Der höchstgeschätzte Kollege Herbert Christian Stöger macht drüben auf Instagram derzeit ein schönes Projekt namens #turmblau, für das er AutorInnen nach ihren Alltagsirritationen befragt. Zwecks crossmedialer Schaffensverbreitung hier bitteschön meine gesammelten Mikrotraumata. Es ist alles nicht sehr schlimm, aber ein bisschen schon. Sich die eigenen kalten Füßchen am Funzelfeuer anderer Menschen Verstimmung zu wärmen, ist "in Zeiten wie diesen" extrem legitim. In diesem Sinne: go for it.
Hühnerschlachten
Die
Freunde, die zu besuchen man nach viel zu langer Zeit endlich
schafft, beschließen, noch bevor man den Kaffee ausgetrunken hat,
die beiden ältesten Hühner zu schlachten, damit die Gästin einmal
eine „existenzielle Erfahrung“ machen könne, das sei wichtig für
die Literatur. Die Tiere laufen dann auch so kopflos und vergeblich
um ihr Leben, wie man sich die existenzielle Erfahrung ausgemalt hat.
Notiz: Beim nächsten Schlachterlebnis mehr Abstand halten,
Hühnerblut geht nur noch schwer aus den Hosenbeinen.
* * *
Dark Tourism
Das
tiefe Kanaltal wirkt im diffusen Licht des Novembernachmittags noch
viel weiter vom Zentralraum entfernt als die 464 Kilometer, die wir
gerade gefahren sind. Der altersschwache Motor ächzt schon, als wir
nach der 17. Kehre die beiden Fauteuilsessel sehen, die es sich in
Ermangelung von Besitzern selbst gemütlich machen im verlassenen
friulanischen Bergwald.
* * *
Ten Years Challenge
Am Ende
ist man ohnehin selbst schuld, wenn man zum Beispiel zum selben
Fotografen wie vor exakt zehn Jahren geht, der an diesem Morgen 2019
aber noch zu grantig für eine angenehme Ablichtungssituation ist und
einem dann eben ungeschönt die Desillusionierung zeigt, die sich
seit 2009 in Schichten auf das Gesicht gelegt hat.
* * *
Keine Pommes mit Mao
Die
Pommes frites schwimmen kurz auf der Oberfläche, bevor sie auf den
Grund sinken, vermutlich auf einen Berg alter Pommes frites, die von
den Touristen der letzten Wochen in den See geworfen wurden. Die
Schwäne wenden dem unpassenden Lockangebot grämlich fauchend ihre
Bürzel zu. Die enttäuschten Gäste aus Peking halten sich mit der
Miete eines Tretbootes in Schwanenform schadlos.
* * *
Erschöpfter
Teig
Am
Altjahrestag überredete ich mich selbst zu einem Spaziergang durch
Wels. Der Hosenbund schnitt in den Bauch. Der Kopf war noch blöde
vom Vortag. Vor einer billigen Pizzeria, die ausschließlich von den
HTL-Schülern gegenüber lebt, hing eine große Teigkugel blass und
müde über dem Zaun, hinter dem sich träge und müde der Mühlbach
in seinem Bett wälzte.
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