Das hier ist keine Homepage, das oberste Posting stammt quasi aus dem Mesozoikum. Neues erscheint nur im Verborgenen, irgendwo weiter unten. Aber lasst euch nicht stören, das hier ist nichts weiter als eine Text-Verschenkungs-Plattform.
Dienstag, August 05, 2025
Montag, Mai 26, 2025
Botanische Besachwalterung: Die 11 schlechtesten Garten-Tipps der westlichen Welt
Hier zu sehen der Versuch, eine Wildschweinsuhle im naturnahen Garten anzulegen.
Als unlängst die Autorin Barbara Frischmuth verstarb, sah man die „passionierte Gärtnerin“ in ihrem Altausseer Blütenmeer liebevoll an Blümchen zuppeln, mit reinweißen Fingerkuppen und sterilen Nägeln. Schon alleine deswegen möchte ich in den kommenden 40 Jahren noch nicht sterben, um derlei Peinlichkeit zu vermeiden. Wenn die Gemeinde Wilhering auf die Schnapsidee kommt, mein Grundstück als „Dichtergarten“ zu vermarkten, wird mich die Scham noch Jahrzehnte überleben. Ich muss in meinem „Garten“ aufpassen, nicht von Löwenzahnsamen befruchtet zu werden, vom Kirschlorbeer deprimiert, vom Giersch verhöhnt, vom Efeu umschlungen. Antiautoritäres Gärtnern. Die Pflanzen dürfen selbst entscheiden, wo sie sich hinentwickeln wollen, und deswegen wachsen sie mir über den Kopf.
Trotzdem hier meine Gartentipps! Es lehrt ja auch das schlechte Beispiel.
1. Sämtliche Ausgaben bei Bellaflora und Lagerhaus von der Steuer absetzen, als Sonderheilmittel „Ergotherapie“. Bei Kontrollen des Finanzamts angeben, dass man im Dreck wühlen müsse, um Totschläge zu vermeiden. #mentalhealth #meindlhealth
Apropos: 2. Wenn es doch passiert, dass man zufällig Donald Trump oder Vladimir Putin Radieschen naschen sieht, Augen zu und durch, und zwar in der Mitte, die spüren das eh nicht, wenn man es mit einer scharfen Gartenschere macht. Und es ist ja der eigene Grund und Boden, da kann man tun, was man will. Aber kein Schneckenkorn verwenden, das tötet Despoten nicht zuverlässig, wohl jedoch Nützlinge wie Tigerschnegel und Weinbergschnecken.
Tipp 3: Die Leichname von Erzfeinde gehören an sich in die Tierkörperverwertung, weil so ein menschlicher Leib voller toxischer Schadstoffe ist. Ich rate dennoch zur Entsorgung im eigenen Garten, z.B. als Füllmaterial im neuen Hochbeet (Wühlmausgitter drunter nicht vergessen), denn eine lebenslängliche Haftstrafe schadet dem Garten noch mehr, wer gießt dann 25 Jahre lang die Hortensien?
3a. Toten Trump eingraben, geschützte Pflanzenarten draufsetzen, dann können die Behörden wegen Naturschutz nicht mehr ermitteln. 3b. Garten als Friedhof anmelden, um Grundsteuer zu sparen.
4. Sich im eigenen Garten bestatten lassen, entweder im Mausoleum oder im Hügelgrab mit individuell abgestimmten Grabbeigaben, das ergibt ein Hallo bei den Archäolog*innen der Zukunft! „Whoa schau, des muass a mächtige Frau gwesn sei, des is a rot-weiß-rote Schärpn!“
5. Wenn man einen Putsch plant, zur Übung das Erdbeerland annektieren und eine Teilnahme am Songcontest verlangen, diplomatische Vertretungen in aller Welt, EU-Antrag stellen, Fußball-Großevents an Land ziehen. Über die Normalisierung der Verhältnisse Fakten schaffen.
6. Bohnen nur zwei Zentimeter tief in den Boden legen, dazu Kukuruz als Rankhilfe, Kürbis ist ein Starkzehrer.
6a. Wer keinen eigenen Garten hat, bitte das Matriarchat unter meiner Herrschaft unterstützen, um die reichsten 5% zu enteignen und deren Liegenschaften fürs Volk zu parzellieren.
7. Wenn der Garten scheiße aussieht, so tun, als wäre man Andre Heller und wolle der Region einen Zaubergarten der Magie schenken, damit die Menschen in sozial erkalteten Westen das Staunen wieder lernen können. Die erhaltenen 34 Millionen Kulturförderung zum Maschinenring tragen, da geht sich evtl. der Vorgarten aus
8. Freunde mit Rasenmäherroboter regelmäßig ächten bzw. Bilder von zerhäckselten Igeln schicken. Laubbläser NICHT kaufen. Einfach nicht.
9. Vorgarten unter Schotter und Kies ersticken, wenn man nicht mehr so viel Arbeit haben will und keine Angst davor hat, für deppert gehalten zu werden. Mit alten Bergschuhen dekorieren, aus denen lustige Sukkulenten wuchern. Damit hält man auch verlässlich genäschige Lebewesen vom Anwesen fern, mich z.B.
10. Bei der OÖN-Gartenwahl teilnehmen und nach verdienter Niederlage in einem weinerlichen Facebook-Post darüber klagen, dass dieses Scheiß Land seine Kunstschaffenden erst ehrt, wenn sie einmal tot sind!!!!
11. Apropos: Einfach aufgeben und eins mit dem Erdboden werden, sich von Rosenkäferengerlingen fressen lassen, so wird aus dem schlaff gewordenen Leib wieder was Schönes. #upcycling
Samstag, März 01, 2025
Saukopf-Büffets trotz Scharia, Blackfacing trotz Klimawandel. Ich werde zum Hasskraftwerk
Lebenskrimskrams im Februar 2025
1.2. BOZENDer Mann im Ötzi-Museum meint, ich könne den Hund gern mitnehmen, müsse ihn aber für die Dauer meines Besuchs auf Händen tragen. Ich lehne dankend ab, sie soll ja auch beim Anblick des getrockneten Fleisches keinen Guster bekommen. Die mütterliche Linie Ötzis sei ausgestorben, aber die väterliche lebt ganz augenscheinlich in mir weiter. Ich beschließe, keine große Sache daraus zu machen, sonst darf ich das Museum gar nicht mehr verlassen. Ganz ohne Ironie sieht die lebensgroße Rekonstruktion dem Vater noch ähnlicher als die Bilder, ich bin zu meiner Überraschung ehrlich gerührt.
Erst später gneiße ich, welches Glück ich hatte, bloß mit einem halben Dutzend anderer hier zu sein, es ist die einzige Woche im Jahr, in dem der Overtourism sich hier legt. Darum also auch das Zimmer im Laurin.
Am Nachmittag interviewt mich die sehr sympathische Jutta Wieser für Radio RAI. Sie kommt mit meinem Dialekt sehr gut zurecht, statt „larger than life“ versteht sie sogar fast übereifrig „letschats life“.
Was ich sonst darüber geschrieben habe: "Du steckst nicht im Overtourism, du BIST der Overtourism. Bittersüßes Südtirol"
3.2.
Leichte geistige Erschöpfung nach diesem Wochenende, es ist schon eine Weile her, dass ich praktisch gar nicht zum Lesen gekommen bin.
Dazu viel Admin-Schas und etliche Telefonate, die Emails hätten sein können, dazu viel diffuse Wut auf das Elektorat von ÖVP, FPÖ und Neos.
4.2.
Sengsen. Wandern fühlt sich derzeit an wie eine Kompensation, die ich durchsetzen muss gegen die Welt. Es ist immer noch viel zu warm, weswegen ich mich beinahe mit dem Tageslicht verspekuliert hätte; wie ein kleiner Jetlag. Es ist schon nicht mehr Winter.
5.2.
Metro mit den Schwestis, wir kaufen beinahe 100 Kilo Rechnungshefte, aufblasbare Schwimmkassetten und zehn Liter Diskontkorn.
6.2.
Blitztreffen mit Birgit, sie sagt zum Abschied tatsächlich „g'sund bleiben!“ Noch lachen wir.
7.2. Wien
Ein Mann geht durchs Prückl, um Lesezeichen „gegen misshandelte Kinder“ zu verkaufen. Jana, Otto und ich schütteln den Kopf, er wird böse. „I frog mi, wia es auf d'Wöd kumma sad's!!!“
***
GAV-Vorstandsitzung
Vielleicht darf ich das nicht ausplaudern, aber der Herr wird ja großen WErt auf Verbreitung seiner Ansicht legen: Er tritt aus, um ein „Zeichen gegen die Genderverseuchung zu setzen“, er pflege auch privat keinen Umgang mehr mit Menschen, die solch eine die Verständlichkeit der Sprache gefährdende „Neo-Sprich-Idolatrie“ betreiben. Zum Glück finde das nicht nur ich ironisch.
Magdalena bekommt von der Arbeiterkammer eine Urkunde, mit der ihr „im Namen der Volkswirtschaft“ für 20 Jahre Arbeit an derselben Dienststelle gedankt wird.
Wir
trinken dann sehr viel Dosenbier, denn das sind meine Menschen - ich verstecke hier meine Zuneigung wie einen geo cache. <3
8.2.
Beim heurigen Schl8hofball „HitBALLrade“ verkleide ich mich als die Disco-Version von Blanche Debareaux. Wieder sind auch alle anderen extrem schön und betreiben großen Aufwand, und wieder möchte ich alle nach Themen ordnen wie ein Faschings-Border-Collie.
Backstage wird wie immer mit Zunge geküsst
Roman
lädt uns auf ein Stamperl des weltbesten Tequilas ein, wir dürfen
ihn nicht gleich in unsere schon sehr dummen Schädel schütten. Sehr
mitreißend erzählt er, wie George Clooney und Julia Roberts Gatte
miteinander ein Tequila-Gut und irgendwelche fancy Fässer kauften,
aus humanistischer Bewegung. Der Schnaps schmeckt dann zumindest
nicht grauslich, mehr darf man von Tequila nicht erwarten. Sofort
danach gehen wir heim, da ich den äußerst schmalen Limbus zwischen
betrunken und dem Tode geweiht erreicht habe. Nur in diesem Zustand
kann man in diesen Leggins durch die Welser Nacht taumeln.
9.2.
Wir verbringen den Tag trotzdem, als hätten wir einen Kater, also ächzend und lesend. Dabei kommt mir ein Philosoph mit dem Namen Lagasnerie vor, wie ein auf Schichtnudelauflauf spezialisiertes Restaurant mit Tippfehler. Das hier ist kein Symbolbild:
10.2.Wenn ich so träume, wache ich lieber: Auf einem Landgut werden „Welpenburger“ angeboten, zu meinem Entsetzen predige ich „Wer Tiere ist, muss auch Streicheltiere essen“ und wähle eines der um meine Füße wuselnden schwarzen Pudelbabies aus.
11.2.
Ein Wärmepumpentechniker kommt und werkt herum, ich werde schon durch das Nachdackeln müde, er aber erzählt, dass er nach der Arbeit gerne seinen 15-Hektar-Wald an der böhmischen Grenze bewirtschafte.
***
Wenn man den Broligarchen Peter Thiel so richtig amerikanisch ausspricht, klingt er wie „paedophile“.
***
Ich
muss dem Pflegschaftsgericht ein Hausgutachten schicken. Der Vater
hat dem Notar tausende Euro für die Mitteilung bezahlt, wann Schönering
das erste Mal urkundlich erwähnt wurde. Ich arbeite eindeutig im
falschen Text-Genre. Zudem
weiß ich jetzt, dass auch Massivbetonhäuser Lebenserwartungen
haben, die jenen eines Menschen ähneln.
12.2.
Zum ersten Mal seit Erscheinen des Romans treffe ich Axel Scheutz. Nach unserer Veranstaltung hält er mir sein Exemplar hin, darin eine Menge verschiedenfarbener Post-Its. „Die gelben sind dort, wo ich vorkomme!“ Mir wird bewusst, dass der fiktional wirklich nicht sehr gut wegkommt, umso legitimer war es, dass er bei der Diskussion zweimal sagte „Kaufen Sie das Buch, Frau Meindl formuliert gut, aber sie lässt kein Klischee aus!“ Wir trinken und schnattern noch lange in der Roten Bar.
Tarek Leitner ist von makelloser Freundlichkeit und Erscheinung, sogar seine Stirnfalten wirken wohlüberlegt. Er sagt, als Zuagroaster sei er natürlich viel stärker verliebt in die Gegend als seine einheimische Gattin, er sei kurz davor, Tracht zu tragen – während die wahre Tracht des Salzkammergütlers ja von Engelbert Strauss sei.
Über
meinen Vorschlag, ein Entlastungs-Hallstatt zwischen Attnang und
Puchheim zu bauen, wird wieder blöd gelacht, noch mehr über meinen
Wunsch, Schönering zu klonen.
13.2.
Fan-Club-Kollegin Maria Z. ruft an, um zu erfahren, wie es gestern war. Dann erzählt sie von einer einstigen Kulturreise mit dem Gatten durch Indien und Nepal. Da das sehr anstrengend war, gönnten sie sich am Ende ein paar Tage auf den Malediven. Dort gebe es keinen Individualtourismus. Ein hoher Prozentsatz der Inseln wird den Fremden geopfert, während sie zum Rest keinen Zutritt haben. Hier herrscht die Scharia, dort wird zum Saukopf-Büffet geladen, man speist besoffen und im Bikini. Es ist ein wenig wie das scheinidyllische Gegenstück zur Cancer Lane am Golf von Mexiko: sacrificed areas.
***
Dogfishing auf Tinder
***
Alle Texte für die Lesebühne zwischen 10 und 15:30 geschrieben, was soll noch schiefgehen im Februar?
14.2.
15.2.
Erinnernswert:
die erste eigene Kettensäge gekauft, es muss ja nicht alles wehtun
am Erwachsensein (außer, ich schneid' mich damit).
16.2.
So lang so wenig Schnee gab's noch nie. Das nächste einzigartige Phänomen, an das man sich wird gewöhnen müssen. Meine Tourenski habe ich kurz vor Weihnachten zum Service gebracht und nie abgeholt.
Im
Jänner frage ich mich jedes Jahr, was das (Klein)Bürgertum und ich so toll an
einem Garten finden. Jetzt beginne ich zu ahnen, dass es eh wieder
recht wird damit.
17.2.
Die Generation X ist eingekeilt zwischen Boomern, die nicht aufhören wollen zu mansplainen, und den Y- und Z-lern, die nicht zuhören können.
***
Die
Self-Care-Industrie ist die dümmste Maßnahme gegen den
Pflegenotstand.
18.2.
Satte zehn Stunden geschlafen, der Hund mehr als 12. Daran soll es heute nicht scheitern. Ich war aber auch sehr mit Träumen beschäftigt, in einem war es zum Zusammenbruch des ÖPNV in Wien gekommen. Ich soll auf Urlaub fahren und muss von Wien nach Linz, aber es wird sich nicht ausgehen, da in den U-Bahnen jetzt Güter transportiert werden, die Menschen können ja von selbst gehen. Es geht nur einmal täglich einen Bus diffus nach Westen.
***
Heute tippe ich den Lebenskrimskrams vom August 2024, was an einem kalt-sonnigen Februartag ein schönes Timing ist. [Und das wiederum tippe ich an einem frisch-sonnigen Augustvormittag, was auch wieder stimmig ist, weil: ] Bei diesem Rhythmus erfreue ich mich dann am 18.8.2025 an der Erinnerung an polare Kaltluft und ein ganz neues Licht nach dem mühsamen Hochwinter. [Es ist so, als packte man sich selbst seelische Jausenpakete für das nächste Semester.]
19.2.
Ein unbehelligter Tag (bloß nicht die Nachrichten einschalten!), ein selbstauferlegter Lockdown – und die Vögel kehren langsam heim, diese fliegenden Leischn.
Das Urvertrauen in alle halbwegs sane wirkenden Personen wächst, gleichzeitiger Kollaps des Zutrauens zu allen außerhalb des Dunbar-Kreises.
***
In „Jagen, Sammeln, sesshaft Werden“ macht Foster einen argen, aber schönen Schwenk am Ende seiner Erforschung von Mensch und Natur in Richtung Übersinnlichkeit. Die sei ja kein Wunder, denn in der Sekunde vor dem Urknall war ALLES auf engstem Raum EINS. Endlich kann auch das Genre des Nature Writing über die spukhafte Fernwirkung der Quantenverschränkung sprechen,ohne auf dem Scheiterhaufen zu landen (oder für doof gehalten zu werden).
***
Zuerst schaufle ich stundenlang Sand in den Wärmepumpenschacht, dann backe ich einen „Kuchen“, der sich wie Sand zwischen den Zähnen anfühlt.
20.2.
Nie hätte ich Schauspielerin werden können, zu groß wäre die Scham gewesen, irgend etwas darzustellen, das auch nur einen Schritt in Richtung Sex geht, auch nicht nach der Befreiung durch die Body Positivity. Genauso unmöglich jeder Hauch von Pathos – siehe Pedro Pascal in „Wonderwoman 2“, wie er im Wunsch-Satelliten-Strahl auszuckt vor Erfüllung. Aber immer noch eher sowas als Sex.
21.2.
Gratis in die Kletterhalle, weil „heit woasd eh gaunz schwoch beinaund.“
***
Essen gehen eh super, aber wir sitzen so zwischen lärmenden Familien verkeilt, dass Après-Ski-Stimmung aufkommt und der Buttinger mich über die Pizza eher grämlich als romantisch anschaut.
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Am Beispiel des Buches „Altstadtgassen und Adelshöfe“, versehen mit dem Ex-Libris der Mutter erneut die Feststellung, dass das Ausmisten eine Gratwanderung bleibt zwischen „Immer noch so viel Zeug, das mich nicht interessiert!“ und großer Sentimentalität.
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Das
Centerfold des Schöneringer Pfarrblatts zieren die überraschend
vielen diversen Sternsingergruppen. Zum einen erstaunt, wie viele
Ortsteile es gibt („Schönering Inseln“, „Mühlbach Nord + Fall
(2. Tag)“). Zum anderen, dass sich immerhin drei Menschen das
Blackfacing nicht nehmen lassen. Nur Männer, nur Erwachsene. Das ist
schon alleine aus Bequemlichkeitsgründen bizarr (ich spreche aus
alter, leidvoller Erfahrung). Etwas später zeige ich dem Buttinger
das Foto, er muss nur einen schnellen Blick drauf werfen: „Ich
zähle vier!“ Wir schauen gemeinsam. Der vierte entpuppt sich als
der Nachbar, der bloß im Jännerschatten ganz blau angelaufen
ist.
22.2.
Heute bekommen die Vögel endlich wieder Namen. Auf dem Gipfel des Haglers steigt plötzlich ein Schwarm Dohlen auf, wie um dem Herrn Ornithologierat und mir eine Freude zu machen. Ein eleganter, luftiger Zauber.
Beide haben wir jetzt schon unsere Jahresvorhaben erfüllt: Hasi hat den „Ulysses“ ausgelesen, ich kann jetzt die Frisbee auch mit links schmeißen.
Er
berichtet, dass beim Begräbnis eines gemeinsamen Bekannten eine Dame zu „I am
sailing“ ein Tanzgebet aufgeführt habe, es sei sehr schwer
gewesen, nicht zu lachen. Ich sollte derlei wahrscheinlich jetzt
schon notariell regeln. Aber eher im Sinne, dass ich das auch will,
es sollen die Hinterbliebenen sich über den Auslöser ihrer Tränen
nie sicher sein können.
24.2.
Sitzungen von 16 bis 19 Uhr. Wie halten andere Menschen das nur aus?! Und ich weiß, das ist noch gar nichts! Wieso flippen sie nicht viel öfter aus? Ist das eine Sache des Trainings? Es war ja nicht einmal schlimm, nur ein wenig fad.
25.2.
Was für Leute es gibt! C. lädt uns zu seinem Nachbarn, der die Software für Indoor-Windkanalflüge programmiert und damit zu einem Wohlstand gekommen ist, den er für Outdoor-Fallschirmflüge verwendet, aber auch für das Brauen ausgefallener Biere. Unsere Augen leuchten, eine neue Freundschaft will entstehen.
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Beim
Hundsäußerln sollte ich nachdenklicher wirkende Outfits tragen, ich
kriege erstaunlich viel erstaunlich Banales erklärt. Seit wann wird man Hundeexperte und Hundebesitzer gleichzeitig? Woher überhaupt
dieser Drang zu seltsam übertriebener Professionalisierung im
Privatleben?
26.2.
Beim Lesen der aktuellen Ausschreibung für den LinzIMPuls komme ich peinlich spät drauf, dass ich den ja geschrieben habe (in eigentlich sehr schmeichelhafter Vorwegnahme des Ars-Electronica-Themas „Do/n't Panic“. Entweder bin ich sehr fleißig und/oder dement. [Nachtrag: Ich hab' sogar noch schnellschnell mit Walter Stadler ein Projekt zusammenklabüsert, wieder am Tag der Deadline, aber ohne Erfolg. So geht Transparenz!]
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Sehr langsam, eher erosiv geht’s beim Ausmisten. Ich schneide Tierbilder aus den Bildbänden über Palazzi und mache es mir im Bürgertum unbequem.
Auch ein sehr guter Spaß mit dem Erbgut: passiv-aggressive Rollaugen ins Altertum malen.
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Ungeduld mit der Landschaft. Dafür bei Niederwasser am Donaustrand eine Rostgans gespottet. Hasi beruhigt per Whatsapp-Konsilium, der Vogel sei ein Gefangenschaftsflüchtling, der sich mittlerweile zum Neozoon gemausert habe.
***
Nach
fünf Minuten Schaufeln ruft die Nachbarin „Tüchtig!“ über den Zaun,
dabei müsste sie das tun, sobald das Licht im Büro angeht.
27.2.
Eine an sich gute Kunstperformance. Ich checke nur immer noch nicht, warum wir Frauen uns nackig ausziehen müssen, um Freiheit zu beweisen. Fini isst die Requisitenwurst.
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Was
für ein unfassbar großartiger Film „Three Billboards outside
Missouri“ ist!
28.2.
Alles geht immer am Freitag Vormittag.
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Schade, dass ich mit meinem Hass kein Wärmekraftwerk betreiben kann, Trump und Putin würden mich energieautark machen. Schon der Fund einer Perücke im Gestrüpp des Wasserwaldes löst Assoziationen und energische Gewaltfantasien aus:
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Zum Glück gibt's die Sublimation und die Kunst. Wenn du wüsstest, wie schön „Wenn du wüsstest, wie schön es hier ist“ ist.
Mittwoch, Februar 19, 2025
Dad Jokes vom Horrorclown. Neue Dekrete
Ein Text für die Februar-Lesebühne:
Der Fasching bietet Gelegenheit zur Triebabfuhr: Endlich das schwere Joch der Vernunft abwerfen und richtig zum Tier werden! Das System sprengen und sich selbst im Suff das Augenlicht nehmen! Teilzeitnihilismus!
Bin ich die einzige, die derzeit das unangenehm satirische Gefühl hat, dass wir die Eltern sind und die Politiker die ungezogenen Kinder? Die Herrschenden rebellieren gegen uns. Derzeit ist es verflucht schwer, Satiren zu schreiben. Wie soll man die Realität noch überhöhen? Oder besser: unterbieten? Ich meine: Trumps Dekretflut am ersten Tag, in einem Habitus, der zweifeln ließ, ob er überhaupt gut genug schreiben könne, um seine eigene Unterschrift zu schaffen, geschweige denn lesen zu können, was für einen Schmarrn er da unterschreibt. Die Tage seit Trumps Inauguration wirken so, als habe das US-amerikanische Franchise der Original Lindsey Vorte die Scripted Reality in die Weltpolitik geschmuggelt.
Aktuell kämpft Trump für die Wiedereinführung des Plastikstrohhalms. DAS sind weltbewegende Anliegen des leider mächtigsten Mannes der Welt! Putin und Selenski sollen sich die Hand geben und „tschulligung“ nuscheln. Den Gazastreifen will Trump in eine neue Riviera verwandeln, sind ja lauter Top-Strandlagen dort. Was noch? Ein Disneyland Ost in Tschernobyl? Grönland annektieren, mit Heizpilzen erwärmen und mit Maisplantagen überziehen? Wenn er den Panamakanal hat, dann den Donaukanal, den Youtube-Kanal der OLW?!
Meine Analyse: Die Autokraten werden wieder bunter, grauer Büromausstyle à la Scholz-Merkel-Stocker ist out. Regimemäßig geht der Trend zu Fashio-FAschismus, also vintage. Es wird wieder Michael-Jacksonischer, Gaddaffi Duckiger. Als Petra Filzmayer der Despotie weiß ich, warum der Volkskanzlerkelch an uns vorüber gegangen ist: Kickl kickt nicht, er ist keiner, der herbärt, er hat keine main character energy, zu grau, zu viel Nagetier-Vibe, keinen Sex, keine Aura, kein Sigma-Typ. Toxisch, aber nicht männlich. Man setzt mit ihm auf ein zu kleines Pferd.
Zurück zu Trumps Dekreten – ich habe ihm folgende Anliegen mit Schwerpunkt Linz-Land bzw. „Dominika Meindl“ untergejubelt, der Depp hat's blanko unterschrieben!
Meine Postings sind fürderhin jubelpersisch zu kommentieren, also „lieb gesagt!“, und nicht „Dachte du bist Feministin, warum lässt du dich vom Hallstätter Bürgermeister würgen“ oder „Du hast sehr tiefe nasolabiale Falten!“
Österreich steigt sofort aus der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer aus, sucht euch einen neuen Staat, ihr Standortfetischisten
Frau Schmitzberger, ist es ab sofort untersagt, mir immer so neugierig in den Garten zu spernzeln
Konjunkturmaßnahme Bauwirtschaft: Errichtung eines Entlastungshallstatts beim Autobahnknotenpunkt Haid
Sofortige Einführung einer Qualitätsmedienförderung, sofern diese den Namen „Elon Musk“ nicht erwähnen
Ab sofort ist es bei Todesstrafe verboten, dass nahe Angehörige sterben – analog dazu sind sämtliche Biolog*innen dazu angehalten, daran zu forschen, die Lebenserwartung von Hunden zu verfünffachen
Kriese darf ab jetzt mit langem i geschrieben werden, und orthographisch ebenfalls dem eigenen Ermessen übergeben werden: Terrasse, Komitee und Karussel. Das ist die Rechtsschreibung, die das Land braucht.
Extreme Zölle auf unnötige Importe wie Dubai-Schokolade, K-Pop, Kim-Kardashian-News, Fracking-Öl, demokratiefeindliche Arschpopulisten, Gulaschdiktatoren, Genua-Tiefs, After Eight, Tesla-Trucks, Vogelgrippe
Es ist ab jetzt generell verboten, oasch zu sein.
Montag, Februar 03, 2025
Du steckst nicht im Overtourism, du BIST der Overtourism. Bittersüßes Südtirol
Man hatte mich nach Bozen eingeladen, um über Overtourism zu sprechen, und ich wusste, dass ich den Leuten hier nichts Neues erzählen würde, wenn ich von Hallstatt spreche.
Bei der Anreise überraschte mich meine Aufregung angesichts der Landschaft, die sich ab dem Brenner verstärkte, obwohl man hier wohl auf der Autobahn zwischen Sterzing und Brixen durch den hässlichsten Teil Südtirols muss. Ich erzählte lauter alte Schnurren von den alljährlichen Urlauben im Villnösstal, von den Bergtouren auf das Zuckerhütl und den Sas Rigais. Wir beschlossen, bei der Heimfahrt den reality clash in St. Maddalena zu riskieren, dabei wusste ich, dass man nicht mehr einfach über die Wiese hinüber zur Ranui-Kapelle gehen durfte, weil der Ort zum instagrammable spot auf der bucket list der everywhereists geworden war.
In Bozen ging ich ins Ötzi-Museum, natürlich, das stand ja auch auf meiner bucket list, denn nur weil ich zu einer Lesung eingeladen war, änderte das nichts an meinem Status als Touristin. Zu meiner Überraschung war fast nichts los, eine Mutter mit Kind schaute durch das kleine Fenster, das Kind meinte, der tote Mann glänze wie Speck. Ich war dann auch überrascht, dass mich der einsame Tote rührte, aber ich war auf eine gute Art dünnhäutig hier. Und die Ähnlichkeit des rekonstruierten Ötzis hört nicht auf, mich wegen seiner Ähnlichkeit zum Vater zu erstaunen.
Später erzählten mir die Veranstalterinnen, dass es absolut ungewöhnlich sei, einfach so ins Museum spazieren zu können, es gebe nur noch zwei, drei tote Wochen in Bozen, an allen anderen sei die Stadt voller Deutscher, Russen und Amerikaner; die Schlangen am Eingang und vor der Mumie elendslang.
Die Lesung im Literaturhaus war denn eine reine Freude, ich war wieder einmal erleichtert, mir den Roman doch herausgeschunden zu haben, denn es gibt bestimmt kein anderes Umfeld, in dem so liebenswürdige Menschen arbeiten. Mein Hochstapel-Gefühl wird sich wohl noch lange nicht legen, aber das ist keine schlimme Qual und eine andere Geschichte.
Am nächsten Tag fuhren wir durch das Villnößtal, ich war froh, nicht am Lenkrad zu sitzen, so sehr musste ich schauen. Die Eltern waren schon als ganz junge, mittellose Leute in den 1960ern hergekommen, von Beginn an immer an denselben Ort, und jedes Jahr endeten die Tage "am Ranui" mit der Vorfreude auf die Wiederkehr. Ich selbst war zuletzt vor zehn Jahren hier gewesen, eine letzte Reise mit dem Vater, der lange mit den Altbauern sprach; alle freuten sich. Meine jüngere Schwester war dann vor einem Jahr hier gewesen, von ihr wusste ich vom Drehkreuz und der zu erwartenden Entzauberung. Es war ein schöner Sonntag, der Andrang nicht stark, aber die Entfremdung deutlich. Das ist nichts Ungewöhnliches, keinem Ort glücklicher Kindheitstage bleibt sein Zauber.
Natürlich machten wir Fotos, natürlich achteten wir darauf, keine anderen Touristen draufzuhaben. Die freundliche Köchin hatte uns empfangen, es sei niemand da von den Betreibern des Hotels. Ich war erleichtert zu hören, dass die Altbauern noch lebten. Wir hinterließen Grüße und fuhren nach Hause in den ekelhaften Hochnebel. Wir waren keine Stunde hier gewesen.
Zuhause postete ich einige Fotos, und schrieb "völlig unterschätzt, wie sehr mir Südtirol gefehlt hat", was ja stimmte. Der gute Jörg Zemmler kommentierte recht sarkastisch, ich fühlte mich missverstanden, aber dann sah ich erst das Video, das er von seinem Fenster aus gemacht hatte: SUVs rollen Stoßstange an Stoßstange in Richtung Seiser Alm, jedes nicht-touristische Leben lähmend. Er hatte völlig recht.
Hallstatt ist klein, man entkommt dem Overtourism schnell wieder (wenn man nicht dort lebt). Wohin man sich in Südtirol zurückziehen soll, erscheint rätselhaft. Als Autorin möchte ich sehr, sehr gerne wiederkommen, als Touristin sollte ich es von jetzt an gut sein lassen.
Samstag, Februar 01, 2025
Das sanfte Gesetz bricht dir den Kiefer. Der Montag unter den Monaten
Lebenskrimskrams im Jänner 2025
1.1.
Auch
heuer nicht sehr schlimm verkatert. An mir soll's heuer
heute nicht scheitern. Ansonsten keine Vorkommnisse.
2.1.
Dank dicken Raureifs ist sogar der Zentralraum schön. Brennende Finger vom Bouldern. Sinnloser Tschibumm im Fernsehen.
3.1.
Durch emsiges Ordnen tief ins Gewebe des Haushalts eingedrungen. Dann trixt S. auf, dessen Gattin soeben das Haus entrümpelt hat, und macht durch seine Tombolaspende meine Bemühungen zunichte. Platz 1 auf der langen Liste absurden Besitztums: der Shrimps-Ausweide-Stößel von Alessi.
***
Aufs
Podest der schlechtesterzogenen Menschen drängeln sich vehement die selbsternannten Hundetrainerinnen, ex aequo zu den BMW- und Rennradfahrern. Bellend
verteidigen sie die eingebildeten Reviere ihrer zugerichteten Tiere.
Wäre ich Dante, ich ordnete sie in den siebten Kreis der Hölle,
wäre ich Apartheid-Politikerin, kämen sie in die unterste
Schublade.
4.1.
Glattauer „In einem Zug“ gelesen. Das Problem ist, dass ihm als Mann offenbar das emotionale Vokabular fehlt, um die Schönheit einer Langzeitbeziehung zu preisen. Mein eigenes Problem ist, dass mich Beziehungen in der Kunst nicht übermäßig interessieren. Immerhin kommt Vöcklabruck zu seltenen Ehren in der Literatur.
***
Neues in der Schaumkrone auf dem Waren-Ozean des Spätkapitalismus: eineFleece-Unterhose, hohe Stiefel für Huskys, Spielhut für Katzen (letzteres immerhin ein Fake, hoffentlich alles andere auch).
5.1. Neuzeug
Eine mittlerweile wichtige Tradition: mit Coala im Rohrer Kreisverkehr hängen bleiben. Sie ist enttäuscht, dass wir heuer nur zwei Runden schaffen, weil sie vergessen hat, dass ihr im vergangenen Jahr in der dritten schlecht geworden ist. Die Witterung ist maximal widerlich.
P. (9) beschämt mich mit einer Kniffelaufgabe, deren Lösung ich leider nicht nur aus Ungeduld nicht finde.
Am
Abend kommt mir der Nehammer als billige Parodievorlage abhanden,
aber das ist politisch gerade das geringste Problem. (Auch nicht,
dass der Nachfolger Stocker satirisch sehr karg wirkt, er ist wohl in der Charismaschule sitzengeblieben).
7.1.
Illusorische Hoffnung, dass mich die Rückkehr an den Schreibtisch mehr freut. Vielleicht hat das aber auch sein Gutes, weil ich ohne milde Jännerdepression im Hass auf alle Kickl-Ermöglicher verbrennen würde. Tremetzberger rät mir, in diesen Zeiten meine Kunstfigur schärfer ausfallen zu lassen, aber ich bin zu faul/deprimiert dafür. Wahrscheinlich bin ich überhaupt zu faul zum hassen. Ist es zu spät, Lyrikerin zu werden?
Eine
Marionette zieht auch am gleichen Strang wie ihr Führer.
8.1.
Franzobel lässt mich über den Buttinger grüßen, der behauptet, ich grübe gerade Kalashnikoffs aus, dabei ist Schusswaffengebrauch so gar nicht der Style der Präsidentin, die mit der Gefahr bloßer Fäuste dominiert. Derzeit viele Fantasien, den Kickl im direkten Körperkampf zu entzaubern.
Warum besinnen sich die Dummen und Reaktionären nicht auf Harmloseres wie Okkultismus? Muss es immer gleich Faschismus sein? Mit dem bescheuerten wissenschaftsfeindlichen Geschwurbel machen wir uns ja zum Gespött aller kommenden Generationen.
9.1.
René schickt uns den Link zu einer Seite, die zeigt, was die Daten- und Werbeindustrie alles binnen Millisekunden aus unseren unschuldigen Schnappschüssen herausliest: Hundebilder machen mich anfällig für Sorgen. Skitouren hingegen sind ein Upper-Class-Hobby und empfehlen mich als Zielgruppe für Volvo-Werbung. Beim Altern ist die KI halbwegs akkurat, bei der Einschätzung meines Wohlstands und meines Genders aber gar nicht. Rasse ist sehr wichtig, ich muss mich wieder einmal als Kaukasierin einschätzen lassen.
***
Anlässlich ihres kommenden 50. Geburtstags soll ich etwas über Mieze Medusa schreiben und schaue im eigenen Archiv nach. 159 Elemente auf der Festplatte enthalten den Begriff „Mieze“, die meisten wohl nicht mit echtem Cat Content.
***
Die neu erfahrene Tatsache, dass es einen Zimtbären gibt, verbessert meinen Tag um mindestens sieben Prozent.
***
Fernsehen. Ein Bodybuilder wählt bei den deutschen Staatsmeisterschaften als Untermalung seiner Posing-Kür das Mozart-Requiem.
10.1.
Abstinenzbedingte Manie (drei Newsletter, 4000 Z. Mieze-Hagiographie, diverser lang aufgeschobener Erledigungskleinscheiß), SÄMTLICHE Emails von Relevanz (+andere) beantwortet. Diesen Status erreiche ich höchstens einmal im Jahr, muss aufpassen, dass ich jetzt nicht zu Scientology gehe mit diesem Clearness-Level!!1!°
***
Im Alkovner Spar ertappe ich mich bei der Feststellung, dass ich sehr geschickt mit der Bierkiste hantiere, im selben Moment sehe ich, dass mir ein alter Mann wohlwollend zuschaut und anerkennend nickt, als sich unsere versoffenen Blicke treffen. Ich trage dazu Papas alte Waldjacke, was bei der optischen Eroberung der Männerdomäne hilft.
***
Wahrscheinlich ist eine Ursache meiner Schreibhemmung die Schwierigkeit, die Sache mit dem „Ich“ so zu regulieren, dass ich auf dem Grat zwischen Egozentrik und krampfhafter Bescheidenheit irgendwie vorankomme. Natürlich erzähle ich gerne von mir, oder zumindest auf dem halbwegs gesicherten Fundament eigener Wahrnehmung, aber es hemmt mich zugleich auch fürchterlich.
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„Ja Grüß Gott, die junge Dame!“ sagt Roman, als ich die Wohlfühloase Black Horse betrete, es fühlt sich an, als sei ich eine Bürgermeisterin, die sagt „fesch, dass' olle do sad's!“ Es könnte gut auch die Titelmelodie von „Cheers“ abgespielt werden. B. und ich reden kurz und intensiv an den schweren Dingen entlang, dann begleite ich ihn raus zu den anderen Rauchern. Er dreht sich zu einem Rocker um, zeigt auf die Plakette an dessen Brust und fragt, worin er denn Staatsmeister sei. „Standardpistole, 25 Meter.“ B. fragt ihn aus wie ein fleißiger Lokaljournalist, er trinkt dieses fremde Leben wie ich gerade mein erstes Bier in dieser Woche. In Wels, sagt B. später, gingen bei den Slams nur „zache“ Texte. Wir können die Jugend an sich verstehen (bzw. erinnern wir uns noch vage an die eigene), ihre Anliegen reißen uns aber nicht mehr mit, wir haben keine Zeit mehr für Deepness.
Später kommen Freunde dazu, eine ist mit dem Kerl zusammen, der im Echerntal die Hallstätter Luft abfüllt (übrigens im Elternhaus vom Bürgermeister, wie ich später erfahre). Sie habe als Jugendarbeiterin mittlerweile sieben bis acht Mini-Generationen von Teenies begleitet, alle wollen dasselbe (Sex, Sicherheit und einen Pool beim Jugendzentrum).
Dann zahle ich, großzügig halte ich Roman einen 10er für meine zwei Bier hin, die er milde annimmt. Zwar glaube ich noch, damit auch Trinkgeld gegeben zu haben, frage aber zum Glück nach, was denn ein Kozel jetzt koste: 5,30€. Er habe nichts gesagt, da ich einen „Wiedereinstiegsrabatt“ verdient habe. Beschämt lege ich nach, wir lachen beide über mich. Als wäre ich zehn Jahre im Koma oder in einem Schwellenland gewesen. Oder eine alte Oma, die von der Inflation nichts mitkriegt, weil im Heim nichts etwas kostet.
11.1.
Nichts ist passiert, außer dass ich Obiges aufgeschrieben habe und so lange gelesen habe, bis mir fad geworden ist. <3
12.1.
S.o. + klettern
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Oft widerfahren mir kleine Koinzidenzen, meistens dass ich ein Wort lese und es fast gleichzeitig im Fernsehen höre. Entweder bartle ich wirklich emsig im trüben Meer nach Informationsplankton oder ich entwickle diese Deja-Vues als Symptom einer milden Geistesverrückung.
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Haratischwili,
„Das mangelnde Licht“ - eh wieder mitreißend, aber hier könnte
man imho hunderte Seiten Dialog kürzen. Und lasst die dummen Gangster sich
einfach gegenseitig erschießen.
13.1.
Mit dem Wort „dringend“ gelingt es schnell und sicher, mich unwirsch zu machen.
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Muss sich ein Köhlmeier oder Glattauer auch die Ankündigungstexte selbst schreiben? Ich musste soeben „Doyen der Linzer Comedy Szene“ bzw. „emotionaler Einblick in ihre Welt heiterer Poesie“ verhindern.
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Ordnen und Ausmisten sind mein Valium. Letzteres ist derzeit recht anstrengend – die geerbten Fotoalben (Ziel ist die Reduktion von 47 auf 39, haha). Zum Glück hat die gute Mutter am liebsten Sehenswürdigkeiten leicht schief abgelichtet, die das liebe Internet nun für die Allgemeinheit erhält. Die paar Bilder mit dem Vater drauf lassen sich leicht herauspfriemeln und aufheben. Wie auch die Reihe „Faule Hunde im Welterbe“, s. Abb. 1:
Die Zahl der Toten auf den
Bildern steigt.
14.1.
Schwindende
Gnade mit Büchern, sobald man zu rechnen beginnt. Mehr als 70
schaffe ich nicht pro Jahr, 30 davon muss ich von Berufs wegen lesen. Optimistisch betrachtet bleiben 40 Jahre, macht 2800 Bücher (bei guter Führung). Im Haus
sind 5000. Jedes Jahr erscheinen 300 neue, die mich interessieren. Da
ist Wandern dankbarer, wenigstens kommen kaum neue Berge dazu.
15.1.
Man muss die Ideen anfüttern wie die Vögel im Garten.
16.1.
War Bodo Hell einmal in Bad Hall? (Wir vermissen ihn alle sehr.)
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Dem
Buttinger erzähle ich bei der Hunderücknahme, dass ich den Herren
in der Landesregierung fast ohne Genierer die
Buzz-Words „Literaturstandort“, „Kompetenzen“ und sogar
„Umwegrentabilität“ hingeworfen habe, nicht einmal vor „low
hanging fruits“
sei ich zurückgeschreckt. „Hast du Leuchtturmprojekt gesagt?“
„Scheiße, vergessen.“
17.1.
Derzeit tippe ich die „Erlebnisse“ vom Juli 2024 ab, wir sind schon am Grundlsee, und es überkommt mich das intensive Gefühl, als erzähle Frederick, die Dichtermaus, den Mäusegesichtern vom schönen Urlaub. [Das hier tippe ich Anfang August, wir sind gerade vom Grundlsee heim und seelisch völlig verkatert.]
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Lange Diskussion im Black Horse, wie groß der seelische Schaden sein muss, um relevante Kunst machen zu können. Wir einigen uns darauf: Ohne Schmerz ist's höchstens gut gemacht. Aber lieber gut leben als gute Kunst.
18.1.
Martin Pollack ist gestorben. Damit lebt jetzt keiner mehr vom Trio meiner quasi-väterlichen Vorbildfreunde. „What would Pollack, Riess or Hell say?“ Das Gedankenspiel werde ich natürlich weiterführen, dabei jetzt aber immer sehr traurig sein. Regina Pintar schreibt etwas später, sie habe auch gleich an mich gedacht, so wie ich an sie; wir sind schon ein sehr höflicher Pollack-Fan-Club. Hätte der ORF Ehre im Leib, müsste das gesamte Programm umgeworfen werden, aber nichts geschieht.
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Willkommener Kontrast: der würdelose Dreh zwecks Bewerbung des „Alpenbeets“ irgendwo in der Pampa des Bezirks Grieskirchen. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass ich jenes geschenkt bekomme, in das wir den Hund hüpfen lassen und das ich abschlecke, wäre ich vorher noch zum Friseur gegangen.
19.1.
Lesefrüchte: Der Eismeister vom Weißensee hat einmal eine Frau unabsichtlich mit dem Dixi-Klo über den ganze See gezogen. Sie war zu gehemmt gewesen, um rechtzeitig auf sich aufmerksam zu machen.
Bei Daniel Wisser lerne ich, dass die Flagge Liechtensteins praktisch dieselbe wie jene von Haiti ist, und die Hymne singt man mit der Melodie der britischen.
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E.s Tante habe im Alter von 84 Jahren in Kuala Lumpur versucht, sich mit Champagner das Leben zu nehmen. Ihre verbleibende Lebenszeit, immerhin zehn Jahre lang, sei sie sauer auf ihren Sohn gewesen, weil er sie gerettet hat.
20.1.
Am Blue Monday auf Bluesky angemeldet, es fängt schon gut an - das Menschsein als abzuschließende Herausforderung. Ich möchte es mit 84 dann auch allmählich mit Champagner versuchen.
Dauernd vertippe ich mich jetzt wegen meiner Oma-Augen und Opa-Finger.
Weil ich geistig heute nicht viel von mir erwarte, erledige ich mit dem üblichen schlechten Gewissen Hausarbeit und sehr, sehr schiefe Basteleien (ein Brett für die Winkekatzenteetasse). Faulheit und Unruhe sind aber eine natürliche Reaktion auf die drohende blauschwarze Koalition.
Immerhin:
das Rauschen der Wellen am Kiesstrand, wenn das Kraftwerk
stromaufwärts den Überlauf öffnet.
21.1.
Vielleicht ist's aber auch nur PMS und der Mangel an Berg. Egal, alles vergeht und ich vergehe, und am Freitag gibt’s wenigstens wieder Alkohol.
Abb. 33 "Gewölle"
Beim Fortwährenden Ent- und Berümpeln immer wieder das Erstaunen (und das Erstaunen über das Erstaunen), wieviel ich von bestimmten Produktgruppen immer noch besitze: Kapperl (Côte d'Azur, WhitePower, St. Rupert), Wollsocken (13 mit Loch), „interessant“ gemusterte Polyesterblusen. Dieses Haus ist die katholische Kirche meiner Prokrastination.
Vielleicht
sollte ich auch nichts mehr wegtragen? Immerhin kann ich es ja im
Kachelofen verbrennen oder in Schichten anziehen. Ich berümple den
Kasten mit einem Bio-Flanell-Holzfällerhemd, impulsiv im Internet
bestellt. Beim Auspacken hat es ganz anders gerochen als die Sachen,
die man im Geschäft anprobiert, nach Lagerhalle und dem dünnen
Schweiß ausgebeuteter Menschen.
22.1.
Ich denke, mir gelingt eine gute Effizienzsteigerung beim Lesen, wenn ich ab jetzt alle Artikel überspringe, in denen mir erklärt werden möchte, dass wir Linken wegen unserer Hypermoral schuld am globalen Rechtsruck sind. Und im echten Leben verweise ich künftig auf Musks Hitlergruß, wenn mir ein Mann mit „Differenzierungen“ kommt. Auch wenn ich mich wiederhole – es führt kein Weg am Matriarchat vorbei. Trotzdem werde ich hier weiterhin so wenig wie möglich von der politischen Außenwelt notieren, weil ich mich daran nicht erinnern werde wollen [Nachtrag 5.8.: Funktioniert nicht schlecht, außerdem ist ja BlauSchwarz gerade noch abgehütet worden.]
Abb. 34: Vielleicht haben die Trumpisten ja einfach nur Unterzucker?
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Wenigstens habe ich mich ausreichend über mich und meine Antriebslosigkeit beschert, dass praktisch alles auf einmal für die Lesebühne aus mir herausgeronnen ist, als wäre ich inkontinent und hätte einen Liter Tee getrunken. Vielleicht ist aber auch ein Gift im Bio-Flanellhemd, das mich denaturiert.
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experiment literatur: Milena und Daniel sind Füllfeder-Snobs, was eine sehr akzeptable Grille ist, andere müssen ins Puff oder Rennräder aus den 50ern sammeln (ich notiere das mit einem Giraffen-Legami-Stift für Volksschülerinnen). Milena erzählt, dass es jetzt sogar in Japan immer mehr Messies gebe.
In der Nacht reißt mich eine sonore Stimme aus dem Schlaf, die „odd hearing tipps“ gibt, irgendwas mit Ohrenhaaren. Buttingers Computer hat sich verselbstständigt, er selbst hört ihn nicht.
23.1.
Puchberg. Ab jetzt möchte ich mindestens einmal im Monat vor den versammelten Bibliothekarinnen des Landes (die paar Herren lieb mitgemeint) lesen, mit dem schlafenden Hund unterm Tisch. Danach Business Meeting mit Maria Z., bei dem wir hauptsächlich über das Seelenleben von Franz Adrian Wenzl mutmaßen (eine vitale Alternative zum Pollack-Fan-Club).
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Aktuell
trösten mich zwei Mini-Obsessionen im Winter unseres Missvergnügens:
1. Der bärenhafte Lee Asher rettet und küsst (während der eigene Hund draußen
im Garten zittert). 2. „Zweite Chance“-Gemüseschachteln (im Spar
Alkoven edler als in Hitzing, da kaufen die self-care-orientierten Speckgürtelbürger wohl
mehr Obst zur rechten Zeit). Andere müssen ins Puff oder Füllfedern
sammeln!
24.1.
Auf den Philippinen sind bereits 14 Menschen im Zusammenhang mit Frank-Sinatra-Karaoke ermordet worden.
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Bombogenese [Ich hab' wohl absichtlich nicht aufgeschrieben, was das Wort bezeichnet – die Entstehungsgeschichte der Hummeln oder die explosionsartige Entstehung von Wirbelstürmen? Ich verrate es auch jetzt nicht, wegen künftigen Kniffelspaßes.]
Während mir der Friseur eine David-Lynch-Frisur stylt (nicht meine Idee), erzählt er mir von seiner Vaterschaft: „Waun ma a weng gschickt und freindlich is, hod ma schnö amoi a boa Kinda.“
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Beträchtliche Freude mit der Lesebühne, sie ist hier Wort und Bild geworden: https://linzerworte.blogspot.com/2025/01/volkskanzler-verhindert-dank-my-little.html
25.1.
Daubenmerkl
lädt zum 60er ins Kino, gegeben wird „Unternehmen Petticoat“.
Cary Grant geht es dem ganzen Film lang so wie mir in der letzten
halben Stunde vor der Lesebühne. Aus feministischer Sicht der zeittypische Trallawatsch, dafür kann man die jungen Curtis und Grant
zur Entschädigung mit den Augen ausziehen. Großartig aber die
Casino-Szene, es gibt kaum eine bessere Parodie auf den
Spekulationskapitalismus! Diebsgut wird mit imaginärem Geld gekauft,
das dann sofort im Spiel verjuxt wird, das man nicht gewinnen kann.
26.1.
Sweet nothingness. Nur der Hund hat Not:
27.1.
Auf dem Hagler in der warmen Sonne sitzen und zugleich angesichts des Klimawandels frösteln.
28.1.
Nie wird die To-Do-List kürzer. Pro-Tipp: Eine Sache bis ganz an die Deadline hinausschieben, um andere stattdessen zu erledigen. Ich wiederhole mich hier, aber so ist das Leben. Dank Muskelkater (peinlich!), Regensturm und Terminfreiheit ist es heute auch akzeptabel.
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Jana
Volkmann hat offensichtlich dieselbe Neurose gegenüber Tieren –
wir können gar nicht anders, als ihnen zu schaden („Der beste Tag
seit Langem“, sehrsehr gut).
29.1.
Sagen wir, es ist Frühling. Die Spatzen twittern es von den Dächern.
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Michael
Leithinger tut so, als sei es peinlich, dass er immer schon vor
Mitternacht vom Leischen heimwolle und sich immer länger von den
Menschen erholen müsse.
30.1.
Der Zahnarzt erzählt, eine Zyste sei an sich etwas ganz Weiches, das den Kiefer brechen könne, weil es den Knochen verdränge. Ich bin ehrlich beeindruckt. „Das ist ja wie bei Stifters sanftem Gesetz!“ „Waun Sie des sogn, Frau Magister.“
***
Traum
vom Lesebühnenausflug nach Böhmen, bei dem uns der Buttinger nicht mehr
als ein
Bier miteinander gönnt. Ich rege mich sehr auf. In einem anderen
Traum in diesen Tagen muss ich ganz plaghaft eine Matratze durch Linz
schleppen. Dabei sieht mich der LH und sagt voller Mitleid „nau,
du?“
31.1. BOZEN
Unterschätzt, was Südtirol mit mir macht; ich war sehr lange nicht mehr hier. Gleich zu Beginn eine Lifestyle-Kollision im sehr noblen Hotel Laurin, aber noch bevor ich mich für meine ollen Schuhe genieren kann, läuft die junge Rezeptionistin aus dem edlen Pferch und kniet sich schockverliebt zum Hund hinunter. Vielleicht gehört eine so engagierte Begrüßung zum gehobenen Luxussegment. Irre, wo mich der Roman hinbringt.
Dann gehen wir tüchtig trinken – wenn Triest an der Butter/Olivenöl-Grenze thront, ist es hier die zwischen Bier und Wein.
Sehr schön die junge, sehr dünne Asiatin, die entsetzt die Hände an den Kopf legt, als ihr der Kellner die „Künstlerplatte“ auf den Tisch knallt (mit Fleisch, Fleisch und Fleisch drauf), die eigentlich für die chinesische Familie am Nebentisch bestimmt ist, welche dann auch mit acht Händen zulangt, sobald alles seine Richtigkeit hat.
Mehr zum ambivalenten Südtirol-Erlebnis hier: https://minkasia.blogspot.com/2025/02/du-steckst-nicht-im-overtourism-du-bist.html