mit schlechtem Gewissen, weil ich mich von Anfang an zu wenig darum gekümmert habe.

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„Langsam, schleppend. Wie ein Naturlaut.“ Waidwunde Auerhähne oder Mahlers 1. Symphonie?

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Die Zeit im August rast, als wäre man bekifft. Seit ich selbst für deren Vertreib zuständig bin, krieg ich sie nicht mehr in den Griff.

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Alle haben Urlaub und denken daran, dass ich ja eh auch Zeit haben könnte für gemeinsame Unternehmungen. Leider mit Erfolg.

12.8.

Schmerzhafte biographische Parallelen zu einer Prüfer-Kolumne in der ZEIT, in der er seinen Vater zitiert: „Spiel mir das Lied, für das ich 1000 DM bezahlt habe.“ Wenigstens kann der Prüfer ein Lied. Und mein Vater hat noch mehr bezahlt. Möge ihm die Erde leicht sein.

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Jürgen Pettinger ruft an, weil er ein wenig O-Ton für das Ö1-Mittagssjournal braucht, ich hätte ja einen offenen Brief an LH Stelzer unterschrieben. Zum Glück schlägt er vor, auf Whatsapp zu wechseln, was mir die entscheidenden Minuten schenkt, um den Brief noch gach zu lesen (danke, schneller, leiser Computer!) und meinem Unmut über die Burschenschaftsförderung der Landesregierung Ausdruck zu verleihen. Das darf ich nie öffentlich verraten.

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Kommt ein fremder Hund auf mich zu, um sich streicheln zu lassen, knurrt der eigene, um dann umgehend zum Fremdhundbesitzer zu laufen, um sich von dem streicheln zu lassen. #bitch

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Wieder ein sehr wichtiger Arbeitsschritt hinauf auf die Karriereleiter (Lichterketten am Balkon montiert) bzw. von meiner To-Do-Instead-of-Writing-Liste gestrichen (sie ist so lang wie der Nil). 

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Horizonte, an denen unser Blick strandet“. Unerwartete Belletristik bei Waldenfels.

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Ein junges Paar in der Kletterhalle, er will sie mit immenser Technikkompetenz beeindrucken, das sei ja logisch, wie man einen Karabiner richtig einhängt. Ich möchte mich schon feministisch räuspern, da sagt die junge Frau: „He bei mir gibt’s ka Logik! I bin in da Schui bei ana Rechnaufgob mit 50 € in a Gschäft gaunga und mit 70 € aussakumma, weil i addiert hob!“

13.8.

Auf ernsthafter Bergfahrt! Hoffentlich flachen meine Bergwünsche jetzt allmählich ab, sehr viel alpiner als die Hochkasten-Ostgrat-Tour muss es für mich nicht mehr werden. Andererseits war ich noch nie in der Schermberg-Nordwand. Ächz.

Nachtrag aus der Zukunft: Jahreswunschprojekt 2023 ist der Hetzaukamm. Ächz.

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Hasi glaubt, dass Roland und Birgit ein „Paarl“ sind, Roland unterstellt Hasi und mir dasselbe, weil er glaubt, sein Name entspringe meiner Zärtlichkeit. Erst beim allgemeinen Gipfelbussi auf züchtige Wangen klären sich die Wahlverwandtschaften. 

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Als ich dem Buttinger nach geglückter Heimkehr vom Fuß erzähle, den mir knapp unterhalb des Gipfles ein Fels fast festgeklemmt und entschuht hätte, berichtet er mir vom Mittagsschlaf auf dem Bürosessel, bei dem ihm die überschlagenen Beine so fest eingeschlafen sind, dass er eine Viertelstunde(!) lang nicht aufstehen habe können.

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Die Nachbarn berichten, dass die Katze von gegenüber auch so eine Leische sei wie ich, immer wieder müsse sie gesucht und von weit weg heimgebracht werden. Ihr bislang weitester Ausflug sei bis ins Puff bei Sattledt gegangen, wo der peinlich berührte Besitzer sie dann abholen musste. Oder ist das die drolligste Ausrede der Welt, um zu den Prostituierten zu gehen?


14.8.

Der Architektenfreund gratuliert mir, der „Frau Mendl“, zur Wortspende auf Ö1. Beim Nachhören zeigt es sich, dass mich der Pettinger wirklich so anmoderiert hat. Hoffentlich hat sich seine Anmoderation nicht aus dem Irrglauben motiviert, ich sei Jüdin. Natürlich nicht aus Antisemitismus, im Gegenteil, aus Angst vor dem Vorwurf kultureller/philosemitischer Appropriation!

Dann fällt mir wieder ein, dass ich das „Interview“ ja im Pyjama gegeben habe, aber das darf auch nie jemand erfahren, unter welchen Umständen ich meinen Antifaschismus praktiziere.

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Der Präsidentschaftswahlkampf zeichnet sich am Horizont ab, immer öfter teilt mir die Bevölkerung mit, ich dürfe mit ihrer Stimme rechnen. Das ist lieb und kostbar, aber ich antworte, dass das Matriarchat nicht darauf warten kann, demokratisch legitimiert zu werden. Und man kennt das von daheim: Seine eigene Mama kann man sich ja auch nicht aussuchen.

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Hoffentlich erinnere ich mich an das heutige Schwimmen in der Traun, sollte ich das irgendwann doch noch einmal lesen. Es ist schwer, an Sommertagen wie diesen nicht regionalmatriotisch zu werden.

15.8.

Ausgestorbene Straßen. Ja, urlaubt nur weiter in der Ferragosta und lasst mir alles allein!

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Irgendein Nibelungen-Gatte schien Hunding zu heißen. Oder auch nicht, ich will das eigentlich nicht wegrecherchieren.

16.8.

Ein deutliches Sonntagsgefühl am Kaisergeburtstag, am Kipppunkt des Sommers; die Möglichkeiten schwinden. Dabei arbeitet der Klimawandel uns Sommernärrinen ja eh in die dummen Hände.

Der Tag schmilzt wie Vanilleeis. Man freut sich auf den Regen und glaubt zugleich, dass man danach schon die Winterstieferl aus dem Kasten räumen muss.

An ganz freien Tagen wie heute werden die Neurosen besonders sichtbar – wie das Grundrauschen des Verkehrs, wenn einmal die Grillen nicht mehr zirpen. Wieder ist mir ihr Verstummen nicht aufgefallen.

Ein guter Tag, um sich einen Mammographietermin auszumachen. „Ist der Zyklus noch ein Thema bei Ihnen?“ Kalendertag und eigene Existenz fallen heute auf den 16. August zusammen.

Dazu passt auch, dass wir alle jetzt immer öfter über Gleitsichtbrillen sprechen.

17.8.

Ein dürrer Greis in bauchfreiem Top stapft mit unwirschem Gesichtsausdruck nach Reith hinauf. Er scheint insgesamt unwillig, wie ein enttäuschter Überlebender der Lebensreform.

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Fernsehen: „Es braucht so wenig in der Wildnis!“, sagt die süße französische Influencerin in Alaska, bevor sie auf High-Tech-Ski ihre High-Tech-Ausrüstung auf einem großen High-Tech-Schlitten über das schmelzende Eis zieht, das sie durch ihre emsige Reisetätigkeit im Dienste der awareness zu retten versucht.

18.8.

Zwei Berichte, die länger nachhallen:

  • Die Hungersteine in der Elbe, die nur bei katastrophalen Dürren zu sehen sind, also jetzt. „Wenn du uns siehst, so weine.“

  • Die 45 Toten, die man nach dem Hurrikan in New Orleans in der Kapelle eines Krankenhauses gefunden hat, höchst wahrscheinlich euthanasiert.

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Ein großer Teil der philosophischen Arbeit ist entweder der Kampf, keine Binsen zu produzieren, oder der Versuch, den Vorgängern Programmierfehler in der Formalisierung der Lebenswelt nachzuweisen (dieser Satz ist selbst der Kategorie „Binse“ zuzuteilen).

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Der Gatte einer Bekannten baut „Reggae Tomaten“ im Garten an, er hängt sogar Früchte aus Plastik in die Staude.

19.8.

Geträumt, ich dürfe/müsse Bass bei „Kreisky“ spielen, selbstverständlich kann ich es auch im Traum nicht. Als ich es nicht mehr länger schaffe, auf Playback zu machen, zeigt sich, dass mein armes Instrument unendlich laut aufgedreht ist. Nahtloser Übergang in eine Kletterhalle mit Shoppingcenter-Anmutung, in der Kinder einen Kurs besuchen, nach dem sie zur Belohnung Whisky kaufen dürfen. Sie sind alle sehr glücklich, dabei weiß ich auch im Traum, wie grauslich Whisky ist. Was ist bloß los mit der heutigen Jugend.

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Eine ganze Generation im Wembley-Stadium des Verfalls.


20.8.

Eine Hochzeit auf dem Lande, es regnet stark. Die weißen Tauben weigern sich, in die Freiheit zu entfliegen. Das Brautpaar versucht, die Vögel aus ihrer Schachtel zu schütteln, vergeblich. Statt Blumen oder Reis zu werfen, werden Trillerpfeifen ausgegeben.

Eine Frau, der ich am Büffet von den 14 Jahren zwischen dem Buttinger und mir erzähle, schaut zu ihm drei Meter hinüber und fragt mich, wer der Ältere von uns sei. 

Um 20.27 Uhr kommt es uns, die noch unter 1,5 Promille sind, so vor, als hätten wir einen merkwürdigen Jetlag. Uns fragt einer, ob er uns eine Frage stellen dürfe, nach langem Sammeln sagt er: „Es ist, wie es ist.“ Wir: „42“. 

Two last firemen standing, weil sie sich an den Köpfen und Schultern verhakt haben. 

Der Schwager kommt lachend aus dem Pissoir zurück und erzählt: Ein gut geölter Mann kramt ungeschickt in seiner Lederhose, der Nachbar fragt „nau, findstn leich ned?“ Wortloses Weiternesteln, bis zum gelallten „Ah, do is a jo.“


22.8.

Das erste selbstgekaufte Handy meines Lebens macht sich von der ersten Minute an bezahlt, weil es am Display „Heute keine Ereignisse mehr“ anzeigt. Wie schön das mit dem Titel dieser Aufzeichnungen harmoniert!

***

Die Frau, die wegen des Fischkalters im Stiftshof den Verein gegen Tierfabriken eingeschaltet hat, da die Forellen nicht der Belustigung der Menschen zu dienen haben und außerdem nicht gemeinsam mit Goldfischen gehalten werden dürfen („völlig unterschiedliche Bedürfnisse!“), berichtet mir, dass besondere Tierbegegnungen uns Menschen immer etwas sagen wollen. Nachdem einmal ein Eichkätzchen direkt auf sie zugelaufen sei, habe sie im Buch „Tierboten“ nachgelesen, dass Nagetiere für großen Streit stünden – und prompt habe sie sehr mit der Tochter gestritten!

23.8.

Intensiver Traum, dass zwischen Totem und Sengsengebirge noch allerlei Touren zu finden seien, die ich schon lange nicht mehr beachtet habe. Es war ein wenig so wie in den ganz guten Träumen, in denen man in der altgewohnten Bude noch ein verborgenes Zimmer findet.

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Kultur Hof, Soundcheck für die Lesebühne. Ich erkläre den guten Menschen um uns mit wachsendem Pathos, dass unsere Verpartnerung ein großer Akt der Liebe sei, durch das hehre Versprechen, einander nicht verändern zu wollen, „nicht wahr, mein lieber Buttinger?“ „Wos? I hob ned zuaghorcht.“ 

 Foto: Decker

Im Grunde hätte ich die besten Lacherfolge nur dadurch erzielt, wenn ich 3 mal 5 Minuten nur Luis-de-Funès-Auszucker gespielt hätte.

24.8.

Einer dieser ereignislosen Tage, wie auch das Handy wieder feststellt, die unauffällig sedimentieren und unter dem Druck der folgenden Ereignisse zu kostbarem Treibstoff verwandelt werden. Obacht, Pathosgefahr! Aber es ist auch wahr, am besten ist im Durchschnitt das Nichtereignis. 

Morgen oder übermorgen sollte ich trotzdem wieder etwas unternehmen, um das Steuer meiner Biographie wieder in die Hand zu bekommen (bzw. nicht komisch zu werden).

25.8.

Heute war schon wieder nichts los! (Das Rufzeichen vermittelt eine völlig falsche Aufregung). Trotz leichter seelischer Bedrängnis bzw. Sehnsucht nach dem Toten Gebirge Erleichterung, dass der Wetterbericht für morgen wirklich keine Bergtour hergibt.

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Rudi Habringer kommentiert, die gestern „veröffentlichten“ Februar-Phantomereignisse läsen sich erfrischend, ob das nicht eher meine Form sei? Er hat so recht, aber ich weiß, dass ich dann zwecks Ablenkung vom verpflichtenden Phantomereignisschreiben halt einfach romanschreibend prokrastinieren würde.

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Unconbumbulated“: Das Englische hat schon einen schönen Klopfer.

26.8.

Ethischer Müll“ bezeichnet amputierte Beine etc. im Krankenhaus.

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Der erste letzte Badetag.“ (H. Winkelbauer im Facebook)

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Ah, schöne moderne Ohrringe!“ frohlockt die Chefin im „Singapur“ und deutet auf meine im Jahr 1995 durchlöcherten Ohrlappen. Alles wird irgendwann vintage.

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Nach einer Pause wieder „Better call Saul“ schauen ist wie der erste Schluck Bier nach einer abstinenten Woche.

27.8.

Beim Spazierengehen begegnet mir die Besitzerin eines riesigen, moribunden Sennenhundes, den sie mir ohne Umschweife als Halbbruder sämtlicher Showhunde Hansi Hinterseers vorstellt.

Was, mehrere?“

Ja, und sie heißen alle Ustin. Das können Manderl oder Weiberl sein, sie müssen sich nur ähnlich schauen.“ Man kann sich grämen, von Film und Fernsehen so beschwindelt zu werden, man kann sich über die Unsterblichkeit eines öffentlichen Hundes freuen.

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Eine Freundin (eine ganz sanfte Person) erzählt, dass sie ihre fünf Jahre jüngere Schwester wie eine Puppe behandelt habe, „fast schon wie Münchhausen.“ Sie habe sie so fest gezwickt, dass sie zu weinen begann, nur um sie wieder trösten zu können. 

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In den neuen Knigges muss ein Kapitel über die Menschen geschrieben werden, die keinen Satz mehr sagen können, ohne ihn mit Zeug auf ihrem Handy zu illustrieren.

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Hirschl („ich kenne ihn persönlich“) schickt gegen Mitternacht eine Nachricht, dass es in Bochum eine ehemalige Brauerei namens „Schlegel“ gebe (wie in einer chinesischen Raubkopie).

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Ich glaube, es ist meine anheimelnde Erfolglosigkeit, die Menschen dazu bringt, mit mir befreundet sein zu wollen. It's never your successfull friends, die Phantomereignisse ins Internet schreiben.

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Eine geerbte CD, auf der Funke über Frankl spricht. Eh hörenswert, aber ich kann mich kaum auf den Inhalt konzentrieren, weil der Herr Philosoph grundsätzlich kein „sch“ aussprechen kann und weil er in emphatischen „Passachen“ ein bisschen wie Hitler im Sportpalast klingt – mit diesem Fluch ist die deutsche Sprache wohl noch ein Jahrhundert lang belegt.

29.8.

Good Meeting mit Coala. Sie schenkt mir wieder was Schönes:

1. Lenker von Abbruchbaggern (also jenen Teilen, die aussehen wie häuserfressende Dinosaurier) müssen bei der Arbeit Knirschschienen tragen, weil sie spiegelneurotisch die Beißbewegungen ihrer Arbeitsgeräte nachahmen und sonst ihre eigenen Zähne fräßen.

2. Ein Neunjähriger erfährt beim ersten Aufklärungsunterricht, wie es gemacht wird. Als pflicht- und wahrheitsbewusster Bruder gibt er das Wissen gleich an den Sechsjährigen weiter, woraufhin der in Panik verfällt. „Ich will das nicht machen!“ Er lässt sich fast nicht mehr beruhigen. Der Ältere sagt der Mutter in einem stillen Moment, „also ich kann mir das schon vorstellen, so ein-, zweimal zumindest.“

 

 

30.8.

Bergläufer machen mich immer noch so unrund. Im Vergleich zu diesen Enduros fühle ich mich wie ein Wohnmobil. Auch der Hund ist immer wieder unzufrieden mit meinem Tempo. 

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Heimlich glauben der Buttinger und ich, Saul Goodman und Kim Wexler der oö. Schreibszene zu sein, nur mit Bier statt Drogen. „You two with your mouths!“ schimpft der Drogenboss. Es ist jedenfalls legitim, den Roman an den Drehbüchern solcher Serien zu messen. Bei SOKO Linz sähe ich mich hinaus.

31.8.

Jetzt kommen wieder alle. Ächz.