Lebenskrimskrams
im April 2024
Osterbesuch von der modelnden Jugend, die sogar mit Mullets und Brillen der Oma super aussieht
1.4.
Geringe
Frustrationstoleranz beim Osternestsuchen, obwohl Buttinger vor
seinem eigenen sämtliche andere findet.
2.4.
Der Igel hat mein Speiseopfer angenommen.
Die Amseln werden das Schwimmbecken am meisten vermissen.
***
Hier
kann ich ja ein wenig damit angeben, wie vif mein Vorschlag war, dem
Stifterhaus als zweite Autorin Barbi Marković
vorgeschlagen zu haben. Ich liebe die „Minihorrorgeschichten“
sehr, etwa Nr. 65: „Nichts ist so, wie man es sich vorgestellt
hat.“ Sebi sagt über das Cover, es sehe aus wie „Tom Turbo aus
der Hölle“. Die Geschichte, in der ein junger Mann den
Kolleg*innen Benzos in den Kaffee mischt, aus Angst, abgehängt zu
werden, ist wirklich passiert.
3.4.
Es ist schwer, nichts zu tun, es wäre möglich, aber stattdessen rechne ich das Kilometergeld zusammen. Ist das inverse Prokrastination?
***
Buchpräsentation in Wels: Der Freund beginnt seine Moderation mit einer biographischen Abfrage an ChatGPT3, aber weil meine „Karriere“ erst nach dem letzten Training begonnen hat, konnte es keine Informationen über mich finden. Dabei weiß man, dass es sonst lieber lügt, als sein Nichtwissen zuzugeben! Das kränkt mich doch etwas (Nachtrag: Ende Oktober 2024 ist es schon viel klüger - „Meindls Schreibstil zeichnet sich durch eine Mischung aus Humor und Schärfe aus, mit der sie die moderne Gesellschaft hinterfragt und gleichzeitig unterhält.“) Freund spricht es dafür Kinderbuchpreise und nie geschriebene Romantitel zu („Berlin liegt im Osten“, „Die verzogenen Kinder“). So muss er es eben selbst machen: „Dominika Meindl wurde geboren und ist Jungfrau, vom Sternzeichen her.“ Auch in Wels lachen die Leute schon, wenn ich nur „Raiffeisen“ sowie „Attnang-Puchheim“ sage.
René erzählt von einer Buchpräsentation, bei der es nicht so lieb zuging, da der Moderator die Gelegenheit nutzte, um einen Verriss zu performen. Da werde ich schon lieber von der KI ignoriert!
Lesen
ist wirklich unendlich angenehmer als moderieren (oder gar schreiben).
4.4.
Ö1 informiert wieder einmal viel zu detailliert über das „Liebesleben“ der Insekten. Heute wird im „Leben der Natur“ die Bettwanze vor den Vorhang geholt. Der Zusatz ihres biologischen Trivialnamens („gemein“) ist hochverdient, denn sie pflanzt sich per „traumatischer Sexualität“ fort, indem das Männchen dem nach der Blutmahlzeit bewegungsunfähigen Weibchen mehrfach in die Bauchhöhle sticht. Darüber forscht ein Evolutionsbiologe seit 20 Jahren.
***
Glücksgefühle,
weil ich bis morgen keinen Termin mehr habe. Aber 1,2,3 – ist der
Tag vorbei!
5.4.
Marianne
Jungmaier hat sich den Meniskus „alterniert“, weil sie sich über
eine gefrorene Pfütze alteriert hat. Ich lache nur, weil das eigentlich eher nach mir klingt.
***
Einpennen
vor der heute-Show <3
6.4.
Um 4 Uhr aufstehen ist immer wieder Probesterben. Ich bin mir nicht sicher, ob's das für heuer mit dem Skitourengehen schon gewesen sein wird, aber vier Stunden Skitragezeit + Qual durch den Windwurf sind schon verdichtete Indizien. Hasi: „Eine Tour mit allen Aggregatszuständen!“ Oben aber wieder so unendlich schön, dass man nicht wieder herunter mag.
C.
brät mir vegetarische Würschtl und reicht sie mir mit den Worten
„do hob i an Salod fia di!“ Kindergeburtstage verlieren ihren
Schrecken allmählich. A. und ich liegen im Gras und radikalisieren
einander gegen Notare. Es ist schon fast ein wenig Sommer, es wird
erst spät kalt. Um 22:30 weile ich nicht mehr unter den Lebenden,
Fini wird überhaupt ihr Nest 12 Stunden lang nicht verlassen.
7.4.
Eine unspektakuläre, aber gute Wendung im Jahreskreis: Hängemattenwetter. Dazu eine rare Holzbiene, 2 Stare und 1 Buntspecht im Garten.
8.4.
Der
Roman geht in die zweite Auflage, Nora bekommt den Kamerapreis der
Diagonale: „Es läuft für meine Weiber!“ sagt der Buttinger.
Dazu habe ich die Anfrage für eine Trau-Rede bekommen (eine
Trauerrede würde mich auch ehren, aber weniger freuen).
9.4.
Vernissageneröffnung im Memphis, ich soll mein Manifest des „FutUrismus“ verkünden, und erst hier lese ich Christine Eders sehr schönen Werktext, dass darin „heilige Grundwut … den Wutwichtel des Futurismus aus den Schuhen“ heble.
***
„Alfons“
bedeutet auf Polnisch ca. „Lumpi“
10.4.
Wieder kommt dieses Notizbuch seiner vornehmsten Pflicht nach, an sehr gelungene Mittagsschläfe zu erinnern. Aber wieder absurdes Rasen der Zeit.
Und
wieder werde ich am rechtzeitigen Anlegen einer arbeitsextensiven
Blumenwiese scheitern; hier habe ich mittlerweile mehr Plage gehabt
als in jedem anderen Teil des Gartens, mit lachhaften Ergebnissen.
Als würde ich hier das Scheitern aussäen.
11.4. INNSBRUCK
Am Welser Bahnhof fragt mich ein junger Mann, wie er nach Salzburg komme, und ich frage mich angesichts der Fülle der Züge, wie er nicht nach Salzburg kommen kann.
Ebendort steigen die zwei sehr lauten amerikanischen Kinder aus, statt ihnen kommen zwei noch viel lautere deutsche Bürodamen.
In Innsbruck verleitet mich die kernige Landesart zu solch reschem Marschieren, dass mir kurz vor dem Hotel der Schmerz ins weiche Mühlviertler Knie fährt. Es sind hier auch relativ viele auf Krücken unterwegs – die Skisaison fordert am Ende noch einmal viele Opfer. Man muss sich im Zentrum aber ohnehin wegen der vielen Touris bremsen.
Keine Ahnung, ob es in anderen Branchen auch so liebenswürdig zugeht, ich will es aber nicht glauben, dass sich Waffenexporteure, Systemadministratoren oder Sportjournalisten auch so innig um den Hals fallen wie wir (besonders mit Slam-Hintergrund). Es sind aber auch einige unserer Besten hier! Von Innsbruck lernen, heißt Hospitality lernen. Man bekommt zum Beispiel sofort eine Schokoschindel vom Goldenen Dachl. Das schönste Gastgeschenk ist aber eine Zwille in Katzenform, ein offizielles Give-Away der Stadt.
Robert Renk erzählt beim Abendessen, dass sich ein Buchhändler geweigert habe, Pedro Lenz' Buch über 100 Provinzschauspieler zu empfehlen, „ich kenne keinen einzigen davon!“ Ja, weil er sie allesamt erfunden hat (und daraus kein Geheimnis). Siljarosa Schletterer und ich fangirlen Jörg Zemmler gerade wegen solcher Schwindeleien ("Südtiroler Landeskunde").
Lenz erzählt von einem Kollegen, den sein Verlag gefragt habe, ob er seine Restexemplare kaufen wolle. Auf sein OK kam kurz darauf ein LKW und lud ihm zwei Riesenpaletten mit Büchern vor die Haustür.
Sehr
viel Bier „im gemütlichen Teil im Anschluss an die Lesung“.
12. April IBK
Beim Frühstück unterhält sich der eine Männertisch über Gemüselandwirtschaftsgeräte, am anderen referiert einer monologisch über toxische Diskurspraktiken in der Werbewirtschaft.
Trotz der Biere bin ich voller Ambition und wandere zum Kletterzentrum, vorbei am Maler Mimm gleich neben dem Kaffee Farbgeber und der Spenglerei Kratzer. Bald wird hier die Bürgermeisterschaft ausgetragen. Die Stadt ist völlig zugestellt mit Plakaten, es herrscht eine verwirrende Zahl an Wahlmöglichkeiten. Niemand scheint sich bei der Wahl der Slogans angestrengt zu haben: Reparatur-Seidl, jede Stimme hilft, Gerechtigkeit für IBK, die helleren Blauen, Mit Dir für Dich (die arge Blumenlady), und am ehrlichsten: „Ja“. Ich lerne, dass Vielfalt allein keine politisch wertvolle Kategorie ist.
In der Kletterhalle bin ich dann überfordert und unterqualifiziert, ich wünschte, es läge nur am letzten Bier zu viel. Hier herrscht Überhang statt gemütlichem Plattengeschleiche. Fit sollte man halt sein, und ich bin die älteste Frau hier. Alle anderen kommen daher, als kämen sie täglich. Trotzdem kaufe ich mir als Souvenir ein Leiberl, es muss ja zuhause niemand erfahren, dass ich im vertikalen Mekka keinen Fuß von der Horizontalen bekommen habe.
Der Boden der Wagnerschen Buchhandlung ist von einem überraschend blauen und überraschend weichen Teppich bedeckt, auf dem sich später die schönste Aftershow abspielt. Vorher rührt Volha Hapeyeva mit großer Zartheit für die Tiere. Und nichts, was Renk, Fritz oder Köhle sagen, ist falsch, fad oder unfreundlich. Es ist schon eine große Freude mit diesen Männern.
Danach herrscht eine schöne „Hurra, wir übernachten in der Buchhandlung!“-Stimmung, in Sitzkreisen sitzen wir gelöst da. Hirschl erzählt, wie er zu seiner bizarren Sammlung der 100 Listen in „Content“ gekommen ist – nicht eine KI hat sie erstellt, sondern seine Freund*innen, Katrin ohne H etwa oder Fabian Navarro. Richtig on fire sei aber Berni Wagner gewesen, der alleine 100 Ideen gehabt hatte, etwa „Die 10 schönsten Chiropraktikerinnen, die dir den Kopf verdrehen“.
Ein junger Mensch hat sich total auf Projekt X verschossen und strahlt, als ich den Gedichtaufsagemann, Familie Zögernitz und den in den Westbahnhof verliebten Herrn Gabi aufzähle. Endlich zahlt sich eine Kindheit vor dem Fernseher aus!
Maria Muhar kennt mich irgendwie aus dem Internet, „du hast doch einen Hund, oder?“ Martin und Carmen, die sich über Finis Fehlen beklagt haben, geben erst jetzt zu, dass er sich damals vor Hunden gefürchtet habe, und das Foto, das wir vom Hund auf seinem Schoß gemacht haben, scheint seiner Furcht Futter gegeben zu haben, dabei ist das Gegenteil passiert.
Super
Showkonzept: Jemand zeigt dem Hirschl die zehn skurrilsten Bilder auf
dem Handy und er muss sie spontan kommentieren, so wie bei meinem
Foto von den Pöstlingberg-Zwergen in drei Größen, zu dem ihm in
der Sekunde der Wahrnehmung einfällt: „Zwerge klein ist ein
Pleonasmus, Zwerge mittel absurd und Zwerge groß ein Oxymoron.“
13.4.
Vom Zug aus sieht alles aus wie Playmobil, besonders putzig ist Bayern.
***
In zwei Nächten eine Nacht Schlaf liegen lassen – das reicht für einen Jetlag bis Montag. Es soll als Akt der Zuneigung für Tina K. (und zum Schl8hof) hier festgehalten werden, dass ich mich trotzdem am Abend von der Couch hochstemme und dann eh wieder gar nicht so wenig Bier trinke.
14.4.
„Mini und Miki wollen nett sein, aber nichts ist einfach. Die Welt ist schrecklich, alles muss sterben. Die beiden müssen ziemlich viel leiden, und genau dafür lieben wir sie.“ Aus Minihorror (meine Finger wollen immer „Minkihorror“ tippen). Mit dem Wort „kafkaesk“ müssen wir alle wieder sehr viel sparsamer umgehen, aber bei Barbi mag ich es verwenden. Nach 80 Seiten warte ich bei allen anderen Texten auf die gruselige Untergeschichte, hier ist sie vom ersten Satz an da. Zum Glück lese ich das Buch erst jetzt, sonst wäre ich zu feig gewesen, sie zu fragen, ob sie mit mir im Stifterhaus lesen mag (vom Leipziger Buchpreis ganz zu schweigen).
15.4.
Die
erste Akelei blüht, und die Maiglöckchen. Es regnet zum ersten Mal
in diesem April. Die Landschaft trinkt den Regen wie ich das erste
Bier an any
given Freitag.
16.4.
Wütend wühlt der Sperling im Futter, weil ich Seinesgleichen dazu bringen will, erst alle Körner aufzuessen, bevor's das wieder die guten Mehlwürmer gibt, aber die Spatzen und Meisen erfüllen das Wort „picky“ mit Leben. #vogelpädagogik #sockenschuss
***
Heute haben mir zwei Menschen unabhängig voneinander ein schönes Wochenende gewünscht. Es ist Dienstag, aber ok, ich wär' dabei.
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Vielleicht der eine Tag im Jahr, an dem ich mehr erledigt als mir vorgenommen habe.
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Noch
einmal Marković:
Sie ist so arg, weil sie so gut ist! Dieser Blick für Neurosen! Ich
könnte ALLES hier zitieren, etwa wie sich Mini und Miki
kennengelernt haben: „Damals waren beide jung und hatten
schreckliche Frisuren und existenzielle Probleme, aber sie hatten
viel Spaß und fanden einander witzig.“ Das gilt für 110% aller
später zu recht spätestens mit dem Studium beendeten Beziehungen
(ich zumindest finde das!)
17.4.
Leicht beruhigend und beunruhigend zugleich: Wenn ich einzelne Passagen aus meinem Buch lese, finde ich sie besser als gedacht, und dann überrascht es mich, dass die von mir sein sollen (und bei Rezensionen geht’s genauso, interessant, was die herauslesen, habe ich das hineingeschrieben?)
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In der Nacht maunzen Buttingers Bronchien wie diese seltsam klagende Katze (@hoseobiiiii – was ich leider gerade zehn Minuten lang „recherchiert“ habe, immerhin etliche davon lachend). Wenn er sie bewusst pfeifen lässt, klingen sie wie ein Katzenklavier der armen Seelen – der Soundtrack zum Limbus von Wels.
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Obwohl sie sofort vom Hund angesprungen wird, ist Johanna Sebauer freundlich wie der pannonische Frühling. Zum Glück erfahre ich erst jetzt, dass sie die 16 Stunden Reise von Hamburg nur auf sich genommen hat, weil sie noch nie in Wels war. Ob die Stadt das verdient, hätte ich nicht entscheiden wollen. Hirschl hingegen war schon so oft hier, dass seine Oma gar nicht zur Lesung kommt, sondern lieber irgendeine Operette anschaut. Seine Eltern waren aber beim Thalia Wels, um jemandem das Buch zu kaufen, und beim Zahlen wurden sie gefragt, ob sie den Autor kennen. Kurz darauf wird Hirschl am Büchertisch sein eigenes Werk begeistert empfohlen (Nachtrag im Oktober: Mieze erzählt, dass Hirschl bei der Suche nach einem Sitzplatz im Zug heim von der Leipziger Buchmesse sein eigenes Buch viermal gesehen habe).
Er und seine Freundin Henrike machen einander Merchandise-Geschenke von sich selbst, er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „HNRKE!“, sie hat ihm eine Haube mit dem „Ich kenne Elias Hirschl persönlich“-Sujet gemacht. <3
Die
Dame vom Dumont-Verlag hat mich nicht aus Flapsigkeit als „Frau
Wels“ adressiert, ich dachte, sie habe einen frechen Scherz gewagt
(mir hätte es gefallen).
18.4.
Im Frack durch Linz – die Leute versuchen, sich nichts anmerken zu lassen, im Irrglauben, in einer Großstadt zu leben, in der sowas ganz normal ist. Es ist unbequem in der Einserpanier, aber das glückliche Decker-Gesicht in der bummvollen Galerie ist mir jede Mühe wert. Alle lieben ihn, und in diesen Momenten glaubt er es uns auch, eine Stunde später wohl wieder nicht mehr (oder projiziere ich?! Bestimmt). Ein liebes Detail: Pfarrer Luger neben dem Bild „Beware of the Priest“, er lacht herzlich darüber.
Zwei unfassbar gut aussehende Teenager lächeln mich an, sie meinen es ernst (ich habe aber auch immer noch den Frack an).
Dann
schnell wieder zurück in meine Suhle, „Mein Leben mit 300 Kilo“
läuft doch wieder, danach zwei total bescheuerte Kämpfer-Filme.
19.4.
Cordi ist eingetroffen, sie hat sich seit Wochen auf ein Nickerchen im Wohnzimmer gefreut. Aber sie verliert jede Kontrolle und weiß Stunden später nicht mehr, auf welchem Planeten sie aufgewacht ist.
Vielleicht hat sie mein Happy Place zu sehr mitgenommen, sie war ja noch nie im Altstoffsammelzentrum und hat sich von meiner Begeisterung sehr mitnehmen lassen. Auch ihre Augen leuchten, als ich ihr das Anti-Waren-Sortiment im Negativ-Supermarkt zeige.
20.4. Ottensheim
Willi Landl und Michi Hornek sind so unglaublich super, es ist kaum zu fassen. Allein das Maria-Medley, wo sie nach jeder Zeile das Lied wechseln! Und der Ribisel-Blues! Wir sagen dem Publikum, dass wir nach der Pause einfach den ersten Teil wiederholen, weil es so gut geklappt hat. Zum Glück lese ich jeweils vor den beiden, sonst fielen wir alle in ein Glücksloch.
Mein Neid auf das sehr viel coolere Ottensheim erneuert sich. Die Leute hier bilden sich aber auch was drauf ein! N sagt: „Walding ist schon nicht super, aber Hauptsache nicht Wilhering!“
Mittendrin, beim Plaudern mit den Maturafreunden, die glückliche Eingebung, dass ich immer schon 45 gewesen bin (oder sein wollte, nur eben physisch jünger).
Mit 3 Bieren in der Birne radle ich beseelt vom sehr schönen Lesungskonzert in Ottensheim heim. Auf der Brücke über den Innbach erfasst mich eine richtige Lebensfreude, die dann in den Keller rasselt, als ich in den Keller gehe, um nachzusehen, warum der Strom ausgefallen ist: Das Wasser steht bis über die Knöchel. Nicht vergessen: DIESES EREIGNIS VERGESSEN!!!!
21.4.
Zehn Minuten nach unserem Anruf stehen die Feuerwehrleute vor der Haustür – in voller Montur, mit Blaulicht und voller Mannschaftsstärke. So wird aus dem Vorfall ein Ereignis. Würden die Nachbarn Tagebuch führen, stünde drin „Heute war ein aufregender Tag!“ Es fasziniert mich, wie geduldig alle an diesem endlich wieder sonnigen Sonntagmorgen sind. Niemand sieht auf die Uhr, alle sind ganz beseelt von ihrer Aufgabe. Wir erhöhen nach einer Stunde unsere Spende.
Auch um den verunsicherten Hund wird sich selbstlos gekümmert. Denkt an dieses Bild bei der nächsten Haussammlung eurer lokalen FF.
Am Nachmittag habe ich dann das alte Schwimmbecken verschenkt, unter schwerem Einsatz unserer ohnehin schon müden Hände, aber die neuen Beckeninhaber waren ausnehmend liebe Leute und ich habe das Placebo-Gefühl, durch Downsizing meiner Lebensausstattung etwas für die Weltrettung getan zu haben.
22.4.
Ich weiß jetzt, wie meine beiden Nasssauger funktionieren, wie man Tellwolle entsorgt und dass man jede Gelegenheit nutzen muss, um rechtzeitig auszumisten. Aber wollte ich das wissen?! Erwachsensein ist scheiße.
Immerhin
sind alle sehr lieb zu mir, als habe das Haus eine Krebsdiagnose
bekommen (was eh nicht weit hergeholt ist). Der nasse Keller wird in
den nächsten Monaten zum Leitmotiv meines Kunstwollens.
#besitzbelastet
23.4.
Leichte Stressdemenz, das Schreiben geht schwer. Gut immerhin, dass ich so eifrig bei der Produktion (Cerebrofaktur) von Sorgen bin, da tritt immer nur das mittelschlechteste Szenario ein. Tut's eh in die Haut hinein.
***
„Vom Leben der Natur“ widmet sich diese Woche den Schnecken. Ein sehr seriöser Molluskenforscher spricht über die Population und Spezies des Bisamberges. Die Namen klingen so, als habe er sie gerade erfunden und müsse sich das Lachen verkneifen: Dreizähniger Vielfraß, Wiener Buntschnecke...
***
Die Heizungselektroniker schwärmen vom Eisbaden, nachdem sie sich dafür entschuldigt haben, meinen Wärmepumpenkompressor nicht in Gang bekommen zu haben. „Es is afoch nua a Trainingssoch!“
24.4.
Das Wetter wird in der Minute besser, in der die Heizung anspringt. Es ist wie mit der Sonne, die sich hinter den Wolken versteckt, sobald ich die Sonnenbrille aufsetze. Wie der Bus, der ums Eck biegt, sobald er riecht, dass sich ein Wartender eine Tschick anzündet. Wie der Rauch des Lagerfeuers, der mir folgt wie ein anhänglicher Hund. Ich muss ein kleiner Gott sein!
***
Ein täppischer Mann hievt ein Kastl aus dem Mercedes, ich weise ihn darauf hin, dass er das zerlegen müsse, er schaut hilflos unterm teuren Käppi hervor. “Mit dem Vorschlaghammer da!“ Dackelblick. Ich dresche also wortlos auf den Sperrmüll des Alten ein, er sieht mir dankbar zu. „Sie san jo fost scho a Profi!“ Drinnen zwicke ich langmächtig Enden von den Stromkabeln, zwei Frauen kommen herein und blaffen grußlos „Wo san denn de Besn!?“ „Ich bin zwar nicht zuständig...“ „Wer ist denn zuständig!!!“ „...aber ich weiß, wo der Besen steht.“ Offensichtlich teilen nicht alle denselben Respekt für die Mitarbeiter*innen hier.
***
Die Rauchschwalben fliegen fantastische Manöver über der Mündung des Innbachs. Abends schlafe ich neben dem bullernden Kachelofen ein (es ist noch sehr kalt im Haus).
25.4.
Wieso hat noch niemand Berufskleidung für Installateure und alle anderen erfunden, die sich oft bücken müssen? #klempnerdekollete
Der Haushaltstechniker fragt bei der Suche nach dem Heizungsfehler, wie es mir mit Buttingers Fliegenfischerei gehe, „mei Ehe is drau gscheitert!“ Es gebe halt nur zwei Dinge, die er wirklich könne (das andere ist zu meinem Glück die Heizungstechnik).
***
Vom Abend mit Austrofred habe ich mir nur Gutes erwartet und wurde noch übertroffen. Wie er etwa über die Namen von Kindergerichten philosophiert, „man isst ja seine Helden nicht gern (Ausnahme Eucharistie)“ - es gebe kein positives Vorbild für Hühner, also behelfe man sich patschert mit „Asterix-Teller“ beim Hühnerschnitzi.
Bei der Zugabe „Bohemian Märchenprinz“ im Saal des Bildungshauses Schloss Puchberg versucht er, zu stagediven.
Als ich ihn nach dem „Motor seines Kunstwollens“ frage, sagt er,
„eigentlich ist mein 1er-Schmäh der von der einen von den Golden
Girls, wo sie alles mit einer Geschichte von daheim erzählt, wo der
eine einmal mit dem Traktor das gemacht hat."
26.4.
Die erste Grille in Linz!
Wie die Lesebühne mit Berni Wagner ("Höhere Gewalt") war, läse sich hier im Blog der OLW (spoiler alert: Super!). René hat eine Schreibblockade, aus der er einen seiner lustigsten Texte herauskreißt – ich werde mit der Jelinek verwechselt etc.
27.4.
„Wo
der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel fletscht“ ist
ziemlich großartig. Starke Identifikation mit der Erzählerin, die
nicht queer ist, sondern hauptsächlich einfach keine Röcke anziehen
mag und kein Mädchen sein will.
28.4.
Emsiges Räumen. Ich gehe ganz langsam durchs Haus, damit die Geister der Eltern bei mir verweilen können. Coala möchte das Fließ vom Schwimmbeckensand lüpfen, sie vermutet die Totenkammer Ramses des XVI. darunter.
Der Nachbarbub freut sich sehr über meine Einladung, im Keller die nassen Möbel zu zerdreschen, ich muss ihn mehrmals auffordern, nur recht tüchtig zu zertrümmern. Leuchtende Kinderaugen (meine mitgezählt).
29.4.
Beim Verhör durch die Sachverständige der Versicherung verstricken wir uns in Widersprüche. Zusammen wären wir niemals zu einem Kapitalverbrechen fähig (grade jetzt, wo wir die Chance hätten, die Leiche eines Erzfeindes unterm Sand zu verbuddeln – aber auf wen würden wir uns überhaupt einigen können?)
***
Heftiges
Entsorgen, ich werde schon sehr freundlich gegrüßt. „Du waaßt
eh, wo ois higheat!“ Was mache ich dann eigentlich in drei Jahren,
wenn der scheiß Keller wieder trocken ist? Eine Familie
einquartieren? Self Storage für die Nachbarschaft? Immerhin räume
ich gerade vier Zimmer aus. Oder bleibe ich einfach
zweckpessimistisch beim fehlenden Glauben, dass das je wieder trocken
wird?
30.4.
Heute auch die erste Grille im Garten! Die Emails sind beantwortet (hoffentlich schreibt niemand zurück) und der Kompost ist verteilt. Dann Ralph Wakolbinger in der Westbahn! Er sagt zu seinem kleinen Sohn „schau, do draußn is a gaunz unnedige Stodt.“ „Das interessiert mich eh nicht!“
Von Hütteldorf brauche ich nach Mauer genauso lange wie von Linz nach Hütteldorf.
Das in Sachen "Saufen" glücklich ungebildete Geburtstagskind hat der Kalkulation eines extrem dubiosen Online-Getränkerechners Folge geleistet und den murrenden Gatten, der in seinem Leben praktisch noch nie etwas getrunken hat, ausgeschickt, um 120 LITER Bier zu kaufen. Entweder hat sie „Flaschen“ überlesen oder der Rechner wird von der Brau-Union betrieben.
Kurz vor Mitternacht übernehmen wir die Musik und beginnen eh sanft mit „Ice Ice Baby“, gefolgt von "Creep" und "Smells like Teen Spirit". Beim „Firestarter“ eskaliert die Generation X so ungehemmt, dass die Lehrerinnen, Chorleiterinnen und Jungs in gebügelten hellblauen Hemden das Etablissement fluchtartig verlassen. Zum Verschnaufen legt G. „Zombie“ auf, ich sage, „ah, da haben sie grad auf Ö1 drüber geredet, der Song ist auch schon wieder 20 Jahre alt!“ G. legt mir die Hand auf die Schulter, „30 Jahre, Schatzi.“ Ich muss mich setzen.
Kurz nach Mitternacht gehen wir heim, weil wir ja schon ältere Leut' sind.