Mittwoch, Oktober 29, 2025

Bird Watchlist 2026

 

On the wrong side of the 40ies wetteifern mehrere Torheiten um die Freizeit des Menschen bzw. Mannes. Gravelbikefahren, Vintagerennradrestauration, Craftbierbrauen, Baristakaffeesnobismus, Tenkara-Fliegenfischen. Sie eint der Drang, unfassbar viel Geld auszugeben und unfassbar viel darüber erzählen zu wollen. Noch am sympathischsten ist das Birdwatching, also das Vogel-Spechteln. „Schau, ein Wintergoldhähnchen im Prachtkleid!“ „Oh, die Birkhenne kirrt den Hahn in ihre Huderpfanne!“ Diese gefiederten Freunde möchte ich 2026 watchen:

1. Dodo, Greif, Roch oder Phönix (das wär' ein Hallo am Birder-Stammtisch!)

2. Den zahmen Spatzen, der täglich zur gleichen Zeit auf die Hand meines Wahl-Großvaters flog und sich füttern ließ

3. Die Rückkehr der Feldlerchenpopulation vor dem Beginn der industriellen Landwirtschaft

4. Den Sturzflug des PatriArchaeopterix

5. Die Gans Martin aus Nils Holgersson, skandinavischer Sympathieträger

6. Jürgen Vogel, ist vielleicht ein guter Typ

7. Dschungelzwergfischer (auf "Iratebirds" als weltschönster Vogel gerankt)

8. Haubenmeise (ein Vogel wie ich, mit Mittagsschlaffrisur)

9. Der Steinadler auf dem Gipfel des Bruderkogels am Grundlsee

4. Papageno und Papagena bzw. sämtliche Vogelfänger des Salzkammergutes, denen ich in einem amtlichen Normverdeutlichungsgespräch darlege, dass man die armen Vogerl bitte nicht mit einer Leimrute fesselt und sie dann den ganzen Winter in sein Stinkestübchen sperrt, während man selbst in Thailand überwintert, nur zur Gaudi, wenn die Vögel frei über die Wälder des Toten Gebirges fliegen könnten, wenn sie schon bei uns bleiben, weil das ist eine Standorttreue, die ihnen wir garstigen Menschen einmal nachmachen sollten, scheiß auf dein deppertes Brauchtum, aber echt.

Dienstag, Oktober 07, 2025

Der Pilznarr. Gerechtigkeit für Schönering

Als mich der Sprecher der Akademie an diesem Oktoberdonnerstag anrief, um mir den Nobelpreis für Literatur zuzusprechen, ließ ich den Hammer fallen. Nun sind sie völlig verrückt geworden, dachte ich, damit ist der Preis endgültig ruiniert. Ich brachte nur ein wortloses Gurgeln heraus, das man in Stockholm für ein Zeichen der Rührung hielt.

Ich stieg benommen vom Dach meines Baumhauses, das in seinem siebten Jahr wieder angefangen hatte, mein Bett zu nässen; ein schwerer Landregen hatte die größte Leistung meiner Dichtkunst zunichte gemacht. Alles ließ ich nun liegen und stehen, die Planen, die Dachpappe, die Dichtmasse. Vor dem Gartentor hatte sich bereits eine gewaltige Pressetraube gebildet, die Fotografen hielten eifrig auf meinen Hund, der schon wieder in den Vorgarten schiss, obwohl ich doch in der Früh mit ihm äußerln gewesen war. Ich hielt inne, dachte über das kostbare Wort „äußerln“ nach, ist nicht alles Sprechen ein Versuch, das Innere zu äußerln, da schrien mich die Journalisten gierig an, sie forderten Reaktionen und Reaktionen von mir, keiner von ihnen rief mir entgegen, dass er schon ein Buch von mir gelesen habe. Gut, beide sind vergriffen, aber dafür hatte das Dach drei Jahre lang dicht gehalten.

Ich bin nicht hier für des Hundes Scheißdreck!“ rief ich. Im Zustand äußerster Entfremdung lief ich ins Haus, sperrte die Tür zu und wählte mit zitternden Fingern die Nummer des einzigen Menschen, der wusste, wie es mir jetzt ging. Doch Peter Handke hob nicht ab, typisch für diesen Bewohner des Elfenbeinturms in der Niemandsbucht! Er genoss das Exil, das ich ihm damals empfohlen hatte, zwecks Reparatur seines Images. „Zieh auch nach Schönering!“, sagte ich ihm nach seinem Auftritt als Gast bei der Lesebühne, „zieh in mein Dorf, keine Sau interessiert sich dort für seine Dichter! Einmal im Jahr, Peter, lese ich im Pfarrheim für die Senioren, alle fünf Jahre zum Frauentag für die SPÖ-Damen, das war's! Eine heilige Ruhe!“ Tatsächlich konnte sich Handke der Öffentlichkeit hier, am Ostrand des Eferdinger Beckens, in unsere Oase der Poesielosigkeit retten. Ja, es war eine Rettung, seit zwei Jahren lebt er wunschlos glücklich in einem Vierkanter und sucht den lieben langen Tag Vogelfedern und Tintenröhrlinge im Kürnbergerwald. Will dem scheinbar verwirrten Großliteraten ein freundlicher Jogger den Weg zurück durch die Borkenkäferschneisen zeigen, sagt Handke „Ich komme Edramsberg her, von Schönering, von Wilhering“, und alles ist gut. 

 

Verlassen wie ein Kind im Grenzland lief ich durchs Haus, und leider, leider verfiel ich auf die Idee, ins Internet zu schauen. Keine Stunde war mein Nobelpreis alt, schon wurde meine gesamte Vita an die Öffentlichkeit gezerrt wie eine Picknickdecke, an der ein Rudel Paviane reißt. Mein Deutschlehrer erzählte lachend von meinem Faible für Guns N' Roses samt Fransenlederjacke, und dass meine Aufsätze damals eher lieb als gut gewesen seien; meine Schwester gab bei Barbara Stöckl preis, dass ich mir als Kind über Nacht ein Plastikdraculagebiss um 5 Schilling in den Mund gesteckt habe, um meinen Überbiss zu korrigieren. Auf ORF 3 machten sich Daniela Strigl und Klaus Nüchtern über die Rechtschreibfehler in der „Sau“ lustig, Nüchtern erzählte, dass ich zur Not auch Stiegl trinke. Und in der Mittags-ZiB plauderte Christian Wehrschütz über meine Freundschaft mit Kim Jong Un, Fotos von einem Begräbnis wurden eingeblendet. Ich geriet in Zorn, die Verwandtschaft kann man sich halt nicht aussuchen!

Da läutete es Sturm an der Tür, ich riss sie auf und sah Landeshauptmann Stelzer auf der Dacke, neben ihm strahlte Bürgermeister Mario Mühlböck. Sie klopften mir links und rechts auf die Schulter, der „Ortskaiser“ überreichte mir ein Bild vom Stift Wilhering, der „Landesvater“ eine Pfeffermühle aus Leondinger Fichtenholz. Da senkte sich mein Blutdruck, und ich richtete das Wort an die beiden. „Ich fühle mich losgebunden vom Pfahl des eigenen Ich!“ Wir umarmten einander.

So sah ich nicht, wie die Pressetraube heranwanzte. Jemand tippte mir auf die Schulter. Armin Wolf! „Frau Meindl, Peter Handke sagt über Sie, dass zwar ihre Literatur großartig sei, aber Ihre Dichtkunst nicht, denn es regne schon wieder in Ihr Baumhaus!“ Ich war wie vom Blitz getroffen. „Verschwinden Sie!“, schrie ich, „und stellen Sie mir nicht solche Fragen! Ich stamme von Handwerkern ab, von Wegmachern, von Schneidern her! Von keinem Menschen hör' ich, dass er sagt, der Rasen ist aber schön geschnitten, und wie der Zuckerhut in Ihrem Hochbeet gedeiht, alle fragen nur wie Sie!“

Ich schlug, das muss ich zugeben, dem frechen Wolf mit der Pfeffermühle ein bisschen auf den Kopf, dann zog ich Stelzer und Mühlböck in mein Haus und sperrte die Weltpresse aus. Um unsere Stimmung zu reparieren, bot ich den Gästen selbstgebackene Hanfkekse an. Bald lagen wir kichernd auf der Soff, der Hund eingerollt und furzend zu unseren Füßen, und am Ende wurde es doch noch ein gemütlicher Nachmittag. Dem Handke, diesem geschwätzigen Arschloch, habe ich seither nie mehr beim Winterreifenwechseln geholfen.