Donnerstag, August 01, 2024

Glutamat auf der Gimpelinsel, vollgeludelte Trompeten, Gänsecrack und der größte Tag des Jahres

Lebenskrimskrams im Juli 2024

1.7. Bad Aussee - Linz

Am Bahnhof Hallstatt füllen Asiaten den Zug an, in Bad Ischl ist er schon fast wieder leer. Zuerst drücken schwarze Wolken und Wände herein, mit jedem Kilometer wird es freundlicher, aber ich will ja im Dunklen bleiben wie eine Katze in der Schachtel. Während der Fahrt lese ich „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“, das habe ich fast zu gut getroffen.

In Linz fremdle ich ein wenig, niemand erkennt mich, Frechheit! Dabei werde ich jetzt vom ORF gefilmt, hallo! Aber bald schreibt mir K., worin ich denn so forsch ausgeschritten sei, sie habe mich belustigt von der Bim aus beobachtet. Dann spaziert G. vorbei wie ausgemacht.

Ohne allzu großen Genierer sitze ich dann vor der Kamera und blättere im eigenen Buch, dabei sitze ich als ehrenamtliches Austrofred-Fangirl auf dem passenden Strandtuch. Ich tue so, als sei ich touristisch vom Fach (beim Heimgehen gehe ich an der echten Linzer Tourismuszuständigen vorbei). Am Ende kommt es mir ganz ok vor, dass wir uns nicht im Salzkammergut getroffen haben, das ist auf der Metaebene schon ein wenig abgefrühstückt.

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Großes Wiedersehen am Bad Ausseer Bahnhof, der Hund spürt die Tragweite meines Ausflugs, der Mann lacht.

Der Chinese auf der Gimpelinsel erfüllt alle Erwartungen, weil ich keine hatte. Fast schon wieder ein Kulturgut, das fast schon wieder erhaltenswert ist. So war das in den 1990ern, Kinder, so schmeckt Glutamat, und das Zipfer gibt’s nur in der Flasche!

2.7.

Dem Buttinger wird eine kleine Freude zuteil, als wir beim Spazieren vor dem Gipsbruch gestoppt werden, es müsse gleich gesprengt werden.

Wir machen uns die Waldhimbeeren gegenseitig mit Warnungen vor dem Fuchsbandwurm madig, aber erst, als wir schon minutenlang gierig geweidet haben.

Ein deutsches Seniorenpaar macht mir unter dem Ressen die Freude, mich zu fragen, ob ich von hier sei, und wie die Berge da drüben heißen. „Oh Gott, don't get her started!“ denkt der Buttinger sehr laut, ich lege los! „Jetzt spürst du die Freude, die uns das Mansplaining bereitet“, sagt er dann, nachdem ich die beiden halb bewusstlos informiert habe.

Später frage ich den Wirt vom Mostbauern, ob er von hier auch öfter Steinadler über den Bruderkogeln sehe. „Zum Umischaun hob i koa Zeid!“ 

Die beiden Fährmänner (da teuerste Verkehrsmittel weit und breit hier) sind auffallend gut gelaunt. Der Junge erlaubt uns zur eigenen Freude über seine Großzügigkeit, Fini auch ohne Maulkorb mitzunehmen. Er mag sich gar nicht von uns zu trennen, muss aber doch weg, um in Doppelconfèrance die wichtigsten Zahlen, Daten & Fakten über den Grundlsee ins Mikro zu lallen (ich übertreibe ziemlich).

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Wir sehen der Herrennationalmannschaft beim Ausscheiden zu (also Fußball, nicht WC), kurz kommen Emotionen auf, aber das Alter weiß schon, dass morgen alles wieder wurscht ist.

3.7.

Riesenskandal: Der Kaiser-Franz-Josefsdarsteller von Bad Ischl ist in Wahrheit Luxemburger.

Buttinger lässt sich beim Buttinger das Haar machen und nimmt die „Alpenpost“ mit. Ein Füllhorn an lokaler Information, da steht drin, was der Maurer ausgelassen hat. Angeblich wird es bis Australien verschickt. Ich bin ganz ohne großen Sarkasmus begeistert, weil man nach dem Lesen ALLES weiß. Unschön von mir, wie lustig ich es finde, dass der Verbandsoberschützenmeister ziemlich schielt. 

Dann auf Knödel und Psychologie zum Veit. Der Wirt erläutert, dass es überall Trottel auch gebe. „Einem Jammerer musst du was nehmen, einem Prahler was geben.“ 


4.7.

Endlich die erste Wanderung! Und wieder etwas Neues gefunden. Wieder mit dem Hund auf den Hundskogel. Mein Eintrag im Gipfelbuch vor ziemlich genau zwei Jahren liegt nur sechs beschriebene Seiten zurück.

Am Fuße des Klammkogels erschrickt der Fuß über einer Höllenotter, ich bitte reflexartig um Entschuldigung für die Störung hier auf dem schmalen Steig und bin erleichtert, dass sie und der Hund einander gar nicht wahrgenommen haben. 

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Nach dem Trinken mit X. und F. wissen wir wirklich alles: nie am Samstag zum Ausseer Kirtag, da brunzen die Wiener Nepo-Babys den Musikanten in die Instrumente. Schießen darf man hier am Grundlsee ausschließlich in der Tracht, und man sollte nicht zu gut treffen, um die Eingeborenen nicht zu vergrämen. Bei der Siegerehrung heißt es immer noch "Kommen wir nun zur Königsklasse!" wenn die Herren prämiert werden, auch wenn X. das Gesamtding beinahe gewonnen hätte.

F.s Vater versorgt die lokale Vogelwelt so umsichtig, das die Spatzen adipös geworden sind und die Enten in der Nebensaison mehrspurig zum Büffet watscheln.

5.7.

Ambitioniert um 6:25 Uhr aufgestanden, aber zurück ins Bett. Am Vormittag heftiges Bedauern über die Fehlentscheidung. Bin ich heikel geworden?! (Heute, 17.1., halte ich mich für verzogen und heikel!). In der Mittagshitze dann ein hektischer Kompensationsmarsch, eine Holzwegrecherche.

6.7.

Die Schrift erfüllt, was das Abhängen im Murboden betrifft. 

Winzige Fische springen vor dem Kajak auf wie längliche Wassertropfen mit Eigenantrieb.

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Brave New World“ zum ersten Mal gelesen: Man kann den Klassikern nicht mehr trauen. Jeder Querdenker könnte ohne Mühe eine Bestätigung herauslesen. Mir kommt es nicht mehr besonders zielführend vor, sich die Zivilisation aus dem sündigen Leib zu peitschen und Senf zu trinken, um die unchristlich-sexuellen Gedanken herauszuspeien; eine Sünde, die natürlich von den Frauen in die Welt gesetzt wird. Hebt man sowas auf? Nur so lange, wie „Dallas“ und „Dornenvögel“ noch im Haus sind.

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Die Murmeltiere haben Junge! <3 Ein großes und die drei Kleinen sitzen beim Fressen in der Futterkiste und graben sich ein. Ein kleines beißt mich ein bisschen in den Finger. 

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Die Kulturhauptstadt wirft ihre Tentakel aus. Der Bürgermeister tut so, als würde er uns erkennen, wir brauchen umgekehrt einen zweiten, weil er keine Tracht trägt. Das Konzert heute müsse man sich als „Soundscape“ vorstellen – uns muss er eh nicht überzeugen, und wir wissen, dass er ein Elektronik-Eklektiker ist.

Ich trippe ein wenig hinten am Toplitzsee, auf einem Bier, einer E-Hackbrett-Performance und den Wolken, die über uns ziehen. Auf dem Weg zum Veit kommen wir an der Station vorbei, wo Geige und Flöte trippen, es ist sehr kunstig. Beim Veit ist alles voll und durstig, was zu erwarten war, seit Monatenr. Als „Verstärkung“ hat man sich den weltschlechtesten Kellner eingefangen. Er kann sich kaum fortbewegen, seine Knie wirken wie aus käsigem Holz geschnitzt, ohne jedes Spiel in den Knien. Deswegen bewegt er sich auch kaum fort und verwickelt die Gäste in Smalltalk. Schließlich stakst er ins Haus – wir sehen jetzt, dass hinten auf seinem T-Shirt „Ich hasse es, sexy zu sein, aber ich bin eben Steirer“ steht - und kommt eine Weile später mit Eis für die Kinder zurück, das ihnen die Eltern nicht kaufen wollten, weil sie eh schon zwei bekommen hätten. Eigentlich sollte der sexy Steirer Gläserschachteln bringen, der einzig tüchtige Kellner kommt schimpfend daher, weil gar nichts klappt, er schimpft mit dem gemütlich an der Sackkarre lehnenden Holzbein. „Wos hod a denn firan Stress!“, murmelt der ihm nach. Langsam wie ein Gletscher setzt er sich in Bewegung. „Des do hätt i ned braucht, i hätt ma dochd, de singan a poa Gstanzln, wos hoid passt, owa so hätt' i aa in Graz bleibn kennan, do gibt’s gnuag, de glaubn, dass des Musik is, wos de do mochn!“ Er kommt an uns vorbei, zum Glück bleibt er nicht stehen. Ein Tropfen hängt von seiner Nase.

7.7.

Wild geträumt von einer Show, die null geplant, aber im ORF übertragen wird. Viel zu wenige Mikros, Ideen und Witze, dafür Elfie-Ott- und Miram-Weichselbraun-Lookalikes. Es ist eine Art Moderations-Karaoke als Steigerung des Powerpoint-Dings. Später soll ich die Mutter irgendwo abholen, weiß aber nichts. Ich erreiche den Vater und frage, ob sie nicht ein Handy bekommen sollte. Der beruhigt mich am Telefon, sie warte ab 22 Uhr in Möllendorf. Danke, Weißwein!

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Bei starkem Wind macht der See ein herrliches Brandungsgeräusch. Man hört es, weil der kleine Sturm die Camper in ihre kleinen Höhlen weht.

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Der Zirben-Spritz beim Staudnwirt wird mein neues Drogenproblem.

8.7.

Eingedenk meiner Fehlentscheidung am 5. gehe ich heute zu Fleiß im Nebel los, er lichtet sich auch auf dem Gipfel des Backensteins nicht, trotzdem stapfe ich den Steig Richtung Osten. Irgendwann ahne ich, dass es die Nebelgrenze zu schaffen ist – und wirklich: Euphorie auf dem Häuslkogel. Gleich beißt mich die Sonne ins Genick und eine Ameise in die Stirn. 

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Anrührende ZEIT-Reportage über einen Superzuchtbullen mit absurdem Namen, der der arme Ochse „Wolfi“ zur Erregung dient.

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Beim Kulturmontag kriege ich diesmal etliche Sätze über Urlaub im Urlaub. Der Zug zum Hochdeutschen ist bei mir endgültig abgefahren.


9.7.

Jahrestag am Altausseersee (absurdes Wort btw.), der Buttinger hat eine schöne Wirtschaft gebucht. Aber eigentlich müsste man gleich wieder umdrehen, wenn sich ein Lokal das Bier aussaufen lässt an so einem Tag, noch dazu eins aus der Mateschitz-Erbmasse. Abgesehen davon ist es schön. 

 Beim Heimweg vollenden wir die Runde. Seit Daniel Craig den grantigen Mann in der Schiffsanlegehütte abgeknallt hat, stehen wieder fröhliche Schirme und Biergarnituren im Gras. Angenehm, dass es keine Anzeichen für James-Bond-Tourismus gibt.

Im Munk-Park verliebt sich eine Frau so schock in den Hund, dass sie zu sich selbst leise sagt „einmal noch streicheln, dann muss ich gehen!“ Zwei eingeborene Damen sitzen auf der Bank vor dem Friedhof und loben den „braven Betriebsrat“. 

Eine Gedenktafel erinnert an den Ertrinkungstod einer Viehtreiberin am 17. Oktober 1777, der der Herr „die ewige Ruhe und eine fröhliche Auferstehung“ verleihen möge. Später lesen wir, dass es sich bei den besonders lauten Rufe, die wir am Anfang des Weges gehört hatten, tatsächlich um Hilferufe Jugendlicher gehandelt hatte, die mit einer Plätte havariert waren.

10. Juli

Der Neistoa? Der is lästig zan geh!“ sagt der Wirt, der mich erschöpft daherschlapfen gesehen und nach dem heutigen Wanderziel gefragt hat. Recht hat er. Elf Stunden haben ich mich geplagt, trotzdem bin ich leicht unzufrieden, weil zu feig für neue Wege, die Direttissima am Lahngangsee vorbei. Oder zu klug. Ich lege eine Liste an, mit dem Titel „Projekte, wenn ich schon alles andere gegangen bin“.

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Bauers kommen an, noch ganz gezeichnet von der lästigen und plaghaften Heimat im Norden. Biere und Kasnocken verschwinden restlos in uns.

11.7.

Touristen angesichts des Sees: „Schau amoi, des is eigentlich a gaunz scheena See!“ Erstaunlich, dass man sich in Zeiten fundamentaler Googelbarkeit noch so überraschen lässt.

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Dieser Tage träumte mir, dass ich dem Vater anbieten wollte, dass er doch eigentlich jetzt wieder bei mir einziehen könne.

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In der Nacht brummt ein Falter verzweifelt gegen das Fenster, will sich aber nicht retten lassen. Endlich das Gewitter, das seit 36 Stunden angekündigt wird.

12.7.

Seit ich hier bin, tut sich in den Träumen mehr als am Tag. Das Unterbewusstsein teilt den Eltern heuer viele Rollen zu, was hoffentlich ein gutes Zeichen ist – auch wenn es zuweilen anstrengend ist. Diese Nacht kam die Apokalypse als Feuerwalze daher, ein Vulkan oder Meteoriten, egal. Fakt war, dass der Vater wieder Vater wurde. Wir telefonieren uns angesichts der Bedrohung zusammen, immerhin verlangt er, dass wir zuerst die Mutter retten.

13.7.

Schwere Gesteinsbrocken donnern herab, es riecht nach Schwefel. Wir verstecken uns hinter einem Baum (ich mich zusätzlich hinter dem Buttinger), dann tun wir, als sei nichts gewesen und gehen weiter. Die Herren wollen zum Igel geführt werden, also schleichen wir als die OLW-Partisanen durch den Bergwald Richtung Ischler Alm. Den Stalin im Schildkröten-Unterschlupf hätte ich persönlich im Jahr 2024 weggelassen. 

Stöhnend fallen die Herren auf das Gestühl der Blaa-Alm und bestellen tüchtig. Halbwegs gesättigt gewährt uns René Einblicke in sein Indiana-Jones-Tascherl, das er IMMER mit sich führt. Er trägt unter anderem ein Sauerstoffmessgerät darin herum. 

Es folgt der tiefste Nachmittagsschlaf des Jahres.

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Allmählich muss ich mit dem Kongo-Buch fertig werden, es ist eine belastende Angelegenheit (das gilt für die gesamte Kolonial-Aufarbeitung).

14.7.

Weil die Herren daydrinken, um den Schmerz des Muskelkaters zu ertragen, bleibe ich nüchtern und komme mir dabei auf die billigste Weise gut vor, weil ich ordentlich bis zum Abendessen warte.

Das EM-Finale plätschert dahin wie das Bier durch die Kehlen. Skurril, wie viel globale Aufregung dabei entsteht.

15.7.

Das Gastkar ist so einsam, dass auch die Tannenhäher auf ihre sonst so beständigen Schergelschreie verzichten. Die Alpenvereins-App wird blind an der Wildnisgrenze, auch Suunto kennt die Namen der Kare hier nicht mehr. Es sind aber fast überall Steinmarkierungen, die Eingeweihten haben also noch ein paar Geheimnisse bewahrt.

Heute finden wir den Weg recht gut, es bleibt genug Zeit für einen kleinen Schlaf, bevor wir auf den Hauptgipfel hinübersteigen. Das Gipfelbuch beginnt 2018, die Seiten lassen sich schnell durchsehen (sehr rührend die Erinnerung an eine innig vermisste Hündin, ich kann das jetzt schon nachvollziehen, verrückt). 

Das Gefühl der Ausgesetztheit ist heute nicht so stark wie sonst. [17. Jänner 2025: Es wird der schönste Tag des Jahres gewesen sein, und damit kann ich nur zufrieden sein.]

16.7.

Beklage nie den frühen Morgengrauen

Der Müh und Arbeit für uns gibt

Es ist so schön zu sorgen

Für Menschen die man liebt“

Unter diesem Spruch frühstücken wir täglich. Überhaupt muss man die ganzen Sticksprüche hier an den Wänden ignorieren, wen wollen sie mahnen, die armen Erholungssuchenden im 21. Jahrhundert?

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Lektionen der Wildnis“ war ein Alex-Glücksgriff, besonders schön ist es wohl, weil ich noch so erfüllt bin von der Wildnis gestern oben auf dem Plateau. Herrlich auch die Linguistik: Die gemeinsame Proto-Indoeuropäische Wurzel von Bär, urs, Arktos etc. sei sein „Rrrrr!“

17.7.

Die Standesbeamtin nimmt freundlich mein Buch zur Aufbewahrung und fragt dann, von wem sie dem Bürgermeister leicht schöne Grüße ausrichten soll.

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Die Junior-Chefin erzählt vom Schwitzen der Waldgeister und Krampusse im dicken Kostüm, ich sage, im Frack sei es genauso, das sei der Preis gelebten Brauchtums. Sie nickt wissend, weil sie mich in der Zwischenzeit gegoogelt hat.

Ein erwähnenswerter Mittagsschlaf hilft, die schon aufkommende Abschiedsmelancholie zu mildern.

18.7.

Am Ende der Forststraße, auf dem Weg ins Erlenkar steht ein Auto, an der Windschutzscheibe ein laminiertes Schild: 

Öfter als früher frage ich mich nun, wie lange ich so etwas noch machen kann, der Mut und die Kondition werden nicht besser. Immerhin war ich heute auf dem Siniweler und dem Breitwiesberg, und für die Zukunft weiß ich, wie man es nicht angeht hier herauf. Beim Aufstieg durch den Salzgraben ist völlig klar, dass es bergauf geht, mit dem Rücken zum Abgrund – absteigen könnte ich wohl, aber nur um den Preis leichter Panik.

Leichte Panik dann im Latschengekröse, endlich die rettende Steindaube. Die Zeit im Widerkar ist wieder zu kurz, aber sie wird nie lang genug sein. Der Adler lässt sich heute nicht einmal aus der Ferne anschauen.

19.7.

Dank müder Füße gelingt ein guter Badetag.

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Das Körpergehirn der Kraken und die Philosophie der Leiblichkeit: Kraken ist es bewusst, dass sie gefangen gehalten werden, und sie protestieren. Etwa indem sie mit ungeliebtem Thunfisch das Abflussrohr verstopfen oder mit gezielten Sipho-Güssen auf Menschennacken oder Glühbirnen. Weil die Reparatur der Kurzschlüsse zu teuer wird, entlässt man die listigen Wesen in ihre Freiheit.

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Am Abend versuche ich beim Veit den Dorfbäuerinnen das Matriarchat nahezubringen, „oba des gibt’s do eh scho bei ins in Gessl!“ 

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Im Schein der Leselampen auf dem Balkon noch lange gemeinsam die Welt gerettet.

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Weißweintraum: Nicht bloß der Verkehr wird auf Schiene verlegt, sondern die ganze Welt. Es gibt in den Zügen eine Ebene für die Passagiere, ein Luxusoberdeck und einen hohen Wald (in dem paramilitärische Übungen abgehalten werden und in dem ich ein soeben geerbtes Gewehr verliere). Schließlich gibt es in der mittleren Ebene ein Oberösterreich, samt Nachbildung des grünen Festsaals des Landes OÖ, in dem mir für mein einschlägiges Wirken im Kulturmontag eine Ehrenmedaille überreicht werden soll. Ich bin auch schon fesch adjustiert, mit Pullunder und schmaler Seidenkrawatte, aber dann steige ich leichtfertig aus dm Zug und strande stattdessen im rostigen Ennshafen →

20.7.

Gnädiges Erwachen. Wer ist das, die so etwas in mir immerzu träumt?!

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Ein Landregen bringt die Camper in ihr Elend, Buttingers verschlafener erster Blick am Morgen weidet sich daran.

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Wieso weiß eine Riesensepie, die obendrein farbenblind ist, wie sie sich verfärben muss, um mit der Umgebung zu verschmelzen? Beim Lesen bemerke ich, dass ich vielleicht zum ersten Mal im Leben von selbst auf eine tatsächlich noch offene Forschungsfrage gekommen bin (natürlich als 436564.). Es wird angenommen, dass sie mit der Haut sehen, ohne zentrale Wahrnehmungsstelle.

21.7.

Reinhold Messner wählt ein recht überraschendes Medium für die Klage über den groben Undank seiner Erben – die Apotheken Rundschau (orf.on berichtet).

22.7. Schönering

Wie können drei Wochen einfach so mit einem Fingerschnipp vergehen!? Wenigstens liegt noch ziemlich viel Sommer vor mir (was ich nur weiß, nicht fühle), aber ab jetzt wird alles ein wenig blasser.

Im Garten wuchert alles, nichts davon ist essbar.

23.7.

Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, die Schwerkraft des Alltags fasst mich hart an. Es sind zwar nur 66 Emails, aber wie soll ich die jemals beantworten, in mir sind keine Knochen und kein Wille. Wie kann ich den Garten jäten, noch dazu, wo er mich nicht ernähren will? Wenigstens kann ich jetzt wieder überall Chili reintun. Sonst aber keine weiteren Probleme, nur der Keller ist ziemlich nass.

Heroischer Kampf gegen den abendlichen Drang zum Alkohol. Buttinger rettet meine Laune, indem er mir als Vorausgeschenk zum Geburtstag einen Hochentaster schenkt, der aussieht, als könnte ich ihn zur nächsten Leipziger Cosplay-Messe als Accessoir mitnehmen.


24.7.

In fünf Monaten ist Weihnachten.

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Wenig überraschend bin ich doch nicht hochbegabt beim Gstanzlschreiben.

25.7.

Kein Wunder, dass der Garten meine Ernährung nicht sichert, ich bin einfach dumm und habe alles durcheinandergebracht, sodass statt des Kürbis im Dreischwesternbeet eine arme Gurke verdurstet, mit einer jämmerlichen Frucht. Der Kürbis stattdessen... ach, lassen wir das.

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Es sollte mir aus aktuellem Anlass was Kluges zu Kamala Harris einfallen, aber wie immer überkommt mich beim Einfühlen in das politische Leben ein Grauen, weil diese Menschen bei jedem Hundsderschlagen dabei sein wollen und keinen Wert auf ein angemessenes Privatleben haben.

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In der zweiten Nacht ohne Alkohol sind die Träume wieder still geworden.

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Life hacks zum Erhalt der mental health: Verena Schöpfers Abmoderation möglichst oft anhören. Ein Vogelhaus ans Fenster kleben. Strickjackenlöcher patschert flicken. Generell: heimliche Liebes- und Reparaturdienste an Gesellschaft und Eigentum.

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Sandra Bullock, die heute 60 wird, ist von ihrem früheren Gatten mehrfach betrogen worden. Den Männern ist auf dieser Erde nicht zu helfen.

26.7. Aigen im Ennstal

Mit den Dolomitendamen wandern. Neben diesen ordentlichen Frauen wirke ich zwar wieder einmal wie eine verfressene Alkoholikerin, ansonsten aber keine Beschwerden, im Gegenteil. 

Simone hat eine harte Kritik am Roman: Ihr denkwürdiges „I stich di o in da Nocht!“ kommt nicht vor (stattdessen Theresias „Die Männer schauen im Schlaf aus wie Welpen, damit wir sie nicht derschlagen.“)

27.7.

Es ist nur anstrengend auf das Gumpeneck, weil wir pausenlos schnattern, es ist einfach die Gegenbewegung zu meinen einsamen Wegen im Karst. Hier südlich der Enns wächst das Gras auch noch auf 2200 Metern, wir jausnen im Schafsdreck. Endlich finden die Augen nach Hause und bleiben am Reichenstein hängen.

Im Freibad führe ich mich dann auf wie ein Halbstarker, Arschbomben vom 3-Meter-Turm, Schwimmrennen, Kraftmeierei. Wir lungern auf den Badetüchern und ich frage mich, wie viel besser meine Jugend gewesen wäre, hätte ich da schon solche Freundinnen gehabt.

Wie kann man im Sommer nicht das Größte im Jahr sehen?

28.7.

Ganz Wien riecht wie ein Axe-Deodorant („nice wie ein Parfüm“), süßlich, nach paarungsbereitem Jüngling.

Es ist das Glück der Männer, dass sie nicht immer so sein müssen, wie sie voreinander glauben, sich aufführen zu müssen. Immer die Beine spreizen, jeden Halbsatz mit „Bro“ beginnen, immer so anstrengend extrovertiert tun, in neon ausgeleuchteten Barbershops abhängen. Ein mühsames Leben. Andererseits die Frauen! Wenn im Gespräch „Linsen“ fällt, muss eine immer sagen „das ist eine wertvolle Proteinquelle!“ So müssen wir uns genderübergreifend voneinander erholen.

29.7.

Notierenswert: den ersten Tofu hingekriegt, der wirklich gut schmeckt. (Coala und ich laden zur Asia-Orgie, samt koreanischen Drogeneiern). In diesem Fall bin ich für eine Machtübernahme der Chinesen. Irre, wie schlecht man auswärts essen kann, siehe den Chinesen auf der Gimpelinsel.

30.7.

Beim Zusammensuchen unterhaltsamen Lebenskrimskramses muss ich feststellen, dass der Unterschied zwischen Normalbetrieb und Alltag selten ins Auge springt.

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Immer öfter vertippe ich mich beim ohnehin schon ungeschickten Handy-Nachrichten-Schreiben, weil das im Streitbereich zwischen linkem und rechtem Auge passiert.


31.7.

Fini verfällt angesichts ihrer „Geburtstagstorte“ (sauteures Nassfutter) in das jämmerlichste Fiepen. Bio-Gans ist ihr Crack. 

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Anton Bruckner ist heuer die Taylor Swift von Oberösterreich.

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Coala träumte es, dass alle wieder im Haus leben. Leider drang von oben viel Wasser ins Haus. Alle wiegen bedauernd ihre Häupter und sagen mitfühlend „Die oame Minki!“, statt mir zu helfen.

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