Lebenskrimskrams
im Dezember 2024
2.12.
Auf
der Hohen Nock, zum Antritt der Strohwitwenschaft. Auf der Couch dann
Blödfernsehen, Orgien der Unwahrscheinlichkeit.
3.12.
Der
Hund würdigt den kalten, nassen Garten bis 12:30 Uhr keines Blickes.
Blödgewandertes Tier
***
Die Anti-orf.on-Kampagne der OÖN macht mich unrund. Warum
so viel mehr Energie gegen den ORF seitens der strauchelnden Printmedien
als gegenüber den ganzen Datenkrakenmedien, die an ihnen saugen?
***
Nur
ein Termin (und das Massage). Der Tag verlodert wie Zeitungspapier im
Feuer des Kachelofens.
Hängen
geblieben beim Versuch, nur schnell zu schauen, ob auf allen vier
„Sponsion '04“-DVDs dasselbe drauf ist. Mir selbst beim
Grimassieren zusehen zu müssen ist unangenehm, aber da kommt der
Vater ins Bild, zwei Jahre jünger als Klaus jetzt. Ich fasse unter
das Pult und hebe Flo hervor, der gerade zwei ist. Später hält der
Vater eine seiner lustigen Reden – am Nebentisch sitzen Mama und
Oma, ich selbst zwischen zwei einst extrem guten Freundinnen, die mich heute nicht mehr mögen.
In
den vergangenen 20 Jahren war viel Zeit für Verluste, was man ungern
vor Augen gehalten bekommt. Ich beginne zu ahnen, was das für die
späteren Jahre bedeutet, wenn dich allmählich das Gefühl
beschleicht, dass alle schon tot sind. Es ist banal und trotzdem
schwer.
Dann
noch eine DVD über das Festival der Regionen 2013, da sitzt Bodo
Hell mit uns auf der Bühne.
4.12.
Kurzfristige
Wut-Attacke angesichts des Überbordens meiner Admin-Tätigkeiten,
zum Glück bewahre ich nach außen hin die Fassung. Und nach fünf
Minuten mit den sehr lieben AI-Gstanzl-Damen + Flip kehrt mein Glaube an das
Gute und den Sinn meiner Arbeit zurück. Denn:
Aufnahmen
im Texta-Studio – vor 15 Jahren wäre ich nach einer Prophezeiung
ausgeFLIPt (pun intended), aber nachdem ich die Realität
mittlerweile besser kenne, weiß ich, wie wenig ich hier rhythmisch
anzubieten habe („Wos mochsd du do?“ fragt Herr Kroll freundlich
nach meinem Versuch, zu paschen).
Foto: Christian Biemann
5.12.
Die
Sonne ist besonders im Dezember extrem willkommen, aber muss sie mir
nach so langem Warten gleich uncharmant die Verstaubtheit des
Wohnzimmers vor Augen halten?! #zuehrlichegaeste
***
Karriere-Highlight:
statt dem LH die Landesgartenschau eröffnen (er macht's eh, aber er
kann nur einen Tag vorher). [Nachtrag Mai: Nein, eher kein
Karriere-Highlight.]
***
Wie
erstaunlich die Lebensverbesserung, nachdem ich Fini gezwungen habe,
mir ihre Wurfobjekte in die Hand zu geben (was ihr extrem viel
Disziplin abverlangt, wie ein Junkie, der vor dem Schuss 20
Liegestütz machen muss).
6.12.
Jeden
Morgen müsste ich mit mir selbst eine Zielvereinbarung treffen.
***
Ein
Landregen, schwer wie Blei, hoffentlich bindet er mich ans Büro wie
eine dieser schweren Beruhigungsdecken.
***
Erst
jetzt ist das Video vom Pataphysischen Orchester fertig geworden –
es wirkt, als schmeichle ich mich innig an die Geige, um mein
Versagen durch Zärtlichkeit zu entschuldigen, gleichzeitig versuche
ich alles durch mühsam unterdrückte Kraftanwendung auszugleichen.
***
Buttinger,
Bier, Singapur (Nr. 65, bitte), heute-Show #bliss
7.12.
Mit
Coala über das Warenangebot der Metro spotten: Was ist ein
Chafing-Automat, warum kosten beleuchtbare Spatzen so viel, wer kauft 500 Nieten? Zur
Strafe wird uns der Whiskey doppelt verrechnet, wir müssen beim
nächsten Besuch eine Flasche stehlen.
9.12.
INNSBRUCK
Im
Zug tippen fühlt sich immer noch so an wie Büro spielen.
Die Landschaft ist in einer Vegetationsphase gefangen, die darum
bettelt, endlich vom Schnee überdeckt zu werden.
In
der Wagnerschen Buchhandlung ist eine Auslage mit den Bergbüchern
und dem meinen geschmückt. An sowas möchte ich mich noch lange
nicht gewöhnen. Wie auch an diesen Wellnesstag im Hotel.
Notierenswert: aus eigenem Antrieb in die Sauna gegangen, weil „Dress
on“. Die Faszination Sauna erschließt sich mir nicht, man kann weder lesen noch jausnen drin, außerdem ist es sehr heiß.
Das
literarische Hausquartett hat zwar im Vorhinein viel Arbeit gemacht
(Geiger und Müller-Wieland lesen), aber jetzt sehr viel Freude.
Nachher bekennen Andrea Wieser und Reinhard Sila, dass sie ein
permanentes kleines Schuldgefühl hätten, weil sie nicht jeden
Sonntag in die Berge gehen. Ich biete Absolution an, meine es aber
nicht ganz aufrichtig.
Renk
und ich beschließen, Martin Fritz morgen beim "Mountain Day" live zum
Wadlvergleich aufzufordern („Hose rauf!“).
10.12.
IBK
Die
Schwestern kriegen hier Dinge gekauft, die auf der Rechnung gute
Namen tragen: „Mini Körnerkissen Dackel“, „Ausstechform
Otter“, „Ausstechform Pudel“, „Anhänger Karpfen“,
„Ornament Yeti aus Wollfilz“.
Es
ist immer noch ungewohnt, in einer touristisch beliebten Stadt zu
sein.
Den
Wadlkampf völlig verschwitzt, Sieg verschenkt!
Robert
Renk hat schon einmal eine Douglas-Adams-Lesung organisiert.
Schönster
Moment: Alle lachen sehr über unser Mesozoikum-Video.
Jetzt
freu ich mich schon ein wenig aufs Nicht-Trinken, aber noch geht’s
ganz gut.
11.12.
Im
Zug nach Hause. Zwei ältere Damen: „Kaunsch wandern
gehen?“ „Nur des Notwendigschte.“
***
GAV-Lesebühne. Größter
"Lacherfolg", wie ich Viktor Orban noch mehr Aufdunsung wünsche
(Bladaton-See).
12.12.
Udo
Huber hat einen Sohn, der Quantenphysiker ist.
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Ein
für meine #mentalhealth sehr erforderlicher Tag inkl. Sonnenlicht.
13.12.
Stolz
erzählt G. von seinen drei neuen Kolleginnen, die keine Sekunde
ihres jungen Lebens darauf verschwenden, sich bei der Weihnachtsfeier
die alljährliche doofe Mundartlesung des Kollegen aus falscher
Höflichkeit anzuhören (es brennt der Kasten mit der Schwiegermutter
drin and the like).
14.12.
Ein
Hexenschuss trifft mich beim Bouldern, aber weil ich 12 € Eintritt
gezahlt habe, bringe ich das Training zu Ende. #weekendwarrior
#muehlviertlersparwahn Die jungen Männer im Trainingseck schauen mir
verstohlen dabei zu, wie ich mich stöhnend vom Boden zu erheben
suche.
15.12.
Ein
sehr unbequemes puppy bath in Linz (Fini schnappt nach Steffi,
beide auf meinem Schoß), aber ich nehme, was ich kriegen kann.
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Kreativitätsrezession
#dunkelflaute
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Wien,
Kulisse
Es ist bummvoll, und ich versuche mir einzubilden, dass das Volk meinetwegen gekommen ist (wahr ist eher das Gegenteil). Fini versagt bei der Einbindung in die Bühnenshow, sie drängt sich ängstlich an mich, während ich vom Hexenschuss berichte (für eine neue Religion wird's nicht reichen). Ich lasse alles Mögliche aus, damit ich ja die vereinbarte Zeit nicht überschreite. Peter Pilz nimmt am Ende des Abends alle frei gebliebenen Minuten und predigt 45 statt 10 Minuten zum leicht ermüdeten Volk.
Dann Alkohol in schmeichelhafter Gesellschaft. Es
gibt jetzt einen für derlei Aktivitäten wirklich brauchbaren Zug
nach Mitternacht (bis dahin kann man leicht viel zu viele Biere
trinken).
Gatte 1, bin immer noch sehr zufrieden mit diesem Familienstand
16.12.
Präapokalyptische
innere Zustände in der Plus City, dabei ist es äußerlich überhaupt
nicht arg. Die Macht der Mutter in mir wächst. Der Vater hätte ja
jemanden zum Einkaufen geschickt.
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Trotz
manifester Übernachtigkeit und letzten Kreuzschmerzen leichte Manie,
weil mein nächster öffentlicher Auftritt am 22. Jänner ist.
<3 Vielleicht wird mir das zu lang, ganz gewiss werde ich das
aushalten. Jetzt darf ich vier Wochen lang lesen, was ich will.
***
Freud
und Leid des mittleren Alters – man muss sich von allzu exaltierten
Bewegungen trennen (Bouldern), dafür wächst die Freude an
alltäglichen Lieblingsorten. Als ich das ins Facebook schreibe,
bekomme ich sehr viele Fitness- und Ernährungstipps, aber
so ist das in Boomer-GenX-Medien mit Männerbeteiligung.
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Buttinger
repariert einen winzigen Schaden im Parkett mit maximalem Aufwand, das ist seine love
language.
17.12.
Die
Freiwillige Feuerwehr schickt eine Rechnung über 1800 €, ich
dachte, die machen das freiwillig!? Andererseits sehr vorbildlich,
ich schicke noch schnell allen mich ins Ehrenamt getrickst habenden Institutionen sowas.
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Nach
fünf Jahren im Einsatz darf der Frack jetzt endlich in die
Reinigung. Ich male mir aus, wie er in warmes Wasser getaucht wird,
welche Moleküle herausgewaschen werden. Ein Tee aus Lesebühne,
Republiksrepräsentation, Hendlbraterei.
18.12.
Die
Sonne schält sich ambitioniert aus dem Nebel und ALLE GESCHENKE SIND
ZUHAUSE.
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Im
Fressnapf.
„Schau
Fini, do san jo de Damen!“
„Mia
san goa ned do.“
„Nur
körperlich.“
„Des
reicht uns. Gaberten Sie bitte dem Hund wos Guads?“
***
Wie
schön, die schreibkraft druckt meinen Text, aber ich habe
völlig vergessen, was ich für die geschrieben habe.
Wenigstens weiß ich derzeit noch, was ich für die schule der dichtung geschrieben habe ("ryan reynolds gebumst")
***
Pascale Osterwalder hat mich ungemein für sich eingenommen, allein schon,
weil sie mir ihre Bücher mit der Adresse „Raika-Sumsi-Land“
schickt. Mehr noch durch ihre augenscheinliche Sorge, dass auch die
Dinge ein Seelenleben haben und sich darüber kränken, schnöde
verbraucht zu werden.
19.12.
Schmerzliche, aber erträgliche
Einsicht: Eigentlich kann man aus jedem Text ohne Verlust „ich“
streichen.
20.12.
Buttinger
kommt für eine halbe Stunde vorbei, als hätten wir eine Affäre.
***
Ab
heute heuer nicht mehr abstinent.
***
In
einer Literaturzeitschrift erscheint ein Schwerpunkt zum Herausgeber der Literaturzeitschrift.
***
Auch
ohne Erwerbsarbeit innerer Druck, es ist also wurscht.
Wie fühlt sich ein Dasein ohne innere Drangsal an? Wie es aussieht, kann ich mir vorstellen. S. Abb. 1
21.12.
Schnupfen
im linken Nasenloch gesellt sich zum abklingenden Hexenschuss, um
mich freundlich ans Abgeben zu erinnern, heuer zahlt sich eh nichts
mehr aus. Nur noch Weihnachten schaffen und dann bettlägrig sein.
22.12.
Die
Annen kommen zu Besuch. Wir bauen dem Buben aus venezianischen und
römischen Palazzi eine Höhle, wir nehmen das Bier mit rein, um
unser Erwachsensein zu feiern.
23.12.
Heute
besonders milde Gaben von der Donau, als wüsste sie, dass die
Feiertage bevorstehen.
Da
draußen im eigentlichen Leben liest gerade jemand mein Buch am Strand (nicht an der
Donau).
Es
ist schon eine Errungenschaft, dass ich mit Coala Meindl-Yoga
schaffe (ich will nicht angeben, aber das folgende Bild ist möglicherweise das schönste, das ich heuer gemacht habe:).
Fund
im Internet. „Master, what makes us human?“ „Selecting pictures
with flashlights on it.“
24.12.
Zur
Mitternacht teilt Fini mit, dass sie weniger gebathed und mehr
gebarft werden möchte. Ich obliege dem dummen Irrglauben, dass man
vom Gin Tonic nicht sooo einen Kater kriegt...
25.12.
…weswegen
ich um 9 Uhr hinter einen Holzhaufen in den Wald speiben muss,
während etliche Leute um diese Zeit schon joggen gehen. S.
wird mir später raten, beim nächsten Mal die Sportuhr mitzunehmen,
draufzuschauen und „Bestzeit!“ zu schreien. [Notiz: Diese Passage evtl. wieder streichen, falls ich noch berühmt werde]
Zu
Mittag pünktlich eine kleine Wunderheilung, aber es macht mir nichts aus, dass
B. meinen böhmischen Kondensmilchlikör umschmeißt.
Abends
kommt die erwachsene Brut, die nach „Die Hard 4“ um 22 Uhr noch ausgehen
muss. Die Armen! Es ist doch manchmal gemütlicher auf der anderen
Hälfte des Lebens. Ich bin desorientiert und voller Käse.
26.12.
Ein
Nachmittag mit Stritzi auf dem Schoß (ich schreib nicht, wen ich
damit meine, vielleicht muss ich darüber in 10 Jahren unterhaltsam grübeln), im Lee des Mischpoche-Getümmels, dann das nächste
Overeating. Wir
kommen noch rechtzeitig heim, um uns die Hirne mit den minderwertigen
Hervorbringungen des US-amerikanischen Kulturimperialismus zu
verkleistern. Die "Jugend" (24) kann es nicht fassen, dass wir immer noch einfach Fernschauen: „Dabei hobt's es Nepflix, fir wos zoi i denn des!“
27.12.
Heute
ist nichts los (und das ist ein Befehl!).
28.12.
Köhlmeier,
„Zwei Herren am Strand“: „Wer spricht, macht sich schuldig.“
Die
Kinder wollen uns schon wieder sehen, wir haben nicht alles falsch
gemacht (bzw. zahlt ihnen der Vater ein Essen).
29.12.
W.
und K. schmettern erstaunlich text- und tonsicher
italienische Schlager, und das vor 8 Uhr, es ist schon die Anfahrt
schön. Am Parkplatz der Wurzeralm entschuldige
ich mich beim Halter eines sehr schönen Hundes, dass ich den so
ungefragt streichle, „aber mir fehlt meiner schon so!“ „Fehlt
dir dein Mann nicht auch?“, sagt er so geschickt, dass es höchstens neckisch, aber nicht cheesy wird.
Es
ist viel zu viel zu wenig Schnee. Just in dem Moment, in dem ich aus
Höflichkeit die Führung anbieten möchte, bricht Klaus auf voller
Ski-Länge fast einen Meter tief neben einer Latsche ein. Wir lachen
erst, sobald wir wissen, dass er sich nicht weh getan hat. Wir
brechen das Projekt „Eisernes Bergl“ ab. (Ich war eh vor zwei
Monaten erst hier, im Leiberl).
30.12.
Der
Herr verleihe meinen literarischen Ambitionen dieselbe
unerschütterliche Beharrlichkeit wie den Verfassern der
missionarischen Spendenbriefe, die mir werktags den Postkasten
füllen, obwohl der Adressat seit 2021 kein Lebenszeichen mehr
gegeben hat.
31.12.
Beim
Silvesterfeiern erzählt J., dass sie als Teenie in Südafrika deswegen zu den
Pfadfindern gegangen sei, weil das der einzige Verein gewesen sei,
der sich nicht um die Apartheid geschert habe. Was für eine dumme,
dumme Spezies der Mensch doch sein kann, insbesondere der „weiße“.
Ok, 2025 - an mir soll's nicht scheitern. Bring it on.