Dienstag, Oktober 07, 2025

Der Pilznarr. Gerechtigkeit für Schönering

Als mich der Sprecher der Akademie an diesem Oktoberdonnerstag anrief, um mir den Nobelpreis für Literatur zuzusprechen, ließ ich den Hammer fallen. Nun sind sie völlig verrückt geworden, dachte ich, damit ist der Preis endgültig ruiniert. Ich brachte nur ein wortloses Gurgeln heraus, das man in Stockholm für ein Zeichen der Rührung hielt.

Ich stieg benommen vom Dach meines Baumhauses, das in seinem siebten Jahr wieder angefangen hatte, mein Bett zu nässen; ein schwerer Landregen hatte die größte Leistung meiner Dichtkunst zunichte gemacht. Alles ließ ich nun liegen und stehen, die Planen, die Dachpappe, die Dichtmasse. Vor dem Gartentor hatte sich bereits eine gewaltige Pressetraube gebildet, die Fotografen hielten eifrig auf meinen Hund, der schon wieder in den Vorgarten schiss, obwohl ich doch in der Früh mit ihm äußerln gewesen war. Ich hielt inne, dachte über das kostbare Wort „äußerln“ nach, ist nicht alles Sprechen ein Versuch, das Innere zu äußerln, da schrien mich die Journalisten gierig an, sie forderten Reaktionen und Reaktionen von mir, keiner von ihnen rief mir entgegen, dass er schon ein Buch von mir gelesen habe. Gut, beide sind vergriffen, aber dafür hatte das Dach drei Jahre lang dicht gehalten.

Ich bin nicht hier für des Hundes Scheißdreck!“ rief ich. Im Zustand äußerster Entfremdung lief ich ins Haus, sperrte die Tür zu und wählte mit zitternden Fingern die Nummer des einzigen Menschen, der wusste, wie es mir jetzt ging. Doch Peter Handke hob nicht ab, typisch für diesen Bewohner des Elfenbeinturms in der Niemandsbucht! Er genoss das Exil, das ich ihm damals empfohlen hatte, zwecks Reparatur seines Images. „Zieh auch nach Schönering!“, sagte ich ihm nach seinem Auftritt als Gast bei der Lesebühne, „zieh in mein Dorf, keine Sau interessiert sich dort für seine Dichter! Einmal im Jahr, Peter, lese ich im Pfarrheim für die Senioren, alle fünf Jahre zum Frauentag für die SPÖ-Damen, das war's! Eine heilige Ruhe!“ Tatsächlich konnte sich Handke der Öffentlichkeit hier, am Ostrand des Eferdinger Beckens, in unsere Oase der Poesielosigkeit retten. Ja, es war eine Rettung, seit zwei Jahren lebt er wunschlos glücklich in einem Vierkanter und sucht den lieben langen Tag Vogelfedern und Tintenröhrlinge im Kürnbergerwald. Will dem scheinbar verwirrten Großliteraten ein freundlicher Jogger den Weg zurück durch die Borkenkäferschneisen zeigen, sagt Handke „Ich komme Edramsberg her, von Schönering, von Wilhering“, und alles ist gut. 

 

Verlassen wie ein Kind im Grenzland lief ich durchs Haus, und leider, leider verfiel ich auf die Idee, ins Internet zu schauen. Keine Stunde war mein Nobelpreis alt, schon wurde meine gesamte Vita an die Öffentlichkeit gezerrt wie eine Picknickdecke, an der ein Rudel Paviane reißt. Mein Deutschlehrer erzählte lachend von meinem Faible für Guns N' Roses samt Fransenlederjacke, und dass meine Aufsätze damals eher lieb als gut gewesen seien; meine Schwester gab bei Barbara Stöckl preis, dass ich mir als Kind über Nacht ein Plastikdraculagebiss um 5 Schilling in den Mund gesteckt habe, um meinen Überbiss zu korrigieren. Auf ORF 3 machten sich Daniela Strigl und Klaus Nüchtern über die Rechtschreibfehler in der „Sau“ lustig, Nüchtern erzählte, dass ich zur Not auch Stiegl trinke. Und in der Mittags-ZiB plauderte Christian Wehrschütz über meine Freundschaft mit Kim Jong Un, Fotos von einem Begräbnis wurden eingeblendet. Ich geriet in Zorn, die Verwandtschaft kann man sich halt nicht aussuchen!

Da läutete es Sturm an der Tür, ich riss sie auf und sah Landeshauptmann Stelzer auf der Dacke, neben ihm strahlte Bürgermeister Mario Mühlböck. Sie klopften mir links und rechts auf die Schulter, der „Ortskaiser“ überreichte mir ein Bild vom Stift Wilhering, der „Landesvater“ eine Pfeffermühle aus Leondinger Fichtenholz. Da senkte sich mein Blutdruck, und ich richtete das Wort an die beiden. „Ich fühle mich losgebunden vom Pfahl des eigenen Ich!“ Wir umarmten einander.

So sah ich nicht, wie die Pressetraube heranwanzte. Jemand tippte mir auf die Schulter. Armin Wolf! „Frau Meindl, Peter Handke sagt über Sie, dass zwar ihre Literatur großartig sei, aber Ihre Dichtkunst nicht, denn es regne schon wieder in Ihr Baumhaus!“ Ich war wie vom Blitz getroffen. „Verschwinden Sie!“, schrie ich, „und stellen Sie mir nicht solche Fragen! Ich stamme von Handwerkern ab, von Wegmachern, von Schneidern her! Von keinem Menschen hör' ich, dass er sagt, der Rasen ist aber schön geschnitten, und wie der Zuckerhut in Ihrem Hochbeet gedeiht, alle fragen nur wie Sie!“

Ich schlug, das muss ich zugeben, dem frechen Wolf mit der Pfeffermühle ein bisschen auf den Kopf, dann zog ich Stelzer und Mühlböck in mein Haus und sperrte die Weltpresse aus. Um unsere Stimmung zu reparieren, bot ich den Gästen selbstgebackene Hanfkekse an. Bald lagen wir kichernd auf der Soff, der Hund eingerollt und furzend zu unseren Füßen, und am Ende wurde es doch noch ein gemütlicher Nachmittag. Dem Handke, diesem geschwätzigen Arschloch, habe ich seither nie mehr beim Winterreifenwechseln geholfen.

Dienstag, September 23, 2025

Jenseits von Aussee. Pfiat eng God schee, liabe Almen, pfiat di God schee, Redford Bert!

Um ein kathartisches Tränenerlebnis zu ermöglichen, empfiehlt es sich, dazu Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 abzuspielen, das Adagio

Der Schauplatz <3

Er hatte eine Alm am Fuße des Toten Gebirges. Ein paar hundert Meter vom Dreibrüdersee entfernt. Die Sommer sind kurz hier im Karst. Es war an einem prachtvollen Julitag, da ich vom Bruderkogel abstieg, reich an Beute, denn meine Augen hatten auf dem kaum bestiegenen Gipfel einen Adler gesammelt, der mich wiederum anblickte, bevor er sich über das Widderkar in die Lüfte sinken ließ, als sei es das Meer, das ihn trug. Und auf Meeresboden stand ich, Millionen Jahre alt, in diesem jungen Sommer. (Also der Meeresboden war so alt, ich nur seelisch.)

Ich kam also an der Gössler Alm vorbei, gelöst und gebadet, als ich einen Reflex im Augenwinkel sah. So einen Farbton hatten meine jagenden Augen hier noch nie gesehen, ich hieß den Hund über das hohe Gras fliegen, um das Wild zu stellen. Zu meinem höchsten Erstaunen erklang eine menschliche Stimme, im Grundton wohl tief, aber ich vernahm ein hohes Frohlocken: „Jo Puppi, jo wer bist denn du?!“ Im Näherkommen sah ich ihn zum ersten Mal.

Robert Redford.

Jo, wo bist denn du?“ „I bin do, Robert!“ „Ned du, du Lustige, da Hund, wos isn des fira Rass, des is owa a gaunz a gschickte!“ Niemand würde mir glauben, dass ich hier stand, und dem berühmtesten Schauspieler der Welt erklärte, dass ich den Hund aus dem Heim gerettet hatte, „ma!“, dass sie meine treue Begleiterin sei, „geh liab!“, und wir soeben einen Steinadler erspäht hatten für meine Birding-Liste, „wos d' ned sogst!“ Er hieß mich Platz auf der lärchenen Bank nehmen, dann langte er in den Grander hinter der kleinen, schiefen Hütte und öffnete uns zwei Flaschen Freistädter Ratsherrn. Es lag nicht an meiner einfühlsamen Zurückhaltung, dass ich ihn um kein Selfie bat, sondern daran, dass ich gerade mein Handy im Geröll verloren hatte.

Naja, was soll ich sagen, wie es weiterging. Ich stieg Stunden später im Licht der Sterne ab, mit schlechtem Gewissen, und natürlich hat mich der Buttinger unten in Gössl sehr geschimpft, dass ich so spät daherkräule, wieso ich nicht abgehoben habe, um ein Haar hätte er schon die Bergrettung geholt! Als ich ihm vom Handyverlust berichtete und vom Schmusen mit Robert Redford, der sich hier einen einsamen Almsommer lang vom Leben eines internationalen Superstars erhole, sagte er, ok, Meindl, besorg dir ein neues Handy, und wie schmust der Redford Bertl, ist er so nett, wie er ausschaut? Ja, sagte ich, und er mag Hunde. Da war der Buttinger ein bissl eifersüchtig, aber der Hund und ich, wir schmiegten uns innig an ihn und ich sagte, du bleibst mein Redford von Wels! Mein Herz ist groß genug für euch beide! 

 

So kam es, dass ich auch am nächsten auf die Gössler Alm aufstieg. Es war sehr schön. Am vierten Tag ging ich aber ins Widderkar, denn es ist kein Urlaub, wenn ich nicht im Widderkar war. Tags darauf war der Bertl bedrückt. Er ahnte, dass ich eine wilde, unzähmbare Strawanzerin hier im Toten Gebirge sei. „Schau“, sagte ich zu ihm, „ich habe hier noch lange nicht alles gesehen, und der Urlaub dauert nur noch zehn Tage.“ Ich trocknete seine Tränen mit dem Ärmel meines nicht mehr ganz frischen Merinoleiberls. Am nächsten Tag nahm ich ihn mit auf den Jägersteig ins Widderkar hinüber, wir sahen den Adler wieder. Der Hund sprang fröhlich der Gams nach. Der Eisenhut blühte. Der Wind wuschelte Roberts güldenes und mein ofarbenes Haar. Wir machten Rast in der Wiese, wieder tranken wir Freistädter. Dann sah er mir in die Augen:

Du hast es mir verdorben.“

Was?“

Das Alleinsein.“

Du hast gewusst, dass ich mit dem Buttinger fix zusammen bin.“

Ja“, sagte er.

Da stieß der Adler seinen scharfen Schrei aus, wie um uns vom Abschiedsschmerz abzulenken. Der Hund legte sich zu uns auf die Decke und knibberte an den Pfoten.

Bertl, wieso kannst du eigentlich so gut Deutsch, mit Dialekt sogar?“

Weil mei Muada a Dosige woa. Und mei Voda vo Gramastettn.“

Da gab es mir einen Stich ins zerwanderte Herz. Es brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass er mein Großonkel war. Irgendwann würde ich darüber einen verwickelten Familienroman schreiben (sehr praktisch in Originalbesetzung zu verfilmen), aber heute waren wir melancholisch wegen dieses Inzests. „Naja, egal“, sagte ich, „des hod uns do no nia gschodt.“

Robert sah hinüber zum Bruderkogel, jetzt sprach er im Tonfall Meryl Streeps:

Ich weiß ein Lied vom Toten Gebirge, von den Gämsen und vom Abendrot, das die Felsen erglühen lässt, von den Almen und den Gräsern, die sich im Wind neigen. Weiß das Tote Gebirge auch ein Lied von mir? Zittert die Luft über den Gipfeln jemals in einer Farbe, die ich an mir hatte, spielen die jungen Murmeltiere ein Spiel, in dem mein Name vorkommt, wirft der Vollmond einen Schatten auf die Gössler Alm, der dem meinen gleicht? Hält der Adler vom Bruderkogel nach mir Ausschau?“

Wir strichen einander wieder die Tränen von den Backen.

Im nächsten Sommer führte mich mein erster Weg auf die Gössler Alm. Die Hütte war vom Winter zerwirkt und verschlossen. Der Hund sah mich an und winselte. Mit schwerem Schritt zog ich hinüber ins Widderkar.

Von fern sah ich den Lagerplatz des vorigen Sommers. Darauf lagen (jetzt wird’s schön, aber unwahrscheinlich) im Licht des Sonnenuntergangs eine Löwin und ein Löwe, die eine längere Zeit auf unserem Almboden blieben. Es gehört und ziemte sich, dass die Löwen diesen Ort aufsuchten und ein Denkmal für uns waren.

Ich war guter Dinge und stieg ab, ohne die unwahrscheinlichen Gäste zu stören. Das wird dem Buttinger gut gefallen.

Dienstag, August 05, 2025

Do I am?

Das hier ist keine Homepage, das oberste Posting stammt quasi aus dem Mesozoikum. Neues erscheint nur im Verborgenen, irgendwo weiter unten. Aber lasst euch nicht stören, das hier ist nichts weiter als eine Text-Verschenkungs-Plattform. 



Montag, Mai 26, 2025

Botanische Besachwalterung: Die 11 schlechtesten Garten-Tipps der westlichen Welt

Hier zu sehen der Versuch, eine Wildschweinsuhle im naturnahen Garten anzulegen. 

Als unlängst die Autorin Barbara Frischmuth verstarb, sah man die „passionierte Gärtnerin“ in ihrem Altausseer Blütenmeer liebevoll an Blümchen zuppeln, mit reinweißen Fingerkuppen und sterilen Nägeln. Schon alleine deswegen möchte ich in den kommenden 40 Jahren noch nicht sterben, um derlei Peinlichkeit zu vermeiden. Wenn die Gemeinde Wilhering auf die Schnapsidee kommt, mein Grundstück als „Dichtergarten“ zu vermarkten, wird mich die Scham noch Jahrzehnte überleben. Ich muss in meinem „Garten“ aufpassen, nicht von Löwenzahnsamen befruchtet zu werden, vom Kirschlorbeer deprimiert, vom Giersch verhöhnt, vom Efeu umschlungen. Antiautoritäres Gärtnern. Die Pflanzen dürfen selbst entscheiden, wo sie sich hinentwickeln wollen, und deswegen wachsen sie mir über den Kopf. 

Trotzdem hier meine Gartentipps! Es lehrt ja auch das schlechte Beispiel. 

1. Sämtliche Ausgaben bei Bellaflora und Lagerhaus von der Steuer absetzen, als Sonderheilmittel „Ergotherapie“. Bei Kontrollen des Finanzamts angeben, dass man im Dreck wühlen müsse, um Totschläge zu vermeiden. #mentalhealth #meindlhealth

Apropos: 2. Wenn es doch passiert, dass man zufällig Donald Trump oder Vladimir Putin Radieschen naschen sieht, Augen zu und durch, und zwar in der Mitte, die spüren das eh nicht, wenn man es mit einer scharfen Gartenschere macht. Und es ist ja der eigene Grund und Boden, da kann man tun, was man will. Aber kein Schneckenkorn verwenden, das tötet Despoten nicht zuverlässig, wohl jedoch Nützlinge wie Tigerschnegel und Weinbergschnecken.

Tipp 3: Die Leichname von Erzfeinde gehören an sich in die Tierkörperverwertung, weil so ein menschlicher Leib voller toxischer Schadstoffe ist. Ich rate dennoch zur Entsorgung im eigenen Garten, z.B. als Füllmaterial im neuen Hochbeet (Wühlmausgitter drunter nicht vergessen), denn eine lebenslängliche Haftstrafe schadet dem Garten noch mehr, wer gießt dann 25 Jahre lang die Hortensien?

3a. Toten Trump eingraben, geschützte Pflanzenarten draufsetzen, dann können die Behörden wegen Naturschutz nicht mehr ermitteln. 3b. Garten als Friedhof anmelden, um Grundsteuer zu sparen.

4. Sich im eigenen Garten bestatten lassen, entweder im Mausoleum oder im Hügelgrab mit individuell abgestimmten Grabbeigaben, das ergibt ein Hallo bei den Archäolog*innen der Zukunft! „Whoa schau, des muass a mächtige Frau gwesn sei, des is a rot-weiß-rote Schärpn!“

5. Wenn man einen Putsch plant, zur Übung das Erdbeerland annektieren und eine Teilnahme am Songcontest verlangen, diplomatische Vertretungen in aller Welt, EU-Antrag stellen, Fußball-Großevents an Land ziehen. Über die Normalisierung der Verhältnisse Fakten schaffen.

6. Bohnen nur zwei Zentimeter tief in den Boden legen, dazu Kukuruz als Rankhilfe, Kürbis ist ein Starkzehrer.

6a. Wer keinen eigenen Garten hat, bitte das Matriarchat unter meiner Herrschaft unterstützen, um die reichsten 5% zu enteignen und deren Liegenschaften fürs Volk zu parzellieren.

7. Wenn der Garten scheiße aussieht, so tun, als wäre man Andre Heller und wolle der Region einen Zaubergarten der Magie schenken, damit die Menschen in sozial erkalteten Westen das Staunen wieder lernen können. Die erhaltenen 34 Millionen Kulturförderung zum Maschinenring tragen, da geht sich evtl. der Vorgarten aus

8. Freunde mit Rasenmäherroboter regelmäßig ächten bzw. Bilder von zerhäckselten Igeln schicken. Laubbläser NICHT kaufen. Einfach nicht.

9. Vorgarten unter Schotter und Kies ersticken, wenn man nicht mehr so viel Arbeit haben will und keine Angst davor hat, für deppert gehalten zu werden. Mit alten Bergschuhen dekorieren, aus denen lustige Sukkulenten wuchern. Damit hält man auch verlässlich genäschige Lebewesen vom Anwesen fern, mich z.B.

10. Bei der OÖN-Gartenwahl teilnehmen und nach verdienter Niederlage in einem weinerlichen Facebook-Post darüber klagen, dass dieses Scheiß Land seine Kunstschaffenden erst ehrt, wenn sie einmal tot sind!!!!

11. Apropos: Einfach aufgeben und eins mit dem Erdboden werden, sich von Rosenkäferengerlingen fressen lassen, so wird aus dem schlaff gewordenen Leib wieder was Schönes. #upcycling

Samstag, März 01, 2025

Saukopf-Büffets trotz Scharia, Blackfacing trotz Klimawandel. Ich werde zum Hasskraftwerk

Lebenskrimskrams im Februar 2025

1.2. BOZEN

Der Mann im Ötzi-Museum meint, ich könne den Hund gern mitnehmen, müsse ihn aber für die Dauer meines Besuchs auf Händen tragen. Ich lehne dankend ab, sie soll ja auch beim Anblick des getrockneten Fleisches keinen Guster bekommen. Die mütterliche Linie Ötzis sei ausgestorben, aber die väterliche lebt ganz augenscheinlich in mir weiter. Ich beschließe, keine große Sache daraus zu machen, sonst darf ich das Museum gar nicht mehr verlassen. Ganz ohne Ironie sieht die lebensgroße Rekonstruktion dem Vater noch ähnlicher als die Bilder, ich bin zu meiner Überraschung ehrlich gerührt.

Erst später gneiße ich, welches Glück ich hatte, bloß mit einem halben Dutzend anderer hier zu sein, es ist die einzige Woche im Jahr, in dem der Overtourism sich hier legt. Darum also auch das Zimmer im Laurin.

Am Nachmittag interviewt mich die sehr sympathische Jutta Wieser für Radio RAI. Sie kommt mit meinem Dialekt sehr gut zurecht, statt „larger than life“ versteht sie sogar fast übereifrig „letschats life“.

Was ich sonst darüber geschrieben habe: "Du steckst nicht im Overtourism, du BIST der Overtourism. Bittersüßes Südtirol"

3.2.

Leichte geistige Erschöpfung nach diesem Wochenende, es ist schon eine Weile her, dass ich praktisch gar nicht zum Lesen gekommen bin.

Dazu viel Admin-Schas und etliche Telefonate, die Emails hätten sein können, dazu viel diffuse Wut auf das Elektorat von ÖVP, FPÖ und Neos. 

4.2.

Sengsen. Wandern fühlt sich derzeit an wie eine Kompensation, die ich durchsetzen muss gegen die Welt. Es ist immer noch viel zu warm, weswegen ich mich beinahe mit dem Tageslicht verspekuliert hätte; wie ein kleiner Jetlag. Es ist schon nicht mehr Winter. 

5.2.

Metro mit den Schwestis, wir kaufen beinahe 100 Kilo Rechnungshefte, aufblasbare Schwimmkassetten und zehn Liter Diskontkorn. 

6.2.

Blitztreffen mit Birgit, sie sagt zum Abschied tatsächlich „g'sund bleiben!“ Noch lachen wir.


7.2. Wien

Ein Mann geht durchs Prückl, um Lesezeichen „gegen misshandelte Kinder“ zu verkaufen. Jana, Otto und ich schütteln den Kopf, er wird böse. „I frog mi, wia es auf d'Wöd kumma sad's!!!“

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GAV-Vorstandsitzung

Vielleicht darf ich das nicht ausplaudern, aber der Herr wird ja großen WErt auf Verbreitung seiner Ansicht legen: Er tritt aus, um ein „Zeichen gegen die Genderverseuchung zu setzen“, er pflege auch privat keinen Umgang mehr mit Menschen, die solch eine die Verständlichkeit der Sprache gefährdende „Neo-Sprich-Idolatrie“ betreiben. Zum Glück finde das nicht nur ich ironisch. 

 Magdalena bekommt von der Arbeiterkammer eine Urkunde, mit der ihr „im Namen der Volkswirtschaft“ für 20 Jahre Arbeit an derselben Dienststelle gedankt wird.

Wir trinken dann sehr viel Dosenbier, denn das sind meine Menschen - ich verstecke hier meine Zuneigung wie einen geo cache. <3

8.2.

Beim heurigen Schl8hofball „HitBALLrade“ verkleide ich mich als die Disco-Version von Blanche Debareaux. Wieder sind auch alle anderen extrem schön und betreiben großen Aufwand, und wieder möchte ich alle nach Themen ordnen wie ein Faschings-Border-Collie. 


Backstage wird wie immer mit Zunge geküsst 

Roman lädt uns auf ein Stamperl des weltbesten Tequilas ein, wir dürfen ihn nicht gleich in unsere schon sehr dummen Schädel schütten. Sehr mitreißend erzählt er, wie George Clooney und Julia Roberts Gatte miteinander ein Tequila-Gut und irgendwelche fancy Fässer kauften, aus humanistischer Bewegung. Der Schnaps schmeckt dann zumindest nicht grauslich, mehr darf man von Tequila nicht erwarten. Sofort danach gehen wir heim, da ich den äußerst schmalen Limbus zwischen betrunken und dem Tode geweiht erreicht habe. Nur in diesem Zustand kann man in diesen Leggins durch die Welser Nacht taumeln.

9.2.

Wir verbringen den Tag trotzdem, als hätten wir einen Kater, also ächzend und lesend. Dabei kommt mir ein Philosoph mit dem Namen Lagasnerie vor, wie ein auf Schichtnudelauflauf spezialisiertes Restaurant mit Tippfehler. Das hier ist kein Symbolbild: 

10.2.

Wenn ich so träume, wache ich lieber: Auf einem Landgut werden „Welpenburger“ angeboten, zu meinem Entsetzen predige ich „Wer Tiere ist, muss auch Streicheltiere essen“ und wähle eines der um meine Füße wuselnden schwarzen Pudelbabies aus.

11.2.

Ein Wärmepumpentechniker kommt und werkt herum, ich werde schon durch das Nachdackeln müde, er aber erzählt, dass er nach der Arbeit gerne seinen 15-Hektar-Wald an der böhmischen Grenze bewirtschafte. 


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Wenn man den Broligarchen Peter Thiel so richtig amerikanisch ausspricht, klingt er wie „paedophile“.

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Ich muss dem Pflegschaftsgericht ein Hausgutachten schicken. Der Vater hat dem Notar tausende Euro für die Mitteilung bezahlt, wann Schönering das erste Mal urkundlich erwähnt wurde. Ich arbeite eindeutig im falschen Text-Genre. Zudem weiß ich jetzt, dass auch Massivbetonhäuser Lebenserwartungen haben, die jenen eines Menschen ähneln.

12.2.

Zum ersten Mal seit Erscheinen des Romans treffe ich Axel Scheutz. Nach unserer Veranstaltung hält er mir sein Exemplar hin, darin eine Menge verschiedenfarbener Post-Its. „Die gelben sind dort, wo ich vorkomme!“ Mir wird bewusst, dass der fiktional wirklich nicht sehr gut wegkommt, umso legitimer war es, dass er bei der Diskussion zweimal sagte „Kaufen Sie das Buch, Frau Meindl formuliert gut, aber sie lässt kein Klischee aus!“ Wir trinken und schnattern noch lange in der Roten Bar. 


Tarek Leitner ist von makelloser Freundlichkeit und Erscheinung, sogar seine Stirnfalten wirken wohlüberlegt. Er sagt, als Zuagroaster sei er natürlich viel stärker verliebt in die Gegend als seine einheimische Gattin, er sei kurz davor, Tracht zu tragen – während die wahre Tracht des Salzkammergütlers ja von Engelbert Strauss sei.

Über meinen Vorschlag, ein Entlastungs-Hallstatt zwischen Attnang und Puchheim zu bauen, wird wieder blöd gelacht, noch mehr über meinen Wunsch, Schönering zu klonen.

13.2.

Fan-Club-Kollegin Maria Z. ruft an, um zu erfahren, wie es gestern war. Dann erzählt sie von einer einstigen Kulturreise mit dem Gatten durch Indien und Nepal. Da das sehr anstrengend war, gönnten sie sich am Ende ein paar Tage auf den Malediven. Dort gebe es keinen Individualtourismus. Ein hoher Prozentsatz der Inseln wird den Fremden geopfert, während sie zum Rest keinen Zutritt haben. Hier herrscht die Scharia, dort wird zum Saukopf-Büffet geladen, man speist besoffen und im Bikini. Es ist ein wenig wie das scheinidyllische Gegenstück zur Cancer Lane am Golf von Mexiko: sacrificed areas.

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Dogfishing auf Tinder

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Alle Texte für die Lesebühne zwischen 10 und 15:30 geschrieben, was soll noch schiefgehen im Februar? 

14.2. 

Es war Lesebühne und es war sehr schön: Punk is not Dad, mit dem besten Stephan Roiss, den wir haben. (Foto: Thomas Thanner) 

 

15.2.

Erinnernswert: die erste eigene Kettensäge gekauft, es muss ja nicht alles wehtun am Erwachsensein (außer, ich schneid' mich damit).

16.2.

So lang so wenig Schnee gab's noch nie. Das nächste einzigartige Phänomen, an das man sich wird gewöhnen müssen. Meine Tourenski habe ich kurz vor Weihnachten zum Service gebracht und nie abgeholt.

Im Jänner frage ich mich jedes Jahr, was das (Klein)Bürgertum und ich so toll an einem Garten finden. Jetzt beginne ich zu ahnen, dass es eh wieder recht wird damit.

17.2.

Die Generation X ist eingekeilt zwischen Boomern, die nicht aufhören wollen zu mansplainen, und den Y- und Z-lern, die nicht zuhören können.

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Die Self-Care-Industrie ist die dümmste Maßnahme gegen den Pflegenotstand.

18.2.

Satte zehn Stunden geschlafen, der Hund mehr als 12. Daran soll es heute nicht scheitern. Ich war aber auch sehr mit Träumen beschäftigt, in einem war es zum Zusammenbruch des ÖPNV in Wien gekommen. Ich soll auf Urlaub fahren und muss von Wien nach Linz, aber es wird sich nicht ausgehen, da in den U-Bahnen jetzt Güter transportiert werden, die Menschen können ja von selbst gehen. Es geht nur einmal täglich einen Bus diffus nach Westen.

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Heute tippe ich den Lebenskrimskrams vom August 2024, was an einem kalt-sonnigen Februartag ein schönes Timing ist. [Und das wiederum tippe ich an einem frisch-sonnigen Augustvormittag, was auch wieder stimmig ist, weil: ] Bei diesem Rhythmus erfreue ich mich dann am 18.8.2025 an der Erinnerung an polare Kaltluft und ein ganz neues Licht nach dem mühsamen Hochwinter. [Es ist so, als packte man sich selbst seelische Jausenpakete für das nächste Semester.]

 

 19.2.

Ein unbehelligter Tag (bloß nicht die Nachrichten einschalten!), ein selbstauferlegter Lockdown – und die Vögel kehren langsam heim, diese fliegenden Leischn.

Das Urvertrauen in alle halbwegs sane wirkenden Personen wächst, gleichzeitiger Kollaps des Zutrauens zu allen außerhalb des Dunbar-Kreises.

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In „Jagen, Sammeln, sesshaft Werden“ macht Foster einen argen, aber schönen Schwenk am Ende seiner Erforschung von Mensch und Natur in Richtung Übersinnlichkeit. Die sei ja kein Wunder, denn in der Sekunde vor dem Urknall war ALLES auf engstem Raum EINS. Endlich kann auch das Genre des Nature Writing über die spukhafte Fernwirkung der Quantenverschränkung sprechen,ohne auf dem Scheiterhaufen zu landen (oder für doof gehalten zu werden).

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Zuerst schaufle ich stundenlang Sand in den Wärmepumpenschacht, dann backe ich einen „Kuchen“, der sich wie Sand zwischen den Zähnen anfühlt. 


20.2.

Nie hätte ich Schauspielerin werden können, zu groß wäre die Scham gewesen, irgend etwas darzustellen, das auch nur einen Schritt in Richtung Sex geht, auch nicht nach der Befreiung durch die Body Positivity. Genauso unmöglich jeder Hauch von Pathos – siehe Pedro Pascal in „Wonderwoman 2“, wie er im Wunsch-Satelliten-Strahl auszuckt vor Erfüllung. Aber immer noch eher sowas als Sex.


21.2.

Gratis in die Kletterhalle, weil „heit woasd eh gaunz schwoch beinaund.“ 

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Essen gehen eh super, aber wir sitzen so zwischen lärmenden Familien verkeilt, dass Après-Ski-Stimmung aufkommt und der Buttinger mich über die Pizza eher grämlich als romantisch anschaut.

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Am Beispiel des Buches „Altstadtgassen und Adelshöfe“, versehen mit dem Ex-Libris der Mutter erneut die Feststellung, dass das Ausmisten eine Gratwanderung bleibt zwischen „Immer noch so viel Zeug, das mich nicht interessiert!“ und großer Sentimentalität.

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Das Centerfold des Schöneringer Pfarrblatts zieren die überraschend vielen diversen Sternsingergruppen. Zum einen erstaunt, wie viele Ortsteile es gibt („Schönering Inseln“, „Mühlbach Nord + Fall (2. Tag)“). Zum anderen, dass sich immerhin drei Menschen das Blackfacing nicht nehmen lassen. Nur Männer, nur Erwachsene. Das ist schon alleine aus Bequemlichkeitsgründen bizarr (ich spreche aus alter, leidvoller Erfahrung). Etwas später zeige ich dem Buttinger das Foto, er muss nur einen schnellen Blick drauf werfen: „Ich zähle vier!“ Wir schauen gemeinsam. Der vierte entpuppt sich als der Nachbar, der bloß im Jännerschatten ganz blau angelaufen ist.

22.2.

Heute bekommen die Vögel endlich wieder Namen. Auf dem Gipfel des Haglers steigt plötzlich ein Schwarm Dohlen auf, wie um dem Herrn Ornithologierat und mir eine Freude zu machen. Ein eleganter, luftiger Zauber. 

Beide haben wir jetzt schon unsere Jahresvorhaben erfüllt: Hasi hat den „Ulysses“ ausgelesen, ich kann jetzt die Frisbee auch mit links schmeißen.

Er berichtet, dass beim Begräbnis eines gemeinsamen Bekannten eine Dame zu „I am sailing“ ein Tanzgebet aufgeführt habe, es sei sehr schwer gewesen, nicht zu lachen. Ich sollte derlei wahrscheinlich jetzt schon notariell regeln. Aber eher im Sinne, dass ich das auch will, es sollen die Hinterbliebenen sich über den Auslöser ihrer Tränen nie sicher sein können.

24.2.

Sitzungen von 16 bis 19 Uhr. Wie halten andere Menschen das nur aus?! Und ich weiß, das ist noch gar nichts! Wieso flippen sie nicht viel öfter aus? Ist das eine Sache des Trainings? Es war ja nicht einmal schlimm, nur ein wenig fad. 

25.2.

Was für Leute es gibt! C. lädt uns zu seinem Nachbarn, der die Software für Indoor-Windkanalflüge programmiert und damit zu einem Wohlstand gekommen ist, den er für Outdoor-Fallschirmflüge verwendet, aber auch für das Brauen ausgefallener Biere. Unsere Augen leuchten, eine neue Freundschaft will entstehen.

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Beim Hundsäußerln sollte ich nachdenklicher wirkende Outfits tragen, ich kriege erstaunlich viel erstaunlich Banales erklärt. Seit wann wird man Hundeexperte und Hundebesitzer gleichzeitig? Woher überhaupt dieser Drang zu seltsam übertriebener Professionalisierung im Privatleben?

26.2.

Beim Lesen der aktuellen Ausschreibung für den LinzIMPuls komme ich peinlich spät drauf, dass ich den ja geschrieben habe (in eigentlich sehr schmeichelhafter Vorwegnahme des Ars-Electronica-Themas „Do/n't Panic“. Entweder bin ich sehr fleißig und/oder dement. [Nachtrag: Ich hab' sogar noch schnellschnell mit Walter Stadler ein Projekt zusammenklabüsert, wieder am Tag der Deadline, aber ohne Erfolg. So geht Transparenz!]

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Sehr langsam, eher erosiv geht’s beim Ausmisten. Ich schneide Tierbilder aus den Bildbänden über Palazzi und mache es mir im Bürgertum unbequem. 

Auch ein sehr guter Spaß mit dem Erbgut: passiv-aggressive Rollaugen ins Altertum malen.  

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Ungeduld mit der Landschaft. Dafür bei Niederwasser am Donaustrand eine Rostgans gespottet. Hasi beruhigt per Whatsapp-Konsilium, der Vogel sei ein Gefangenschaftsflüchtling, der sich mittlerweile zum Neozoon gemausert habe.

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Nach fünf Minuten Schaufeln ruft die Nachbarin „Tüchtig!“ über den Zaun, dabei müsste sie das tun, sobald das Licht im Büro angeht.

27.2.

Eine an sich gute Kunstperformance. Ich checke nur immer noch nicht, warum wir Frauen uns nackig ausziehen müssen, um Freiheit zu beweisen. Fini isst die Requisitenwurst.

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Was für ein unfassbar großartiger Film „Three Billboards outside Missouri“ ist!

28.2.

Alles geht immer am Freitag Vormittag.

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Schade, dass ich mit meinem Hass kein Wärmekraftwerk betreiben kann, Trump und Putin würden mich energieautark machen. Schon der Fund einer Perücke im Gestrüpp des Wasserwaldes löst Assoziationen und energische Gewaltfantasien aus: 

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Zum Glück gibt's die Sublimation und die Kunst. Wenn du wüsstest, wie schön „Wenn du wüsstest, wie schön es hier ist“ ist.

Mittwoch, Februar 19, 2025

Dad Jokes vom Horrorclown. Neue Dekrete

Ein Text für die Februar-Lesebühne:

Der Fasching bietet Gelegenheit zur Triebabfuhr: Endlich das schwere Joch der Vernunft abwerfen und richtig zum Tier werden! Das System sprengen und sich selbst im Suff das Augenlicht nehmen! Teilzeitnihilismus!

Bin ich die einzige, die derzeit das unangenehm satirische Gefühl hat, dass wir die Eltern sind und die Politiker die ungezogenen Kinder? Die Herrschenden rebellieren gegen uns. Derzeit ist es verflucht schwer, Satiren zu schreiben. Wie soll man die Realität noch überhöhen? Oder besser: unterbieten? Ich meine: Trumps Dekretflut am ersten Tag, in einem Habitus, der zweifeln ließ, ob er überhaupt gut genug schreiben könne, um seine eigene Unterschrift zu schaffen, geschweige denn lesen zu können, was für einen Schmarrn er da unterschreibt. Die Tage seit Trumps Inauguration wirken so, als habe das US-amerikanische Franchise der Original Lindsey Vorte die Scripted Reality in die Weltpolitik geschmuggelt.

Aktuell kämpft Trump für die Wiedereinführung des Plastikstrohhalms. DAS sind weltbewegende Anliegen des leider mächtigsten Mannes der Welt! Putin und Selenski sollen sich die Hand geben und „tschulligung“ nuscheln. Den Gazastreifen will Trump in eine neue Riviera verwandeln, sind ja lauter Top-Strandlagen dort. Was noch? Ein Disneyland Ost in Tschernobyl? Grönland annektieren, mit Heizpilzen erwärmen und mit Maisplantagen überziehen? Wenn er den Panamakanal hat, dann den Donaukanal, den Youtube-Kanal der OLW?!

Meine Analyse: Die Autokraten werden wieder bunter, grauer Büromausstyle à la Scholz-Merkel-Stocker ist out. Regimemäßig geht der Trend zu Fashio-FAschismus, also vintage. Es wird wieder Michael-Jacksonischer, Gaddaffi Duckiger. Als Petra Filzmayer der Despotie weiß ich, warum der Volkskanzlerkelch an uns vorüber gegangen ist: Kickl kickt nicht, er ist keiner, der herbärt, er hat keine main character energy, zu grau, zu viel Nagetier-Vibe, keinen Sex, keine Aura, kein Sigma-Typ. Toxisch, aber nicht männlich. Man setzt mit ihm auf ein zu kleines Pferd.

Zurück zu Trumps Dekreten – ich habe ihm folgende Anliegen mit Schwerpunkt Linz-Land bzw. „Dominika Meindl“ untergejubelt, der Depp hat's blanko unterschrieben!

  • Meine Postings sind fürderhin jubelpersisch zu kommentieren, also „lieb gesagt!“, und nicht „Dachte du bist Feministin, warum lässt du dich vom Hallstätter Bürgermeister würgen“ oder „Du hast sehr tiefe nasolabiale Falten!“

  • Österreich steigt sofort aus der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer aus, sucht euch einen neuen Staat, ihr Standortfetischisten

  • Frau Schmitzberger, ist es ab sofort untersagt, mir immer so neugierig in den Garten zu spernzeln

  • Konjunkturmaßnahme Bauwirtschaft: Errichtung eines Entlastungshallstatts beim Autobahnknotenpunkt Haid

  • Sofortige Einführung einer Qualitätsmedienförderung, sofern diese den Namen „Elon Musk“ nicht erwähnen

  • Ab sofort ist es bei Todesstrafe verboten, dass nahe Angehörige sterben – analog dazu sind sämtliche Biolog*innen dazu angehalten, daran zu forschen, die Lebenserwartung von Hunden zu verfünffachen

  • Kriese darf ab jetzt mit langem i geschrieben werden, und orthographisch ebenfalls dem eigenen Ermessen übergeben werden: Terrasse, Komitee und Karussel. Das ist die Rechtsschreibung, die das Land braucht.

  • Extreme Zölle auf unnötige Importe wie Dubai-Schokolade, K-Pop, Kim-Kardashian-News, Fracking-Öl, demokratiefeindliche Arschpopulisten, Gulaschdiktatoren, Genua-Tiefs, After Eight, Tesla-Trucks, Vogelgrippe

    Es ist ab jetzt generell verboten, oasch zu sein. 

Montag, Februar 03, 2025

Du steckst nicht im Overtourism, du BIST der Overtourism. Bittersüßes Südtirol

Man hatte mich nach Bozen eingeladen, um über Overtourism zu sprechen, und ich wusste, dass ich den Leuten hier nichts Neues erzählen würde, wenn ich von Hallstatt spreche. 

Bei der Anreise überraschte mich meine Aufregung angesichts der Landschaft, die sich ab dem Brenner verstärkte, obwohl man hier wohl auf der Autobahn zwischen Sterzing und Brixen durch den hässlichsten Teil Südtirols muss. Ich erzählte lauter alte Schnurren von den alljährlichen Urlauben im Villnösstal, von den Bergtouren auf das Zuckerhütl und den Sas Rigais. Wir beschlossen, bei der Heimfahrt den reality clash in St. Maddalena zu riskieren, dabei wusste ich, dass man nicht mehr einfach über die Wiese hinüber zur Ranui-Kapelle gehen durfte, weil der Ort zum instagrammable spot auf der bucket list der everywhereists geworden war. 

In Bozen ging ich ins Ötzi-Museum, natürlich, das stand ja auch auf meiner bucket list, denn nur weil ich zu einer Lesung eingeladen war, änderte das nichts an meinem Status als Touristin. Zu meiner Überraschung war fast nichts los, eine Mutter mit Kind schaute durch das kleine Fenster, das Kind meinte, der tote Mann glänze wie Speck. Ich war dann auch überrascht, dass mich der einsame Tote rührte, aber ich war auf eine gute Art dünnhäutig hier. Und die Ähnlichkeit des rekonstruierten Ötzis hört nicht auf, mich wegen seiner Ähnlichkeit zum Vater zu erstaunen.

Später erzählten mir die Veranstalterinnen, dass es absolut ungewöhnlich sei, einfach so ins Museum spazieren zu können, es gebe nur noch zwei, drei tote Wochen in Bozen, an allen anderen sei die Stadt voller Deutscher, Russen und Amerikaner; die Schlangen am Eingang und vor der Mumie elendslang. 

Die Lesung im Literaturhaus war denn eine reine Freude, ich war wieder einmal erleichtert, mir den Roman doch herausgeschunden zu haben, denn es gibt bestimmt kein anderes Umfeld, in dem so liebenswürdige Menschen arbeiten. Mein Hochstapel-Gefühl wird sich wohl noch lange nicht legen, aber das ist keine schlimme Qual und eine andere Geschichte. 

Am nächsten Tag fuhren wir durch das Villnößtal, ich war froh, nicht am Lenkrad zu sitzen, so sehr musste ich schauen. Die Eltern waren schon als ganz junge, mittellose Leute in den 1960ern hergekommen, von Beginn an immer an denselben Ort, und jedes Jahr endeten die Tage "am Ranui" mit der Vorfreude auf die Wiederkehr. Ich selbst war zuletzt vor zehn Jahren hier gewesen, eine letzte Reise mit dem Vater, der lange mit den Altbauern sprach; alle freuten sich. Meine jüngere Schwester war dann vor einem Jahr hier gewesen, von ihr wusste ich vom Drehkreuz und der zu erwartenden Entzauberung. Es war ein schöner Sonntag, der Andrang nicht stark, aber die Entfremdung deutlich. Das ist nichts Ungewöhnliches, keinem Ort glücklicher Kindheitstage bleibt sein Zauber.

Natürlich machten wir Fotos, natürlich achteten wir darauf, keine anderen Touristen draufzuhaben. Die freundliche Köchin hatte uns empfangen, es sei niemand da von den Betreibern des Hotels. Ich war erleichtert zu hören, dass die Altbauern noch lebten. Wir hinterließen Grüße und fuhren nach Hause in den ekelhaften Hochnebel. Wir waren keine Stunde hier gewesen.

Zuhause postete ich einige Fotos, und schrieb "völlig unterschätzt, wie sehr mir Südtirol gefehlt hat", was ja stimmte. Der gute Jörg Zemmler kommentierte recht sarkastisch, ich fühlte mich missverstanden, aber dann sah ich erst das Video, das er von seinem Fenster aus gemacht hatte: SUVs rollen Stoßstange an Stoßstange in Richtung Seiser Alm, jedes nicht-touristische Leben lähmend. Er hatte völlig recht.

Hallstatt ist klein, man entkommt dem Overtourism schnell wieder (wenn man nicht dort lebt). Wohin man sich in Südtirol zurückziehen soll, erscheint rätselhaft. Als Autorin möchte ich sehr, sehr gerne wiederkommen, als Touristin sollte ich es von jetzt an gut sein lassen.