Phantomereignisse
im Juli 20222.7.
Eine Frau
räumt unzählige winzige Packungen Premium-Katzenfutter auf das
DM-Laufbahn. In einer extrovertierten Laune sage ich so etwas wie
„hoffentlich ist das Viechi auch ein bissi dankbar!“ Die Frau
sieht mit einem innigen Seufzer auf: „Naja, ganz verstoßen kann
man sie ja auch nicht!“
3.7.
Die beiden
älteren Herren in Funktionskleidung auf E-Bikes teilen mir mit, dass
heute im Windhager-Kar keine Lawinengefahr bestehe. Der Hund lernt
später, dass Gämsen aus keiner Distanz zu derrennen sind.
No risk, a bit of fun. Alles safe im Windhager Kar
4.7.
Das
Mozart-Requiem ist die einzige Fremdsprache, in der ich einen Dialekt
erkennen kann. Bruckner geht überraschend gut (ohne Erkenntnisgewinn
bis jetzt, bis auf den, dass sehr viel bei ihm gestohlen worden ist).
***
Ob
ich den fernen Tag, an dem ich überall im Toten Gebirge gewesen sein
werde, erwarten oder fürchten soll? (Oder einfach realistisch als
den Tag des Jüngsten Gerichts in den Kalender schreiben).
***
Drei tote Ämselinnen in zwei Wochen – und ich bin fertig mit der Welt. Jetzt
höre ich überall im fröhlichen Vogelgetwittere den Trauergesang
der Amselwitwer.
***
Wenn
man sich sowieso die ganze Zeit Sorgen macht, kann man sich ja auf
das ganz Kleine konzentrieren (Hautalterung, Pflanzenwachstum, Hundepädagogik).
5.7.
Am
Vormittag treffen sich alle älteren Frauen mit Ford-Focus-Kombis
beim DM an der Welser Osttangente, ich bin jetzt eine von ihnen.
***
Dem
Hund beim Hasenverfolgen zusehen zu müssen, hat etwas vordergründig
Nervenaufreibendes, in Wahrheit ist es Schönheit. Baby, we were born
to run.
***
Im
Postkasten zwischen Gemeindegrünschnittinfos und Spendenbriefen
(hier wird der Vater ewig weiterleben) Post aus der
Präsidentschaftskanzlei: Die Nachbarin hat dem VdB-Büro erfolgreich
eingeredet dass uns zur Vermählung zu gratulieren sei. Ein
preiswertes, aber unbezahlbares Geschenk!
***
Die Hündin war heute in der Früh so faul, dass ich sie nur aufwecken
konnte, indem ich an der eigenen Haustür klingle.
***
Am
Samstag teile ich dem Buttinger nach dem Verbrautungsakt mit, dass
ich ab jetzt mit der Arbeit aufhöre, weil ich jetzt eh bei ihm
finanziell mitgemeint bin.
***
Einhändig
rückwärts eingeparkt. Das Leben ist im Griff!
6.7.
Buttinger
erklärt mir zum Frühstück, dass er „die Weiber immer noch in
Scharen anziehe“, aber sie mir zu liebe durch Mansplaining abwehre.
***
Die
Welser Stadtschreiberin schildert in ihrem Roman "24" einfühlsam-fiktionale Wichs-Momente in der
Alhambra. Was sagt der Bürgermeister dazu? Ok, wegen Männerfreude
und Islamkritik? Oder doch in Richtung Law N' Order in der
Öffentlichkeit? Lässt die Pavlović
jemanden in der Schauersbergkapelle masturbieren? Mir soll's recht sein.
***
Wenn
in der ZEIT ein besonders witziger oder poetischer Satz zitiert wird,
hab ich mir noch nie nicht gedacht, dass ich den auch hinkriegen
würde.
7.7.
Beim
Spiel-Experiment-Literatur erinnert sich der Trawöger während eines
von ihm überhaupt nicht beherrschten
Marien-Erscheinungs-Quartettspiels live daran, dass er als Kind unter der
sehr konkreten Furcht litt, von einer Marienerscheinung heimgesucht
und erschreckt zu werden. Sein Großvater sei ein fanatischer
Marienverehrer gewesen und habe die entsprechende Fachliteratur
gelesen. Bei jedem unerwarteten Geräusch und insbesondere bei
tropfendem Wasser habe er sich gefürchtet, zum Mittelpunkt des damit
einsetzenden anstrengenden Wunderbetriebs zu werden. Ich habe selten
so eine malerische Kindheitsneurose gehört (und Kinder sind Oasen
der Neurose, Neuroasen quasi).
Später
lasse ich Trawögers Erstgeborene (8) bei besagtem Quartett + Sportscars
1988 gewinnen und amüsiere mich, dass ihr „Wunderheilung“
genauso wenig sagt wie „Hubraum“. Mitten drin fragt sie mich, wie
alt ich sei, und noch bevor ich den Satz beende, dass ich sie da
lieber nicht raten lasse, kräht sie „54!“ heraus und lässt sich
von meinem "43" nicht irritieren, "das stimmt nicht, du siehst viel älter aus!"
***
Am
Ende der Verpartnerungszeremonie werde ich mich wie ein seltener
Vogel fühlen: registriert und beringt.
8.7.
Auch
die Schwestern und Nachbarinnen legen sich in Sachen „Stripper“
nicht besonders ins Zeug, es kommt einfach um halb zehn der Schwager vollständig bekleidet zur Tür herein („Aber er ist immerhin bei der freiwilligen Feuerwehr!“). Eine Freundin hat sich selbst ein 0,2l-Doserl Prosecco "zum Eskalieren" mitgenommen ("Mir rennt's zuhause sonst ab").
10.7.
Es
wäre peinlich, so zu tun, als könne ich nach unserem Lichterfest in nüchternen Sätzen schreiben. Ich würde sehr gern das
Ereignis noch einmal erleben dürfen, dieses Mal aber als
unbeteiligte Gästin, die nichts tun muss als das erste Bier zu
trinken, die Leute einander vorzustellen, das Büffet durchkosten und
mit dem Hund im Nebenzimmer ein Nickerchen zu machen. UND die erste
am Tortenbüffet zu sein!
Die Daltons der Liebe. Foto: Konstanze Meindl
Die
Urkundenmappe sieht aus wie eine Zeugnismappe (es ist auch der letzte
Schultag). Wir haben beide ein sehr gutes „Befriedigend“ erhalten.
Aber da lugt der Bürgermeister heraus, samt Slogan „Wels
verbindet“ - ja, in unserer Abneigung gegen den Rabl.
Anna
Weidenholzer und ich verplaudern uns im Hundekabuff so lange, dass der Trauzeuge
schon Angst bekommt, ich sei entführt worden. Aber wohin? Auf die Welser Wurstinsel? Noch nie hat mir
übrigens eine schönere Laudatio geschrieben als Anna mit ihrer Schilderung
eines glücklichen Tages auf Gut Aiderbichl.
Buttinger d.J.,
der in der Lesebühnen-Vorführung seinen Bruder spielt, brät mich
recht ungeniert an, er habe ihm gesagt, „du, die Minki
ist erst Jahrgang '78, wenn du sie nimmer willst, nehm ich sie.“
Charmant! Der
Freund erklärt, er habe seine Felle in dem Moment davonschwimmen
erkannt, als ich auf sein Knoblauchbrotangebot nicht eingegangen
sei.
Die
Jugendlichen können es gar nicht fassen, dass die Shots gratis sind.
Es wird niemand speiben, das ist die
Überraschung des Festes.
Eigen-Einlage
zu den Klängen von „Ich bin ein braves Pferd“, ein symbolischer
Dressurritt in den den neuen Familienstand. „The Time of my Life“
wollte Coala eigentlich mit Birgit tanzen, aber da stand ich schon
auf der Bühne. Auf die späteren Fragen, warum ich das so gut könne,
antworte ich höchst wahrheitsgemäß, dass mir Birgit die
ganze Choreographie ins Ohr flüsterte, wie ein kluger Affe einem
dressierten Elefanten.
Tagelange
Ohrwürmer: „Don't stop me now“, „Something Stupid“ und „Am
Ende denk ich immer nur an dich“ (das EoC übrigens am nächsten
Tag in Linz gespielt haben).
Wenn
sich jetzt noch zeigt, dass wir KEIN Superspread-Debakel angerichtet
haben (noch NIE habe ich an einem Tag so viel geküsst, es entsprach
der Niederschlagsmenge eines extrovertierten Quartals), könnte ich
diesen Sommer wirklich in der sozialen und real existierenden
Hängematte verbringen.
Hier
noch eine kurze Schönheitsliste:
+
Kein Kater am 10.7.!
+
Der Einmarsch in ein Meer an Hawaiihemden
+ eine der allerbesten Hebefiguren unserer gemeinsamen Karriere
+
„Paradise City“ mit Coala
„Der
Buttinger schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte,
Meindl, du hast einen schönen Tag gehabt!“, schreibt Anna über
den Tag im Katzenhaus, und über das Lichterfest.
11.7.
Das
Tier schwimmt! Evtl. auch noch erinnernswert der Auftritt des großen
Pyrenäen, eines wandelnden Hundeberges. Auf mein „Du bist aber ein
mächtiger Kerl!“ sagt der Besitzer ein sehr schön eingeübtes
„Danke! Der Hund ist aber auch nicht schlecht, oder?“
***
Ob
ich mir ein Bruckner-Faible zulegen soll? Es würde ganz gut zu
meinen unbeabsichtigt erworbenen Stifter-Kompetenzen passen (eher im
skurrilen Sektor).
***
Das literarische
Jahrbuch der Stadt Linz wartet im Herbst mit dem Wort
„drölfzigst“ auf, mit meinem Stefan-Kaineder-Fimmel und dem
Erbsatz „Des Gschlechtliche hebt's eng auf fia gaunz zletzt!“
(Mir fällt gerade ein, dass ich ja jetzt wirklich darf).
13.7.
Der
Hund frisst die Marillenernte (1 Stück) bzw. das, was Wespen und
dann Nacktschnecken übrig gelassen haben. Leben wir wirklich im Anthropozän, wenn ich nicht einmal im eigenen Garten am Ende der Nahrungskette
stehe?
14.7.
Traum,
dass die Nachbarin noch ein Kind namens Rüdiger bekommt, das aber schon 10
Monate ist und im Geburtskanal hängen geblieben ist.
15.7.
GRUNDLSEE
Die
schönsten Sekunden im Jahreskreis (und heuer ist ein schöner
Jahreskreis): die Rührung angesichts des Erstanblicks des
Grundlsees. Am Ufer wartet schon Frau Loitzl (sie weiß nur nicht,
dass sie auf uns gewartet hat), sie sagt, sie erkenne selten Gäste
wieder, uns aber schon. Buttinger schenkt mir ein Eis zu Mittag („mal
was Gesundes, Meindl“). Binnen einer halben Stunde weiß ich, dass
der heurige Urlaub unter so viel besseren Sternen steht als der von
2021.
Man beneidet hier manchmal die eigenen Augen
17.7.
Zum
Dank für großzügige Käsegaben auf dem Gipfel des Vorderen Ofenkogels zeigt mir der Hund den Weg zurück
durch die Latschen hinunter ins Kammertret. Wieder eine Wanderung mit
Entdeckung neuer Wanderungen. Unten zeigt die Wanderuhr 25 Kilometer.
Fini sieht einen anderen jungen Hund und rennt mit ihm um die Wette,
als habe sie nur die erste Aufwärmrunde hinter sich.
Ich
zische in den See hinaus, sie sieht mir nach, als habe sie mir
endlich das Schwimmen beigebracht.
***
„Godzilla
2“, ein endloser Brei aus Parolen und Explosionen, wir schlafen
alle mangels Alternativen ein.
18.7.
Ohne
das recht ekelhafte Vorjahr überkäme mich in all dieser gelingenden
Schönheit vielleicht ab und zu ein Dekadenzgefühl, aber ich halte
den Luxus recht gut aus.
„Zur
Mandelforelle bitte eine Flasche Cabernet Sauvignon!“
„Welchen
denn? Ich habe drei verschiedene.“
„Dann
den besten!“
Sollte
ich es übertreiben, muss ich zuhause eben das Erbe auf Ebay stellen und mich im kalten Winter durch die Erinnerungen an den gediegenen Weißweinrausch innerlich erwärmen.
***
Wir
leiden hier an nichts Schlimmeren als an Sodbrand (Buttinger) und
nächtlichen Ohrwürmern (beide). Ich: „Hofer-Preis“. Buttinger:
„Thank you for being a friend“. Das ist zwar schlimm, vor allem
meine Ohrenqual, ansonsten mangelt es uns an nichts. Nur der
Buttinger ist seiner Zeit immer noch eine Stunde voraus und erfindet
Pseudo-Pläne.
20.7.
Eskalationsstufen
des Glücks: nackt im Dreibrüdersee.
Hund (mit Bikini)
***
Allmählich
beruhigen sich auch die Träume, sie sind dank Weißweins zwar
unnötig wild, fechten uns nach dem Erwachen aber nicht mehr an.
***
Der
Hund ist ein sehr guter Vorwand mir selbst gegenüber, die
verbleibenden Touren weiterhin nicht zu gehen, weil es „für den
Hund zu riskant“ wäre. Außerdem nehmen die Möglichkeiten ja
laufend zu, nicht ab.
21.7.
Apropos
„Gefühl, es krachen zu lassen“: Weinbegleitung für 84 €.
***
In
der Nacht Weißweintraumbegleitung von einer selbstgezimmerten
Bahnlinie und Dreharbeiten mit einem gigantischen Konvoi bizarrer
LKW. Ich fahre in der winzigen Kabine eines 500 Meter langen,
steinernen, bröckelnden Trumm mit, quasi einem fahrenden sumerischen
Aquädukts, das die Frauen von Windischgarsten mit Patchwork
umkleidet haben.
22.7.
Anatomisch
bin ich bei den Tieren so unbewandert, dass ich die Skelette im
grusigen Ludergraben unterhalb des Schönberggipfels nicht erkenne
und im Schauder zumindest ordentlich zu fotografieren vergesse. Der
Hund stiehlt einen der rätselhaften Knochen. Es stinkt, aber ich bin
zu müde, um mir einen anderen Jausenplatz zu suchen.
Nachtrag: Es sind die Überreste von sechs Schafen, die hier entweder erfroren oder vom Blitz getroffen worden sind.
Wieder
völlige Einsamkeit nach der Abzweigung zur Trisselwand. Ich muss es
mir dringend abgewöhnen, den Menschen zu sagen, wie schön es da
oben ist, denn es ist doch gut, wenn ihnen die bekannten Wege so
gefallen.
Der
Hund hechelt in der Hitze des Hundskogels, es sind auch gerade die
Hundstage. Der Kampf gegen die widerborstigen Latschen ist wirklich keine Attraktion. Pflanzen, wie zur Menschenvergrämung
gemacht, das natürliche Pendant zur hässlichen Stadtmöblierung
gegen Obdachlose. Als griffen die zähen Äste nach jedem Knöchel,
der auf sie tritt.
23.7.
Buttinger
interessiert sich ja nur für Chemie, weil es sich um
naturwissenschaftlichen Klatsch & Tratsch handelt, also wer mit
wem und so. „Beziehungen eben!“, sagt er und geht auf den Balkon,
wo sich der Hund hoffnungslos in meinen BH verstrickt hat wie ich
gestern in den Latschen.
***
Der
tägliche Weißwein (komme ich von dem Zeug dann wieder runter?!)
schmälert die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit (oder
Wirklichkeit und Realität?), was besser klingt, als es ist:
Buttinger muss einen Specht mit einem Luftdruckgewehr töten, und das
nach dem Scheitern bei der Maths-Matura (er übernimmt offenbar durch
die Verpartnerung meine Neurosen #folieadeux).
24.7.
Apropos: Wieder einmal ist Lesebühne, ohne dass uns vorher jemand etwas
gesagt hat. Besonders unvorbereitet bin ich, die ich zuerst ans Mikro
muss. Während uns der Chefingenieur still und beschämt zusieht,
steigern sich der Professor und ich immer weiter in den derbsten
Slapstick hinein, wir halten leere Blätter und erfinden wirklich
blöde Texte, hampeln über die Bühne, wobei uns immer wieder
primäre, sekundäre und tertiäre Geschlechtsorgane aus den wild
wechselnden Kostümen baumeln. Wir glühen selbst vor Scham, aber das
Publikum tobt vor Gaudi, es pascht in die Hände und brüllt
„Endlich ist es lustig!“ Träume
nicht deine Träume, lebe dein Leben! (Teil 2355)
***
Hohe
Gamsbart dichte auf den Wegen zwischen Loser und Appelhaus; am
Sonntag holen sich die Eingeborenen ihre Berge zurück. Ein
Bergläufer (er ist in Hinterstoder gestartet und rennt noch schnell
die 34 Kilometer fertig, an denen ich schon sieben Stunden
herumgewandert bin) lässt sich ein Kalorienmaximum in einem
Halbliterglas servieren: Kaffee, Sirup, aufgespritzt mit Almdudler.
Verbieten soll man den Berglauf wirklich nicht, aber muss man mir auf
meinen Wegen die Nichtigkeit meiner Tagesbemühungen zeigen?!
Man sollte den Männern nicht unbedingt ihre Freiheiten lassen.
25.7.
Der
germanisch-deutsche „Stolz“ entstammt einer Fehlübersetzung aus
dem Lateinischen: Die Oströmer nannten die ungeschlachten Waldgoten
„stulti“, also die Doofen. So bekommt das „Ich bin stolz,
Deutscher/Österreicher zu sein!“ einen ganz wahrhaftigen Klang.
Nachtrag
aus der Zukunft: Es stimmt leider nicht, die Goten hatten ein eigenes
„stolti“, aber was kümmert mich als
Fiktionalisierungsbedienstete die Realität?
***
Die
großen Fotos ihrer Katze, die sich die „Zimmerfee“ an das
Handschuhfach ihres åfarbenen
Clios geheftet hat, nehmen mich noch stärker für die Frau ein, als
es ihre morgendlichen Schmusereien mit dem Hund ohnehin schon getan
haben.
***
„Bist
du nu gaunz frisch im Gsicht?!“ Eine Mutter am Murboden-Ufer zu
ihrem Sohn, als der sein drittes Cornetto haben will, sie sagt es
eigentlich sehr liebevoll.
26.7.
Die
„Flechtensafari“ – sollten wir wieder einmal eine kalte Woche
hier in der Gegend erwischen und alle anderen Unterhaltungsstricke
reißen. #langweiligegeheimnisse
27.7.
Obacht
beim Schuhkauf: Die roten Punkte auf meinen neuen Salewas sehen aus
wie reife Walderdbeeren (lange Wanderung, zu wenig Jause mitgenommen,
fest verkoffert). Über dem vorderen Lahngansee zieht eine nasse
Nebelwand auf und verwandelt das Ausseerland in eine Außenstelle der
Lofoten. Nach einer halben Stunde im Regenstrom wärmt mich nur noch
die Wut auf die Beitreiber der Bergfex-Wetter-App. Der längste
Abstieg des Jahrzehnts über Bäche, die einmal Wege waren. Die
Walderdbeeren auf den durchweichten Schuhen verhöhnen mich.
***
Kommt
Kaiser-Mühlecker nicht ohne überfahrene oder ermordete Haustiere
aus? Meine Haltung gegenüber Trigger-Warnungen weicht auf wie nasse
Bergschuhe.
28.7.
Nach
der Rückkehr aus dem Gastkar diese absurde Mischung aus
Erleichterung und Unzufriedenheit (beides aber nur schwach): Wieder
nichts passiert, aber auch wieder nicht überall gewesen. An sechs
Tagen habe ich mir die Beine in den Leib gewandert und zugleich unter
der Halluzination gelitten, nichts weitergebracht zu haben. Man sieht
einem Narren gleich!
29.7.
Der
Staudnwirt hat mich noch nie enttäuscht. Heute: Labradorwelpen.
***
Wie
soll ich mein Leben jetzt wieder ohne Mittagsschlaf meistern? Wir
stellen beide fest, dass es volle zwei Wochen am Grundlsee braucht,
damit wir kraft dieser Glücksüppigkeit die Zumutungen des Lebens
ertragen.
30.7.
Trotzdem
reisen wir einen Tag früher ab, weil es sich im Regen leichter geht.
Die ganze Woche haben wir Gründe gesammelt, warum wir eh wieder gern
heimfahren, es sind lauter Pensionistenfreuden geworden:
31.7.
Bei
der Erdäpfelernte (der ersten meines eigenen Lebens), schauen mir die toten Mühlviertler Eltern über die Schulter.