Lebenskrimskrams
im Juli 2024
1.7. Bad Aussee - Linz
Am
Bahnhof Hallstatt füllen Asiaten den Zug an, in Bad Ischl ist er
schon fast wieder leer. Zuerst drücken schwarze Wolken und Wände
herein, mit jedem Kilometer wird es freundlicher, aber ich will ja im
Dunklen bleiben wie eine Katze in der Schachtel. Während der Fahrt
lese ich „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“,
das habe ich fast zu gut getroffen.
In
Linz fremdle ich ein wenig, niemand erkennt mich, Frechheit! Dabei
werde ich jetzt vom ORF gefilmt, hallo! Aber bald schreibt mir K.,
worin ich denn so forsch ausgeschritten sei, sie habe mich belustigt
von der Bim aus beobachtet. Dann spaziert G. vorbei wie
ausgemacht.
Ohne
allzu großen Genierer sitze ich dann vor der Kamera und blättere im
eigenen Buch, dabei sitze ich als ehrenamtliches Austrofred-Fangirl
auf dem passenden Strandtuch. Ich tue so, als sei ich touristisch vom
Fach (beim Heimgehen gehe ich an der echten Linzer
Tourismuszuständigen vorbei). Am Ende kommt es mir ganz ok vor, dass
wir uns nicht im Salzkammergut getroffen haben, das ist auf der
Metaebene schon ein wenig abgefrühstückt.
***
Großes
Wiedersehen am Bad Ausseer Bahnhof, der Hund spürt die Tragweite meines
Ausflugs, der Mann lacht.
Der
Chinese auf der Gimpelinsel erfüllt alle Erwartungen, weil ich keine
hatte. Fast schon wieder ein Kulturgut, das fast schon wieder
erhaltenswert ist. So war das in den 1990ern, Kinder, so schmeckt
Glutamat, und das Zipfer gibt’s nur in der Flasche!
2.7.
Dem
Buttinger wird eine kleine Freude zuteil, als wir beim Spazieren vor
dem Gipsbruch gestoppt werden, es müsse gleich gesprengt werden.
Wir
machen uns die Waldhimbeeren gegenseitig mit Warnungen vor dem
Fuchsbandwurm madig, aber erst, als wir schon minutenlang gierig
geweidet haben.
Ein
deutsches Seniorenpaar macht mir unter dem Ressen die Freude, mich zu
fragen, ob ich von hier sei, und wie die Berge da drüben heißen.
„Oh Gott, don't get her started!“ denkt der Buttinger sehr laut,
ich lege los! „Jetzt spürst du die Freude, die uns das
Mansplaining bereitet“, sagt er dann, nachdem ich die beiden halb
bewusstlos informiert habe.
Später
frage ich den Wirt vom Mostbauern, ob er von hier auch öfter
Steinadler über den Bruderkogeln sehe. „Zum Umischaun hob i koa
Zeid!“
Die
beiden Fährmänner (da teuerste Verkehrsmittel weit und breit hier)
sind auffallend gut gelaunt. Der Junge erlaubt uns zur eigenen Freude über
seine Großzügigkeit, Fini auch ohne Maulkorb mitzunehmen. Er mag
sich gar nicht von uns zu trennen, muss aber doch weg, um in
Doppelconfèrance die wichtigsten Zahlen, Daten & Fakten über
den Grundlsee ins Mikro zu lallen (ich übertreibe ziemlich).
***
Wir
sehen der Herrennationalmannschaft beim Ausscheiden zu (also Fußball,
nicht WC), kurz kommen Emotionen auf, aber das Alter weiß schon,
dass morgen alles wieder wurscht ist.
3.7.
Riesenskandal: Der Kaiser-Franz-Josefsdarsteller von Bad Ischl ist in Wahrheit
Luxemburger.
Buttinger
lässt sich beim Buttinger das Haar machen und nimmt die „Alpenpost“
mit. Ein Füllhorn an lokaler Information, da steht drin, was der
Maurer ausgelassen hat. Angeblich wird es bis Australien verschickt.
Ich bin ganz ohne großen Sarkasmus begeistert, weil man nach dem
Lesen ALLES weiß. Unschön von mir, wie lustig ich es finde, dass der
Verbandsoberschützenmeister ziemlich schielt.
Dann
auf Knödel und Psychologie zum Veit. Der Wirt erläutert, dass
es überall Trottel auch gebe.
„Einem Jammerer musst du was nehmen, einem Prahler was geben.“
4.7.
Endlich
die erste Wanderung! Und wieder etwas Neues gefunden. Wieder mit dem
Hund auf den Hundskogel. Mein Eintrag im Gipfelbuch vor ziemlich
genau zwei Jahren liegt nur sechs beschriebene Seiten zurück.
Am
Fuße des Klammkogels erschrickt der Fuß über einer Höllenotter,
ich bitte reflexartig um Entschuldigung für die Störung hier auf
dem schmalen Steig und bin erleichtert, dass sie und der Hund
einander gar nicht wahrgenommen haben.
***
Nach
dem Trinken mit X. und F. wissen wir wirklich alles: nie am
Samstag zum Ausseer Kirtag, da brunzen die Wiener Nepo-Babys den
Musikanten in die Instrumente. Schießen darf man hier am Grundlsee
ausschließlich in der Tracht, und man sollte nicht zu gut treffen, um die Eingeborenen nicht zu vergrämen. Bei der Siegerehrung heißt es immer noch "Kommen wir nun zur Königsklasse!" wenn die Herren prämiert werden, auch wenn X. das Gesamtding beinahe gewonnen hätte.
F.s Vater versorgt die lokale Vogelwelt so umsichtig, das die Spatzen adipös geworden sind und die Enten in der
Nebensaison mehrspurig zum Büffet watscheln.
5.7.
Ambitioniert
um 6:25 Uhr aufgestanden, aber zurück ins Bett. Am Vormittag
heftiges Bedauern über die Fehlentscheidung. Bin ich heikel
geworden?! (Heute, 17.1., halte ich mich für verzogen und heikel!).
In der Mittagshitze dann ein hektischer Kompensationsmarsch, eine
Holzwegrecherche.
6.7.
Die
Schrift erfüllt, was das Abhängen im Murboden betrifft.
Winzige
Fische springen vor dem Kajak auf wie längliche Wassertropfen mit
Eigenantrieb.
***
„Brave
New World“ zum ersten Mal gelesen: Man kann den Klassikern nicht mehr trauen. Jeder
Querdenker könnte ohne Mühe eine Bestätigung herauslesen. Mir
kommt es nicht mehr besonders zielführend vor, sich die Zivilisation
aus dem sündigen Leib zu peitschen und Senf zu trinken, um die
unchristlich-sexuellen Gedanken herauszuspeien; eine Sünde, die
natürlich von den Frauen in die Welt gesetzt wird. Hebt man sowas
auf? Nur so lange, wie „Dallas“ und „Dornenvögel“ noch im
Haus sind.
***
Die
Murmeltiere haben Junge! <3 Ein großes und die drei Kleinen
sitzen beim Fressen in der Futterkiste und graben sich ein. Ein
kleines beißt mich ein bisschen in den Finger.
***
Die Kulturhauptstadt wirft
ihre Tentakel aus. Der Bürgermeister tut so, als würde er uns
erkennen, wir brauchen umgekehrt einen zweiten, weil er keine Tracht
trägt. Das Konzert heute müsse man sich als „Soundscape“ vorstellen –
uns muss er eh nicht überzeugen, und wir wissen, dass er ein
Elektronik-Eklektiker ist.
Ich
trippe ein wenig hinten am Toplitzsee, auf einem Bier, einer
E-Hackbrett-Performance und den Wolken, die über uns ziehen. Auf dem
Weg zum Veit kommen wir an der Station vorbei, wo Geige und Flöte
trippen, es ist sehr kunstig. Beim Veit ist alles voll und durstig, was zu erwarten war, seit Monatenr. Als „Verstärkung“ hat man
sich den weltschlechtesten Kellner eingefangen. Er kann sich kaum
fortbewegen, seine Knie wirken wie aus käsigem Holz geschnitzt, ohne
jedes Spiel in den Knien. Deswegen bewegt er sich auch kaum fort und
verwickelt die Gäste in Smalltalk. Schließlich stakst er ins Haus –
wir sehen jetzt, dass hinten auf seinem T-Shirt „Ich hasse es, sexy zu sein, aber ich
bin eben Steirer“ steht - und kommt eine Weile später mit Eis für
die Kinder zurück, das ihnen die Eltern nicht kaufen wollten, weil
sie eh schon zwei bekommen hätten. Eigentlich sollte der sexy
Steirer Gläserschachteln bringen, der einzig tüchtige Kellner kommt
schimpfend daher, weil gar nichts klappt, er schimpft mit dem
gemütlich an der Sackkarre lehnenden Holzbein. „Wos hod a denn
firan Stress!“, murmelt der ihm nach. Langsam wie ein Gletscher setzt er sich in Bewegung.
„Des do hätt i ned braucht, i hätt ma dochd, de singan a poa
Gstanzln, wos hoid passt, owa so hätt' i aa in Graz bleibn kennan,
do gibt’s gnuag, de glaubn, dass des Musik is, wos de do mochn!“
Er kommt an uns vorbei, zum Glück bleibt er nicht stehen. Ein
Tropfen hängt von seiner Nase.
7.7.
Wild
geträumt von einer Show, die null geplant, aber im ORF übertragen
wird. Viel zu wenige Mikros, Ideen und Witze, dafür Elfie-Ott- und
Miram-Weichselbraun-Lookalikes. Es ist eine Art Moderations-Karaoke
als Steigerung des Powerpoint-Dings. Später
soll ich die Mutter irgendwo abholen, weiß aber nichts. Ich erreiche
den Vater und frage, ob sie nicht ein Handy bekommen sollte. Der
beruhigt mich am Telefon, sie warte ab 22 Uhr in Möllendorf. Danke,
Weißwein!
***
Bei
starkem Wind macht der See ein herrliches Brandungsgeräusch. Man
hört es, weil der kleine Sturm die Camper in ihre kleinen Höhlen
weht.
***
Der
Zirben-Spritz beim Staudnwirt wird mein neues Drogenproblem.
8.7.
Eingedenk
meiner Fehlentscheidung am 5. gehe ich heute zu Fleiß im Nebel los,
er lichtet sich auch auf dem Gipfel des Backensteins nicht, trotzdem
stapfe ich den Steig Richtung Osten. Irgendwann ahne ich, dass es die
Nebelgrenze zu schaffen ist – und wirklich: Euphorie auf dem
Häuslkogel. Gleich beißt mich die Sonne ins Genick und eine Ameise
in die Stirn.
***
Anrührende
ZEIT-Reportage über einen Superzuchtbullen mit absurdem Namen, der
der arme Ochse „Wolfi“ zur Erregung dient.
***
Beim
Kulturmontag kriege ich diesmal etliche Sätze über Urlaub im
Urlaub. Der Zug zum Hochdeutschen ist bei mir endgültig abgefahren.
9.7.
Jahrestag
am Altausseersee (absurdes Wort btw.), der Buttinger hat eine schöne
Wirtschaft gebucht. Aber eigentlich müsste man gleich wieder
umdrehen, wenn sich ein Lokal das Bier aussaufen lässt an so einem
Tag, noch dazu eins aus der Mateschitz-Erbmasse. Abgesehen davon ist
es schön.
Beim
Heimweg vollenden wir die Runde. Seit Daniel Craig den grantigen Mann
in der Schiffsanlegehütte abgeknallt hat, stehen wieder fröhliche
Schirme und Biergarnituren im Gras. Angenehm, dass es keine Anzeichen
für James-Bond-Tourismus gibt.
Im
Munk-Park verliebt sich eine Frau so schock in den Hund, dass sie zu
sich selbst leise sagt „einmal noch streicheln, dann muss ich
gehen!“ Zwei eingeborene Damen sitzen auf der Bank vor dem Friedhof
und loben den „braven Betriebsrat“.
Eine
Gedenktafel erinnert an den Ertrinkungstod einer Viehtreiberin am 17.
Oktober 1777, der der Herr „die ewige Ruhe und eine fröhliche
Auferstehung“ verleihen möge. Später lesen wir, dass es sich bei
den besonders lauten Rufe, die wir am Anfang des Weges gehört
hatten, tatsächlich um Hilferufe Jugendlicher gehandelt hatte, die
mit einer Plätte havariert waren.
10.
Juli
„Der
Neistoa? Der is lästig zan geh!“ sagt der Wirt, der mich erschöpft
daherschlapfen gesehen und nach dem heutigen Wanderziel gefragt hat.
Recht hat er. Elf Stunden haben ich mich geplagt, trotzdem bin ich
leicht unzufrieden, weil zu feig für neue Wege, die Direttissima am
Lahngangsee vorbei. Oder zu klug. Ich lege eine Liste an, mit dem
Titel „Projekte, wenn ich schon alles andere gegangen bin“.
***
Bauers
kommen an, noch ganz gezeichnet von der lästigen und plaghaften
Heimat im Norden. Biere und Kasnocken verschwinden restlos in uns.
11.7.
Touristen
angesichts des Sees: „Schau amoi, des is eigentlich a gaunz scheena
See!“ Erstaunlich, dass man sich in Zeiten fundamentaler
Googelbarkeit noch so überraschen lässt.
***
Dieser
Tage träumte mir, dass ich dem Vater anbieten wollte, dass er doch
eigentlich jetzt wieder bei mir einziehen könne.
***
In
der Nacht brummt ein Falter verzweifelt gegen das Fenster, will sich
aber nicht retten lassen. Endlich das Gewitter, das seit 36 Stunden
angekündigt wird.
12.7.
Seit
ich hier bin, tut sich in den Träumen mehr als am Tag. Das
Unterbewusstsein teilt den Eltern heuer viele Rollen zu, was
hoffentlich ein gutes Zeichen ist – auch wenn es zuweilen
anstrengend ist. Diese Nacht kam die Apokalypse als Feuerwalze daher,
ein Vulkan oder Meteoriten, egal. Fakt war, dass der Vater wieder
Vater wurde. Wir telefonieren uns angesichts der Bedrohung zusammen,
immerhin verlangt er, dass wir zuerst die Mutter retten.
13.7.
Schwere
Gesteinsbrocken donnern herab, es riecht nach Schwefel. Wir
verstecken uns hinter einem Baum (ich mich zusätzlich hinter dem
Buttinger), dann tun wir, als sei nichts gewesen und gehen weiter.
Die Herren wollen zum Igel geführt werden, also schleichen wir als
die OLW-Partisanen durch den Bergwald Richtung Ischler Alm. Den
Stalin im Schildkröten-Unterschlupf hätte ich persönlich im Jahr
2024 weggelassen.
Stöhnend
fallen die Herren auf das Gestühl der Blaa-Alm und bestellen
tüchtig. Halbwegs gesättigt gewährt uns René Einblicke in sein
Indiana-Jones-Tascherl, das er IMMER mit sich führt. Er trägt unter
anderem ein Sauerstoffmessgerät darin herum.
Es
folgt der tiefste Nachmittagsschlaf des Jahres.
***
Allmählich
muss ich mit dem Kongo-Buch fertig werden, es ist eine belastende
Angelegenheit (das gilt für die gesamte Kolonial-Aufarbeitung).
14.7.
Weil die Herren daydrinken,
um den Schmerz des Muskelkaters zu ertragen, bleibe ich nüchtern und
komme mir dabei auf die billigste Weise gut vor, weil ich ordentlich
bis zum Abendessen warte.
Das
EM-Finale plätschert dahin wie das Bier durch die Kehlen. Skurril,
wie viel globale Aufregung dabei entsteht.
15.7.
Das
Gastkar ist so einsam, dass auch die Tannenhäher auf ihre sonst so
beständigen Schergelschreie verzichten. Die Alpenvereins-App wird
blind an der Wildnisgrenze, auch Suunto kennt die Namen der Kare hier
nicht mehr. Es sind aber fast überall Steinmarkierungen, die
Eingeweihten haben also noch ein paar Geheimnisse bewahrt.
Heute
finden wir den Weg recht gut, es bleibt genug Zeit für einen kleinen
Schlaf, bevor wir auf den Hauptgipfel hinübersteigen. Das Gipfelbuch
beginnt 2018, die Seiten lassen sich schnell durchsehen (sehr rührend
die Erinnerung an eine innig vermisste Hündin, ich kann das jetzt
schon nachvollziehen, verrückt).
Das
Gefühl der Ausgesetztheit ist heute nicht so stark wie sonst. [17.
Jänner 2025: Es wird der schönste Tag des Jahres gewesen sein, und
damit kann ich nur zufrieden sein.]
16.7.
„Beklage
nie den frühen Morgengrauen
Der
Müh und Arbeit für uns gibt
Es
ist so schön zu sorgen
Für
Menschen die man liebt“
Unter
diesem Spruch frühstücken wir täglich. Überhaupt muss man die
ganzen Sticksprüche hier an den Wänden ignorieren, wen wollen sie
mahnen, die armen Erholungssuchenden im 21. Jahrhundert?
***
„Lektionen
der Wildnis“ war ein Alex-Glücksgriff, besonders schön ist es
wohl, weil ich noch so erfüllt bin von der Wildnis gestern oben auf
dem Plateau. Herrlich auch die Linguistik: Die gemeinsame
Proto-Indoeuropäische Wurzel von Bär, urs, Arktos etc. sei sein
„Rrrrr!“
17.7.
Die
Standesbeamtin nimmt freundlich mein Buch zur Aufbewahrung und fragt
dann, von wem sie dem Bürgermeister leicht schöne Grüße
ausrichten soll.
***
Die
Junior-Chefin erzählt vom Schwitzen der Waldgeister und Krampusse im
dicken Kostüm, ich sage, im Frack sei es genauso, das sei der Preis
gelebten Brauchtums. Sie nickt wissend, weil sie mich in der
Zwischenzeit gegoogelt hat.
Ein
erwähnenswerter Mittagsschlaf hilft, die schon aufkommende
Abschiedsmelancholie zu mildern.
18.7.
Am
Ende der Forststraße, auf dem Weg ins Erlenkar steht ein Auto, an
der Windschutzscheibe ein laminiertes Schild:
Öfter
als früher frage ich mich nun, wie lange ich so etwas noch machen
kann, der Mut und die Kondition werden nicht besser. Immerhin war ich
heute auf dem Siniweler und dem Breitwiesberg, und für die Zukunft
weiß ich, wie man es nicht
angeht hier herauf. Beim Aufstieg durch den Salzgraben ist völlig
klar, dass es bergauf geht, mit dem Rücken zum Abgrund – absteigen
könnte ich wohl, aber nur um den Preis leichter Panik.
Leichte
Panik dann im Latschengekröse, endlich die rettende Steindaube. Die
Zeit im Widerkar ist wieder zu kurz, aber sie wird nie lang genug
sein. Der Adler lässt sich heute nicht einmal aus der Ferne
anschauen.
19.7.
Dank
müder Füße gelingt ein guter Badetag.
***
Das
Körpergehirn der Kraken und die Philosophie der Leiblichkeit: Kraken
ist es bewusst, dass sie gefangen gehalten werden, und sie
protestieren. Etwa indem sie mit ungeliebtem Thunfisch das
Abflussrohr verstopfen oder mit gezielten Sipho-Güssen auf
Menschennacken oder Glühbirnen. Weil die Reparatur der Kurzschlüsse
zu teuer wird, entlässt man die listigen Wesen in ihre Freiheit.
***
Am
Abend versuche ich beim Veit den Dorfbäuerinnen das Matriarchat
nahezubringen, „oba des gibt’s do eh scho bei ins in Gessl!“
***
Im
Schein der Leselampen auf dem Balkon noch lange gemeinsam die Welt
gerettet.
***
Weißweintraum:
Nicht bloß der Verkehr wird auf Schiene verlegt, sondern die ganze
Welt. Es gibt in den Zügen eine Ebene für die Passagiere, ein
Luxusoberdeck und einen hohen Wald (in dem paramilitärische Übungen
abgehalten werden und in dem ich ein soeben geerbtes Gewehr
verliere). Schließlich gibt es in der mittleren Ebene ein
Oberösterreich, samt Nachbildung des grünen Festsaals des Landes
OÖ, in dem mir für mein einschlägiges Wirken im Kulturmontag eine
Ehrenmedaille überreicht werden soll. Ich bin auch schon fesch
adjustiert, mit Pullunder und schmaler Seidenkrawatte, aber dann
steige ich leichtfertig aus dm Zug und strande stattdessen im
rostigen Ennshafen →
20.7.
Gnädiges
Erwachen. Wer ist das, die so etwas in mir immerzu träumt?!
***
Ein
Landregen bringt die Camper in ihr Elend, Buttingers verschlafener
erster Blick am Morgen weidet sich daran.
***
Wieso
weiß eine Riesensepie, die obendrein farbenblind ist, wie sie sich
verfärben muss, um mit der Umgebung zu verschmelzen? Beim Lesen
bemerke ich, dass ich vielleicht zum ersten Mal im Leben von selbst
auf eine tatsächlich noch offene Forschungsfrage gekommen bin
(natürlich als 436564.). Es wird angenommen, dass sie mit der Haut
sehen, ohne zentrale Wahrnehmungsstelle.
21.7.
Reinhold
Messner wählt ein recht überraschendes Medium für die Klage über
den groben Undank seiner Erben – die Apotheken Rundschau (orf.on
berichtet).
22.7. Schönering
Wie
können drei Wochen einfach so mit einem Fingerschnipp vergehen!?
Wenigstens liegt noch ziemlich viel Sommer vor mir (was ich nur weiß,
nicht fühle), aber ab jetzt wird alles ein wenig blasser.
Im
Garten wuchert alles, nichts davon ist essbar.
23.7.
Wiedereintritt
in die Erdatmosphäre, die Schwerkraft des Alltags fasst mich hart
an. Es sind zwar nur 66 Emails, aber wie soll ich die jemals
beantworten, in mir sind keine Knochen und kein Wille. Wie kann ich
den Garten jäten, noch dazu, wo er mich nicht ernähren will?
Wenigstens kann ich jetzt wieder überall Chili reintun. Sonst aber
keine weiteren Probleme, nur der Keller ist ziemlich nass.
Heroischer
Kampf gegen den abendlichen Drang zum Alkohol. Buttinger rettet meine
Laune, indem er mir als Vorausgeschenk zum Geburtstag einen
Hochentaster schenkt, der aussieht, als könnte ich ihn zur nächsten
Leipziger Cosplay-Messe als Accessoir mitnehmen.
24.7.
In
fünf Monaten ist Weihnachten.
***
Wenig
überraschend bin ich doch nicht hochbegabt beim Gstanzlschreiben.
25.7.
Kein
Wunder, dass der Garten meine Ernährung nicht sichert, ich bin
einfach dumm und habe alles durcheinandergebracht, sodass statt des
Kürbis im Dreischwesternbeet eine arme Gurke verdurstet, mit einer
jämmerlichen Frucht. Der Kürbis stattdessen... ach, lassen wir das.
***
Es
sollte mir aus aktuellem Anlass was Kluges zu Kamala Harris
einfallen, aber wie immer überkommt mich beim Einfühlen in das
politische Leben ein Grauen, weil diese Menschen bei jedem
Hundsderschlagen dabei sein wollen und keinen Wert auf ein
angemessenes Privatleben haben.
***
In
der zweiten Nacht ohne Alkohol sind die Träume wieder still
geworden.
***
Life
hacks
zum Erhalt der mental
health:
Verena Schöpfers Abmoderation möglichst oft anhören. Ein Vogelhaus
ans Fenster kleben. Strickjackenlöcher patschert flicken. Generell:
heimliche Liebes- und Reparaturdienste an Gesellschaft und Eigentum.
***
Sandra
Bullock, die heute 60 wird, ist von ihrem früheren Gatten mehrfach
betrogen worden. Den Männern ist auf dieser Erde nicht zu helfen.
26.7.
Aigen im Ennstal
Mit
den Dolomitendamen wandern. Neben diesen ordentlichen Frauen wirke ich zwar
wieder einmal wie eine verfressene Alkoholikerin, ansonsten aber
keine Beschwerden, im Gegenteil.
Simone
hat eine harte Kritik am Roman: Ihr denkwürdiges „I stich di o in
da Nocht!“ kommt nicht vor (stattdessen Theresias „Die Männer
schauen im Schlaf aus wie Welpen, damit wir sie nicht derschlagen.“)
27.7.
Es
ist nur anstrengend auf das Gumpeneck, weil wir pausenlos schnattern,
es ist einfach die Gegenbewegung zu meinen einsamen Wegen im Karst.
Hier südlich der Enns wächst das Gras auch noch auf 2200 Metern,
wir jausnen im Schafsdreck. Endlich finden die Augen nach Hause und
bleiben am Reichenstein hängen.
Im
Freibad führe ich mich dann auf wie ein Halbstarker, Arschbomben vom
3-Meter-Turm, Schwimmrennen, Kraftmeierei. Wir lungern auf den
Badetüchern und ich frage mich, wie viel besser meine Jugend gewesen
wäre, hätte ich da schon solche Freundinnen gehabt.
Wie
kann man im Sommer nicht das Größte im Jahr sehen?
28.7.
Ganz
Wien riecht wie ein Axe-Deodorant („nice wie ein Parfüm“),
süßlich, nach paarungsbereitem Jüngling.
Es
ist das Glück der Männer, dass sie nicht immer so sein müssen, wie
sie voreinander glauben, sich aufführen zu müssen. Immer die Beine
spreizen, jeden Halbsatz mit „Bro“ beginnen, immer so anstrengend
extrovertiert tun, in neon ausgeleuchteten Barbershops abhängen. Ein
mühsames Leben. Andererseits die Frauen! Wenn im Gespräch „Linsen“
fällt, muss eine immer sagen „das ist eine wertvolle
Proteinquelle!“ So müssen wir uns genderübergreifend voneinander
erholen.
29.7.
Notierenswert:
den ersten Tofu hingekriegt, der wirklich gut schmeckt. (Coala und
ich laden zur Asia-Orgie, samt koreanischen Drogeneiern). In diesem
Fall bin ich für eine Machtübernahme der Chinesen. Irre, wie
schlecht man auswärts essen kann, siehe den Chinesen auf der
Gimpelinsel.
30.7.
Beim
Zusammensuchen unterhaltsamen Lebenskrimskramses muss ich
feststellen, dass der Unterschied zwischen Normalbetrieb und Alltag
selten ins Auge springt.
***
Immer
öfter vertippe ich mich beim ohnehin schon ungeschickten
Handy-Nachrichten-Schreiben, weil das im Streitbereich zwischen
linkem und rechtem Auge passiert.
31.7.
Fini
verfällt angesichts ihrer „Geburtstagstorte“ (sauteures
Nassfutter) in das jämmerlichste Fiepen. Bio-Gans ist ihr Crack.
***
Anton
Bruckner ist heuer die Taylor Swift von Oberösterreich.
***
Coala
träumte es, dass alle wieder im Haus leben. Leider drang von oben
viel Wasser ins Haus. Alle wiegen bedauernd ihre Häupter und sagen
mitfühlend „Die oame Minki!“, statt mir zu helfen.