Lebenskrimskrams im Oktober 2024
1.10. Unter St. Veit
Eine junge Frau schläft trotzig über drei Sitze gestreckt, die andere rotzelt, als wolle sie mich konfrontationstherapeutisch von meiner Misophonie heilen. Im Bus von Hütteldorf ins dörfliche Wien sitzen nur Pensis, dementsprechend laut sind die Haltestellendurchsagen.
Das ist mein Tag als angestellte ORF-Mitarbeiterin: endlich wirklich Staatskünstlerin! Trawöger begeistert mit einer Glam-Rock-Frisur, Franz sieht genauso aus wie sein Vorname. Die Inhaberin des geliehenen Modegeschäfts stammt aus Obertraun, sie hat einen Labrador.
Mein
Text besteht unter anderem aus „Mei Cousin' hod noch Heagschroa
gheirat!“ Zum Glück ist ein gewisses Maß an Löwingerei erwünscht.
Am schönsten die Miniszene, in der sich Bruckner in der Umkleide
leise beschwert: „Jetzt hod ma da Heagott koa frische Untahosn
midgem.“ Ich lege meine Rolle sehr an Maria Hofstätter an, was zumindest dialektal nahe liegt. Am Ende bekomme ich einen Heiratsantrag, obwohl ich frisch geschoren und im Frackhemd eher aussehe, als wäre ich ein schwuler Cousin meiner selbst.
Trotz Bombenalarms gelingt die Heimfahrt, es tut mir nur leid, dass niemand kommt und sagt, „ma, in wos firana klassn Gsöschofd sitznd du do!“ Ab Wels fahre ich müde und allein weiter, neben mich setzt sich ein junger, grauer Angestellter, der aus meinen Augenwinkeln heraus zu stricken scheint, dabei fingert er nur bis Marchtrenk an seinen rettungslos verhedderten Kopfhörerkabeln herum.
Buttinger schickt fassungslos die neue Werbekampagne von Wels: "Sogar mit dem Tod kann man in Wels besser als in anderen Städten, weil man ein Mensch und keine Nummer ist." Muss man hirntot sein, um sowas zu schreiben?
2.10. Langenlois
Immer glaube ich, zu wenig zum Lesen vorbereitet zu haben, immer stimmt das Gegenteil. Am schönsten ist, dass Mieze und Markus besser als ich selbst die Liebe im Buch erkennen, und es ist die lautere Wahrheit, dass ich über Arschlöcher im Grunde gar nicht schreiben könnte.
Die „Piefke-Saga“ wird noch einmal lustiger, wenn man dabei neben einem Tiroler sitzt. „Nur der Not keinen Schwung lassen. Ex!“
3.10. Langenlois – St. Pölten – Winkeln
Wir reden über Persons of Colour in Österreich (worüber genau, hab ich vergessen, aber wir prangern Alltagsrassismus an). Wenige Minuten später schaut Mieze Medusa aus dem Fenster und sagt versonnen: „Jaja, die Schwarzen, das ist schon ein fröhliches Volk, das liegt in ihrer Natur!“ Ich sehe verdattert vom Eidotter hoch, dann höre ich innerlich nach und stelle fest, dass sie ganz zutreffend über die SPATZEN gesprochen hat, die draußen im Hof ihr Ding machen. Weil ich so dumm schaue, fragt sie nach, dann lachen wir sehr lange. Sie ist erleichtert, dass mich der Satz irritiert und dass ich ihn aus ihrem Mund nicht erwarte.
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Weil Zeit bleibt, mache ich vor dem Umsteigen einen kleinen Gang durch das Innere St. Pölten, das mir exotischeres Neuland als Kathmandu oder Asmara ist. St. Pölten Central ist überraschend lieb, in der zweiten Reihe gibt's sogar überall bildende Kunst im öffentlichen Raum.
4.10.
Welttierschmutztag
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Bei Hunden ist der Wesenstest doch extrem einfach, es reicht eine mündliche Erhebung ihres Aufenthaltsortes, um zu erkennen, ob sie Wert auf fremde Zuneigung legen: „Jo, wo bist denn du?“
Sie ist hier
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A. erzählt, dass ihr kleiner Sohn (4) sie jetzt immer fragt, „ist das gut und richtig so?“ Und dass sich unlängst junge Mitarbeiterinnen in der Post darüber amüsiert haben, dass heutzutage noch jemand „Kuverts“ kaufe.
6.10.
Es gibt eine Produktgruppe namens „Halbzeug“ (was so klingt wie alles, das ich schreibe).
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In
der Nacht geträumt, dass ich als neue VOEST-Generalmanagerin
vorgeschlagen werde, was mich zwar wegen der vielen Arbeit besorgt,
mehr aber noch, weil ich dafür nichts Ordentliches anzuziehen habe.
7.10. Kühfeld
Einer der eigentlichen Tage dieses Jahres, mit einem Mittagsschlaf, der locker Platz 3 der heurigen Bergruhen belegt.
Wir kreuzen Wolfsspuren, und nachher sagt eine Frau auf FB, dass sie offenbar unseren Spuren gefolgt sei. Und hoffentlich folgt auch der Geist des Vaters unseren Spuren, ich hege den Wunsch, ihn hier vor drei Jahren freigelassen zu haben, als die Lärchen gelb im Oktoberlicht brannten.
8.10.
Eine
ältere Frau möchte mir zusehen, wie der ÖBB-Ticketautomat zu
bedienen sei. Ich sage, gern, aber das ist kein normaler Vorgang, ich
kaufe nur ein Ticket für den Hund. Sie geht schweigend um mich
herum, dann legt sie den Kopf schief und sieht mich mit offener
Verwunderung an: „Aber wo ist denn Ihr Hund?!“ Ich lache sehr,
zeige auf den Buttinger und das Tier, da lacht sie auch. „Haben Sie
geglaubt, ich würde für meinen unsichtbaren Freund zahlen? Das wäre
ja vielleicht doof!" Sie sagt nur, sehr wahrheitsgemäß: "Ois gibt's."
9.10.
Österreichs Reaktion auf den internationalen brat summer ist ein nationaler rat autumn, mit einem „Volkskanzler“ der etwas von einem Nagetier hat, aber keines, das man sich freiwillig ins Haus tun will. Und dafür möchte ich mich gleich wieder bei allen Nagetieren entschuldigen.
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Buttinger erzählt beim Frühstück von seinen zwei dümmsten Newsletter-Versendern. Das „byzantinisch-katholische Büro des Patriarchats“ sieht im Papst einen Häretiker, der das Kirchenrecht breche, weil er sich in Kanada bei den Heiden entschuldigt habe. Der andere Typ fordert seine Anerkennung als legitimer Kaiser von Österreich, da die Habsburger nachweislich Betrüger seien – sein eigener Adelsname nimmt eine ganze Bildschirmseite im Email ein.
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Dem unartigen Hund drohen, beim nächsten Mal den Zecken zu behalten und nicht ihn. Das ist aber nur eine gedankliche Intrusion, in Wahrheit kann man sie nicht mehr herschenken. Ein Bekannter im Wasserwald sagt, er verbringe mehr Zeit als notwendig mit seiner Labradorin – woher will er wissen, wie viel notwendig ist? Der Welttag des Hundes fällt wohlbegründet mit dem Welttag der psychischen Gesundheit zusammen.
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Mein Grünkohl ist zum Insektenhotel geworden. Whatever works.
11.10.
Der Zug ist bummvoll, wir stehen dicht an dicht im Gang, aber die Leute neben mir erkennen mich, weil ich dem Vater so ähnlich sehe.
Abb. 7.: Wean is a Stod und Linz is a Stadl / in Wean essn's Salod und in Linz essns Bradl
Coala
und ich haben 16 Stunden, um eine Art Urlaub zu verbringen, und wir
machen das Beste draus: Elefantenmanschettenknopfkauf, MaschuMaschu,
zwei Staro und dann 30 Rock (mein Valium). #bliss
12.10.
Geduscht
und mit frisch geputzten Zähnen im strahlenden Oktobermorgen –
wandern wäre logisch, aber die GAV-GV profitiert auch von den
Umständen. Hier lässt sich der sehr liebe jopa dazu hinreißen, mein beim ersten Bier ausgegebenes Motto darzustellen: "Literatur muss jede Hand beißen, die sie füttert."
„Es ist so weit gekommen, dass ich diese Woche zu keinem einzigen Mittagsschlaf gekommen bin!“, sagt Martin Fritz entgeistert – und ich war mir selbst nicht sicher, ob mein Bericht vom Almschlaf auf der Angeralm nicht doch zu privat sei. Man muss beim Erzählen was riskieren, damit Nähe entstehen kann. Martin ist im Übrigen der Meinung, ich sei jetzt „keine mehr von uns“, wegen des Romans. Ich versuche mich mit dem Hinweis zurück „zu euch“ zu reklamieren, dass der zweite Roman der schwerste sei und da schon wieder überhaupt nichts weitergehe.
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Im Zug nach Hause, milde betrunken, Eugenie Kain gelesen. Wie gut sie war und wie gut sie schrieb. Wie Riess einfach eine moralische Instanz, beide hinterlassen riesige Lücken.
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Vor
Freude über meine Heimkehr verpasst mir Fini einen irischen Kuss.
13.10. So
Wahnsinnig wenig los, bis auf einen sehr guten Spaziergang im Föhnsturm. Ausschreiten zu können wird zur wachsenden Freude hier im mittleren Alter.
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Ransmayr,
„Vom Töten“: Er kommt schon manchmal ein wenig ins Pathetische
(Inzest, Femizid, drunter tut er's nicht), aber man muss wohl was riskieren, damit ein Epos
entstehen kann.
14.10.
Ein junger Turmfalke (ich glaube, eine Fälkin, aber Hasi warnt vor Internetgenderbestimmungen) krallt sich kurz an den Fensterrahmen und schaut tadelnd zu mir herein, die ich gerade meine Zeit auf Facebook vertändle, wo ich mein Erlebnis auch gleich quasi live mitteile. Woraufhin der Schrenk kommentiert, dass die Greifvögel gerade Stress haben, ihre Jungtiere satt zu bekommen, weil die vielen Mäuse vom Frühjahr im Septemberregen ertrunken sind.
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Mit Dani zur Freinbergkapelle. Das Christentum an solchen Kleingedenkstätten ist schon sehr exotisch! Hier wird der Gnadenmutter von Schönstatt gehuldigt, mit Kärtchen, darauf Amphoren, auf denen „Sie haben keinen Wein mehr“ steht. „NICHTS OHNE DICH – NICHTS OHNE UNS“. Mann kann um etwas bitten, darunter ist auszufüllen „Das schenke ich dir“.
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Erleichterung, dass der wie immer extrem freundliche Misik keine Trolle in den Kepler Salon gelockt hat. Vielleicht ein Marienwunder!
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B. schickt mir per Whatsapp eine Nachprüfungsantwort, obwohl die nicht eben für ihren Unterricht spreche, wie sie sagt: „Konstantin Opel und sein Elefant Hanibal überquerten die Alpen.“
Was gibt's hier umsonst? Nichts? Unkraut? Raum für eigene Gedanken? Hat Linz überhaupt was zu verschenken?
15.10.
Eine späte literarische Karriere hätte auch den Vorteil, dass ich mein Zeug zumindest in Teilen als würdigungswerten Vorlass ins Stifterhaus rümpeln könnte.
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Bizarre Ausstattungsmöglichkeiten im Alp & Jagdkatalog von Kettner. Klar, warum nicht mit Glock und Maschinengewehr der Hege und Pflege nachgehen!
16.10.
Beim Verräumen von Gartenliegen und Kugelgrill kann ich es immer noch nicht fassen, dass der eh extrem lange Sommer vorbei ist.
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René schickt den traurigsten Lesungsbericht der Welt, gefunden in irgendeinem Lokalblatt: „Kein einziger Besucher kam“ als Titel, darunter ein von der missachteten Autorin selbst hochgeladenes Lese-Selfie. „Da kein einziger Gast zu ihr kam, möchte sie trotzdem ihr Foto hier einstellen. Dazu sagt sie: 'Dies ist ein Beschäftigungsbuch mit `sich selbst`.“
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Eva Reisinger und Barbara Rieger erörtern die Vorteile des Matriarchats, das Publikum nickt bestätigend, es ist sehr schön. Hier ist die Welt schon gerettet, wir müssen die Revolution nur noch aus dem Welser Schlachthof rausbringen.
T.
bringt der Klasse ihrer Tochter gerade bei, wie man am Handy was
nachschlagen kann, etwa „Nathan der Weise“. What? Vielleicht ist was dran am Pessimismus angesichts der
Jugendverdummung.
17.10.
Gestresste Mittvierziger sollten sich auf Rezept, als Burnoutprophylaxe einmal im Monat freinehmen dürfen, um an einem Wochentagsvormittag mit den Pensionisten einkaufen zu gehen. Man wird lieb angelächelt, verwegene Senioren zwinkern womöglich. Danach fühlt man sich flott und wertgeschätzt. #mentalhealth
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Mein viel zu serviceorientiertes Arbeitsleben wäre um einen Zacken einfacher, wenn per Dekret alle Meiers dieser Welt zu einer einheitlichen Schreibweise ihres Namens gezwungen wären.
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In der Nacht träumte mir, dass der Schwarzenegger sich als mein Vater outet. Er umarmt mich lieb und ich denke, „das glaubt mir wieder keiner!“ Dann wandere ich mit Josef Hader durch Wilhering, bis mich die App udaungs ins Schweizer Hochgebirge führt. Peinlich.
18.10.
Wenn
das Alter sich so gestaltet wie dieser Altweibersommer, freue ich
mich schon. Mit
dem Knoblauchmesser das Müsliapferl schneiden: ein großer Tag steht
mir bevor, wenn das schon der Tiefpunkt gewesen ist.
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Am Nachmittag feiere ich meine Premiere als Trauende (hier bloß kein R reintippen) - beim Eingehen einer Ehe gilt besonders: Wenn alle dran glauben, gelingt's! Ich meine: Ist das lieb oder ist das lieb!?!?!?
Foto: Kevin Greslehner
Dann schnell nach Hause, von der Garage aus grüße ich im Frack die Nachbarn mit „I bin's, eicha Präsidentin!“ Der gebildete J. erklärt seinem Sohn, das habe einmal einer zu jemandem gesagt, der aus dem Gefängnis ausgebrochen sei.
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Lia Sudermann trägt eine zehn Meter ausstrahlende Sympathie-Aura vor sich her, wir bussen uns gleich, und sie kniet sich zur Begrüßung vor den Hund. Doppelt lustig, dass sie dann Hass-DJ spielt. Stammgast H. retourniert nach der Tombola ein selbstgezeichnetes, antikes Häschenlesezeichen, das aus der nun ihm gehörenden „Katholischen Sittenlehre für den privaten Gebrauch“ gefallen ist. Was für ein schöner Treffer da dem Zufall gelungen ist, hat die Bibliothek seines Großvaters geerbt, der Theologieprofessor war.
19.10.
Am
Abend „Tchernobyl“ - die Erschießung der Tiere erregt mich mehr
als der schlimmste Gruselsplatter, ich kann wirklich nicht hinschauen
(obwohl man ja gar nicht sieht, wie die Hundemutter und ihre
Welpen abgeknallt werden). Wie habe ich das beim ersten Mal ausgehalten? Da
hat der Vater noch gelebt, ich hatte kein PMS und vor allem selbst
noch keinen Hund. Man wird immer weicher statt härter.
20.10. Hintersteiner Alm – Eisernes Bergl
21.10.
Zum Glück hatte ich heute noch keine Lust, um halb 8 aufzustehen, denn in der gegönnten Stunde träumte mir, dass ich mich mit der Mutter über irgend etwas sehr amüsiere.
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Mindboggling beim Schreiben der Lesebühnen-Zukunfts-Nachlese: Man kann die Veröffentlichung eines bereits veröffentlichten Beitrags nicht in die Zukunft datieren, umgekehrt aber schon.
22.10.
„Ein mit Baumleichen belegter zerrütteter Hügel aus Liasmergeln“ - beim F.-Kain-Lesen gleite ich in die regionale Geologie ab, mit diesem fast lyrischen Ergebnis (es geht um den Felssturz am Sandling).
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Der Tennisarm hat sich zurückgezogen (ich weiß, dass er nur Winterschlaf bis zum Frühling hält), ich darf wieder die Halluzination pflegen, eh ganz tack zu sein, auch wenn die Physiotherapeutin am Ende sagt, das sei wahrscheinlich eh kein langer Abschied, „irngdwos hod's in dem Oita amoi wieda.“
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Das
Konzept der Melanzani erschließt sich mir nicht, zumindest was die
Zubereitung durch meine Person betrifft.
23.10.
W. ruft an, um mich fröhlich für die große US-Wahlnacht seines Senders als Präsidentin zu engagieren, selbstverständlich gratis. Als ich ihn auf das extreme Euphoriegefälle (was bitte, wenn's der Trump wird?! + alle anderen Gründe) hinweise, glaubt er mir entgegenzukommen, indem er nur den Slot um 00:30 Uhr haben will, den um 02:30 eh nicht. Ich bin an diesem Tag um 7 Uhr erwacht, mir entringen sich nur Neinneinnein-Laute.
24.10.
Ich arbeite in der Geisteswirtschaft.
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Die Raika bietet mir einen Handyvertrag an, die Handyfirma einen Stromvertrag. Ihr macht mich fertig.
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Die Freuden des Alterns: Der Prinzensteig ist wieder ein Hit! Beim antiken Turm finde ich einen Parasol, und sobald ich einen zweiten für eine vollständige Mahlzeit suche, sehe ich sie überall. Ich trage eine große Handvoll aus dem Kürnbergwald. In der Nacht poste ich Bilder davon auf FB. Jemand schreibt drunter, das seien keine Parasole, und steigt auch nicht davon herunter, als ich feststelle, dass ich jetzt schon tot wäre, wenn es so wäre. Woher nehmen die Menschen ihre Sicherheit? Ich google dann nämlich trotzdem „Vergiftungstod Knollenblätterpilz“.
25.10. Bad Aussee, Wasnerin
Auf dem Pötschenpass werden alle unruhig, Hund und Mensch. Der Nebel hat es spannend gemacht und noch bis Ischl gehalten, hier ist der schönste Spätsommer. Wir treten zwei Tage weit oberhalb unseres Status an, nehmen die Herausforderung aber tapfer an.
26.10.
Köhlmeiers Matinee wird kurzfristig ins Programm genommen, und ich dränge mich ihm mit dem Scherzi auf, dass er quasi meine Vorband sei. Er ist nicht begeistert, was auch daran liegen kann, dass er gleich auf die Bühne muss.
Oder eher nicht: Er kommt zwar tatsächlich am Abend zur Lesung und setzt sich in die erste Reihe, aber mit einem unbegeisterten Antlitz, wie zum Beweis, dass das resting bitch face kein Monopol der Frauen ist. Seine Unterwältigung durch mein Junstwollen ist echt, denn mit überraschender Behändig- und Geschwindigkeit springt er am Ende auf, noch bevor das erste Händepaar sich zum Klatschen trifft. Mein Karrierehighlight! Ich muss nur die Erzählung gleich nach „Der Köhlmeier ist einmal bei einer Lesung von mir gewesen“ abbrechen.
27.10.
Wir heulen bei Vorchdorf noch einmal auf, als uns der Nebel schluckt wie ein Staubsauger.
28.10.
Wie oft kann man den Sonnenuntergang am Donaustrand fotografieren?
29.10. Petergupf
Eine etwas schmerzhafte Umkehr dort, wo's am schönsten zu werden verspricht. Fini gibt ihr Bestes, es ist ihr sichtlich peinlich, dass sie die kurze Klettersteigpassage nicht schafft, aber in den Rucksack gestopft zu werden, liegt ebenso außerhalb ihrer Fähigkeiten. Stattdessen Almruhe und der Versuch, stolz auf das Umkehrenkönnen zu werden.
30.10.
Heute
der Versuch, tapfer im Nebel zu sitzen, als schiene nicht 300 Meter
über mir dieselbe Sonne wie gestern. Wie schaffen es die ganz normal
arbeitenden Menschen, in ihren Büros nicht auszuflippen?
Wie verwöhnt bin ich bitte, dass ich nach so einem Herbst mit der
Kürze der schönen Tage hadere?
31.10.
Bei Gelegenheit darüber nachdenken, was ich hier eigentlich festhalten will – bzw. dass ich hier alles festhalten muss. Diese Woche tippe ich die „Erlebnisse“ des Aprils ab und staune, was ich in diesem halben Jahr schon wieder alles vergessen habe. (Das hier tippe ich am 12. März ab, es hat sich nichts geändert). Zum Glück vergesse ich genauso das Doofe, wenn auch viel langsamer. Aber wenn ich mir das Gute nicht aufschreibe, merke ich es mir?
Nie würde ich wirklich Tagebuch schreiben wollen, weder um die kleinen Alltagsbedrängnisse zu verewigen, noch meine „Bedeutung“ in der Welt. Ego-Kaiser wie Thomas Mann werden mir ein ewiges Rätsel bleiben, auch wenn es extrem amüsant ist, dass sie jeden Schmarrn aufgeschrieben haben.
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