Montag, April 25, 2005

Neoliberale Gesellschaft ohne Arbeit? Ein Beitrag zum Tag der Haushaltsgeräte

Mit der Erkenntnis, dass die postindustrielle Gesellschaft enormen Veränderungen unterworfen ist, wird die Forscherin nicht mehr auf die Verleihung des Soziologie-Nobelpreises hoffen dürfen. Und auch mit der, dass diese Umwälzungen ganz besonders die Arbeitswelt betreffen, ist heutzutage noch keine güldene Waschmaschine zu lukrieren. Es gilt als Konsens, dass der Gesellschaft die Arbeit, insbesondere die schwere manuelle, ausgeht: Der primäre und sekundäre Sektor werden vom tertiären Dienstleistungssektor gnadenlos geschluckt.



Noch sind sie fröhlich - aber was passiert mit diesen VertreterInnen des primären Sektors? Foto: Coala

Wie aber wird es weitergehen mit der Arbeit? Müssen wir alle, insbesondere die Bauern oder Stahlarbeiterinnen, in Zukunft in Werbeagenturen, Umfrageinstituten oder Soziologiekanzleien "arbeiten"? Wird es der Gesellschaft gelingen, sich vom Fetisch "Lohnarbeit" zu verabschieden?



Die Altbäuerin - vom Aussterben bedroht? Foto: Coala


Ich leite schon seit bald einem Jahr eine Expertengruppe, die sich im Auftrag der Bundesregierung diesen und anderen Fragen widmet. Es ist nun an der Zeit, erste Erkenntnisse zu präsentieren.
Mein Forschungsansatz war, eine Familie klassischer Prägung bei den alltäglichen Verrichtungen zu beobachten.


Arbeitsfeldforschung. Foto: Coala


Dabei fiel eines auf: Der tagsüber eher geistig arbeitende Vater empfand des Abends oder am Wochenende den starken Drang, sein aus einer Mühlviertler Kleinhäusler-Bauernfamilie stammendes schlechtes Gewissen durch übertrieben "männliche" Schwerarbeit (Gartenumstechen, Holzbetreuung, Biertrinken) zu mildern. Die Mutter nun war aber den ganzen Tag über manuell im Haushalt zu Gange und beschränkt sich ganz gerne mal auf die Rettung von Regenwürmern und das Blütenarrangement.



Der Mann widmet sich der Krume, die Frau der Blume. Foto: Coala



Am Thema Arbeit entzündet sich der Generationenkonflikt jeden Tag aufs Neue. Die heutigen Mittzwanziger sind wohl diejenigen, denen die Sinnlosigkeit menschlichen Tuns erstmals im vollen Umfang zu Bewusstsein gekommen ist. Sie leiden deswegen an einer Quarter-Life-Crisis (lesen Sie dazu später mehr). Ein Vater einer derart Leidenden berichtet, er habe seine Tochter einmal im Winter zur Holzarbeit mit in den Wald genommen. Dort habe sie zuerst noch leis summend gespielt, dann aber, nach einiger Zeit, sei sie heulend auf einem Stein gesessen.

V: Minki, wieso weinst du denn?

M: Weil mir sooooo kalt ist!

P: Dann arbeite was, damit dir warm wird!

M: ... dann wein ich lieber.


Mehr kann man zum Thema "Generationenkonflikt durch Arbeitsauffassung" nicht sagen.

Dies sind nur die ersten vorläufigen Ergebnisse. Ich erlaube mir zum Abschluss noch den Ausblick auf die Zukunft der geistigen Arbeit; eine hier besonders relevante Frage ist folgende: Kann sich die Geisteswissenschaft nur mehr in Form von Kabarett oder satirischen Weblogtexten entfalten? Papers zu diesem Thema werden ab jetzt angenommen und an dieser Stelle veröffentlicht.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Doch auch bei den "Midzwanzigern", von Soziologen gerne auch als "SemiTwens" bezeichnet, können heutzutage derartige Phänomene beobachtet werden. Früher saß man nach der Schule bei den Hausaufgaben und nervte nach Erledigung dieser die holden Mütter mit "Darf ich bitte raus gehen, spielen?". Dies änderte gegen Ende der Schulzeit in ein "Scheiß auf die Aufgaben, ich sauf mich lieber an". Während des Studiums hielt diese Einstellung dann in den Monaten Okt. - Mitte Jänner und März - Mitte Juni an. Jänner und Juni verbrachte man die holde Freizeit mit der Lernerei und Flüchen über dieselbe. Ausnahmsweise genemigte man sich vielleicht dann und wann ein Bierdschi (oder ein Weindi) - oder auch zwei.
Doch wie ist es mit denen, die jetzt in ihrem noch neuen Arbeitsleben stehen? Vermehrt ist zu beobachten, dass diese sich nun ebenfalls dem "Ausgleich" der Gartenarbeit widmen. Sie bebauen sinnlose Gemüsebeet (weil der Ertrag entspricht nicht annähernd dem, was man am Südbahnhofmarkt oder beim Spar kaufen kann), jäten Unkraut und freuen sich "wia a Nockata", wenn sie die ersten Radieschen ernten können.
Conclusio: "Fria häts des ois net gebm" - da wurde noch mit den Händen gearbeitet, man wurde schmutzig, doch am Abend konnte man entspannt auf einen Tag zurückblicken, an dem man etwas geschaffen hatte! WIR MÜSSEN DIE LANDWIRTSCHAFT RETTEN, DER MENSCH MUSS WIEDER ZURÜCK ZUR HANDARBEIT UND DARF SICH NICHT MEHR MIT REINER "KOPFARBEIT" BEGNÜGEN

Anonym hat gesagt…

Also ich als Soziologe, muss sagen, Minki du hast mir einen ganz neuen Zugang zur Feldforschung aufgetan.
Ich danke dir für diesen fächerübergreifenden Denkanstoß!

Dominika Meindl hat gesagt…

Werte Frau Anonymus!
Danke für die recht adäquate Beschreibung eines Phänomens, dem ich mich schon seit längerem forschend widme: Der Quarter-Life-Crisis. Garteln statt Saufen - das ist das Nummer-Eins-Symptom dieser bis dato kaum beforschten hübschen kleinen Krise. Schön dazu passt auch die leichte Melancholie bei Betrachtung der guten alten Zeiten, in denen ein junger Mensch noch haufenweis sozial anerkannte Arbeit zu erledigen fand. Ich will es an dieser Stelle mit diesen skizzenhaften Notizen bewenden lassen, freuen Sie sich aber auf eine eingehender Darbreitung im Zuge meines Vortrages am 11. Juni.
Mit kollegialen Grüßen:
Minki Stinki