Als
mich der Sprecher der Akademie an diesem Oktoberdonnerstag anrief, um mir den Nobelpreis für Literatur zuzusprechen, ließ ich den Hammer fallen. Nun sind sie völlig
verrückt geworden, dachte ich, damit ist der Preis endgültig
ruiniert. Ich brachte nur ein wortloses Gurgeln heraus, das man in
Stockholm für ein Zeichen der Rührung hielt.
Ich
stieg benommen vom Dach meines Baumhauses, das in seinem siebten Jahr
wieder angefangen hatte, mein Bett zu nässen; ein schwerer Landregen
hatte die größte Leistung meiner Dichtkunst zunichte gemacht.
Alles ließ ich nun liegen und stehen, die Planen, die Dachpappe, die
Dichtmasse. Vor dem Gartentor hatte sich bereits eine gewaltige
Pressetraube gebildet, die Fotografen hielten eifrig auf meinen Hund,
der schon wieder in den Vorgarten schiss, obwohl ich doch in der Früh
mit ihm äußerln gewesen war. Ich hielt inne, dachte über das
kostbare Wort „äußerln“ nach, ist
nicht alles Sprechen ein Versuch, das Innere zu äußerln,
da schrien mich die Journalisten gierig an, sie forderten Reaktionen
und Reaktionen von mir, keiner von ihnen rief mir entgegen, dass er
schon ein Buch von mir gelesen habe. Gut, beide sind vergriffen, aber
dafür hatte das Dach drei Jahre lang dicht gehalten.
„Ich
bin nicht hier für des Hundes Scheißdreck!“ rief ich. Im Zustand
äußerster Entfremdung lief ich ins Haus, sperrte die Tür zu und
wählte mit zitternden Fingern die Nummer des einzigen Menschen, der
wusste, wie es mir jetzt ging. Doch Peter Handke hob nicht ab,
typisch für diesen Bewohner des Elfenbeinturms in der Niemandsbucht!
Er genoss das Exil, das ich ihm damals empfohlen hatte, zwecks
Reparatur seines Images. „Zieh auch nach Schönering!“, sagte ich
ihm nach seinem Auftritt als Gast bei der Lesebühne, „zieh in mein
Dorf, keine Sau interessiert sich dort für seine Dichter! Einmal im
Jahr, Peter, lese ich im Pfarrheim für die Senioren, alle fünf
Jahre zum Frauentag für die SPÖ-Damen, das war's! Eine heilige
Ruhe!“ Tatsächlich konnte sich Handke der Öffentlichkeit hier, am
Ostrand des Eferdinger Beckens, in unsere Oase der Poesielosigkeit
retten. Ja, es war eine Rettung, seit zwei Jahren lebt er wunschlos
glücklich in einem Vierkanter und sucht den lieben langen Tag
Vogelfedern und Tintenröhrlinge im Kürnbergerwald. Will dem
scheinbar verwirrten Großliteraten ein freundlicher Jogger den Weg
zurück durch die Borkenkäferschneisen zeigen, sagt Handke „Ich
komme Edramsberg her, von Schönering, von Wilhering“, und alles
ist gut.

Verlassen
wie ein Kind im Grenzland lief ich durchs Haus, und leider, leider
verfiel ich auf die Idee, ins Internet zu schauen. Keine Stunde war
mein Nobelpreis alt, schon wurde meine gesamte Vita an die
Öffentlichkeit gezerrt wie eine Picknickdecke, an der ein Rudel
Paviane reißt. Mein Deutschlehrer erzählte lachend von meinem
Faible für Guns N' Roses samt Fransenlederjacke, und dass meine
Aufsätze damals eher lieb als gut gewesen seien; meine Schwester gab
bei Barbara Stöckl preis, dass ich mir als Kind über Nacht ein
Plastikdraculagebiss um 5 Schilling in den Mund gesteckt habe, um
meinen Überbiss zu korrigieren. Auf ORF 3 machten sich Daniela
Strigl und Klaus Nüchtern über die Rechtschreibfehler in der „Sau“
lustig, Nüchtern erzählte, dass ich zur Not auch Stiegl trinke. Und
in der Mittags-ZiB plauderte Christian Wehrschütz über meine
Freundschaft mit Kim Jong Un, Fotos von einem Begräbnis wurden
eingeblendet. Ich geriet in Zorn, die Verwandtschaft kann man sich
halt nicht aussuchen!
Da
läutete es Sturm an der Tür, ich riss sie auf und sah
Landeshauptmann Stelzer auf der Dacke, neben ihm strahlte
Bürgermeister Mario Mühlböck. Sie klopften mir links und rechts
auf die Schulter, der „Ortskaiser“ überreichte mir ein Bild vom
Stift Wilhering, der „Landesvater“ eine Pfeffermühle aus
Leondinger Fichtenholz. Da senkte sich mein Blutdruck, und ich
richtete das Wort an die beiden. „Ich fühle mich losgebunden vom
Pfahl des eigenen Ich!“ Wir umarmten einander.
So
sah ich nicht, wie die Pressetraube heranwanzte. Jemand tippte mir
auf die Schulter. Armin Wolf! „Frau Meindl, Peter Handke sagt über
Sie, dass zwar ihre Literatur großartig sei, aber Ihre Dichtkunst
nicht, denn es regne schon wieder in Ihr Baumhaus!“ Ich war wie vom
Blitz getroffen. „Verschwinden Sie!“, schrie ich, „und stellen
Sie mir nicht solche Fragen! Ich stamme von Handwerkern ab, von
Wegmachern, von Schneidern her! Von keinem Menschen hör' ich, dass
er sagt, der Rasen ist aber schön geschnitten, und wie der Zuckerhut
in Ihrem Hochbeet gedeiht, alle fragen nur wie Sie!“
Ich
schlug, das muss ich zugeben, dem frechen Wolf mit der Pfeffermühle
ein bisschen auf den Kopf, dann zog ich Stelzer und Mühlböck in
mein Haus und sperrte die Weltpresse aus. Um unsere Stimmung zu
reparieren, bot ich den Gästen selbstgebackene Hanfkekse an. Bald
lagen wir kichernd auf der Soff, der Hund eingerollt und furzend zu
unseren Füßen, und am Ende wurde es doch noch ein gemütlicher
Nachmittag. Dem Handke, diesem geschwätzigen Arschloch, habe ich
seither nie mehr beim Winterreifenwechseln geholfen.