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Montag, Mai 26, 2025

Botanische Besachwalterung: Die 11 schlechtesten Garten-Tipps der westlichen Welt

Hier zu sehen der Versuch, eine Wildschweinsuhle im naturnahen Garten anzulegen. 

Als unlängst die Autorin Barbara Frischmuth verstarb, sah man die „passionierte Gärtnerin“ in ihrem Altausseer Blütenmeer liebevoll an Blümchen zuppeln, mit reinweißen Fingerkuppen und sterilen Nägeln. Schon alleine deswegen möchte ich in den kommenden 40 Jahren noch nicht sterben, um derlei Peinlichkeit zu vermeiden. Wenn die Gemeinde Wilhering auf die Schnapsidee kommt, mein Grundstück als „Dichtergarten“ zu vermarkten, wird mich die Scham noch Jahrzehnte überleben. Ich muss in meinem „Garten“ aufpassen, nicht von Löwenzahnsamen befruchtet zu werden, vom Kirschlorbeer deprimiert, vom Giersch verhöhnt, vom Efeu umschlungen. Antiautoritäres Gärtnern. Die Pflanzen dürfen selbst entscheiden, wo sie sich hinentwickeln wollen, und deswegen wachsen sie mir über den Kopf. 

Trotzdem hier meine Gartentipps! Es lehrt ja auch das schlechte Beispiel. 

1. Sämtliche Ausgaben bei Bellaflora und Lagerhaus von der Steuer absetzen, als Sonderheilmittel „Ergotherapie“. Bei Kontrollen des Finanzamts angeben, dass man im Dreck wühlen müsse, um Totschläge zu vermeiden. #mentalhealth #meindlhealth

Apropos: 2. Wenn es doch passiert, dass man zufällig Donald Trump oder Vladimir Putin Radieschen naschen sieht, Augen zu und durch, und zwar in der Mitte, die spüren das eh nicht, wenn man es mit einer scharfen Gartenschere macht. Und es ist ja der eigene Grund und Boden, da kann man tun, was man will. Aber kein Schneckenkorn verwenden, das tötet Despoten nicht zuverlässig, wohl jedoch Nützlinge wie Tigerschnegel und Weinbergschnecken.

Tipp 3: Die Leichname von Erzfeinde gehören an sich in die Tierkörperverwertung, weil so ein menschlicher Leib voller toxischer Schadstoffe ist. Ich rate dennoch zur Entsorgung im eigenen Garten, z.B. als Füllmaterial im neuen Hochbeet (Wühlmausgitter drunter nicht vergessen), denn eine lebenslängliche Haftstrafe schadet dem Garten noch mehr, wer gießt dann 25 Jahre lang die Hortensien?

3a. Toten Trump eingraben, geschützte Pflanzenarten draufsetzen, dann können die Behörden wegen Naturschutz nicht mehr ermitteln. 3b. Garten als Friedhof anmelden, um Grundsteuer zu sparen.

4. Sich im eigenen Garten bestatten lassen, entweder im Mausoleum oder im Hügelgrab mit individuell abgestimmten Grabbeigaben, das ergibt ein Hallo bei den Archäolog*innen der Zukunft! „Whoa schau, des muass a mächtige Frau gwesn sei, des is a rot-weiß-rote Schärpn!“

5. Wenn man einen Putsch plant, zur Übung das Erdbeerland annektieren und eine Teilnahme am Songcontest verlangen, diplomatische Vertretungen in aller Welt, EU-Antrag stellen, Fußball-Großevents an Land ziehen. Über die Normalisierung der Verhältnisse Fakten schaffen.

6. Bohnen nur zwei Zentimeter tief in den Boden legen, dazu Kukuruz als Rankhilfe, Kürbis ist ein Starkzehrer.

6a. Wer keinen eigenen Garten hat, bitte das Matriarchat unter meiner Herrschaft unterstützen, um die reichsten 5% zu enteignen und deren Liegenschaften fürs Volk zu parzellieren.

7. Wenn der Garten scheiße aussieht, so tun, als wäre man Andre Heller und wolle der Region einen Zaubergarten der Magie schenken, damit die Menschen in sozial erkalteten Westen das Staunen wieder lernen können. Die erhaltenen 34 Millionen Kulturförderung zum Maschinenring tragen, da geht sich evtl. der Vorgarten aus

8. Freunde mit Rasenmäherroboter regelmäßig ächten bzw. Bilder von zerhäckselten Igeln schicken. Laubbläser NICHT kaufen. Einfach nicht.

9. Vorgarten unter Schotter und Kies ersticken, wenn man nicht mehr so viel Arbeit haben will und keine Angst davor hat, für deppert gehalten zu werden. Mit alten Bergschuhen dekorieren, aus denen lustige Sukkulenten wuchern. Damit hält man auch verlässlich genäschige Lebewesen vom Anwesen fern, mich z.B.

10. Bei der OÖN-Gartenwahl teilnehmen und nach verdienter Niederlage in einem weinerlichen Facebook-Post darüber klagen, dass dieses Scheiß Land seine Kunstschaffenden erst ehrt, wenn sie einmal tot sind!!!!

11. Apropos: Einfach aufgeben und eins mit dem Erdboden werden, sich von Rosenkäferengerlingen fressen lassen, so wird aus dem schlaff gewordenen Leib wieder was Schönes. #upcycling

Mittwoch, Januar 15, 2025

Death Cleaning. Wenn man nicht einmal im eigenen Haus noch Herrin ist (nur noch ein Gespenst)

Unbegrenzt ist meine Vorstellungskraft nur, wenn es um neue Sorgen geht. Derzeit male ich mir lebhaft aus, was passierte, würde ich als Geist in meinem eigenen Haus übrig bleiben. Im Grunde kaum anders als jetzt, nur dass ich der Meinung bin, dass meine Schwestern noch leben und ich auch - aber was weiß man schon Genaueres? Vielleicht stelle ich mich ja lebend wie ein umgekehrtes Opossum. Und schließlich gibt es das Cotard-Syndrom; wer davon befallen ist, leidet unter der quälenden Überzeugung, tot zu sein, aber niemand nimmt einen ernst. Gibt es Geister, gibt es auch die Möglichkeit, dass sie ein umgekehrtes Cotard-Syndrom entwickeln. Sie halten sich für lebendig, sind es auch irgendwie, aber ohne Materie. 

Das führt freilich auf dünnes Eis, aber 1. bleibt die Todesgrenze ein Mysterium und 2. schauen Leute ja auch gerne Filme wie "Kindsköpfe" zwei, sie sind immer noch auf X und mögen After Eight, man kann uns Menschen also mit dem blödesten Unfug behelligen. 

Ich stelle mir also vor, dass meine Familie in Gespensterform wiedervereint durch das Haus strolcht. Die Eltern haben mir vergeben, dass ich ihre Reisebildbände entsorgt habe, wir Schwestern zanken um das beste Zimmer, aber nur aus Respekt vor den Traditionen, wir können ja durch Wände gehen. Privatsphäre muss ganz neu verhandelt werden. 

Die Nachbarn vermissen uns, weil wir nette Leute waren, sie schneiden alle Hecken ab, die auf die Straße hereinwachsen und glauben manchmal, dass sie die Eltern lesend im Wintergarten sehen, aber das ist wohl nur eine Einbildung. Zu Silvester, behauptet einer, sei ein blecherner Farbkübel hoch in die Luft geflogen, mit lautem Knall, er schwört, niemand habe einen Schweizer Kracher drunter gelegt! Niemand von den Lebenden, es war der freundliche Knall-Spuk des Vaters. 

Aber da! Eines Tages stehen neue Leute mit dreckigen Schuhen im Haus, sie sagen "Ui, so viel dunkles Holz!" "Der Zeitstempel ist deutlich zu sehen!" Aber auch "die Bausubstanz ist gut". Die Maklerin sagt, es habe eine recht ordentliche Familie hier gelebt, etliche geisteswissenschaftlich gebildet, aber viel zu früh verstorben. 

Und so weiter. Soll ich darüber einen Familienroman schreiben, in dem wir hilflos versuchen, die Neuen zu vertreiben? Das ließe sich entweder zuspitzen, es kommt zum Endkampf gegen wohlstandsverwahrloste Windkraftkritiker und Volkskanzlerfans. Oder sie sind nett, sie spüren das Unheimliche im Haus, dann rufen sie eine Schamanin, die will aber nur ihr Geld, wir Geister kippen ihr mit vereinten Kräften Katzenpisse ins Genick und so weiter und so weiter. 

Unernst gemeinte Zuschriften bitte an den Verlag!

Dienstag, Oktober 01, 2024

Hochwasser im Verbrennerland. Dreiste Witze der Realität. Emotional Support Animals

Lebenskrimskrams im September 2024

2.9.

Besprechung im Silicon Valley von Linz. Maximal kompliziert zu öffnende Fenster und eine kreativitätsfördernde die Rutsche im Foyer, aber wenn man zur Tür hinaus in die heiße Sommernacht steigt, riecht es nach Ådl und es fällt einem wieder ein, dass man hier trotz allem im Mühlviertel steht.

3.9. Rauris, Ritterkopf

Galoppierende Verblödung, ich lasse Handy UND Geld im Bus liegen wie ein Kind, das wegen des Ausflugs zu aufgeregt fürs Denken ist. Nahe des Talschlusses gibt’s auch keinen Empfang mehr. Wir stapfen los, es soll nicht auch noch die Tour Schaden nehmen. Leider“ müssen wir oft stehen bleiben, um Vögel zu spechteln – H.s Hauptzweck der Reise erfüllt sich bald, wir sehen Mönchs- und Bartgeier, zum Drüberstreuen Falken und Schneesperlinge. Der Hund lässt sich von den Murmeltieren foppen.  

Der Steig wird immer steiler und immer weniger Steig, es wird immer kälter. Wie schnell man auf langsamen Beinen die Klimazonen wechseln kann, es wundert mich immer noch. Allmählich mache ich mir ein wenig Sorgen über den Zeltplatz, bis jetzt waren nur schiefe Mulden im Angebot. Schließlich wird es so richtig steil, keine Ahnung, ob wir ins richtige Tal geschlüpft sind. Ein kalter Wind bringt Regen aus dem Süden, es ist kalt. Endlich erreichen wir eine Geländekante, und da steht eine Hütte auf ebener Fläche, daneben ein plätschernder Brunnen. H. macht Kaffee, und als wir ihn getrunken haben, reißt es wieder auf. Wir beschließen, Richtung Gipfel zu wandern, damit uns warm wird (so schnell vergisst der Körper die Hitze). Oben am Grat plötzlich Empfang. Der Busfahrer ist an meinem Telefon, er werde meine Sachen beim Gasthaus abgeben, wo wir morgen zusteigen. Mir wär's natürlich lieber gewesen, meine sieben Sachen beinander gehalten zu haben, aber nun sind wir fast euphorisch. 

H. erzählt vom Delphin-Experiment auf den Virgin Islands, in dem Margaret Lovatt und das pubertierende Jungtier Peter sich ineinander verlieben. Eigentlich hätte er Englisch lernen sollen, zeigte aber wenig Bemühen (stattdessen musste er oft sexuell befriedigt werden). Es wurde auch die Wirkung von LSD untersucht, auch erfolglos, da Delphine regelmäßig Kugelfische fressen und davon high werden. NASA und Navy stoppten das Experiment, Delphine seien offensichtlich nicht in der Lage, zwischen Aliens und Menschen zu vermitteln. Nach der Trennung von Lovatt und der Umsiedlung in ein umgebautes Bankgebäude in Miami beging Peter Selbstmord, indem er aufhörte, zu atmen. Himmel, diese Kalte-Kriegs-Wissenschaft!

Es ist ziemlich kalt in der Nacht, ich würde dieses Gefühl gerne konservieren, denn unten glüht immer noch alles.

4.9.

Ein Tag, der sich in seiner strahlenden Schönheit gleich von Beginn an für die persönliche Ewigkeit anbietet.

Alles ist von Murmeltieren unterwandert, sie foppen den Hund mit Lust. 

Das Geld ist da und gleich wieder weg, weil ich zum Dank für die gute Betreuung meiner dummen Person Kuchen ausgebe.

5.9. Church of Ignorance, DH5

Begeisterung für Linsey McGoey, die durch das Trump-Land gereist ist, ohne Auto, manchmal auf Pferden. Am Ende ihres Vortrags verfällt sie, extrem zum Setting passend, in ein zuversichtliches Predigen. (Nachtrag 21.2.2025: Ich würde sie gerne fragen, wie es ihr jetzt im Trump-Land geht). Während der Prozession von Lydia Haider erkläre ich den McGoeys das pseudokatholische Geschehen, als seien es exotische Schamanenrituale, und während ich das mache, erkenne ich, dass das ja wirklich exotische Schamanenrituale sind, was wir Fronleichnamsprozession etc. nennen.  

Es folgt ein recht ekstatischer Abriss von Fuckhead. Allgemeine Euphorie. 

6.9.

Bei der Orchesterprobe entscheidet die vife Dirigentin Kefer, das Violinsolo von „Wiener Blut“ lieber singen zu lassen. Sie fragt mich, ob ich auf gut Glück spiele, und ich freue mich, dass sie überhaupt fragt.  

Im Frack nach Urfahr radeln und alle Blicke freundlich erwidern, als wäre ich das emotional support animal für Linz. 

Beim KI-Gstanzl-Singen im AEC versingt sich keine der sehr, sehr guten Damen, ich mich natürlich schon. 

Ungeniert wanze ich mich an Doris Schmidauer heran, und zeige ihr unaufgefordert Hundefotos, weil Fini aussehe wie Juli. Sie lässt es sich wehrlos gefallen, weil sie sehr freundlich ist, den Hund schon irgendwo gesehen hat und vor allem mein Buch schon gelesen hat. Kann ich jetzt in Pension gehen? 

Das Glück steigert sich noch beim Konzert des Pataphysischen Orchesters, ich bin ganz fertig vor emsigem Bemühen und Lachen, hätte trotzdem noch sieben Stunden weitermachen können.Später fragt mich einer, ob ich wirklich Geige spielen könne oder nur sehr eifrig vorgetäuscht habe, in dem Pandämonium habe man ja keine einzelnen Instrumente ausnehmen können.  

Vielleicht der zarteste Moment dieser menschlich ergiebigen Tage: Ich knie mich zu einer Hündin herab, die mir huldvoll ihren Bauch darbietet. Während ich streichle, streichelt mir Th. in einer Übersprungshandlung die Schulter, um den Kreis zu schließen. Wir beschließen, das Symposium im kommenden Jahr unter das Motto „Tenderness pays off“ zu stellen. Man könnte T-Shirts mit dem Spruch drauf tragen, darunter ein Klingelbeutel.

Es gibt einen zweiten digitalen Beichtstuhl hier, den ich mit dem Satz „Sündige tapfer“ von Augustinus konfrontiere. „Ein Gleichgewicht zwischen Mut und Sünde ist wie ein Mann ohne Augenlicht, der den Weg zum Glauben nicht sieht. Du hast dich in das Dunkel gestürzt! Bewertung: 8/10“, meint die KI.

7.9.

Das DH5 ist schon einer der besten Orte von Linz. Sehr gute, sehr liebe Menschen. Im Büro steht ein Kanister mit Kunstblut, im Veranstaltungs"saal" hängt das:

Im Hof spielen sich die Herren von „Gruppensex“ die Seele aus den jungen Leibern. Auf den ersten Blick sehen sie ein wenig toxisch aus, aber mit jedem Zentimeter, den man sich nähert, wird es erfreulicher: Sie tragen transparente Bluserl, Tüllröcke und viel Lidschatten. In meiner Begeisterung pfriemle ich einem jungen Zuhörer das Wäschemarkerl zurück unter den Kragen, wir lächeln einander lieb an. Mein Glaube an die Jugend ist gestärkt aus diesen Tagen hervorgegangen, eine richtige Firmung. In einem Anfall von Glück gehe ich heim, herrlich hallt der Punk ins bürgerliche Innenstadtlinz mit mir hinaus in die letzte Tropennacht dieses sehr gut laufenden Jahres.

Mit knapper Not erlebe ich den Anbruch meines Geburtstags bei lebendigem Leib auf der Couch.

8.9.

Das beste Geschenk: der zweite Schlaf nach dem Frühstück. Ein bisschen bin ich immer noch enttäuscht, dass mir niemand mehr Geld schenkt.

Immer wieder freue ich mich, diese Tage geschafft zu haben, bevor der Winter kommt, und das ist gar nicht übertrieben, es fällt das Wort „Schneefallgrenze“ im Wetterbericht.

Es wird gut sein, nichts zu trinken, aber mit Champagner in der Birne fühle ich diese Wahrheit noch nicht.

9.9.

Willkommene Ereignisarmut mit leichter Tendenz zum Einwintern. Am Donaustrand in Wilhering haben wir alle zu viel an, weil es „nur noch“ 25° hat.

***

Mieze hält in „Archive des Schreibens“ mein Buch in den ORF. Beste!

11.9.

Leichte Unruhe in Erwartung des Starkregens. Grade war ich doch noch im Wildensee. Die Gemeinden räumen alle Zuleitungen und Gräben, die Kraftwerke öffnen die Schleusen. Und ich dichte das Baumhausdach, wie früher.

***

Es ist eine sehr zugewandte Publikumsmischung nach Wilhering gekommen, sogar drei Männer. Am besten gefallen die Nachbarschaftsindiskretionen, nur G. steht empört auf, als ich sage, dass Nr. 5 zu meiner eigenen Überraschung nicht vorkomme. 

***

Schon seit Jahren lese ich Köcks „Entgleisungen“. Er kann nicht mehr, ich auch nicht. Bin ich blöd, so halbwegs glücklich durchs Leben zu gehen, oder privilegiert? (Nachtrag: Es ist eine Mischung, und das eigene Glück hat gar nicht so viel mit der politischen Lage zu tun, wie man befürchtet).

***

Um Mitternacht setzt der Regen ein, noch fühlt sich das angenehm an.

12.9.

Nach der langen Dürre fühlt wirkt der Regentag wie ein Mini-Lockdown, inklusive Vogelbeobachtung. Fini geht kurz raus, kommt nass herein und legt sich bis weit in den Nachmittag hinein in ihr Nest. 

Im Regenteppich grüßen wir Hundehalter*innen einander wie Motorradfahrer.

***

Kurz „Mein Leben mit 300 Kilo“ angeschaut, dieses Mal ging's wegen Einsicht gut aus. Die Algorithmen zeigen mir immer öfter Hunderettungsvideos. Aus welch grausam unendlicher Quelle speist sich das? Gibt es dafür eigene Produktionsfirmen? Gut, angesichts von unglaublichen einer weltweiten Milliarde Hunden ist das Feld der Vernachlässigungsmöglichkeiten weit.

13.9.

Es hat sich wie prophezeit eingeschifft. Der Hund bleibt gleich liegen, obwohl wir acht Stunden durchgepfiffen haben.

Peinlicher Stolz, seit Sonntag nichts getrunken zu haben. Aber dann ist Lesebühne und es fließt wie der Regen. 

Die blöde Schlafmeditation kommt überraschend gut beim Publikum an, obwohl ich ihm unterbewusst dabei Schuldgefühle einreden möchte. Die Leute atmen wirklich gerne nach Anleitung ein und wieder aus. („Nun ist es wirklich an der Zeit, endlich einzuschlafen. Vergessen Sie ihren zermalmenden Alltag, in dem sie mit roten Augen eine Zumutung nach der anderen erfahren müssen, wollten Sie nicht etwas Besonderes aus Ihrem Leben machen, ein bunter Schmetterling werden?“). So war das übrigens insgesamt (s. Blog).

14.9. Wien

Der blödeste und stimmigste Tag zugleich, um das Klimaticket zu kaufen. Es regnet wie eine Milliarde pissender Kühe. Ich fahre nach Wien, um das Matriarchat im Verbrennerland auszurufen.

Am Wiener Bahnhof zeigt sich das Spektrum der Bekleidungsvorlieben in voller Breite: Ich bin wasserdicht in sauteure Funktionskleidung eingeschweißt, andere ziehen gleich gar nichts an, das nass werden kann.

Deutlich erschwerte Arbeitsbedingungen im Mariahilfer Amtshaus, in dem sich alles drängt wie auf einem Grasbüschel im steigenden Bach. Ich predige im Stiegenhaus bzw. zum Chor, die armen Verlagsmenschen sind an ihre Tische gefesselt und können mir nicht aus, also nicken sie ergeben zu „Männerquote“ und „Existenzmaximum“.

Martin Peichl wählt Katrin ohne H und mich zu seinen emotional support animals, weil wir uns stundenlang innig schnatternd nicht vom Fleck rühren. Dann zur Lesung vom Setz, der wunderbar ist, und dem ich nachher meine schreibkraft-Rede über seine Rede in die Hand drücke, die ich vor einem Jahr nicht gehalten hatte, weil ich lieber mit den Zwergeseln Karotten knusperte.

15.9. Gestrandet in Wien.

Wir schaffen es zum Westbahnhof, aber nur um zu erkennen, dass nichts geht, weil es die Weststrecke nicht mehr gibt. Und die Südstrecke. In den Norden geht nichts und in den Osten strömt die Donau. Die Westbahn halst ihren Mitarbeiter*innen extrem unnötige Mühen auf, weil sie bei der Fahrplananzeige nicht den Mut aufbringt, die Realität zu verkünden. Menschen strömen auf den Bahnsteig, es staut sich, es ist alles deppert. Wir kaufen ein 6er-Tragerl Ottakringer und kehren um. Ich vergifte den nervenschwachen Buttinger temporär mit Rum, in den ich ein Stamperl Tee gieße. Coala kommt und sieht uns, das Strandgut auf ihrer Couch, schlafend unter bunten Decken.  

Es hat alles die Anmutung eines Lockdowns. Leider schaue ich sehr viel ins Internet und muss dort sehen, dass zuhause erste Skitouren gegangen werden – bizarr, man fährt mit Sommerreifen auf die Höss.

Draußen verhungern die Schwalben, die wegen der Hitzewelle zu spät in den Süden gezogen sind.

Irgendwann heben wir irritiert die Köpfe vom doom scrolling, der Wind hat ein kleines Loch in die Wolken gerissen, bald regnet es wieder. Der Hund zeigt 0 Interesse an Spaziertätigkeiten.

Aus leichter Panik essen wir viel zu viel (hamstern vor dem Winterschlaf).

Eigentlich habe ich keine Eile, nach Hause zu kommen, ich will gar nicht wissen, wie es zuhause im Keller aussieht. 

16.9.

Am Morgen meldet sich C., er könne uns nach Linz mitnehmen. Er erzählt, dass unser Fluchtauto beinahe im Keller abgesoffen wäre, wie alle anderen Autos der Hausbewohner, denn in der Tiefgarage stehe das Wasser bis zur Decke. Nur weil sein Bruder zufällig direkt vor der Tür parken hatte können, fahren wir jetzt unbehelligt auf der Autobahn nach Linz. Außer uns sind nur Taxis unterwegs, die in rasender Fahrt die Geschäfte ihres Lebens machen.

Zuhause ist alles in völliger Ordnung, nur saukalt. Emotionaler Jetlag.

Hoffentlich hat diese Katastrophe wenigstens den einen Vorteil, dass niemand mehr jemals das Wort „Klimahysterie“ ernsthaft in den Mund nimmt und vor allem die dazu passenden bescheuerten Parteien NICHT mehr wählt. #verbrennergipfel. Und das schreibe ich trotz unserer „Rettung“ durch den fossilen Individualverkehr. (Nachtrag 2025: Natürlich war's den Trottelmenschen original genau völlig wurscht. Grüne am 29.9.: 8,2%.)

17.9.

Irre. Sonne. Als könnte sie kein Wässerchen trüben. Wieder atlantische Gebarung der Donau. Hektisches Radfahren und Freizeitsportallerlei seitens der Lokalbevölkerung.


18.9.

Ich bin die Königin Midas des Kletterns: Was ich angreife, verwandelt sich in eine 5c (das Leichte wie das Schwere).

***

Wachsende Wandersehnsucht, es fühlt sich an wie Frühlingsungeduld, und so ist es auch – unten alles grün und warm, oben verrückt viel Schnee. Das Tief „Anett“ hat mich aus der schönsten Saison gerissen.

***

Ich bin der Wald, in den ihr ruft.

***

Die Jahrgangskolleg*innen machen miteinander alle Entwicklungsstufen durch – die Einjährigen zahnen miteinander, dann laufen sie, bekommen Pickel und Menstruation, Kinder, Gleitsichtbrillen und aktuell mit 45+ allesamt Tennisarme (als fünfte Gliedmaße eigentlich praktisch).

19.9.

Es gibt kleine Aale, die nach dem Gefressenwerden wieder aus Magen, Speiseröhren und Kiemen der Fressfeinde schlüpfen können. Totemtiere der Resilienz.

***

Ich bin jetzt ungefähr so alt wie der Jahreskreislauf, so Mitte September. Bissl was geht noch,

  • aber wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein

  • aber man darf keine große Hitze mehr erwarten

  • aber man darf nichts ganz Großes mehr erwarten

  • aber es wäre auch Zeit, die Ernte einzubringen

20.9. Attnang-Puchheim

Leerstand und viele Wettcafés. Zur Lesung kommen nicht viele, aber nette, darunter zwei ehemalige Gramastettner. 

P. erzählt von einer Tante bei den eingesperrten Clarissen, die erst in den 1980ern befreit wurde. Bei den seltenen Besuchen habe er seine Hand durch die doppelten Gitter zu ihr strecken müssen, nur er sei dünn genug dafür gewesen. Sie habe sie dann kaum mehr auslassen wollen, so groß war die Sehnsucht, ein anderes Lebewesen zu berühren. Einmal am Tag bekam sie das Essen vor die Klause gestellt, einmal im Jahr war ihr eine Ganzkörperwaschung erlaubt. Nach ihrer Befreiung sei sie den Rest ihres Lebens wie erlöst gewesen, 90 Jahre alt geworden und habe eine unwirklich schöne Haut gehabt.

22.9. Hinterstoder

Es gibt immer noch so viele unbekannte Wege hier. Wobei „Wege“ heute wieder besonders relativ war. Die Spintriegelalm ist wohl außer Poppenalm die einzige, auf der wirklich noch Kühe gehalten werden, den Rest haben die depperten Adeligen aufgekauft und zur Bejagung stillgelegt. Viele der riesigen Trittspuren stammen aber wohl vom Hirschen, den ich im Kar über mir röhren gehört habe. Ein Steinadler kreist über uns, nur ganz kurz aus der Schneise sichtbar.


23.9. Wien – Stadt Haag

In die Bundeshauptstadt, um mit dem guten Jürgen Berlakovich in der schule für dichtung über das Dichten zu reden und ein neues Frackhemd zu kaufen. Mein Leben wäre besser gelungen, hätte ich mich früher zur sfd getraut. 

Zuerst geht noch alles glatt auf der alten Weststrecke. Zurück totale Verspekulation.

I hob eh Zeit fia eich, es Drecksäui!“ Viel zu gut gelaunte junge Damen im Zug. „I woa scho vü auf Reisn!“ „Jo, in Owaöstarreich!“ Sie nennen sich gegenseitig „Bruda“.

Ich steige in St. Pölten in den Zug und steige in Amstetten aus – karma is a bitch, darüber hatte ich noch vor ein paar Jahren gespottet.

Der Versuch, das Klimaticket zu amortisieren, ist derzeit eine Liebesmühe.

Am Bahnhof in Haag steht einer, der Thomas Köck sein könnte, aber er telefoniert so intensiv, dass er nicht herschaut und auch zum Glück nicht bemerkt, dass Fini seinen Hund anfletscht. Weil das Karma eine Hündin ist, springt Fini wenige Minuten später in einen Garten, springt sofort wieder panisch zurück, weil die dort verbellte Katze sofort eine Gegenoffensive startet. Als schlechte Hundemutter muss ich leider lachen.

Köcks Dackelmischkulanz heißt „Herkules“. Anders als unter den Tieren zeigt sich unter uns Menschen gleich Zuneigung – Eva Reisinger mag ich ja schon wohlbegründet länger, Köck und das ent-Team kommen gleich dazu. Eva hat in der Zwischenzeit den Jagdschein geschafft und geht jetzt bewaffnet mit Männern auf die Pirsch, die vielleicht nicht wissen, dass sie ein sehr erfolgreiches Buch mit dem Titel „Männer töten“ geschrieben hat. Sie interessiert sich sehr für die Falkenjagd und erzählt von einem edlen Tier aus Dubai, das bei seinem Gastspiel in Österreich sofort davonflog, weil ihm die Luft so taugte. Gefunden wurde der Falke erst, als er sich auf den Dackel einer Pensionistin stürzte, die nicht nur fix genug war, den Hund zu beschützen, sondern auch den Predator dingfest zu machen und in ihr Auto zu sperren. 

Es entspinnt sich eine gute Diskussion, die nur leicht getrübt wird, als ein älterer Mansplainer Köck angeht, sinngemäß: Er kenne sich als Deutscher ja nicht aus, was predige er denn hier herum. Bei der Ankündigung hatte ich wohl erwähnt, dass Köck aus Wolfern stamme (aus der LH-Gemeinde), aber egal, vo de Piefke loss ma se nix vazöhn.

Wegen Klimaticket viel zu früh weg, ich weiß noch nicht, ob sich das durchsetzt (und dann erst extrem lang warten in Linz auf den Anschluss. 

24.9.

Hoffentlich verwählt sich das zuletzt nicht sehr zuverlässige Volk am Sonntag nicht, ich möchte nicht wieder demonstrieren gehen, da ich meine kontemplativen Donnerstage nur noch ungern hergebe.

Ob sich die „Rechten“ auch so intensiv ihre ausgerasteten Köpfe zerbrechen, wie sie uns „Linke“ wieder ins gemeinsame Boot holen können? Und wie sie ihre Diksurse und Narrative so gestalten, dass wir sie verstehen und der Riss in der Gesellschaft nicht vertieft wird? #rhetorischefrage

27.9. Bad Wimsbach-Neydharting

Eintritt nur mit Lichtbildausweis“, klebt an der Schultür, ich brauche einige Sekungen, bis mir einfällt, dass in zwei Tagen hier ja gewählt wird.

Der Hund schmiegt sich so intensiv an eine Fremde, als wäre sie ihre verschollene Tante. Es ist ein gutes, liebes Publikum gekommen. Eine Lesung wie früher, im guten Sinn, mit Musikumrahmung, die mir in Wahrheit und in Kombination mit dem zu mir auf die Bühne drängenden Hund total die Show stiehlt. Nachher stellen wir uns für Fotos auf, zum Dank für Raika und Sparkasse. <3

28.9. Wels

Beim Verzetteln finde ich in Tex Rubinowitz meinen Meister. Bei seiner Stadtschreiber-Antrittslesung im Hauser entschuldigt er sich für die keuchhustengeschwächte Stimme und seine Fokusproblematik, er lese deswegen ungern. Er ist wirklich der Border Collie des Literaturbetriebs (working line). Dann steht auch noch ein Typ auf und sagt „wos is denn des fira Schaß“, er ist (wie ich später erfahre) der komische Maler, der in der OÖN-Werbung ein T-Shirt mit sich selbst drauf trägt (so wie die Gattin daneben). 

Tex ringt um Fassung. Das Publikum kennt die „Temptations“ nicht, „was ist denn das für ein Sauhaufen!“ Er sieht zu mir herüber, „schreiben Sie das jetzt alles mit!?“ Wieder zum Publikum: „Ich möchte Ihnen ganz kurz erklären: Ich nehme keine Drogen!“ Dann berichtet er, dass die Illuminaten die geklärte Butter erfunden haben. Und: „Ein totes Bein kommt ja letzten Endes auch nicht voran.“ Sehr wahr: „Die dreistesten Witze macht die Realität!“ Es ist alles extrem lustig. 

Später, nach dem zweiten Bier versuchen wir es mit dem Du, es fällt ihm aber nicht leicht, vielleicht habe ich es mit dem Fangirl-Bericht über die damals selbstgenähte Sockenpapsttiara übertrieben.

Angeblich gibt es eine japanische Raubkopie von Hertogenbosch, für das lauter Fachwerkhäuser aus ganz Mitteleuropa zusammengekauft und als Dorf konstruiert wurden, in dem Miet-Russen Käselaibe durch die Kulisse tragen.

29.9. Wahl- und Zahltag

Vier Schwäne plagen sich trötend über den Welser Himmel, eine Radfahrerin und ich schauen ihnen nach. „Bitte, wann kommt nächste Schwan?“, sagt sie und fährt davon, gar nicht erst auf meinen Applaus für die gute Anekdotensituation wartend.

In Schönering tragen alle Dirndl, aus der Betonröhre der Fußgängerunterführung tritt eine Goldhaubenträgerin. Auch F. trägt Tracht. Wir plauschen ein wenig, bis sie und ihre Töchter mich zur Wahl anhalten, „hoff' ma's, dass wos bringt!“ Sie amüsieren sich, dass ich extra mit dem Auto hergefahren bin, um hier die Grünen zu wählen. Ein haarloser, nicht sehr links anmutender Ausdauersportler hat uns zugehört und sagt im Davonjoggen „Eicha Woat in Gottes Ohr! Ob des gengan Kickl hüft?“ Ich bin vorsichtig optimistisch – zu Unrecht, wie sich bei der ersten Hochrechnung zeigt. An Schönering wär's wenigstens nicht gescheitert.

Es soll als Selbstanerkennung meiner Leistung hier vermerkt sein, dass ich mich am Abend nicht völlig ansaufe. Ein Kater brächte mich ja um die Trosthandlung am

30.9. Tauplitz

Wieder mit dem Benziner drei Stunden durch die Landschaft glühen, um wandernd blau zu machen. Die fünf fremden Menschen, die ich heute sehe, stehen leider unter Fascho-Wähl-Generalverdacht, ich versuche natürlich, mir nichts anmerken zu lassen. Es fühlt sich fast so an wie am Tag nach der eingeschlagenen Autoscheibe und gestohlenen Handtasche vor einem Jahr. Das Grundvertrauen ist perdu. 

Ansonsten gelingt die Wanderung, ich erlebe ein Mikro-Abenteuer beim barfüßigen Durchwaten der Grimming, weil das Hochwasser die Brücke weggerissen hat. Schon beim zweiten Schritt tun die Füße so weh, als sei ich die kleine Meerjungfrau beim ersten Landgang. 

Montag, Juli 01, 2024

Stundenwasser, abgeschminkte Nachtigallen und einvernehmlich gebumste Ryans

Lebenskrimskrams im Juni 2024

1.6.

Wieder einmal bestätigt sich, dass ich es komplett aufgeben soll, den Kindern von irgendwelchen Erfolgen zu erzählen, sie haben selbst das buntere Leben und sind noch nicht so weit, sich aufrichtig für das dröge Leben älterer Leute zu interessieren (bin ich selbst eigentlich schon so weit? Auch nicht). 

***

Vor der Haustür parkt der „Dichtungsprofi“, was schön zur nun beginnenden Dienstfahrt zum 1. Poesiefestival von Bad Hall passt. Weil es anhaltend schifft, muss das gesamte Programm in den Kursaal gestopft werden, statt synchron auf drei Open-Air-Bühnen verteilt zu werden. Es ist sehr voll und sehr schön, das Rauschen des Regens wie der Soundtrack für die Dichtung. Nur die Gastro ist auf das übliche Lyrik-Aufkommen eingestellt, es gibt keine Hoffnung auf ein Käsesemmerl, geschweige denn Bier. Ich nehme mir künftig nicht nur zum Wandern ein Jauserl mit. Zum Glück teilt die gute Marianne Jungmaier ihren Snack mit mir. Ich verliebe mich besonders in die jungen Slammerinnen Nnebedum, Wenty und Duygu. Und wieder bin ich froh, nicht mehr zu slammen, sonst hätte ich mich sehr viel mehr bemühen müssen.

2.6.

Einen Text schreiben voller Binsen, jeder Absatz endet mit „Aber darüber wagt es niemand, zu berichten!“ Das schreibe ich auf, und dann kommt im Wasserwald exakt so einer daher, ein Sonntagsprediger, der ungefragt der Welt mansplaint, voller Wut in der Stimme. Das unwillige Publikum ist schlau, um so viel Text hat niemand gebeten, wir stieben in alle Richtungen davon.

***

Wie völlig absurd alte Autos mittlerweile auf der Autobahn wirken, heute etwa ein alter Mini, man hält ihn zuerst für bemitleidenswert, dabei sind nur unsere Schüsseln so unnötig riesig geworden. Ein kurzer Schreck beim Überholen, das Steuer ist verwaist, nein, halt, es ist nur ein britischer Mini.

3.6.

Es gibt das „Eigenbrauer-Syndrom“, wodurch Erkrankte gleichsam in sich selbst Alkohol entwickeln und schwere Vergiftungen erleiden können. Die Welt ist groß und voller Gefahr.

***

Die Jahrhunderte sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren – wir haben das nächste Hochwasser. Fini ist ganz von der Rolle angesichts des wilden Meeres, das ihren Strand frisst. Die Wege, die wir gerade so gern gehen, wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben (wenn es sie denn heute noch gibt). Überhaupt scheint die Natur von der Rolle, in Schmitzis Garten steht später eine Rehmutter mit ihren zwei Kitzen. 

Es herrscht ein kleiner Katastrophentourismus auf der Staumauer, das Brodeln der durch die Schleusen jagenden Fluten hat hohen Schauwert.

4.6.

Nach Tagen zum ersten Mal kein Regen mehr. Die Donau steigt so schnell, dass man ihr dabei zusehen kann. Dani und ich stehen im Regenwald und essen Kirschen, es ist eine sehr beschauliche Apokalypse. Bei Sonnenschein ist das Toben des Wassers fast absurd. Es müsste nur etwas weniger Schlamm im Wasser sein, dann läge Wilhering am Atlantik. 

5.6.

Ausnahmsweise hätte man mich doch anrufen können, ab 7 Uhr meinetwegen, um mir mitzuteilen, dass ich das Projektstipendium bekommen habe! Ich lese spät das Mail und verliere die Kontrolle über meine Beine, die in wilder Freude auf den dicken Büroteppich stampfen, sodass der Hund ganz aufgeregt daherrennt. „Du holst aus deiner Prokrastination das Optimum heraus!“, sagt Buttinger anerkennend bzw. wahrheitsgemäß. Dann trudelt auch noch die Zusage für die "Facetten" ins Haus. Wie jedes Jahr muss ich nachsehen, was ich überhaupt eingereicht habe („Die Ameisen“). Sofort verlasse ich das Büro und schraube die schlechtesten Sesselleisten Mitteleuropas ins Baumhaus.

6.6.

Ich höre die Schritte einer Ameise auf dem Falter, die werde ich in Zukunft auch nicht mehr umbringen können.

Überfressen an den eigenen Walderdbeeren. <3

Im Garten ist es gar nicht so leicht, an die Klimakatastrophe zu glauben, auch wenn ich noch nie so früh im Jahr die ersten Himbeeren gegessen habe.

Ein Tigerschnegel.

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Eine Frau erklärt mir im Stiftspark, „der Wechsel hat mir die ganze Freude genommen!“ Sie redet sich in Rage, dann hält sie inne und sieht sie sich um. „So, ich schwitze nicht mehr! Das hat mich jetzt erfrischt, ich danke Ihnen!“ Für eine Seligsprechung wird’s nicht reichen, aber besser das als die Heilung brasilianischer Krampfadern.

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In der Nacht träume ich davon, wie ich in Gefangenschaft der Erwerbsarbeit gerate, ausgerechnet in Coalas alter Firma. Es fühlt sich mindestens so schlimm an wie damals die ersten Tage der Ferialjobs, eine Karikatur des Meindlschen Arbeitsparadoxons – eine ennervierende Gratwanderung zwischen unterforderter Langeweile und der Angst, wegen Unfähigkeit rausgeschmissen zu werden mit Schimpf & Schande. Niemand zeigt mir, wie es geht und was überhaupt meine Aufgabe ist. Immerhin kriege ich einen Computer, aber nur mit einem Firmenprogramm drauf, mit dem ich original genau nichts anfangen kann, und das ist gar nicht mit den Augen dersehe. Als ich Coala davon erzähle, sagt sie, „so war's ja wirklich.“

Überhaupt aktuell noch viel dummes Herumgesorge mit immer weniger Anlass, ich habe einfach eine seelische Neurose, am besten ignoriere ich mich. Wenigstens habe ich schon gelernt, dass es nicht sehr viel schlimmer wird, wenn ich echte Sorgen habe.

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Haben Männer eigentlich Phantomschmerzen wegen ihrer an uns verschenkten Rippe? Ich hoffe es.

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Maturantinnen in der Linzer Bim unterhalten sich in künstlich westdeutschem Akzent: „Also ich hab Metaphern bekommen.“ „Bei uns war's hauptsächlich parataktisch und selten hypotaktisch.“

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Wien

Zwei amerikanische Touristinnen begrüßen den Kellner extrovertiert mit „We had two huge Wiener Schnitzel!“

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Mieze, Markus, Yasmo und ich gönnen uns gegenseitiges Loben und Schmeicheln, es ist eine einzige liebevolle Slamily-Aufstellung, die wir uns nach 1000 Jahren kaum bezahlter Szenearbeit wirklich verdient haben. Köhle: „Ihr Diskursmäuse!“ Und: „Humor ist ein sozialer Dienst.“ Nach der extrem schönen Lesung dieser drei Schätze dann zu viele Biere, wir reden lang recht poetologisch, beim Hotelsuchen wanke ich aber leicht.

7.6. Wien – Grundlsee

Der Frühstücksraum ist voller schlecht gehender alter Tourist*innen.

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Auf dem Lagerhausturm von St. Valentin steht in blassem Türkis „35 Jahre ÖVP sind genug“.

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Grundlsee

Rührung angesichts des ersten Blicks, aber es wird wohl noch inniger bei der Wiederkehr am 29. Juni! Es braucht die Fülle der drei Wochen für das volle Glück.

Ich schenke den Wirtsleuten meinen Roman, die Chefin freut sich, „aber es ist so klein gedruckt, da werd ich bis Ende Juni nicht fertig mit dem Lesen!“

Glück und Sekt mit den Schwestern auf dem Balkon

8.6. Grundlsee

Zu sechst auf die Zimnitz-Alm, zu zweit herunter. Dani ist die Leistungsträgerin der Gruppe. Dann allgemeines Mittagsschläfchen, als wären wir ein Rudel Murmeltiere. 

Katharina Schinko lädt uns zur „Wirtshaus-Show“, bei der Hosea Ratschiller zum Rudelbudern einlädt, andernfalls werde er sein neues Programm an uns ausprobieren. 

Beim Zuhören kommt mir die Idee der Stand-Up-Despoty, bei der sich das Publikum aussuchen darf, welches Land als nächstes erobert wird.

9.6.

Wir frühstücken neben Susi Stach und Karl Fischer, lassen uns aber nicht anmerken, dass wir Fans sind.

10.6. Wels

Seelisch verkatert. Ich bin es nicht gewohnt, so schnell wieder abzureisen.

11.6. Wilhering

Weiterhin stimmungsbehindert, immerhin bei emsiger Bürotätigkeit.

12.6.


 

Für die 15-Jahr-Feier der Lesebühne suche ich ein Foto, auf dem ich selbst 15 bin – fast vergeblich, ich habe wohl versucht, 1993 aus dem Gedächtnis zu löschen. Es gibt nur das von der Ortler-Besteigung, auf dem der Vater so alt ist wie ich jetzt (und jünger aussieht).

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Einen Text für die „schule für dichtung“ hergerichtet, in dem ich die beiden Ryans Reynold & Gosling bumse (einvernehmlich) und dann mit 12 Entenküken niederkomme, die das Evangelium nach Minki verkünden, dazu Kirschenlieder.

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Lauter“ von Roiss: top. Der schwankt noch weiter und besser als ich zwischen Todernst und Ulk.

13.6.

Es geht voran bei der To-Do-Liste, weil ich die Frist für eine Preiseinreichung versäumt habe.

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Emails an den LH und den BGM, recht jovial, zarwos bin ich Künstlerin, wenn ich nicht zumindest vortäusche, ein wenig exzentrisch zu sein? Ich kriege sehr freundliche Absagen für das OLW-Jubiläum und bin erleichtert.

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                    Wenn Schrödinger nicht Quantenphysiker, sondern experimenteller Lyriker geworden wäre

An der Wilia-Haltestelle Rother Krebs steht einer, der aussieht wie der Architektenfreund, er ist es aber nicht, denn der echte begegnet mir erst zwei Minuten später oben in der Hofgasse. Er hat sein vierjähriges Kind schon ganz im grünversifften Sinne indoktriniert, es sagt „Autos stinken!“ Ich pflichte pädagogisch wertvoll bei, denn ich habe heute ja den Bus genommen (zum ersten Mal im Jahr). Dem Vater erzähle ich meine gesamte Lebensgebarung als Kompensation fürs Autofahren. Die Altstadt ist derweil für irgendein Radkriterium gesperrt, kolibrifarbene Männer rasen übers Kopfsteinpflaster. 

Vor mir schlängeln sich britische Touristen an den Gittern vorbei, alle sehr tätowiert, die Herren halten ihre Ellbögen von den Rippen weit ausgefahren, um zu zeigen, wie trainiert sie sind, sie sind betont bärbeißig gekleidet. In dem Moment, in dem sie aber Fini sehen, knien sie sich auf den Boden und zerfließen. Leider verstehe ich nichts, da sie so einen argen Slang sprechen.

Sehr kleine Satire: Beim Friseur auf den Hund haaren

Zwar werde ich vor dem Alex von zwei aggro Tölen ins Knie gezwickt, drinnen erhole ich mich aber flugs wegen der Frage, ob es mir was ausmache, ein paar meiner Bücher zu signieren, ich sage, dass ich nie so abgebrüht werden wolle, dass mich das nerve. Ich lasse Geld für Sachbücher da (Kraken, Wildnis, Kongo), denn Urlaub = Urlaub von der Belletristik.

Im Kroko dann abstruse Honorarverhandlungen, zum ersten Mal in meinem Leben werde ich aufgefordert, deutlich mehr zu verlangen! Die Evolution der Honorare wird mir immer rätselhafter – für Angelegenheiten, die mich siebenmal mehr Nerven und Zeit kosten, bekomme ich manchmal 250, manchmal gar nichts, und die Menschen, die mich damit behelligen, haben nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Martina Mara hingegen möchte, dass ich leicht sexistische Gstanzl gegen die ollen KI-Bros schreibe. Dann erzählt sie mir von lauter selbst erlebten Frechheiten über die Geschichte voller Missverständnisse bei "Frauen und IT/KI", sodass ich richtig entfacht bin.

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Heimrad-Bäcker-Preisverleihung im Stifterhaus. Nach wenigen Minuten die Einsicht, ziemlich dumm zu sein, aber so geht’s mir immer bei etwas experimentellerer Literatur. Gleichzeitig freue ich mich, dass es so vieles gibt, das klüger und radikaler ist als das, was ich schreibe & verstehe. Ilse Kilic schreibt Schönes, da ist so viel Zuneigung und Schalk dabei, mit dem fantastischen Ziel, nicht nur „für sich und ihr Fritzchen das Leben schöner zu machen.“ Ich sage es eigentlich immer, wenn die Rede auf Ilse kommt: Das ist meine Präsidentin.

Auch Chris Zintzen nimmt mich sehr für sich ein. Er arbeite aus Provokation so langsam, und wenn er für sieben Seiten sieben Monate brauche, sei das eben so. Vor 30 Jahren habe er beim Marianne-Fritz-Lesen gedacht, das müsse er sich merken, und das sei ein guter Zeitraum, um sich daran zu erinnern. Parasitäre Tätigkeiten seien alles, was nicht Dichten ist.

Zuhause schneide ich gegen Mitternacht Nacktschnecken entzwei, eine der allerparasitärsten Tätigkeiten.

14. Juni

Umkehrung des Prokrastinationsvektors: Weil so viel im Garten zu tun ist, sitze ich brav tippend im Büro.

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Zwei Postbusse blockieren die Straße bei Pasching, die Fahrer teilen irgendeine Delikatesse durch die offenen Fenster, niemand hupt, weil die Geste so schön ist.

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Unterach, Eurocamp: Festival des politischen Liedes

Ein wenig wie das Gefühl bei der Pfarrreise, nur mit Che-Guevara-Leiberl – ich bin froh, hier zu sein, fürchte aber ein wenig, wegen zu schwachen Glaubens aufzufliegen. Ein Betrunkener erkennt mich als Bundespräsidentin. „He, wieso bistn bei da EU-Woi ned autretn?!“ „1. warum EU? Ich bin die Bundespräsidentin. 2. lasse ich mich doch nicht wählen, zarwos bin ich Bundespräsidentin!?“ Er denkt nach. „Jo, in da Diktatur kriagt ma eh vü weida.“ 

Kurz nach Mitternacht werfen die Herren Monet und Buttinger die Nerven weg und machen eine Bandprobe. Niemand beschwert sich, da es draußen viel lauter ist. Eine Stunde später liegen wir betrunken im Bett, nur René spielt noch Gitarre, ich heule mit ersterbender Stimme "no alarms und no surprises" im nie endenden Fade-Out.

15.6.

Der Frack ist das stärkende Exo-Skelett meiner Seele. 

Bei den Anmoderationen dichte ich den sehr schön musizierenden Herren der Blutgruppe" laufend neue Mittelnamen an: Klaus Maria Josef Jesus Buttinger, René Ignatius Irenäus Monet. Es muss eine kleine katholische Reaktanz sein. Die lieben Menschen kriegen ganz nasse Augerl wegen unserer Tombola, sie freuen sich über die kleine Miliz-Ausstattung und Tischgespräche mit Castro. Danach ein wenig Daydrinking im Cateringzelt. Wir treten die Heimfahrt unter innerlichem Protest an.

16.6.

Nun bewege ich mich schon ganz vorsichtig durch den Alltag und frage mich etwa, ob ich vor dem Urlaub noch in die Boulderbar gehen soll, damit ich mir ja nicht mit einer Sportverletzung meine großen drei Wochen verderbe. Gleichzeitig ungläubiges und wachsendes Glück, dass wir es fast schon geschafft haben.

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Henscheid, „Die Vollidioten“ (eine liebe Gabe von Markus Lehner). Was für ein eloquenter Unsinn! Ein herrliches Zeitdokument, das mich sehr entspannt, weil darin nur getrunken, geraucht, prokrastiniert und gequatscht wird. Sex existiert nur in jämmerlicher Planform. Ein guter Kontrast zum Roiss, wo ein junger Mann sich alles gönnt und trotzdem kriselt.

17.6.

Das Stemmen gestemmt und dabei eine verborgene Begabung freigelegt. Diese Arme und Hände sind für grobe, dumme Arbeiten geschaffen, es ist schade, dass ich nur ein paar Fingerspitzen davon zum Tippseln nutze. Ich arbeite bis zur physischen Erschöpfung, die Ahnen wären stolz, dass ich heute meiner echten Arbeit nicht nachgegangen bin.

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Im Traum knöpft mir Alex Potyka die Unterzeichnung eines Vertrags ab, der das Verfassen eines Regionalkrimis vorsieht, dazu folgende Kriterien:

Leichen: 1

Stil: Heiter

Mordart: Nicht zu arg

Im Traum mache ich nach außen hin gute Miene zum blöden Spiel, weiß aber, dass das ein Fiasko wird.

18.6.

Auch beim Wandern kriege ich jedes Mal weniger hin, als ich mir vorgenommen habe, es ist aber auch teuflisch schwül. Fini „übersieht“ deswegen zwei Gämsen. Immer, wenn ich mich plage, überkommt mich die Furcht, dass es das jetzt gewesen sei mit den langen Touren – heute war ich ja der irren Annahme, dass ich noch weit in Richtung Gamsplan komme. Es ist wie mit den Sommertagen im August. Dabei weiß ich doch, dass das Schönste noch kommt. 

Vor einigen Tagen sah ich auf Facebook das Bild eines Schmetterlings, der aus der verfallenden Mayralmhütte befreit werden musste. Er burrt auch heute wieder gegen die zerbrochene Fensterscheibe, wehrt sich aber mit allen Kräften eines Flügeltiers gegen seine Freiheit. Eine sehr aufdringliche Metapher für verweigerte Aufklärung.

Zuhause merke ich erst, dass die Deppin, mit der ich in einer Körper-WG lebe, den Stecker der Tiefkühltruhe gezogen hat, darin ist alles einigermaßen aufgetaut. Trotzdem brate ich mir die im Dezember eingefrorenen Bratwürstchen, denn sonst sind Tiere endgültig umsonst gestorben. Ich teile mit der begeisterten Fini, um das Risiko zu streuen, dann höre ich den restlichen Abend besorgt in die Körper-WG hinein, ob nicht doch noch eine Fleischvergiftung eintritt.

19.6.

Rainald Götz vertreibe seine Leser*innen immer wieder „aus dem Paradies des Verstehens“, schreibt Peter Kümmel in der ZEIT, eine schöne Paraphrase für „Ihr seid zu dumm, um mein Zeug zu checken“.

20.6.

Irgendwelche Wurzeln haben mein Drainagerohr gesprengt und verstopft – eine aufdringliche Metapher dafür, dass ich in OÖ wohl schon zu sehr angewurzelt bin. Das Stemmen hätte ich mir sparen können, wie es aussieht. Danke für nichts, Rohrmax. Wenigstens hält das heimwerkende Empowerment noch ein wenig an.

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Ein sehr schönes Luxusproblem aktuell: Die Vogerl machen einen mords Radau. 

Es ist der längste Tag des Jahres und ich kriege fast folgerichtig alles geregelt. Nicht nur ich – von früh bis spät liegt das Dröhnen der Ernte- und Mähgeräte in der Luft, es ist seit je her der Soundtrack meines Sinkflugs in die Sommerferien. Wenn ich vor lauter Schlusspanik vor der Sommerfrische wirklich alles Wichtige schaffe, welches sinnlose Projekt reiße ich noch an, um mich in die augenscheinlich notwendige Erschöpfung zu bringen?

Apropos Sommersoundtrack: das ferne Donnern des Gewitters, das gerade das Traunviertel einweicht.

21.6.

Die kürzeste Nacht der Welt endet frühzeitig, weil die Vogerl es jetzt wirklich übertreiben. Fini ist ganz unruhig und will raus, aber das ist ja doof, dort sind die kleinen Dinosaurier noch lauter.

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Der Kampf gegen den Efeu ist ausgefochten (für heute), die Liste der noch zu bändigenden Flora ist lang, aber vielleicht zu schaffen. [Nachtrag Jänner 2025: NIE]

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K. erzählt ganz nebenbei, dass ihr standeswidriges Verhalten verboten sei, etwa hätte sie keine Porno-DVDs ausleihen dürfen. Eine Kollegin habe Probleme bekommen, weil sie – unverheiratet, aber fix zaum – am Bahnsteig ihren Haberer geküsst hatte. Was sind das für Leute, die sowas verschergen?!

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O.HeimArt: So möchte ich arbeiten. Im Laufe dieser zwei Tage werde ich mir zwei Kilo am famosen Büffet angefressen haben und immer einen lieben Rausch heimradeln.

Die Technik fällt kurz aus. „Dominika, kannst du IRGENDWAS sagen?“ „Ich kann NUR irgendwas sagen!“ 

22.6.

Ich gebe den Kampf für eine Blumenwiese auf. Noch nie habe ich so viel für etwas gearbeitet, das mir Arbeit sparen sollte.

Große Freude mit der „Merlin“-App. Am Nachmittag identifiziert sie den in der Edelkastanie brüllenden Vogel als Nachtigall. Auf der Fähre höre ich einen „ordinary chiffchaff“. (Hasi wird mir später raten, mir die Nachtigall abzuschminken, so ein Glück gönnt er mir nicht, ich solle mit einer Singdrossel zufrieden sein).

Am anderen Ufer erleide ich wieder die alte Eifersucht auf Ottensheim, bis mich die Einsicht erleuchtet wie ein kluger Blitz, dass mich ja nichts außer mir selbst daran hindert, mich als Teil des schönen Geschehens hier am Nordufer zu fühlen. Und heute werde ich sogar dafür bezahlt.

Sehr späte Heimkehr, sehr unruhige Nacht im Baumhaus – es knarzt im Wind, auf dem Dach springen Krähen herum, etwas klopft an die Scheibe, wahrscheinlich im Irrglauben, ich sei eine besonders fette Made hier in der Tuchent.

23.6.

Buttinger sitzt im orangen Morgenmantel auf der Terrasse, um mein Herabtaumeln über die selbstgegrabenen Erdstufen nicht zu verpassen.

Psychische und physische Ermattung ermöglichen eine gute Sonntagsruhe.

Mit Zustimmung lese ich vom „Pebbling“, der love language der Pinguine – sie schenken einander kleine Kiesel. Das ist exakt das Äquivalent zum Verschicken von Corgi-Videos unter uns Meindl-Sisters.

25.6. Kreuz, Welser Hütte

Beim Aufstieg streicheln zwei Frauen den Hund. „Iss a Mandal?“ „Naa, owa si fiat si so auf.“ „Recht hod's, daun hod's wenigstns a Lebn.“ 

Die Gämsen hier sind auf Krawall gebürstet. Fini drängt sich schutzsuchend an mich. Beim Jausnen muss ich mich schließlich wirklich erheben und die beiden sich bedrohlich heranstaksenden Leittiere laut rufend und Steine werfend (natürlich nicht gezielt) zu vertreiben.

Die Wirtin auf der Welser Hütte bestätigt mein Unbehagen. Angeblich sind in diesem Gebiet schon zwei Hunde abgängig – es ist sehr wahrscheinlich, dass sie absichtlich über die gewaltige Nordwand in den Tod gelockt worden sind. Die Chefgams sei auch schon auf den Gatten losgegangen, als der nahe der Hütte an der Wasserleitung arbeitete. Der Stoß ging knapp daneben, dabei verlor sie ein Krickerl. „Des kaun sa si bei mia wieda ohoin, waun sa si traut!“

Sie holt mich beim Abstieg später ein, sie nimmt mich mit dem Auto mit zur Almtaler Hütte. Ich frage sie, ob ich blöd sei oder ob der Bach da tatsächlich in der Früh noch nicht da gewesen sei. Das sei „Stundenwasser“, das komme oft an solchen Nachmittagen vor, sagt sie, die Ursache sei noch nicht ganz geklärt. Irgendwo am Büchsenkar gebe es einen Stein, der das Schmelzwasser staut und ab einer gewissen Menge freigibt. 

***

Die Namen der italienischen Nationalmannschaft machen Appetit auf Pizza. Die österreichischen auf einen Besuch im Baumarkt (Schlager, Prass, Laimer, Querfeld, Grillitsch).

26.6.

Welser Stadt-Schreib-Jury-Sitzung. Irene Diwiak erzählt, sie sei vom Thuswaldner einmal mit „als Unterhaltung geeignet“ verrissen worden. Auch meins hat ihm mittel gefallen, es sei zugunsten des Witzes „sprachlich zuweilen überkandidelt“. Mit der Unzufriedenheit der alten Bildungsbürger können wir leben.

Sobald das Kulturbusiness erledigt ist, erzählt Hasi, dass sich Bartgeier mit rotem Sandschlamm schmücken, sie färben sich damit aus keinem notwendigen bzw. anderem erkennbaren Grund die Brustfedern. Unter den Geiern im Nationalpark herrsche eine perfekte Aufteilung, die einen brechen das Aas auf und essen alles Weiche, die anderen hacken Sehnen und Knochen frei, die Bartgeier lassen die großen Knochen auf Felsen brechen und können große Stücke davon einfach schlucken, weil ihre Magensäure so scharf ist, dass die sich zersetzen. Der perfekte Mord! Vielleicht schreib ich darüber meinen Alptraum-Regionalkrimi.

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Abends dann die nächste Nachtigall, die keine ist – Margit Mössmer liest ja in Wels, und das ist sehr gut so. Dazu der Roiss, der ein Plädoyer für die gute Sprache hält, wenn das gegeben sei, läse er auch auch 500 Seiten über einen Stein. Er selbst würde am liebsten einen Roman über nichts anderes schreiben als „über ein Mädchen, das stundenlang ein Pferd bürstet.“ #literarisches asmr (Ich könnte stundenlang über „Stundenwasser“ nachdenken.)

27.6.

Eine Casting-Agentur meldet sich per SMS, ob ich am 1.7. Statistin bei SOKO Linz sein wolle (45 € Gage), und ob ich noch kurze, graue Haare habe.

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Grafito auf der Donauländen-Schiffsschraube: „I'm a lonley and ugly potato“

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Der Blick des LH, als ich im Frack bei 34° im Stifterhaus hinter ihm Platz nehme. Ich teile ihm mimisch mit, dass man eben nicht mit vollgekackten Jeans bei Regina Pintars großer Abschiedsfeier auftanze. Dann sitze ich reglos zwei Stunden in der textilen Sauna und versuche, mich ins Innere meines Körpers zurückzuziehen, dabei an Jännerfrost denkend. In meine Schuhe rinnt Stundenwasser. 

Dreimal wird unabhängig voneinander Stifters sanftes Gesetz zitiert, meines Erachtens eine unsubtile Anspielung auf Reginas Körpergröße: „Ein jeder Mensch sei dem anderen ein Kleinod“. Wir freuen uns alle über ihre Freude, gleich bei Petra Dallingers Einleitung gibt es nasse Augen. Es wird ein großer und sehr langer Abend. Niemand mag gehen, alle warten, ob nicht doch noch die siebte Platte mit Lachsbrötchen herbeigezaubert wird, und ob die Temperaturen in dieser Tropennacht nicht doch noch ein wenig sinken wollen.

28.6.

Gerade den okaysten Text der Welt geschrieben. Große Rastlosigkeit angesichts der morgen anbrechenden drei Wochen. Ein zäher Endfight gegen die Emails (eins beantwortet, zwei neue).

Aus der Stadtwerkstatt wummern grobe Bässe am helllichten Tag, vielleicht die seltsamste Radioumgebung meiner „Karriere“, aber der Roiss ist auch schon wieder dabei und Daniela Schopf stellt schöne Fragen.

So! Letzte Lesebühne! Zehn herrliche Mußeminuten lang liege ich mit dem Hund nach dem ganzen Aufbau-Trallawatsch im Eck des DH5-Hofes. Alles nimmt kurz ohne mich meinen Lauf (eh immer, in Wahrheit), dazu zischen Schwalben über den kleinen Abendhimmelsausschnitt. Der emsige Stadler und die Seinen schauen immer wieder wohlwollend zu mir herüber, die Blutgruppe singt schön, Yasmo&Mieze plaudern leise. Dann stehe ich mit letzter Kraft wieder auf. 

 Fotos: Dieter Decker <3

Mieze und Yasmo tragen dann das Geschehen, ich muss nur noch ganz wenig selbst machen. Sie alleine belohnen uns schon für 15 Jahre Mühe. „In der Zeit habe ich drei Lesebühnen gegründet und beendet. Du zwei, Yasmo?“ „Nein, auch drei.“ 

Bei meinen Texten lacht das Volk hauptsächlich, wenn ich spontan Worte wie „udaungs“ und „wiaflat“ einbaue, diesen billigen Trick muss ich mir merken. Die guten Menschen geben uns dann IPA-Pakete und liebe Worte mit in den Urlaub. Ein neuer Gast sagt begeistert, er könne das bei der Tombola gewonnene Ordnungssystem wirklich gut gebrauchen. Was für Schatzis wir uns hier herangelockt haben!

29.9.

Es ist noch einmal ein harter Fight in Schönering, aber um 13:30 ist das Boot voll (bzw. auf den Dachträger geschraubt) und der Küchenboden gewischt (ja, dieser Mensch bin ich geworden). In Wels stopfen wir noch einmal so viel Materie in das tapfer ächzende Auto.

Gemeinsames Aufschluchzen beim ersten Blick auf den

GRUNDLSEE.

Innerliches Aufschluchzen, als uns die Chefin schon zur Begrüßung die Fischpfanne und ein Reibeisen entgegenstreckt. Das erste Bier im Rostigen Anker verdampft, bevor es unsere Lippen berührt. Wir müssen sehr an uns halten, das Servierpersonal nicht mit unserem Glück zu überfordern.

30.6.

Es kann nichts mehr schiefgehen. In glücklicher Erschöpfung sind wir auf dem Balkon versackt. Die Spatzen budern auf den Dachbalken. Der Spatzenhahn schlängelt sich plusternd durch den Taubenabwehrslalom, tritt dann hektisch die geduldig das Spiel ertragende Spatzenhenne und fliegt wieder zurück zum Start. Nach fünf Wiederholungen ist der Akt vollbracht, die Spätzin schüttelt sich und putzt ihre Schwinge.