Montag, März 19, 2018

Das echte Leben ist wie Erdnussflips. (Bot. Post ohne Autorin)

Weil der Erstkontakt mit der Außenwelt ungünstig ausfiel, habe ich das Romanschreiben auf Eis gelegt [hier vielleicht banale Assoziation zum prokrastinierenden Frühling einbauen]. Und es fühlt sich sooooo gut an! Als habe ein Mensch mit 210/170 die Blutdrucksenker abgesetzt. Als schaufelte man sich gerade einen Familiensack Erdnussflips in den Leib, beidhändig. Als legte man sich besoffen in den Schnee. Außerdem - ist denn der Roman überhaupt noch die passende Antwort auf die Fragen der Zeit, ha?! Vielleicht sollte ich lieber das Drehbuch zur österreichischen Version von 30Rock schreiben. 

Abb. 1: Im echten Leben wartet überall die gute Unterhaltung. Und sie kostet nicht die Welt.

Außerdem ist die Realität schon wieder viel schöner als die Kunst. Am Samstag liefen lästige Kinder durch die Kletterhalle, die dicke Mutter schrie fortwährend "Alexa! Renn' ned do umadum!" Aber vergebens, die biologische Intelligenz ist noch nicht so weit, das Folgen muss sie noch lernen. Und orf.at berichtet von einem australischen Wissenschaftler namens Meow-Ludo Disco Gamma Meow-Meow. Drittens: Ein alter Mann sieht kurz bei der Lesebühnenprobe zu und fragt "Was spielt ihr denn für eine Musik?" Als ich ihm sage, dass die Musik nicht so wichtig sei, vielmehr läsen wir, erschrak er, "Na! Na, des is nix für mi! I kaun ned lesen!" Das übernähmen doch wir, genau das sei ja unser Service-Extra, sagte ich, aber er rief, schon weit davongelaufen: "I bin Analphabet!" 
Alexa, schreib' eine schönere Fiktion als sowas! "Ich kann deine Anfrage nicht bearbeiten, das echte Leben ist doch unterhaltsam genug. Aber ich schreibe dir darüber einen Post in dein Blog."

Mittwoch, März 07, 2018

Short Cuts. Ein Roman wie IPA – kaufen und zuhause verdünnen


Die Schriftstellerin Mendl hatte ihre Nahwelt so lange mit dem jämmerlichen Scheitern an einem Roman behelligt, dass die nächsten Angehörigen, zermürbt vom jahrelangen, inaktiven Barmen der Nicht-Autorin, beschlossen, sie zu besachwaltern. Die spätdekadenten Zeiten, in denen die Gesellschaft leistungsscheue Künstler wie Varoamilben durchfütterte, waren nämlich vorbei. [Not-Fun-Fact: Im Vergleich zur Biene ist so eine Milbe so groß wie ein Feldhase an Ihrer Brust!] So saß die Ex-Literatin bald in einer geschützten Werkstatt, einer Außenstelle des Ministeriums für Schrifttumsfragen, und kürzte werktags von 10 bis 16 Uhr Texte.

Denn ein Jahr zuvor hatte Kulturminister Blümel eine Expertenkommission der Firma Deloitte mit der Optimierung der Textkompetenz beauftragt, und die hatte nach einer Evaluierung des deutschsprachigen Literaturschaffens herausgefunden, dass die Leute heutzutage nicht mehr so viel Zeit zum Lesen haben, und dass sich die Autoren unnötig sperrig, volksfern und zeitraubend ausdrücken.

Mendls Portfolio in der Tagesstruktur war großzügig angelegt, sie durfte auch ausländisches Oeuvre digitalisieren. Grade hatte sie ein großes Werk der Weltliteratur für den deutschen Markt und die Jugend fertig adaptiert, sie druckte es aus und hoserlte ins Büro ihres – wir werden es gleich sehen – sehr performanceorientierten Vorgesetzten Marcel Thumfart. Der 24-Jährige BWL-Master winkte sie herbei und bedeutete ihr, vorzulesen: „Nennt mich Ismael...“ Thumfart unterbrach. „Ah, muss das sein, das ist so ein philosemitischer Name, und die Einleitung ist so langatmig, wobei gegen einen langen Atem nichts einzuwenden ist, schaun Sie, ich hab jetzt Triathlon angefangen! Das wär' auch was für Sie, Frau Mendl!“, sprach er, mit Blick auf die Schlägl-Bierwulst über ihrer Hose. „Ah... ok“, sagte sie, „das Buch geht dann so weiter: „Um meiner Melancholie zu entfliehen, beschloss ich, als Matrose auf der Pequod anzuheuern...“ „Ah, Stopp noch einmal, Frau Magister, Melancholie? Na, bitte kürzer. Cutten Sie to the chase!“ Mendl warf die erste Seite weg, dann las sie: „Captain Ahab war sauer, dass ihm der Wal das Bein abgerissen hatte, darum jagte er den Albino rund um die Welt, wir wären beinahe alle ersoffen, aber dann verhedderte sich der grantige Invalide mit der Harpune, der Wal schwamm davon und ich überlebte, um diese Geschichte zu erzählen.“ Thumfart klatschte, „Tschakka! Jetzt haben Sie's! In der Mitte noch ein bisschen was rausnehmen, dann fällt die storyline auch viel schöner, dann ab auf den Instagram-Account damit! Lassen Sie sich von der Bildstelle ein paar geile pics raussuchen, so Hipster-Seemanns-Vibe.“ Mendl nickte und trottete aus dem Büro.


Ihr Telefon brummte, oh! der Lebensgefährte, sie hob schnell ab. „Schatzi, pscht, lass' mich ausreden, Folgendes: Ich helfe dir mit einem Anreiz, deinen Output zu enhancen. Also: Wenn du heute nicht drei Romane eindampfst, häng' ich ein Schloss an den Kühlschrank, haha, tschau, wiegeht'sdir, bis heute Abend, 321Bussi.“ Mendl seufzte. Sie bewunderte ihren Freund, der war immer so flott, aber auch effizient! Und schon stellte sich der erhoffte incentive effect ein – sie juchzte, das war die Idee! Fusionsliteratur! Emsig trippelte sie in ihre Schreibkoje. Kurz darauf hatte sie ein Werk für Premiumleser geschaffen, Distinktionsfreunde, die gerne in Vernissagenkonversationen Duftzeichen setzen. Die zwei ungelesensten Bücher der Welt, jetzt neu, in einem einzigen Tweet zu konsumieren! Und zwar so: „Ulrich wird von einem Auto umgefahren und hat ein bisschen einen Autounfall, weil er unachtsam war – immerhin möchte er 24 Stunden in innerem Monolog verbringen. Dabei stören ihn eine Liebschaft, etliche Besuche im Irish Pub und die Vorbereitung eines Planes für die große Parallelaktion nicht, er findet sogar noch Zeit zum Philosophieren. Am Abend geht er zu seiner Freundin Molly und schläft mit ihr, aber der Leser merkt das nicht gleich, wegen dem Inneren Monolog. Ende!“ Mendl war glücklich! Die vierzehn Semester Germanistik, endlich zahlten sie sich aus! Doch scheiße – viel zu lang, 476 Zeichen, es dürfen aber bloß 280 sein, heul!

Da läutete erneut das Telefon, der Lebensgefährte wieder: „Mendl! Du hast jetzt schon 4269 Zeichen gelebt, möchtest du dich nicht beeilen?!“ Oho, dachte sie, dabei gäbe es noch so viel zu erzählen, den ganzen Karl May etwa („Ein braver deutscher Mann wird Freund mit dem Apachen Winnetou, sie reiten durch den Westen und strafen zügellose Amerikaner“), oder die Essenz Thomas Bernhards („Alles ist lächerlich.“) Aber ihr Schatzi hatte recht, zwei Seiten sind bis in die Haut hinein genug.


ENDE!


Dienstag, März 06, 2018

Einsatzromane


Oft ist alles schnell gesagt – Textsirup to go

Der Undank. Geträumte Autobiographie

Prof. Buttinger ist es dank seiner Medien-Beziehungen gelungen, Marcel Hirscher als nächsten Gast für die Lesebühne zu gewinnen, aber niemand von uns hat sich die Mühe gemacht, ihm was Lustiges zu schreiben, und leider ist er zwar siebenfacher Gesamtweltcupgewinner, kann jedoch überhaupt nicht improvisieren, sodass sein Auftritt vom verwöhnten Publikum mit enttäuschtem Murren quittiert wird und ich mir vornehme, mit den Mitarbeitern ein strenges Gespräch über Gäste-Qualitätskriterien zu führen.


Frühwerk: „Zeugnisse der Zärtlichkeit“

Beim Renovieren des Badezimmers einen Packen Briefe finden, es sind Liebesbriefe einer bittersüßen amour fou, und zwar zwischen – Bud Spencer und Terrence Hill! Zeugnisse von Leidenschaft und Verzweiflung. Es musste schon alleine daran scheitern, dass das Schönering der frühen 1980er noch nicht so weit war. Notiz: Ein Broke-Back Mountain für sehr Arme. Plausibel machen, was die beiden Action-Klamaukhelden im Bezirk Linz-Land zu suchen hatten.


Der kurze Brief zum langen Abschied. Nach Handke

Ein junger Österreicher befindet sich in NY und erhält dort einen Brief von seiner Frau: „Ich bin in New York. Bitte such mich nicht, es wäre nicht schön, mich zu finden“, doch er hält sich nicht dran, und während der Reise durch die USA hat er sehr viel Zeit zum Nachdenken, über sich, sein launenhaftes Weib, die Kindheit und wasnichtalles, weswegen er, nachdem er die Flüchtige am Ende gestellt hat, in die Trennung einwilligen kann, und der Autor dieser öden Geschichte sehr viel bekannter und berühmter wird als die beherzte Zusammenfasserin von Handkes Oeuvre.


Kleine Fabel. Nach Kafka

[Das Original geht mit Katz und Maus] „Ach“, sagte die Medien-FH-Absolventin, „der Arbeitsmarkt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war er so riesig, dass ich fast Angst hatte, ich machte Auslandssemester und war glücklich, als ich endlich Optionen sah, links und rechts Praktika, aber diese Jobs kleistern mir den CV so zu, dass mir gar keine Zeit zum Geldverdienen bleibt, und jetzt bin ich Alleinerzieherin und schon bald 40, und dort steht schon die Teilzeit-Pensionsfalle, in die ich laufe.“ „Du musst dir nur ein Eigenheim anschaffen“, sagte der Kanzler und lachte.


Darwin's Nightmare

Eines Morgens überkam die bislang nicht vom Erfolg verwöhnte Hobbyliteratin Dominika Meindl die Geschäftsidee einer Hundewerkstatt analog zu all den Auto-Schraubereien, quasi Evolution Fast Forward; ein Dog-Customizing, bei dem Dackelbesitzerinnen ihre Tiere noch mehr stretchen, Retrieverinhaber ihre Allerweltshunde tieferlegen oder Sharpei-Halter die Faltenwauzis neu auffüllen lassen könnten, aber aufgebrachte Tierschützer entführten Meindl in der Nacht vor der in allen Medien angekündigten Dog-Tuning-Eröffnung und ließen sie vom radikalisierten Amtstierarzt einschläfern.