Samstag, April 02, 2005

Marillenverehrung und dreiste Amseln

Liebes Tagebuch,

sei mir nicht hab, dass ich dich so vernachlässigt habe, aber ich war bei meinem Marillendealer. Es ist mir nämlich – wenig überraschend – goa nimma gut gegangen, da konnte auch der kurzfristige Osternestzuckerschock nicht mehr wirklich helfen. Mein Kopf war ganz geschwollen, die Beine rasten wie wild, in der Nacht hatte ich Beklemmungen. Ich hatte zuvor schon Zwetschkenmethadon genommen, wusste aber nicht, ob zu viel oder zu wenig, oder mehr. Übrigens habe ich gestern im Radio gehört, dass der von uns scheidende Papst die Marillenverehrung ins Zentrum seiner Glaubenspraktik gestellt habe, was den schrecklichen Verdacht aufwirft, dass da vielleicht in der Gemello-Klinik die Symptome nicht richtig erkannt und behandelt worden sind...
Mir geht’s jedenfalls wieder besser, seit ich in der mittelburgenländischen Pampa gleich einmal zwei, drei Gläser ihrer Bestimmung, sprich: meinem Verdauungssystem zugeführt habe. Zuvor aber wie gesagt schon seit Wochen Beklemmungen, geschwollene Körperteile und Halluzinationen. Spätestens seit Samstag konnte das der Außenwelt (sofern existent, da bin ich mir noch nicht so sicher) nicht länger verborgen bleiben: Bei Ultras Geburtstagssause (dazu später) bemerkte ich, dass Berni de Luxe Gurla etwas vom „Eisberg des Wissens“ erzählte, von dem nur etwa 5% aktuell zugänglich seien. Gurla sagte „Hochinteressant!“, ich platzte mit „Des is des implizite Wissen!“ heraus – leider, denn zehn Sekunden zuvor hatte Berni seine Rede mit „I muass jetzt a Referat über des implizite Wissen mochn“ eröffnet. Am nächsten Tag dann Ähnliches: Beim Durchblättern der „Medical Tribune“ (die haben da übrigens immer so schön reißerische Titel wie „Was trieb diesen Bauch auf?“) echauffierte ich mich, dass da eh immer das Gleiche drin stehe – fünf Sekunden bevor ich bemerken musste, dass ich diese Ausgabe schon kurz zuvor durchstudiert hatte. Ich errötete jeweils heftig.

Foto: Coala

Apropos „Außenwelt“ und „nicht verborgen bleiben können“: Meine Nazijäger-Nachbarn haben von meiner Ankunft in Winkeln am Donnerstag bis zu meiner Abreise letzten Dienstag niemals ihren Beobachterposten aufgegeben; herzzereißend fand ich die Tatsache, dass die beiden Kinder jedesmal die Nachtschicht zu übernehmen hatten. Da standen sie, die Gucker um den Kopf geschnallt, die kleinen zarten Körper ans Fenster geklebt, nur um mich bei der Abendlektüre und dann beim Schlafen zu überwachen! Am Morgen dann die Eltern, frisch, ausgeruht und dreist wie Amseln. Was finden die an mir? Dass ich damals nicht bei der Partei war, müsste doch augenscheinlich sein!


Das ist doch unwürdig! Foto: MNK

So, liebes Tagebuch, ich kann das Tageswerk nicht mehr länger aufschieben! Mir steht nun ein ordentlicher Spießrutenlauf bevor: Wer heute in der Halle klettern gehen muss, beweist damit, dass sie keine Freunde oder Innen hat, die mit ihr in die schöne Natur hinaus gehen!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

GOLDBÄREN ! Seit 5h45 wird zurückgeguckt, und seither wird Guckerblick mit Guckerblick, scheeler Blick mit scheelem Blick vergolten !
Die erste Schicht übernimmt Dieter - wollt ihr den totalen Voyeurskrieg?

Dominika Meindl hat gesagt…

Darf ich bitte eines sagen - auch in Anbetracht meines Entsetzens, dass die verhehrende (sic) Nachbarschaftsfehde nun doch wieder in eine neue Runde geht: Wer hat denn mit dem Glotzen und Spannen angefangen? Ha!? Ich kann ja zuhause schon seit längerer Zeit meine Dissertation nicht mehr weitertreiben, da stets irgendeine Aktion von drüben kommt, sobald ich mich in die Materie vertieft habe! So kann ich nicht arbeiten! Und ad "Dieter": Muss in einem Akademikerhaushalt auch der Security-Mann Matura haben? Oder der Wachhund? Das ist doch albern!
PS: Die Thujen sind nicht zu hoch, ganz im Gegenteil!!!

Dominika Meindl hat gesagt…

Sehr spitzfindig, lieber Goldbär. Die reine Logik lehrt aber, dass auch das mehrfache Auffinden einer Unwahrheit die grundsätzlich Möglichkeit einer wahren Aussage nicht ausschließt!

Anonym hat gesagt…

Meindl darf nicht Goldberg werden! Wollt nur anmerken, daß die Spaltungstendenzen, die die scheel spitzelnden Nachbarn in unserer Familie zu säen trachten immer dreister werden! Ich forder meine Familienkollegen zur Einheit und zum Zusammenhalt auf!