Montag, März 23, 2020

Das Decamerone von Schönering. Romanbausätze für die Quarantäne

In Bezug auf das Verfassen vollständiger, umfangreicher, zeithistorisch relevanter Romanwerke bin ich der Thomas Mann des Scheiterns, die Maria Callas des Versagens, der Mozart der Prokrastination. Hier ist alles, was ich habe - gerne könnt ihr euch das jetzt in der Quarantäne selber fertig schreiben, ihr kennt das ja von Ikea. Hier bitteschön, der Textsirup zum Aufspritzen:

Der Undank. Geträumte Autobiographie
Prof. Buttinger ist es dank seiner Medien-Beziehungen gelungen, Marcel Hirscher als nächsten Gast für die Lesebühne zu gewinnen, aber niemand von uns hat sich die Mühe gemacht, ihm was Lustiges zu schreiben, und leider ist er zwar siebenfacher Gesamtweltcupgewinner, kann jedoch überhaupt nicht improvisieren, sodass sein Auftritt vom verwöhnten Publikum mit enttäuschtem Murren quittiert wird und ich mir vornehme, mit den Mitarbeitern ein strenges Gespräch über Gäste-Qualitätskriterien zu führen. 

Abb. 1: Prophetisches Symbolbild
 

Frühwerk: „Zeugnisse der Zärtlichkeit“
Beim Renovieren des Badezimmers einen Packen Briefe finden, es sind Liebesbriefe einer bittersüßen amour fou, und zwar zwischen – Bud Spencer und Terrence Hill! Zeugnisse von Leidenschaft und Verzweiflung. Es musste schon alleine daran scheitern, dass das Schönering der frühen 1980er noch nicht so weit war. Notiz: Ein Broke-Back Mountain für sehr Arme. Plausibel machen, was die beiden Action-Klamaukhelden im Bezirk Linz-Land zu suchen hatten.

Der kurze Brief zum langen Abschied. Nach Handke
Ein junger Österreicher befindet sich in NY und erhält dort einen Brief von seiner Frau: „Ich bin in New York. Bitte such' mich nicht, es wäre nicht schön, mich zu finden“, doch er hält sich nicht dran, und während der Reise durch die USA hat er sehr viel Zeit zum Nachdenken, über sich, sein launenhaftes Weib, die Kindheit und wasnichtalles, weswegen er, nachdem er die Flüchtige am Ende gestellt hat, in die Trennung einwilligen kann, und der Autor dieser öden Geschichte sehr viel bekannter und berühmter wird als die beherzte Zusammenfasserin von Handkes Oeuvre.

Ein bisschen eine Fabel. Nach Kafka.
„Ach“, sagte die Medien-FH-Absolventin, „der Arbeitsmarkt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war er so riesig, dass ich fast Angst hatte, ich machte Auslandssemester und war glücklich, als ich endlich Optionen sah, links und rechts Praktika, aber diese Jobs kleistern mir den CV so zu, dass mir gar keine Zeit zum Geldverdienen bleibt, und jetzt bin ich Alleinerzieherin und schon bald 40, und dort steht schon die Teilzeit-Pensionsfalle, in die ich laufe.“ „Du musst dir nur ein Eigenheim anschaffen“, sagte der Kanzler und lachte.

Darwin's Nightmare
Eines Morgens überkam die bislang nicht vom Erfolg verwöhnte Hobbyliteratin Dominika Meindl die Geschäftsidee einer Hundewerkstatt analog zu all den Auto-Schraubereien, quasi Evolution Fast Forward; ein Dog-Customizing, bei dem Dackelbesitzerinnen ihre Tiere noch mehr stretchen, Retrieverinhaber ihre Allerweltshunde tieferlegen oder Sharpei-Halter die Faltenwauzis neu auffüllen lassen könnten, aber aufgebrachte Tierschützer entführten Meindl in der Nacht vor der in allen Medien angekündigten Dog-Tuning-Eröffnung und ließen sie vom radikalisierten Amtstierarzt einschläfern.

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